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5 RJ 84/95

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin während des Bezuges von Erziehungsgeld Halbwaisenrente zustand.

Der beklagte Rentenversicherungsträger gewährte der Klägerin durch Bescheid vom 25. Mai 1984 und Folgebescheide ab 13. April 1984 Halbwaisenrente nach ihrem Vater, dem Versicherten D. B. Am 1. September 1988 nahm sie eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsgehilfin mit einer monatlichen Bruttovergütung von 450,00 DM im ersten, 500,00 DM im zweiten und 550,00 DM im dritten Ausbildungsjahr auf. Die Ausbildung sollte zum 31. August 1991 enden. Nach der Geburt ihres zweiten Kindes im August 1990 und Ablauf der Mutterschutzfrist nahm die Klägerin zwischen dem 24. Oktober 1990 und dem 27. Februar 1992 Erziehungsurlaub, hielt jedoch das Ausbildungsverhältnis aufrecht.

Mit Schreiben vom 12. Juni 1991 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß die Waisenrente mit Ablauf des Monats Juni 1991 entfalle, weil die Berufsausbildung der Klägerin beendet sei; während des Erziehungsurlaubs bestehe kein Anspruch auf Waisenrente. Durch Bescheid vom 28. Juni 1991 hob die Beklagte den Rentengewährungsbescheid vom 25. Mai 1984 rückwirkend zum 1. November 1990 auf und forderte einen überzahlten Betrag von insgesamt 2.214,96 DM für die Zeit bis 30. Juni 1991 zurück. Durch weiteren Bescheid vom 23. März 1992 änderte die Beklagte den Bescheid vom 28. Juni 1991 insoweit, als sie die Überzahlung nicht mehr zurückforderte. Nachdem die Klägerin angegeben hatte, sie habe den Bescheid vom 28. Juni 1991 nicht erhalten, übersandte ihr die Beklagte am 13. Juli 1992 eine Kopie dieses Bescheides, gegen den die Klägerin am 16. Juli 1992 Widerspruch einlegte mit der Begründung, die Halbwaisenrente habe weit unter der zulässigen Höchstgrenze von Einkommen neben Erziehungsgeld in Höhe von monatlich 750,00 DM gelegen. Nachdem der sie ausbildende Rechtsanwalt die Fortsetzung der Ausbildung ab 28. Februar 1992 bestätigt hatte, gewährte ihr die Beklagte durch weiteren Bescheid vom 4. Mai 1992 ab 1. März 1992 wieder Halbwaisenrente, machte in dem Bescheid aber zugleich darauf aufmerksam, daß die Waisenrente entfalle, wenn die Berufsausbildung beendet werde; es bestehe die gesetzliche Verpflichtung, eine vorzeitige Beendigung oder Unterbrechung unverzüglich mitzuteilen.

Nachdem die Beklagte aufgrund eigener Ermittlungen festgestellt hatte, daß das Ausbildungsverhältnis der Klägerin am 8. Oktober 1992 fristlos gekündigt worden war, teilte sie ihr mit Schreiben vom 8. März 1993 mit, daß die Waisenrente vom 1. November 1992 bis 31. Januar 1993 wegen Abbruchs der Berufsausbildung in Höhe von insgesamt 893,58 DM überzahlt worden sei und zurückgefordert werden solle. Durch Bescheid vom 29. April 1993 hob sie den Bescheid vom 4. Mai 1992 mit Wirkung ab 1. November 1992 teilweise auf und forderte zugleich 893,58 DM zurück, weil die Klägerin vorsätzlich oder grob fahrlässig ihren Mitteilungspflichten nicht nachgekommen sei. Mit dem am 18. Mai 1993 eingelegten Widerspruch räumte die Klägerin ein, daß sie für den Rückforderungszeitraum keinen Anspruch auf Waisenrente gehabt habe; zugleich bat sie um „Verrechnung“ des zurückzuzahlenden Betrags mit Waisenrente für die Monate August 1991 bis Februar 1992. Durch Widerspruchsbescheid vom 28. September 1993 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen die Bescheide vom 12. Juni 1991, 28. Juni 1991, 23. März 1992, 4. Mai 1992 und 29. April 1993 zurück, weil der Klägerin für die Zeit des Erziehungsurlaubs kein Anspruch auf Halbwaisenrente zugestanden habe. Die Rückforderung durch Bescheid vom 29. April 1993 sei rechtmäßig, weil die Klägerin aufgrund der Erläuterungen im Bescheid vom 4. Mai 1992 gewußt habe, daß ihr ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses kein Waisenrentenanspruch mehr zustehe.

Das SG hat mit Urteil vom 28. April 1994 die Bescheide der Beklagten vom 12. und 28. Juni 1991 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 23. März 1992 und des Widerspruchsbescheids vom 28. September 1993 insoweit aufgehoben, als darin der Waisenrentenbescheid vom 25. Mai 1984 ab November 1990 aufgehoben worden ist. Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Das SG habe zwar gewichtige Gründe für seine Auffassung, daß das Berufsausbildungsverhältnis der Klägerin trotz der Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs rechtlich fortbestanden habe. Dafür sprächen zum einen die Vorschriften des BErzGG; denn sonst sei der besondere Kündigungsschutz des § 18 Abs. 1 BErzGG während des Erziehungsurlaubs unverständlich. Auch würde es der sozialpolitischen Intention des BErzGG, die Betreuung von Kleinkindern durch die Eltern zu fördern, entgegenstehen, wenn einer waisenrentenberechtigten Mutter die Rente wegen der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub entzogen würde. Ab November 1990 sei es aber zu einer wesentlichen Änderung in den maßgeblichen Verhältnissen insoweit gekommen, als es sich bei dem Erziehungsurlaub weder um einen Teil der Berufsausbildung handele noch die Möglichkeit bestehe, diese Zeit über eine verfassungskonforme Auslegung des § 1267 RVO den übrigen waisenrentenberechtigenden Tatbeständen gleichzustellen. Insbesondere könne der Erziehungsurlaub nicht einer die Berufsausbildung unterbrechenden Krankheit oder Schwangerschaft gleichgestellt werden, da diese unabhängig vom Willen des Ausbildenden einträten und für sie keine besonderen sozialen Leistungen vorgesehen seien.

Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere des § 1267 RVO, und trägt vor: Schon von seiner Begrifflichkeit mache der Erziehungsurlaub deutlich, daß mit dessen Inanspruchnahme ein Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis nicht unterbrochen werde. Sozialpolitischer Zweck des Erziehungsurlaubs und -geldes sei es, die wirtschaftliche Situation von Müttern grundlegend zu verbessern, damit Schwangerschaftsabbrüche aus sozialen Gründen weitestgehend vermieden würden. Dann dürfe aber die Unterbrechung eines Ausbildungsverhältnisses zum Zwecke des Erziehungsurlaubes keinen Ausschluß des Anspruches auf Weitergewährung der Waisenrente mit sich bringen. Im übrigen beruhe der Anspruch auf Gewährung der Halbwaisenrente nicht auf der Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs, sondern darauf, daß das Ausbildungsverhältnis ununterbrochen fortbestanden habe.

Die Klägerin beantragt,

  • das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. September 1995 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 28. April 1994 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

  • die Revision zurückzuweisen. Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist begründet; auf die Revision der Klägerin war das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich des Anspruchs auf Gewährung von Waisenrente für die Zeit ab 1. November 1990 wiederherzustellen. Die den Rentengewährungsbescheid vom 25. Mai 1984 aufhebenden Bescheide der Beklagten vom 12. bzw. 28. Juni 1991 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 23. März 1992 und des Widerspruchsbescheids vom 28. September 1993 sind rechtswidrig. Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung von Halbwaisenrente auch neben dem Bezug von Erziehungsgeld.

Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlaß vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, wenn eine der unter den Nummern 1 bis 4 genannten weiteren Voraussetzungen erfüllt ist. Hiernach rechtfertigt sich weder die mit Wirkung für die Zukunft ausgesprochene Aufhebung des Rentengewährungsbescheides (Bescheid der Beklagten vom 12. Juni 1991) noch gar die rückwirkend auf den 1. November 1990 ausgesprochene Bescheidrücknahme (Bescheid vom 28. Juni 1991). Denn es fehlt an der erforderlichen Änderung in den Verhältnissen. Die Klägerin hat sich vielmehr auch nach Antritt des Erziehungsurlaubes mit Bezug von Erziehungsgeld in Berufsausbildung befunden.

Gemäß § 1267 Abs. 1 Satz 2 RVO, der dem von der Beklagten aufgehobenen Rentengewährungsbescheid vom 25. Mai 1984 zugrunde lag, wird einer Waise, die sich in Schul- oder Berufsausbildung befindet, längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres (Halb-)Waisenrente gewährt. Die Klägerin befand sich seit dem 1. September 1988 in der Berufsausbildung zur Rechtsanwaltsgehilfin. Dieses Ausbildungsverhältnis wurde durch den Antritt des Erziehungsurlaubs weder endgültig noch - wie die Beklagte meint - vorläufig beendet („unterbrochen“), es war lediglich hinsichtlich der Verwirklichung der aus ihm grundsätzlich folgenden Rechte und Pflichten ausgesetzt.

Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 BErzGG darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Erziehungsurlaub verlangt worden ist, höchstens jedoch sechs Wochen vor Beginn des Erziehungsurlaubs, und während des Erziehungsurlaubs nicht kündigen. Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 BErzGG gelten als Arbeitnehmer i.S. dieses Gesetzes auch die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Danach durfte der die Klägerin ausbildende Rechtsanwalt S. das Ausbildungsverhältnis der Klägerin wegen der Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs nicht kündigen. Dies ist nach den den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) auch nicht geschehen. Auch wenn eine Ausbildung tatsächlich nicht stattgefunden hat, die Berufsausbildung damit faktisch unterbrochen war, hat das Ausbildungsverhältnis der Klägerin im oben bezeichneten Sinne weiterbestanden. Die Berufsausbildungszeit der Klägerin hat sich um die Zeit des in Anspruch genommenen Erziehungsurlaubs verlängert (vgl. Meisel / Sowka, Mutterschutz und Erziehungsurlaub, 4. Aufl. 1995, S. 615 f, RdNrn. 5, 6; Zmarlik / Zipperer / Viethen, Mutterschutzgesetz, 5. Aufl. 1986, RdNrn. 3 und 4 zu § 20 BErzGG; Wiegand, Kommentar zum Erziehungsgeldgesetz, Stand September 1996, RdNr. 5 zu § 20 BErzGG). Mithin hat sich seit der letztmaligen Gewährung von Halbwaisenrente in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen eine i.S. des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X wesentliche Änderung nicht ergeben. Die Klägerin befand sich nach wie vor in Berufsausbildung. Entgegen der Ansicht des LSG ist es unerheblich, daß es sich bei dem Erziehungsurlaub selbst nicht um einen Teil der Berufsausbildung handelte. Relevant ist allein, daß dieser Erziehungsurlaub die - hiervon unabhängig zu betrachtende - Berufsausbildung nicht beendete.

Diese Erkenntnis läßt sich auch aus der Regelung des § 20 Abs. 1 Satz 2 BErzGG entnehmen, wonach die Zeit des Erziehungsurlaubs auf Berufsbildungszeiten nicht angerechnet wird. Einer solchen Regelung hätte es nicht bedurft, wenn die Berufsausbildung durch die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub (vorläufig) beendet würde. Der Anspruch auf Erziehungsurlaub setzt gemäß § 15 Abs. 1 BErzGG vielmehr das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses (Berufsausbildungsverhältnisses, § 20 Abs. 1 BErzGG) voraus; denn nur Arbeitnehmer - und ihnen gleichgestellt zur Berufsausbildung Beschäftigte - sind hiernach anspruchsberechtigt. Daß gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 BErzGG Anspruch auf Erziehungsgeld nur derjenige hat, der keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt, steht dieser Annahme nicht entgegen. Daraus folgt lediglich, daß sich volle Erwerbseinkünfte und der Bezug von Erziehungsgeld ausschließen.

Auch die oben angesprochene Aussetzung der Berufsausbildung der Klägerin beendet das „Sich-in-Schul- oder Berufsausbildung-Befinden“ i.S. des § 1267 Abs. 1 RVO nicht. Die Frage, ob sich eine Waise während tatsächlicher Unterbrechungen der Ausbildung in Schul- oder Berufsausbildung befindet, kann nämlich nicht rein begrifflich, sondern nur im Wege einer am Sinngehalt und Normzweck orientierten Auslegung der Vorschrift beantwortet werden (vgl. BSG Urteil vom 22. Februar 1990 - 4 RA 38/89 - SozR 3-2200 § 1267 Nr. 1). Demzufolge sind etwa Zeiten einer vorübergehenden, wenngleich längeren Krankheit (BSG Urteil vom 4. Mai 1965 - 11/1 RA 214/62 - SozR Nr. 16 zu § 1267 RVO) ebenso als Berufsausbildung gewertet worden wie die Zeit zwischen dem Ende des Ausbildungsverhältnisses i.S. des BBiG und der Prüfung (BSG Urteil vom 29. Mai 1979 - 4 RJ 101/78 - SozR 2200 § 1267 Nr. 19). In extensiver Auslegung hat die Rechtsprechung zudem ein in einer Ausbildungsordnung nicht vorgeschriebenes Vorpraktikum unter bestimmten Voraussetzungen als Berufsausbildung angesehen (BSG Urteil vom 3. November 1987 - 10 RKg 13/86 - SozR 5870 § 2 Nr. 53) und eine nicht vermeidbare Zwischenzeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten - insbesondere zwischen Abitur und nächstmöglicher Immatrikulation an einer Hochschule - unschädlich sein lassen (BSG Urteil vom 12. November 1969 - 4 RJ 495/65 - SozR Nr. 38 zu § 1267 RVO; Urteil vom 2. Dezember 1970 - 4 RJ 479/68 - SozR Nr. 42 zu § 1267 RVO; Urteil vom 19. Mai 1983 - 1 RA 1/83 - SozR 2200 § 1262 Nr. 26; Urteil vom 15. Oktober 1986 - 5b RJ 28/86 - SozR 2200 § 1262 Nr. 36). Nach den vorgenannten Entscheidungen waren die Unterbrechungstatbestände deshalb rentenunschädlich, weil die Aufnahme einer Berufstätigkeit in den Unterbrechungszeiträumen nicht zumutbar war. Gleiches gilt nach dem Sinn und Zweck der Gewährung von Erziehungsurlaub und Erziehungsgeld aber auch für die Zeit der Unterbrechung der Berufsausbildung wegen Kindererziehung.

Das BErzGG verfolgt den Zweck, es zu ermöglichen bzw. zu erleichtern, daß sich ein Elternteil der Betreuung und Erziehung des Kindes in der für die ganze spätere Entwicklung entscheidenden ersten Lebensphase des Kindes widmet, indem für Mütter und Väter mehr Wahlfreiheit zwischen der Tätigkeit für die Familie und einer Erwerbstätigkeit geschaffen wird (vgl. Begründung des Gesetzentwurfes BT-Drucks. 10/3792 S. 13 ff.; BSG Urteil vom 20. Dezember 1990 - 4 REg 11/90 - SozR 3-7833 § 6 Nr. 1). Im Gegensatz zur Waisenrente, bei der wie bei jeder Hinterbliebenenrente der gesetzlichen Rentenversicherung die Unterhaltsersatzfunktion im Vordergrund steht, handelt es sich beim Erziehungsgeld damit ausdrücklich nicht um eine Lohnersatzleistung, sondern um eine familienpolitisch motivierte Sozialleistung, die die Kindererziehung in den ersten Lebensjahren fördern soll. Die im BErzGG vorgesehenen Leistungen bezwecken mithin nicht, dem erziehenden Elternteil Unterhaltsaufwendungen zu ersetzen (BSG a.a.O. SozR 3-7833 § 1 Nr. 1).

Aus diesem Grunde ist auch ein Unterhaltsverpflichteter grundsätzlich nicht berechtigt, Unterhaltszahlungen wegen des Bezuges von Erziehungsgeld zu kürzen oder einzustellen, § 9 Satz 1 BErzGG. Diese Vorschrift dokumentiert den Willen des Gesetzgebers, die Leistungen nach dem BErzGG dem Erziehungsgeldberechtigten möglichst ungeschmälert zugute kommen zu lassen, also zusätzlich zu den bestehenden Unterhaltsansprüchen (vgl. Gesetzesbegründung zu § 9 BErzGG in: BT-Drucks. 10/3792 S. 18). Demzufolge liegt eine Leistungskumulation nicht vor; denn die Zweckrichtung der verschiedenen Sozialleistungen ist nicht identisch.

Entgegen der Ansicht des SG bestehen gegen die entsprechende Auslegung des Begriffs der Schul- und Berufsausbildung in § 1267 Abs. 1 Satz 2 RVO auch nicht deshalb Bedenken, weil es sich um eine extensive Auslegung einer Vorschrift mit Ausnahmecharakter handelte. Denn § 1267 Abs. 1 Satz 2 RVO erweitert den Leistungstatbestand. Dies stellt nicht die Regelung einer Ausnahme, sondern allenfalls eine lex specialis dar (vgl. Igl, SGb. 1996, 86 f, 87).

Entgegen der Auffassung des LSG ist die teilweise Aufhebung des Rentengewährungsbescheids vom 4. Mai 1992 mit Wirkung ab 1. November 1992 durch Bescheid vom 29. April 1993 nicht Gegenstand des Widerspruchs- und Klageverfahrens geworden. Entsprechend hat das SG - bewußt - eine Entscheidung hierüber auch nicht herbeigeführt. Dem SG-Urteil ist vielmehr zu entnehmen, daß das Gericht davon ausgegangen ist, die Klägerin habe eingesehen, daß ihr für die Zeit vom 1. November 1992 bis 31. Januar 1993 keine Halbwaisenrente mehr zugestanden habe; sie habe mit ihrem „Widerspruch“ allein eine „Verrechnung“ mit ihrer Nachzahlungsforderung für die Monate August 1991 bis Februar 1992 erreichen wollen.

Dieser Auslegung des „Widerspruchs“ vom 18. Mai 1993 tritt der Senat bei. In dem ersten Satz der Begründung heißt es nämlich: „Es ist richtig, daß ich im Zeitraum vom 1.11.1992 - 31.1.1993 keinen Anspruch mehr auf Waisenrente habe.“ Sodann bezieht sich die Klägerin nur noch auf den „offenstehenden“ Betrag von August 1991 bis Februar 1992 und macht ein Rechenwerk auf, wonach von der Beklagten noch ein verbleibender Betrag von 1.044,51 DM zu zahlen sei. Aus diesem Grunde hat der Senat erkannt, daß es nach Aufhebung des Urteils des LSG bei dem Urteilsausspruch des SG verbleiben konnte, ohne daß der Tenor dieser Entscheidung mit einer Maßgabe bezogen auf die Bescheide der Beklagten vom 4. Mai 1992 und 29. April 1993 ergänzt werden müßte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

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