13 RJ 79/93
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger als weitere Rehabilitationsmaßnahme die Teilnahme an einem sechs Monate dauernden Reintegrationsseminar an der K Wirtschaftsfachschule zu bewilligen.
Der Kläger (geboren 1940) war von Beruf Bau- und Möbeltischler. Diesen Beruf mußte er jedoch wegen eines Wirbelsäulenleidens aufgeben. Er stellte daraufhin im Jahre 1986 bei der Beklagten einen Antrag auf berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation. Diese erkannte mit Bescheid vom 13. März 1987 ihre Zuständigkeit an, teilte mit, daß sie das zuständige Arbeitsamt um einen Eingliederungsvorschlag gebeten habe, und erklärte sich bereit, eine befristete Eingliederungshilfe zu bewilligen, "sofern" die "berufliche Rehabilitation über eine geeignete Arbeitsplatzvermittlung verwirklicht werden soll".
Das Arbeitsamt Koblenz schlug nach psychologischer Begutachtung des Klägers und eingehender Beratung mit ihm eine Umschulung zum Bürokaufmann nach Durchführung eines Vorförderungsseminars vor.
Dem Vorschlag des Arbeitsamts Koblenz vom 8. Mai 1987 folgend bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Mai 1987 einen Reha-Vorbereitungslehrgang im Berufsförderungswerk V, der vom 9. Juni 1987 bis 29. September 1987 durchgeführt wurde. Dem schloß sich eine Umschulung zum Bürokaufmann an, die ebenfalls bereits mit Bescheid vom 22. Mai 1987 in Aussicht gestellt worden war. Die Ausbildung lief, nachdem sie wegen zwischenzeitlicher Krankheitszeiten verlängert werden mußte, letztlich bis Dezember 1989.
Mit Schreiben vom 29. November 1990 machte das Arbeitsamt Koblenz die Beklagte darauf aufmerksam, daß es dem Kläger trotz eifriger Bemühungen bisher nicht gelungen sei, einen Arbeitsplatz zu finden. Er sei jetzt langfristig arbeitslos, über 50 Jahre alt und im Umschulungsberuf ohne praktische Erfahrung. Es sei daher dringend erforderlich, ihn durch ein betriebliches Praktikum einer geeigneten Tätigkeit im kaufmännischen Bereich zuzuführen. Hierfür werde vorgeschlagen
"Teilnahme an dem Reintegrationsseminar 'Berufliche Bildung und Praxis für Erwachsene' während der Zeit vom 7. Januar 1991 bis 28. Juni 1991. Als Maßnahmeträger fungiert die K Wirtschaftsfachschule ... Es handelt sich dabei um eine Maßnahme, die der beruflichen Fortbildung zuzuordnen ist, um zum einen berufliche Kenntnisse festzustellen, zu erweitern bzw berufliche Praxis zu erlangen. Innerhalb einer vierwöchigen Theoriephase werden die Teilnehmer auf das Zukünftige vorbereitet, um im Rahmen einer ca fünf Monate dauernden Praxisphase in einem Betrieb praktisch unterwiesen zu werden bzw praktisch mitzuarbeiten in einem Bereich, der den eingeschränkten körperlichen Leistungsfähigkeiten entspricht. Die vorgenannte Maßnahme ist eine, die speziell auf die Bedürfnisse von Schwerbehinderten und Rehabilitanden zugeschnitten ist ..."
Mit Bescheid vom 11. April 1991 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für das genannte Reintegrationsseminar ab. Ziel dieses Seminars sei es, bei Langzeitarbeitslosen und älteren Versicherten die psychosozialen Folgen der Arbeitslosigkeit zu beheben; in einer Praxisphase solle das Arbeitsverhalten stabilisiert werden. Derartiges sei beim Kläger nicht erforderlich. Der Kläger habe während der abgeschlossenen Ausbildung zum Bürokaufmann die erforderlichen praktischen Erfahrungen im Umschulungsberuf in der Übungsfirma des Berufsförderungswerkes erworben. Defizite, wie zB mangelnde Bewerbungspraxis, Gewöhnung an den Arbeitsrhythmus usw, seien bei dem Kläger nicht zu verzeichnen. Es stehe damit zu erwarten, daß die Teilnahme an der Reintegrationsmaßnahme die Bemühungen zur beruflichen Wiedereingliederung nicht wesentlich weiterbringe. Weitere Maßnahmen seien nicht erforderlich.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 29. April 1991 Widerspruch. Das Arbeitsamt Koblenz hielt nach Rücksprache mit dem Kläger ebenfalls durch ein Schreiben vom 29. April 1991 an dem Vorschlag fest und wies darauf hin, daß bei dem Kläger nach 15monatiger Arbeitslosigkeit eine Anpassung der Kenntnisse an praktische Anforderungen dringend notwendig sei. Es teilte dabei mit, daß diesem erneuten Vorschlag eine Rücksprache mit und eine Aufforderung durch das Landesarbeitsamt zugrunde liege.
Im Widerspruchsbescheid vom 29. August 1991 hielt die Beklagte an den Gründen des angefochtenen Bescheides fest.
Mit der Klage machte der Kläger geltend, daß seine Bewerbungen nur Aussicht auf Erfolg hätten, wenn er berufspraktische Erfahrungen erwerbe. Hierfür sei das vorgesehene Reintegrationsseminar geeignet, da dort die Praxisphase das Schwergewicht bilde.
Demgegenüber wies die Beklagte noch einmal darauf hin, daß Reintegrationsseminare einem anderen Ziel dienten, und berief sich dazu auf eine Stellungnahme des Landesarbeitsamts Rheinland-Pfalz vom 9. August 1990.
Das Sozialgericht Koblenz (SG) hat nach Beiladung der Bundesanstalt für Arbeit (BA) die Bescheide der Beklagten aufgehoben und die Beklagte antragsgemäß verurteilt, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (Urteil vom 16. Juli 1992). Es hat die Auffassung vertreten, das Ziel der Rehabilitation sei noch nicht erreicht, da der Kläger noch nicht beruflich eingegliedert sei. Das Reintegrationsseminar sei geeignet, den Bildungsstand des Klägers im Umschulungsberuf zu verbessern und neue Bildungsinhalte, insbesondere in bezug auf die fortschreitende Entwicklung der Anwendung von EDV, zu vermitteln.
Die Beklagte hat hiergegen Berufung eingelegt. Sie hat dabei darauf hingewiesen, daß sie bereit sei, die Eingliederung durch Eingliederungshilfe an Arbeitgeber zu unterstützen. Sofern es darum gehe, Kenntnisse und Fähigkeiten aufzufrischen, um die Vermittlungschancen zu erhöhen, sei die BA zuständig. Das Rehabilitationsziel sei mit der abgeschlossenen Ausbildung erreicht worden. Die Zuständigkeit der BA ergebe sich auch aus § 2 Abs 3 der Vereinbarung über berufliche Rehabilitation zwischen dem Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) und der BA von 1993 (Vereinbarung '93).
Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) hat das Lehrgangskonzept der K Wirtschaftsfachschule beigezogen und in Auswertung dieses Konzepts das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 25. Oktober 1993). Es hat die Auffassung der Beklagten bestätigt, daß sie eine Förderung des Reintegrationsseminars mangels Eignung ablehnen durfte. Dem Konzept nach handele es sich bei dem streitigen Seminar eher um eine Maßnahme der Berufsfindung. Das gelte auch für das betriebliche Praktikum von 672 Stunden. Dies könne schon deshalb die Vermittlungsaussichten des Klägers nicht verbessern, weil es nicht speziell darauf ausgerichtet sei, dem Kläger eine Praktikumsstelle im Umschulungsberuf zu vermitteln, und weil auch keine Verpflichtung des Arbeitgebers bestehe, den Praktikanten beruflich weiterzubilden. Es sei lediglich vom "Lernen am Arbeitsplatz" die Rede. Daß dort Kenntnisse auf dem Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung vermittelt würden, sei nicht erkennbar.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, das LSG habe sein Ermessen an die Stelle eines nicht ausgeübten Ermessens der Beklagten gesetzt. Die Beklagte habe bei ihrer Entscheidung die Unterlagen der K Wirtschaftsfachschule nicht ausgewertet, mithin ermessensfehlerhaft gehandelt.
Im übrigen ergebe sich aus diesen Unterlagen durchaus eine Eignung des Seminars zur Förderung der Wiedereingliederung des Klägers. Der Kläger rügt insoweit unzureichende Sachaufklärung. Das LSG habe versäumt, sich durch Vernehmung der Mitarbeiter der K Wirtschaftsfachschule ein Bild über die tatsächliche Durchführung und Nützlichkeit des Praktikums zu machen.
Der Kläger beantragt,
- das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
- die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, daß mit der geglückten Umschulung die Rehabilitation abgeschlossen sei, da der Kläger wettbewerbsfähig einen Beruf ausüben könne. Im übrigen sei auch fraglich, ob der Kläger seinen Mitwirkungspflichten genügt und genügend zur Aufrechterhaltung seiner Kenntnisse getan habe.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie hält das Reintegrationsseminar wegen seiner tatsächlichen Ausgestaltung für die letzte verbleibende und zumindest in der Praxisphase auch für eine geeignete Maßnahme, die Vermittlungsaussichten des Klägers durch Praxiserfahrung zu verbessern. Sie ist der Ansicht, daß nur nach Durchlaufen einer solchen Praxisphase eine Chance bestehe, den Kläger mit Hilfe von Eingliederungshilfen zu vermitteln, da der Kläger ohnehin gegenüber jüngeren und erfahreneren Bürokaufleuten keine guten Chancen habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des LSG ist aufzuheben und die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Beklagte unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats neu zu entscheiden hat.
Das LSG hat zutreffend die Zulässigkeit der Berufung bejaht. Es hat die Übernahme der Kosten für ein sechsmonatiges Reintegrationsseminar richtigerweise nicht als einmalige Leistung, sondern als eine Leistung angesehen, die sich über einen Zeitraum von sechs Monaten erstreckt (BSG SozR 4460 § 5 Nr 3).
Der Streitgegenstand dieses Verfahrens ist im übrigen nicht auf die Ablehnung des Reintegrationsseminars begrenzt. Der Bescheid der Beklagten vom 11. April 1991 beschränkt sich nicht auf die Ablehnung einer Förderung dieser Maßnahme, sondern lehnt generell weitere Maßnahmen als nicht erforderlich ab. Diesen Bescheid hat der Kläger in vollem Umfang angefochten. Er hat zwar stets die Förderung des Reintegrationsseminars weiterverfolgt. Daraus ist aber keine Beschränkung des Rehabilitationsbegehrens abzulesen. Nennt der Versicherte bei der Antragstellung eine konkrete Maßnahme, so hat dies regelmäßig nur die Bedeutung eines Vorschlags sofern nicht erkennbar ist, daß der Versicherte nur mit der genannten Maßnahme einverstanden ist und andere Maßnahmen ausschließt (BSG SozR 3-2200 § 1236 Nr 3; SozR 3-2200 § 1237 Nr 2). Für eine andere Folgerung gibt es hier keinen Anhalt. Der Kläger hat zwar auch im Gerichtsverfahren (Klageschrift, Revisionsschrift) die Förderung des Reintegrationsseminars beantragt. Dies kann aber - solange ein anderer Wille nicht deutlich ist - nur als die Verfolgung der durch die BA empfohlenen und damit für ihn auch naheliegendsten Möglichkeit angesehen werden, ohne daß daraus eine Einschränkung gefolgert werden könnte.
Ebenso ist das LSG zutreffend davon ausgegangen, daß die Entscheidung des SG, die Berufung werde nicht zugelassen, die Zulässigkeit kraft Gesetzes nicht beeinflußt.
In der Sache ist der Entscheidung noch das Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO) zugrunde zu legen. Maßgeblich dafür ist, daß die Vorschriften der RVO noch zur Zeit der Antragstellung galten (§ 301 Abs 1 SGB VI). Antrag in diesem Sinne ist der Antrag auf Einleitung des Rehabilitationsverfahrens (BSG SozR 3-2200 § 1236 Nr 3), der im vorliegenden Fall 1986 gestellt wurde.
Rechtsgrundlage für die Zuständigkeit der Beklagten ist danach § 1236 Abs 1 Satz 1 RVO. Dort ist bestimmt, daß die Rentenversicherungsträger zuständig sind, wenn die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und durch Leistungen zur Rehabilitation die Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann, oder wenn bei einer bereits geminderten Erwerbsfähigkeit durch diese Leistung der Eintritt von Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit abgewendet werden kann. Diese Regelung bezieht sich allerdings nicht auf alle Versicherten, sondern nur auf diejenigen, die die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 1236 Abs 1a RVO erfüllen; für berufliche und medizinische Rehabilitation gelten dabei unterschiedliche Voraussetzungen.
Im vorliegenden Fall geht es um berufliche Rehabilitation. Die besonderen Voraussetzungen des § 1236 Abs 1a Satz 1 Nr 2 Buchst a und letzter Satzteil RVO sind hierbei nicht zweifelhaft. Die Beklagte war auch der zuständige Versicherungsträger, da der Kläger in ihrem Amtsbereich wohnte und den letzten Beitrag zur Arbeiterrentenversicherung entrichtet hat (Abschn 1.1 sowie 3.1 iVm 2.1 der Vereinbarung über die Zuständigkeit der Träger der Rentenversicherung untereinander für Leistungen zur Rehabilitation vom 1. August 1975, BKK 1976, 107; abgedruckt in Aichberger, ältere Ausgabe unter Nr 596).
Auch die sachlichen Voraussetzungen eines in die Zuständigkeit der Beklagten fallenden Rehabilitationsfalls sind hier nicht zweifelhaft. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers war insoweit gemindert, daß er seinen bisherigen Beruf als Tischler nicht mehr ausüben konnte; es konnte aufgrund der Fähigkeiten des Klägers und seiner verbliebenen Erwerbsfähigkeit auch erwartet werden, daß er durch Umschulung wieder in die Lage versetzt werden würde, eine Berufstätigkeit auf dem Arbeitsmarkt auszuüben.
Die Beklagte hat ihrer Verpflichtung zunächst durch die Umschulung zum Bürokaufmann Rechnung getragen. Damit hat sich aber ihrer Aufgabe nicht erledigt. Sie besteht vielmehr solange fort, bis entweder der Kläger dauerhaft in das Erwerbsleben eingegliedert ist oder aber die mangelnde Erfolgsaussicht weiterer beruflicher Rehabilitationsmaßnahmen festgestellt wird. Die berufliche Eingliederung des Klägers ist erst vollendet, wenn er eine Erwerbstätigkeit auf einem Dauerarbeitsplatz aufgenommen hat (BSGE 50, 51; BSG SozR 2200 § 1237a Nr 16).
Mit der so begründeten Zuständigkeit wird im Bereich der Rehabilitation dem Rehabilitationsträger in mehrfacher Hinsicht eine Gesamtverantwortung zugewiesen.
Er ist für das Gelingen der Rehabilitation sowohl in seinem eigenen Zuständigkeitsbereich als auch in bezug auf die reibungslose Verzahnung mit Maßnahmen anderer Träger verantwortlich. § 5 Abs 2 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) bestimmt, daß jeder Träger im Rahmen seiner Zuständigkeit die nach Lage des Einzelfalles erforderlichen Leistungen so vollständig und umfassend zu erbringen hat, daß Leistungen eines anderen Trägers nicht erforderlich werden. Dem entspricht im Verhältnis zur Arbeitsverwaltung auch die Fassung des § 57 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Für die Versicherten iS von § 1236 RVO sind nur die Rentenversicherungsträger zuständig, nicht jedoch die BA, auch nicht teilweise (BSGE 48, 92, 98 ff, 50, 111; BSG SozR 4100 § 57 Nrn 9 und 11 sowie 2200 § 1237a Nr 16). Die Arbeitsverwaltung hat, soweit sie eingeschaltet wird, lediglich die Stellung einer Sachverständigen oder einer Gehilfin (Stroebel, Sozialversicherung 1977, 143, 145).
Es ist nicht so, daß die Zuständigkeit gespalten ist in dem Sinne, daß die BA für typische Arbeitsmarktmaßnahmen wie Arbeitsvermittlung, Eingliederungshilfe, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Förderung der Arbeitsaufnahme, zuständig bleibt. Der 1. Senat des BSG hat in seiner Entscheidung vom 11. September 1980 (in SozR 2200 § 1237a Nr 16; s auch BSG SozR 2200 § 1237a Nr 12) klar darauf hingewiesen, daß sämtliche Eingliederungsverpflichtungen einheitlich in der Hand des Rehabilitationsträgers liegen und von diesem zu erfüllen sind. Sicherlich kann sich der Rentenversicherungsträger gerade für die Arbeitsvermittlung und das Aufspüren von Möglichkeiten der Unterbringung mit Eingliederungshilfe der Sachkunde und des Apparates der BA bedienen. Die Entscheidung und die Kostenlast bleiben aber ebenso beim Rentenversicherungsträger wie eine Initiativpflicht zur möglichst schnellen Eingliederung des Behinderten. Der Rehabilitationsträger ist also insoweit immer primär zuständig und verantwortlich und muß alle Möglichkeiten ausschöpfen, den Versicherten beruflich einzugliedern, unabhängig davon, welche Maßnahmen die BA (eigenständig oder im Auftrag des Reha-Trägers) unternimmt.
Die Gesamtverantwortung erstreckt sich ferner nicht nur auf das Gelingen der Rehabilitation im eigenen Zuständigkeitsbereich, sondern auch auf eine reibungslose Verzahnung mit Maßnahmen anderer Träger. Dies ergibt sich aus § 5 Abs 1 und 3 RehaAnglG. Schließlich bleibt der Rehabilitationsträger auch in zeitlicher Hinsicht zuständig und gesamtverantwortlich, bis die Rehabilitation mit dauerhaftem Erfolg abgeschlossen worden ist (BSG aaO).
Zu Unrecht ist die Beklagte der Auffassung, daß sie gemäß § 2 Abs 3 der Vereinbarung '93 (abgedruckt in Kompaß 1993, 584) nicht zuständig sei. Abgesehen davon, daß die Vereinbarung '93 erst am 1. Februar 1993 in Kraft getreten ist und deshalb jedenfalls für die Zeit davor keine Wirkung entfalten kann, fehlt auch die Rechtsgrundlage dafür, daß durch eine solche Vereinbarung zwischen Leistungsträgern die gesetzliche Zuständigkeit verändert werden kann. § 5 Abs 6 RehaAnglG erlaubt lediglich Vereinbarungen über das Rehabilitationsverfahren, die nahtlose und zügige Abwicklungen ermöglichen sowie Vereinbarungen über den Umfang von Leistungen. Eine Bestimmung wie § 2 Abs 3 der Vereinbarung '93 geht jedoch über diesen Bereich hinaus, soweit dort notwendige Maßnahmen zur dauerhaften Eingliederung in Arbeit und Beruf als eigenständiger Leistungsfall aus dem Pflichtenkreis des Rehabilitationsträgers herausgeschnitten und einer besonderen Zuständigkeitsregelung unterworfen werden. Das Gesetz kennt eine solche Regelung nicht einmal in Ansätzen.
Die Beklagte als umfassend zuständiger Rehabilitationsträger durfte sich dementsprechend schon von Beginn an nicht damit begnügen, eine Umschulungsmaßnahme zu bewilligen. Sie mußte vielmehr bereits bei der Einleitung der Rehabilitation ihre umfassende Zuständigkeit im Auge behalten und grundsätzlich gemäß § 5 Abs 3 RehaAnglG einen Gesamtplan erstellen; denn bei dem Alter und der mangelnden Berufserfahrung des Klägers war von vornherein damit zu rechnen, daß allein die Umschulung nicht zur Eingliederung in das Arbeitsleben führen würde (siehe dazu auch Gesamtvereinbarung über den Gesamtplan vom 1. Juli 1978, abgedruckt in Jung/Preuß, Rechtsgrundlagen der Rehabilitation unter 1.14). Ein Gesamtplan in diesem Sinne muß allerdings nicht stets schon die späteren Maßnahmen festlegen, weil dies oft in einem frühen Stadium noch nicht sinnvoll ist. Er muß aber zumindest einen Verfahrensplan enthalten, der vorsieht, wann und durch wen Rückmeldungen über Probleme bei der Rehabilitation und über weiteren Rehabilitationsbedarf erfolgen sollen und wann ggf über weitere Maßnahmen entschieden wird. Der Plan mußte sicherstellen, daß die Rehabilitationsmaßnahmen nahtlos ineinandergreifen und so früh wie möglich einsetzen. Zugleich war dabei die Zusammenarbeit mit anderen Trägern für den konkreten Fall festzulegen (siehe dazu § 5 Abs 1, 3 und 6 Satz 1 Nr 1 RehaAnglG sowie die Präambel zur Gesamtplanvereinbarung).
Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an einem rechtzeitig erstellten Plan, der festlegt, ob und ab wann und in welchem Umfang die Beklagte bereit war, die Arbeitsvermittlung durch Eingliederungshilfen oder Zuschüsse für eine Probebeschäftigung (§ 1237a Abs 1 Satz 1 Nr 1 RVO sowie §§ 20 und 22 der zwischen dem VDR und der BA abgeschlossenen Vereinbarung über berufliche Rehabilitation von 1985 - Vereinbarung '85 - abgedruckt in Kompaß 1990, 535) zu stützen. Der Bescheid vom 13. März 1987 enthält einen solchen Hinweis nur als Alternative zur Umschulung.
Des weiteren mußte dieser Verfahrens(gesamt)plan eine Regelung enthalten, wann eine Rückmeldung der Arbeitsvermittlung über Vermittlungsschwierigkeiten zu erfolgen hatte. Die Beklagte als zuständiger Rehabilitationsträger durfte diese Entscheidung nicht der Arbeitsverwaltung anheimstellen, weil sie - die Beklagte - für die gesamte Dauer der Rehabilitation verpflichtet war, das Bemühen um Eingliederung offensiv zu betreiben und zu steuern.
Dem würde in der Regel wohl auch nicht ausreichend Rechnung getragen werden, wenn nur Rückmeldungstermine von einem Jahr festgelegt werden würden. Vielmehr erfordert eine zügige und intensive Verfolgung des Ziels, den Versicherten einzugliedern, eine laufende Überwachung, die es im allgemeinen nahelegt, in kürzeren Zeitabständen eine Rücksprache festzulegen, alsdann über Notwendigkeit und Möglichkeit neuer Maßnahmen zu entscheiden und das Arbeitsamt zu stärkeren Bemühungen zu drängen sowie diese zu unterstützen oder eigene einzuleiten. Dabei war dann jeweils zu prüfen, woran die Vermittlung bisher gescheitert ist, warum die Angebote von Zuschüssen an Arbeitgeber nicht ausreichten und ob nicht wegen der Wettbewerbsnachteile des Klägers unter voller Ausnutzung von § 22 der Vereinbarung '85 eine Probebeschäftigung zu finanzieren war. Die Auffassung der Beklagten und der Beigeladenen, daß dies nur vorgesehen sei für Fälle, in denen der Arbeitgeber einen Dauerarbeitsplatz biete, ist im Text der Vereinbarung nicht angelegt. Es genügt, wenn durch die Probebeschäftigung die "Möglichkeiten" einer dauerhaften beruflichen Eingliederung verbessert werden. Das ist auch der Fall, wenn die für eine Vermittlung notwendige Praxiserfahrung herbeigeführt wird.
Ferner war jeweils zu prüfen, ob durch ergänzende Fortbildung (EDV-Bereich, fachspezifische Lehrgänge) bessere Vermittlungschancen hergestellt werden konnten.
Der Vortrag der Beklagten, dies alles geschehe ohne weiteres bei routinemäßigen Rücksprachen ihrer Reha-Berater mit dem Arbeitsamt, überzeugt nicht; denn gerade der vorliegende Fall läßt erkennen, daß trotz der offenkundigen Wettbewerbsnachteile des Klägers zunächst ein Jahr lang Initiativen der Beklagten nicht erkennbar waren. Die Beklagte hätte insoweit sehr viel früher reagieren und darüber entscheiden müssen, wo Eingliederungshilfen und Zuschüsse für Probebeschäftigungen eingesetzt werden sollten und was geschehen solle, wenn diese nicht ausreichten, um dem Kläger eine Stelle zu verschaffen. Dies alles, um zu verhindern, daß sich die Dauer der Arbeitslosigkeit nicht zum zusätzlichen Wettbewerbsnachteil auswächst und Kenntnisse und Fähigkeiten verloren gehen. Hier ist noch einmal hervorzuheben, daß diese Überlegungen nicht der Arbeitsverwaltung allein überlassen werden können, die hier nur unterstützend tätig wird und nicht der zuständige Rehabilitationsträger ist. Offenbar waren hier die gleichen Mißverständnisse wirksam, die zur Fassung des § 3 Abs 2 Vereinbarung '93 geführt haben. Herrin des Reha-Verfahrens und für dessen zügigen Fortgang verantwortlich blieb stets die Beklagte.
Sofern die Beklagte vom Kläger bestimmte Mitwirkungsbemühungen erwartete, hätte sie diese ebenfalls im Rehabilitationsgesamtplan (oder im Bescheid) festlegen, laufend fortschreiben und dem Kläger gegenüber deutlich machen müssen. Es ist naheliegend, daß sich ein Arbeitsloser zunächst auf das Arbeitsamt verläßt, solange ihm keine anderen Wege aufgezeigt und nahegelegt werden. Die Beklagte hat auch nur allgemein eine unzureichende Mitwirkung des Klägers gerügt, ohne darzulegen, worin sie diese zu erkennen glaubt und welche Vorschläge von ihr zur Behebung derartiger Mängel gemacht wurden.
Entsprechend der fortbestehenden Zuständigkeit der Beklagten war diese gehalten, umfassend und schnell (§ 17 Abs 1 Nr 1 SGB I, § 5 Abs 1 RehaAnglG) über weitere Rehabilitationsschritte zu entscheiden, nachdem ihr im Dezember 1990 durch den Vorschlag des Arbeitsamts Koblenz deutlich gemacht worden war, daß dringend weiterer Rehabilitationsbedarf bestand, weil Dauerarbeitslosigkeit drohte. Sie durfte sich dabei nicht auf die Ablehnung eines ihr ungeeignet erscheinenden Vorschlags beschränken. Vielmehr sieht das Gesetz vor, daß in solchen Fällen ein Einigungsverfahren bei dem Landesarbeitsamt stattzufinden hat (§ 5 Abs 5 RehaAnglG), in dem die Eignung der Maßnahme diskutiert und andere Alternativen erwogen werden können und sollen (siehe dazu auch Gesamtvereinbarung über die Beteiligung der BA bei beruflicher Rehabilitation vom 1. April 1977, insbesondere § 4; abgedruckt in Jung/Preuß, Rechtsgrundlagen der Rehabilitation unter 1.11). Auch wenn dadurch keine Einigung erzielt worden wäre, hätte sich die Beklagte nicht darauf beschränken dürfen, die vorgeschlagene Maßnahme abzulehnen. Sie mußte dann vielmehr alle Alternativen prüfen, alle noch denkbaren Hilfen auf ihre Eignung untersuchen und bei negativem Ergebnis die Entscheidung treffen, daß zur Zeit keine geeigneten Maßnahmen zur Verfügung stehen. Im Rahmen dieser Entscheidung hätte sie ferner zu prüfen gehabt, ob nicht - wenn sich keine anderen Maßnahmen anboten - auch die Förderung einer nicht uneingeschränkt geeigneten Maßnahme angezeigt war, die wenigstens in ihrem Hauptteil der Förderung des Behinderten dienen konnte. Diese Voraussetzungen könnten bei dem streitigen Integrationsseminar gegeben sein. Das LSG hat zwar festgestellt, daß es auch in seinem praktischen Teil für die Eingliederung des Klägers nicht geeignet ist. Insoweit hat der Kläger aber auf unzureichende Aufklärung hingewiesen. Dem wäre nachzugehen.
Indem die Beklagte nicht einmal das Einigungsverfahren beim Landesarbeitsamt eingeleitet hat, hat sie die notwendige umfassende Abklärung der sich im konkreten Fall bietenden Rehabilitationsmöglichkeiten unterlassen. Dies wäre aber die Voraussetzung für eine ihr obliegende sachgerechte Ermessensentscheidung über das "Wie" der Rehabilitation gewesen (BSGE 57, 157; 66, 87; SozR 2200 § 1237 Nr 23). Bereits insoweit liegt ein Ermessensfehler vor, der die Aufhebung der getroffenen Entscheidung rechtfertigt.
Im übrigen hat die Beklagte zu Unrecht die erforderliche umfassende Entscheidung über den Fortgang der Rehabilitation unterlassen und weitere Maßnahmen als nicht erforderlich abgelehnt. Die Beklagte hat mit dieser Ablehnung der Förderung des Reintegrationsseminars nicht etwa nur eine Teilentscheidung über eine Maßnahme getroffen und erkennen lassen, daß weitere Entscheidungen folgen würden. Sie hat vielmehr - auch noch im anschließenden Gerichtsverfahren - erkennen lassen, daß sie sich insoweit nicht für zuständig hält. Auch dies muß zur Aufhebung des Bescheides führen, weil insoweit die Beklagte ihr Ermessen überhaupt nicht ausgeübt hat.
Ihre Pflicht zur Entscheidung war auch nicht durch das Antragsverhalten des Klägers eingeschränkt. Die aus dem Erstantrag folgende fortlaufende Verpflichtung der Beklagten zur Rehabilitation bringt es mit sich, daß für weitere Maßnahmen nur ausnahmsweise ein Antrag notwendig ist, so zB bevor der Versicherte in eine vom Plan des Rehabilitationsträgers abweichende Maßnahme eintritt, oder eine solche von einer anderen Stelle durchgeführt wird, oder wenn anstelle einer abgebrochenen Maßnahme eine andere eingeleitet wird, oder wenn er zunächst seine weitere Bereitschaft zur Mitwirkung aufgekündigt hat (BSG SozR 3-2200 § 1236 Nr 3). Ein solcher Fall liegt aber hier nicht vor. Hier haben zwar das Arbeitsamt und der Kläger von sich aus reagiert. Ein solches Verhalten im Rahmen eines laufenden Reha-Verfahrens hat aber grundsätzlich nur die Funktion, den Versicherungsträger auf den weiteren Rehabilitationsbedarf und seine daraus erwachsenden Pflichten aufmerksam zu machen. Dementsprechend ist auch hier die Nennung einer bestimmten Maßnahme nicht als Einengung, sondern als Vorschlag zu werten.
Soweit sich der Kläger unter diesen Voraussetzungen später unter Anlehnung an den Vorschlag des Arbeitsamtes gegen den eine Maßnahme ablehnenden Bescheid gewandt und dabei wieder die abgelehnte Maßnahme angestrebt hat, kann dies nur dann als Einengung seines Begehrens verstanden werden, wenn er dies unmißverständlich zum Ausdruck gebracht hat. Der Kläger hat aber nirgends zu erkennen gegeben, daß er ausschließlich an dem Reintegrationsseminar interessiert ist und andere Maßnahmen ablehnt. Die Verpflichtung der Beklagten, im Rahmen ihrer Zuständigkeit auch andere Maßnahmen zu prüfen, ist also durch Anträge des Klägers nicht eingeschränkt worden.
Im Hinblick auf die aufgezeigten Ermessensfehler war das Urteil des SG wiederherzustellen, das den angefochtenen Bescheid aufgehoben hat. Die Beklagte ist nunmehr gehalten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats erneut zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.