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5 RJ 30/88

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger der Beklagten einen Betrag von 2.040,30 DM zurückzuerstatten hat.

Der Kläger bezog aufgrund eines Bescheides der Beklagten vom 6. November 1975 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit einschließlich eines Kinderzuschusses für seinen am 6. Oktober 1962 geborenen Sohn M.. Der Bescheid enthielt den Hinweis darauf, daß der Zuschuß mit Vollendung des 18. Lebensjahres des Sohnes entfalle und nur auf Antrag über diesen Zeitpunkt hinaus gewährt werde, längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, sofern das Kind sich in Schul- oder Berufsausbildung befinde.

Am 16. Juli 1980 stellte der Kläger unter Vorlage eines Berufsausbildungsvertrages seines Sohnes, wonach dieser seit 1. September 1979 bis voraussichtlich 31. August 1982 eine kaufmännische Lehre durchlaufe, Antrag auf Weitergewährung des Kinderzuschusses über das 18. Lebensjahr hinaus. Die Beklagte entsprach dem Antrag ohne förmlichen Bescheid.

Mit Schreiben vom 15. Januar 1981 teilte der Kläger der Beklagten mit, daß der Sohn M. ausgezogen sei und bat, die im Rentenbescheid ausgewiesene Zahl der Kinder von 03 auf 02 herabzusetzen. Mit Schreiben vom 27. Januar 1981 antwortete die Beklagte, daß der Anspruch auf Kinderzuschuß für den Sohn M. nur dann nicht mehr bestehe, wenn die Berufsausbildung beendet bzw abgebrochen worden sei; es werde um weitere Mitteilung gebeten. Mit Schreiben vom 26. April 1981 an die AOK Saarbrücken, das bei der Beklagten am 11. Mai 1981 einging, unterrichtete der Kläger die Beklagte, wie er es schon im Oktober 1980 getan habe, davon, daß sein dritter Sohn M. die Lehre abgebrochen habe und von zu Hause ausgezogen sei. Das genaue Datum des Abbruchs der Lehre am 4. September 1980 teilte der Kläger auf Anfrage der Beklagten mit Schreiben vom 2. Juni 1981 mit.

Mit Bescheid vom 26. Juni 1981 stellte die Beklagte fest, daß der Kinderzuschuß für M. ab 1. November 1980 wegfalle. Die Rente betrage monatlich 1.039,70 DM, ab 1. Januar 1981 1.069,10 DM. Aus dem bisherigen und dem neuen Zahlbetrag ergebe sich ein negativer Unterschiedsbetrag von insgesamt 2.040,30 DM. Bezüglich der Überzahlung ergehe weiterer Bescheid. Mit Bescheid vom 9. Juli 1981 forderte die Beklagte die Überzahlung zurück.

Das Sozialgericht (SG) hat die hiergegen erhobenen Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und mit Urteil vom 26. November 1985 abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG sowie die Bescheide der Beklagten vom 26. Juni und 9. Juli 1981 in der Fassung der Widerspruchsbescheide aufgehoben. Zur Begründung führte das Gericht im wesentlichen aus, daß mangels eines förmlichen Bescheides der Beklagten über die Weitergewährung des Kinderzuschusses über den 31. Oktober 1980 hinaus eine Rückforderung nur nach § 50 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches -Verwaltungsverfahren- (SGB X) in Betracht komme. Allerdings sei abweichend von der Auffassung des SG nicht § 48 SGB X, sondern § 45 SGB X entsprechend anzuwenden. Eine dieser Vorschrift genügende Ermessensentscheidung habe die Beklagte mit ihrem Bescheid vom 9. Juli 1981 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1982, der ausschließlich Gegenstand der Klage sei, nicht getroffen.

Die Beklagte hat dieses Urteil mit der vom LSG zugelassenen Revision angefochten. Sie rügt eine Verletzung des § 45 SGB X durch das Berufungsgericht.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

  • das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 24. März 1988 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Ersturteil zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

  • die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

Die durch Zulassung statthafte Revision ist begründet.

Das LSG ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß Gegenstand der Klage ausschließlich der Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 9. Juli 1981 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1982 sei. Es hat nicht beachtet, daß der Rentenberechtigte auch gegen den Bescheid der Beklagten vom 26. Juni 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 1984 Klage erhoben hat und das SG beide Klagen durch Beschluß vom 6. November 1985 - gemäß § 113 Abs. 1 SGG in zulässiger Weise - zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden hat. Demgemäß hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem SG auch beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 26. Juni 1981 in der Fassung des Widerspruchsbescheides aufzuheben. Diesen Klageantrag hat das SG mit seinem Urteil vom 26. November 1985 - ebenfalls - abgewiesen. Da die Beklagte mit dem Bescheid vom 26. Juni 1981 die Rente des Klägers für die Zeit vom 1. November 1980 bis 31. Juli 1981 neu festgestellt hat, betrifft er nur die Rente für einen bereits abgelaufenen Zeitraum, so daß die Berufung gegen das Ersturteil gemäß § 146 SGG nicht zulässig ist, soweit mit der Klage die Rentenneufeststellung für die Zeit vom 1. November 1980 bis 31. Juli 1981 angefochten worden ist. Eine Zulässigkeit der Berufung - ungeachtet des § 146 SGG - nach § 150 Nr. 1 und Nr. 2 SGG kommt hier ebenfalls nicht in Betracht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist die Berufung hinsichtlich der Rentenneufeststellung für die Vergangenheit auch nicht deshalb entgegen § 146 SGG zulässig, weil die Berufung bezüglich des Rückforderungsbegehrens gemäß § 149 SGG zulässig ist (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 11. Juli 1985 in SozR 1500 § 146 SGG Nr. 19 mwN). An dieser Rechtsprechung hat sich seit dem Inkrafttreten des SGB X nichts geändert (vgl BSG aaO mwN).

Gemäß § 50 Abs. 1 SGB X sind erbrachte Leistungen zu erstatten, "soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist". Dies ist durch den Bescheid der Beklagten vom 26. Juni 1981 geschehen. Denn die in diesem Bescheid vorgenommene Neufeststellung der Rente mit einem - infolge des Wegfalls des Kinderzuschusses für den Sohn M. - für die Zeit vom 1. November 1980 bis 31. Juli 1981 niedrigeren monatlichen Rentenzahlbetrag setzt schon begrifflich die Aufhebung des Bescheides mit der für den genannten Zeitraum höheren Rente voraus. Die gegenteilige rechtliche Qualifizierung des Bescheides vom 26. Juni 1981 als bloßen "deklaratorischen" Verwaltungsakt durch das Berufungsgericht ist schon deshalb unerheblich, weil insoweit dem LSG - infolge des Berufungsausschlusses bezüglich des die Klage gegen diesen Bescheid abweisenden Ersturteils - eine Prüfung nicht zustand.

Zum übrigen durfte die Beklagte bei Erlaß des Rentenneufeststellungsbescheides vom 26. Juni 1981 auch davon ausgehen, den Kinderzuschuß für den Sohn M. über dessen Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus durch einen Verwaltungsakt im Sinne des § 50 Abs. 1 SGB X gewährt zu haben. Denn ein Verwaltungsakt kann gemäß § 33 Abs. 2 SGB X nicht nur - durch förmlichen Bescheid - schriftlich, sondern auch mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Letzteres durfte die Beklagte annehmen. Denn sie hat auf den Antrag des Klägers vom 16. Juli 1980 auf Weitergewährung des Kinderzuschusses durch die dementsprechende Erhöhung der Rente für den Kläger erkennbar reagiert. Dieser Verwaltungsakt durch konkludentes Handeln war inhaltlich hinreichend im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB X bestimmt. Einer schriftlichen Begründung bedurfte es insoweit nicht, weil die Beklagte damit dem Rentenerhöhungsantrag des Klägers vom 16. Juli 1980 entsprach (vgl § 35 Abs. 2 Nr. 1 SGB X).

Da somit die Beklagte durch den rechtsverbindlichen Bescheid vom 26. Juni 1981 einen die Rentenüberzahlung bewirkenden Verwaltungsakt aufgehoben hat, sind die von der Beklagten insoweit zuviel erbrachten Leistungen gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten. Der Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 9. Juli 1981 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1982 ist damit zu Recht ergangen.

Nach alledem erweist sich die Revision der Beklagten als begründet, so daß in der Sache selbst zu entscheiden war (§ 170 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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