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10 RKg 5/86

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die beklagte Bundesanstalt für Arbeit zu Recht die Bewilligung von Kindergeld für die Tochter G. des Klägers rückwirkend zum 1. September 1983 aufgehoben hat.

Der Kläger bezog von der Beklagten Kindergeld u.a. für seine am ... geborene Tochter G., die eine Chemie- und Pharmazieschule in B. besuchte. Wegen Nichtbestehens der Abschlußprüfung mußte G. ab September 1983 ein zusätzliches Semester zur Wiederholung von drei Fächern absolvieren. Der Unterricht fand montags von 8.30 bis 9.15 Uhr und von 13.00 bis 14.45 Uhr sowie dienstags von 12.30 bis 13.15 Uhr (insgesamt fünf Schulstunden pro Woche) statt. Die für die häusliche Nacharbeit erforderliche Zeit wurde von der Schule mit 20 Stunden wöchentlich eingeschätzt. Für den Schulweg benötigte G. nach Angaben des Klägers drei Stunden pro Schultag. G. bestand am 24. Februar 1984 das Wiederholungsexamen.

Durch Bescheid vom 11. Oktober 1983, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 1984, hob die Beklagte die Kindergeldbewilligung für die Tochter G. des Klägers mit Wirkung vom 1. September 1983 auf.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Die vom SG zugelassene Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat angenommen, es bestehe kein Anspruch auf Kindergeld für G., weil sie sich während des Wiederholungssemesters nicht in einer Schul- oder Berufsausbildung i.S. des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) befunden habe. Eine Ausbildung in diesem Sinne liege nur vor, wenn dadurch die Arbeitskraft des Kindes überwiegend beansprucht werde und wenn neben der Ausbildung keine Halbtagsbeschäftigung verrichtet werden könne. Dies sei nur dann der Fall, wenn die zeitliche Belastung durch den Schulbesuch mehr als 40 Stunden pro Woche betrage. G. sei unter dieser Grenze geblieben. Sie habe für Unterricht, Nacharbeit und Schulweg bei Anlegung eines großzügigen objektiven Maßstabs nur 31 Stunden benötigt. Da G. lediglich am Montag und Dienstag Unterricht gehabt habe, wäre es ihr selbst an diesen Tagen möglich gewesen, ab 18.00 Uhr eine Arbeitsstelle anzutreten. Dabei genüge die allgemeine Möglichkeit, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes eine Teilzeitbeschäftigung auszuüben. Überdies habe das SG durch Beweisaufnahme festgestellt, daß auch die konkrete Möglichkeit im Arbeitsmarktbereich B. bestanden habe, eine Teilzeitbeschäftigung, etwa im Gaststättengewerbe, zu erhalten.

Mit seiner - vom Senat zugelassenen - Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKGG und des § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Die von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) angesetzte Grenze von 60 Stunden für eine zumutbare Belastung durch Schule und Erwerbstätigkeit habe sich auf die besondere Situation von Abendschülern bezogen und könne nicht für Schüler an Tagesschulen herangezogen werden. Ob diese Grenze bei der heutigen Beanspruchung der menschlichen Arbeitskraft überhaupt noch aufrechterhalten werden könne, sei zweifelhaft. Die Belastungsgrenze könne im Hinblick auf die Verkürzung der allgemeinen Arbeitszeit auf 38,5 Wochenstunden und unter Berücksichtigung einer zumutbaren Wegezeit von 12,5 Stunden (5 x 2,5 Stunden; § 3 Abs. 1 der Zumutbarkeits-Anordnung der Bundesanstalt für Arbeit - BA - vom 16. März 1982) höchstens mit 51 Stunden pro Woche angesetzt werden. Deshalb sei der Schüler einer Tagesschule, dessen Schulausbildung einschließlich Wegezeiten 26 Stunden beanspruche, überwiegend in Anspruch genommen, so daß ihm daneben keine Halbtagstätigkeit zugemutet werden könne. Im übrigen müsse sich die Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit neben der Schulausbildung auf solche Arbeitsplätze beschränken, die zu den üblichen Tageszeiten erreichbar seien. Insoweit habe das LSG den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt. Für ungelernte jugendliche Arbeitnehmer im Hotel- und Gaststättengewerbe gebe es allenfalls Beschäftigungsmöglichkeiten als Kellner in der Zeit bis 24.00 Uhr bzw. bis 1.00 Uhr. Das LSG hätte sich deshalb gedrängt fühlen müssen, eine sachverständige Auskunft vom Hotel- und Gaststättenverband oder von der zuständigen Fachgewerkschaft einzuholen. Dies hätte den Nachweis erbracht, daß abends jugendliche Ausbildungskräfte nicht beschäftigt würden. Außerdem hätte geprüft werden müssen, wie seine Tochter bei einer Beschäftigung als Kellnerin oder als sonstige Hilfskraft nachts von B. nach S. nach Hause hätte kommen sollen, welcher Zeitaufwand dafür erforderlich gewesen wäre und ob man ihr dann noch den Schulbesuch hätte zumuten können.

Der Kläger beantragt,

  • das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 24. September 1985, das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 23. Mai 1985, den Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 1983 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 1984 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für seine Tochter G. für die Monate September 1983 bis einschließlich Februar 1984 Kindergeld zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

  • die Revision zurückzuweisen. Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG.

Die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz reichen nicht aus, um über den geltend gemachten Anspruch abschließend zu entscheiden.

Die Bescheide der Beklagten vom 11. Oktober 1983 und 28. Februar 1984, mit denen sie die Kindergeldbewilligung rückwirkend zum 1. September 1983 aufgehoben hat, können nur dann Bestand haben, wenn seit der Bewilligung eine wesentliche Änderung i.S. des § 48 Abs. 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) eingetreten ist. Das wäre dann der Fall, wenn die Tochter des Klägers sich ab September 1983 nicht mehr in einer Berufs- oder Schulausbildung befunden hat (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKGG).

Der Begriff Schulausbildung bzw. Berufsausbildung ist im Gesetz nicht definiert. Die Rechtsprechung (BSG SozR 5870 § 2 Nr. 32) geht bei der Auslegung des Begriffs „Schul­ausbildung“ vom allgemeinen Sprachgebrauch aus. Danach ist unter diesem Begriff der Besuch allgemeinbildender und weiterführender Schulen zu verstehen. Außerdem wird verlangt, daß die Ausbildung an allgemeinbildenden öffentlichen oder privaten Schulen erfolgt und der Unterricht nach staatlich genehmigten Lehrplänen erteilt wird. Berufsausbildung ist dagegen die Ausbildung, die spezifische Kenntnisse für den Beruf vermittelt, sei es in Form theoretischen Unterrichts an einer Schule, sei es durch beaufsichtigte praktische Tätigkeit in Betrieben usw. Die Rechtsprechung hat jedoch den Begriff Schul- und Berufsausbildung i.S. von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKGG und entsprechender Vorschriften zur „verlängerten“ Waisenrente und zum „verlängerten“ Kinderzuschuß dahin eingeschränkt, daß eine Schul- und Berufsausbildung nur vorliege, wenn durch sie die Zeit und Arbeitskraft des Kindes ausschließlich oder überwiegend in Anspruch genommen wird (vgl. dazu BSGE 21, 185, 186; 31, 152, 153 f; 39, 156, 157). Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an. Auch er hält es wegen der Funktion des Kindergeldes nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes für notwendig, den Begriff Schul- und Berufsausbildung - abweichend vom allgemeinen Sprachgebrauch - einzuschränken. Der Gesetzgeber geht davon aus, daß Kinder nach Vollendung des 16. Lebensjahres in der Regel berufstätig sind und sich selbst unterhalten können. Deshalb hat er den Anspruch auf Sozialleistungen über die Vollendung des 16. Lebensjahres hinaus nur verlängert, sofern das Kind durch die Schul- oder Berufsausbildung gehindert wird, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Das ist aber lediglich der Fall, wenn die Ausbildung wegen der damit verbundenen zeitlichen Inanspruchnahme eine Erwerbstätigkeit ausschließt.

Dagegen teilt der Senat nicht die Rechtsauffassung, die von dem früher für die Arbeiterrentenversicherung zuständig gewesenen 12. und von dem bis zum 31. Dezember 1987 für die Angestelltenversicherung zuständig gewesenen 11. Senat (BSGE 39, 156, 157 bzw. BSGE 43, 44, 48 f und Urteil vom 25. August 1987 - 11a RA 26/86 -) und bei der Anerkennung von Ausbildungszeiten als Ausfallzeiten (§§ 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG - und 1259 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b der Reichsversicherungsordnung - RVO -) vom 4. und 5. Senat (Urteile vom 9. Juni 1986 - 4/11a RA 68/87 - und vom 3. Februar 1988 - 5/5b RJ 50/87 -) bisher vertreten worden ist, nach der eine Ausbildung nur vorliege, wenn der Schüler oder Auszubildende mehr als 40 Stunden durch sie in Anspruch genommen werde. Die Rechtsprechung der genannten Senate hat die Obergrenze für die wöchentliche Gesamtbelastung auf 60 Stunden festgelegt. Dem Schüler oder Auszubildenden sei - wie in den erwähnten Entscheidungen ausgeführt wurde - jedenfalls dann, wenn er nur bis zu 40 Stunden durch die Ausbildung in Anspruch genommen werde, noch eine Halbtagsbeschäftigung von 20 Stunden in der Woche zuzumuten.

Die mit 60 Stunden angesetzte zumutbare Gesamtbelastung erscheint dem erkennenden Senat zu hoch. Er hat daher mit Beschluß vom 10. August 1988 bei dem 1., 4. und 5. Senat des BSG angefragt, ob sie an ihrer Rechtsprechung zum Begriff der Berufs- und Schulausbildung festhalten. Der 4. und 5. Senat des BSG haben dies verneint (Beschlüsse vom 15. November 1988 - 4 S. 12/88 - und vom 21. Februar 1989 - 5 S. 7/88 -). Vom 1. Senat ist mitgeteilt worden, daß ihm die Beantwortung der Anfrage aus formalen Gründen verwehrt sei (Beschluß vom 6. Oktober 1988 - 1 S. 13/88 -). Aufgrund des Ergebnisses der Anfragen kann der erkennende Senat nunmehr den Begriff der Schul- und Berufsausbildung neu abgrenzen, ohne den Großen Senat nach § 42 SGG anrufen zu müssen. Die bisherige Rechtsprechung steht dem nicht entgegen, weil der 4. und 5. Senat nicht daran festhalten, der 12. Senat für die Rentenversicherung nicht mehr zuständig ist und der 1. Senat die Frage nicht entschieden hatte.

Für die zumutbare Gesamtbelastung durch Ausbildung und möglicher Erwerbstätigkeit ist - jedenfalls für die Zeit ab 1983, in der die Tochter des Klägers die Chemie- und Pharmazieschule in B. besuchte - von der Arbeitszeitordnung (AZO) vom 13. April 1938 (RGBl. I 447), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. März 1975 (BGBl. I 685), auszugehen. Nach § 3 AZO darf die regelmäßige werktägliche Arbeitszeit die Dauer von acht Stunden nicht überschreiten. Nur in Ausnahmefällen und durch Tarifvertrag kann die tägliche Arbeitszeit bis zu 10 Stunden verlängert werden (§ 5 Abs. 1 bis 3, § 6, § 7 Abs. 1 AZO). Eine weitere Überschreitung ist nur in besonderen Ausnahmefällen zulässig (z.B. bei von § 3 AZO abweichender Verteilung der Arbeitszeit, wenn dies vom Gewerbeaufsichtsamt zugelassen ist, bei Beschäftigten mit Arbeitsbereitschaft und bei Arbeitszeitverlängerungen aus dringenden Gründen des Gemeinwohls, vgl. § 11 AZO). Dies bedeutet, daß das Arbeitsschutzrecht in der Regel von einer Belastbarkeitsgrenze von 48 Stunden (vgl. dazu Denecke/Neumann, AZO, Komm, 9. Aufl., § 3 Anm. 1 und 4 sowie § 1 Anm. 1) bzw. in besonderen Fällen von 60 Stunden wöchentlich ausgeht. Die von der Rechtsprechung bisher angesetzte Obergrenze entspricht somit der nur für Ausnahmefälle zulässigen Höchstgrenze der AZO. Für eine Ausbildung, die sich oft über Jahre erstreckt, erscheint es nicht angemessen, die Belastbarkeit nach der zulässigen Höchstgrenze für Ausnahmefälle, sondern nach der Belastbarkeitsgrenze im Regelfalle, d.h. auf 48 Stunden insgesamt, festzusetzen. Ob für Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren die Belastungsgrenze etwa unter Berücksichtigung des Jugendarbeitsschutzgesetzes noch niedriger angesetzt werden muß, kann hier offengelassen werden, weil die Tochter des Klägers bei Beginn des streitigen Zeitraums das 18. Lebensjahr bereits vollendet hatte (s dazu aber das am gleichen Tage ergangene Urteil des erkennenden Senats in der Revisionssache 10 RKg 8/86).

Wenn die Bestimmungen der AZO hier auch nicht unmittelbar anwendbar sind, so kann bei der Auslegung des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKGG der Schutzgedanke der AZO nicht außer Betracht bleiben. Der 12. Senat ist in seiner Entscheidung vom 12. Februar 1975 (BSGE 39, 156, 157), der sich die anderen Senate später im Ergebnis oder ausdrücklich angeschlossen haben, von der damals üblichen Arbeitszeit von wöchentlich 40 Stunden ausgegangen und hat angenommen, daß einem Schüler wöchentlich eine Gesamtbelastung von 60 Stunden zugemutet werden könne. Abgesehen davon, daß sich die übliche Arbeitszeit schon jetzt in weiten Bereichen verkürzt hat und voraussichtlich auch in Zukunft weiter verkürzen wird, fehlt in der bisherigen Rechtsprechung jede Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit überhaupt einem Schüler oder Auszubildenden eine über die übliche Arbeitszeit hinausgehende Belastung zugemutet werden kann. Weder hat man die durchschnittliche Belastbarkeit im Wege der Beweisaufnahme ermittelt, noch ist erkennbar geprüft worden, welche rechtlichen Schranken der vom 12. Senat vertretenen Auslegung entgegenstehen. Jedenfalls im Hinblick auf die zitierten Bestimmungen der AZO ist es nicht vertretbar, die Belastbarkeitsgrenze höher anzusetzen als die für den Regelfall nach der AZO vorgesehene zeitliche Grenze für eine Tätigkeit im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses. Denn mit den Regelungen der AZO hat der Gesetzgeber selbst zu erkennen gegeben, welche zeitliche Inanspruchnahme eines Arbeitnehmers er für zumutbar hält. Daß er einem Schüler oder Auszubildenden im Kindergeldrecht eine größere Belastung zumutet, ist nicht anzunehmen. Die Belastung durch die Ausbildung gleich welcher Art ist nicht geringer zu bewerten als die durch eine Erwerbstätigkeit.

Die Zumutbarkeitsanordnung der BA, auf die sich die Revision stützt, eignet sich dagegen nicht als Maßstab. Die Regelung des § 3 Abs. 1 der Zumutbarkeitsanordnung ist nämlich Ergebnis einer Abwägung zwischen den Interessen der Versichertengemeinschaft an der umgehenden Beendigung der Arbeitslosigkeit und den Interessen des Arbeitslosen, durch die Aufnahme eines - oft vom Wohnort entfernten - Arbeitsplatzes nicht übermäßig belastet zu werden. Damit handelt es sich um Bestimmungen für einen Spezialbereich, die nicht zur Lösung der hier anstehenden Auslegungsprobleme herangezogen werden können.

Auf die übliche Arbeitszeit kann dagegen nicht abgestellt werden. Sie hat mit der Frage, inwieweit ein Arbeitnehmer oder Auszubildender belastet werden darf, nichts zu tun. Vielmehr handelt es sich insoweit nur um einen Durchschnittswert, der je nach Lage auf dem Arbeitsmarkt und der Entwicklung tarifvertraglicher Vereinbarungen schwankt. So ist das Streben nach Arbeitszeitverkürzung in den letzten Jahren vor allem dadurch bestimmt, daß die knapper gewordene Arbeit auf eine größere Zahl von Arbeitnehmern verteilt werden soll, indem die allgemeine Arbeitszeit herabgesetzt wird.

Die bisherige Rechtsprechung hat das Vorliegen einer Schul- und Berufsausbildung dann verneint, wenn dem Schüler oder Auszubildenden im Rahmen der Gesamtbelastung die Möglichkeit blieb, eine Halbtagsbeschäftigung auszuüben. Diese ist mit 20 Stunden pro Woche angenommen worden. Dabei hat sich die Rechtsprechung offensichtlich an der früher allgemein üblichen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden orientiert und verlangt, daß bis zum Erreichen der Belastbarkeitsgrenze neben der durch die Ausbildung in Anspruch genommenen Zeit noch 20 Stunden pro Woche für eine Halbtagsbeschäftigung zur Verfügung stehen müssen. Dies war - jedenfalls als die nunmehr aufgegebene Rechtsprechung entwickelt wurde - der übliche Umfang einer Halbtagstätigkeit und entsprach auch der in § 102 Abs. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) gesetzten Grenze für geringfügige Beschäftigungen. Denn bis zur Änderung durch Art. 1 Nr. 18 des 7. Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (7. AFGÄndG) vom 20. Dezember 1985 (BGBl. I, 2484), das am 1. Januar 1986 in Kraft getreten ist (Art. 13 des 7. AFGÄndG), galt eine Beschäftigung als in der Arbeitslosenversicherung versicherungsfrei, wenn sie 20 Stunden pro Woche nicht erreichte. Seit dem 1. Januar 1986 lag die Grenze bei 19 Stunden pro Woche. Durch Art. 1 Nr. 27 des 8. AFGÄndG vom 14. Dezember 1987 (BGBl. I, 2602) hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom 1. Januar 1988 (vgl. Art. 13 des 8. AFGÄndG) die Grenze nunmehr auf 18 Stunden pro Woche herabgesetzt. Der Senat kann hier offenlassen, ob ab 1. Januar 1986 bzw. 1. Januar 1988 jeweils von einer möglichen Beschäftigung von 19 bzw. 18 Stunden auszugehen ist. Im vorliegenden Fall galt noch die 20 Stunden-Grenze, weil die streitige Zeit vor Inkrafttreten des 7. AFGÄndG liegt.

Zum Zeitaufwand für die Ausbildung gehört auch die für den Hin- und Rückweg von der Wohnung zur Ausbildungsstätte notwendige Zeit. Zwar sind nach der AZO nur betriebsbedingte Wegezeiten nach „Beginn“ und vor „Ende der Arbeit“ (vgl. dazu Zmarzlik, AZO, Kommentar 1967, § 2 Rz. 27) Teil der Arbeitszeit, so daß der Weg von und zur Betriebsstätte unberücksichtigt bleibt (vgl. § 2 Abs. 1 AZO und Denecke/Neumann, § 2 Anm. 9). Bei der Berechnung der zumutbaren Gesamtbelastung können die ausbildungsbedingten Wegezeiten im Kindergeldrecht aber nicht außer Betracht gelassen werden. Abgesehen davon, daß sich die für eine Erwerbstätigkeit zur Verfügung stehende Zeit um die notwendige Zeit für den Weg verkürzt, sind bei der - nur entsprechenden - Anwendung der AZO im Rahmen des Begriffs Schul- und Berufsausbildung die Unterschiede zwischen einer Arbeitnehmertätigkeit und einer Ausbildung zu beachten. Der Arbeitnehmer wird in der Regel entweder in der Nähe der Arbeitsstätte wohnen oder - wenn er nicht an den Ort seines Arbeitsplatzes zieht - bewußt Nachteile in Kauf nehmen, die mit dem Weg von und zur Arbeit verbunden sind. Schüler und Auszubildende haben aber meistens nicht diese Wahl. Einerseits ist der Umzug an den Ort der Ausbildungsstätte oft deshalb unzweckmäßig, weil die Ausbildung nur eine begrenzte Zeit in Anspruch nimmt. Andererseits fehlt es in der Regel aber auch an der wirtschaftlichen Unabhängigkeit, um durch einen Umzug lange Wege im Rahmen der Ausbildung zu vermeiden. Allerdings kommt es für die Bemessung der hinzuzurechnenden Wegezeit nicht darauf an, welchen Weg der Auszubildende oder Schüler tatsächlich gewählt und von welchem Verkehrsmittel er Gebrauch gemacht hat. Es ist vielmehr zu ermitteln, wieviel Zeit der notwendige Weg in Anspruch nähme, wenn also der kürzeste Weg mit einem öffentlichen Verkehrsmittel gewählt wird.

Das LSG hat aufgrund der bisherigen Rechtsprechung angenommen, daß die Tochter des Klägers sich während des Wiederholungssemesters nicht in einer Schul- oder Berufsausbildung i.S. des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKGG befunden habe. Dabei hat es bei Anlegung eines „großzügigen“ Maßstabs unter teilweiser Zugrundelegung der Angaben des Klägers unterstellt, G. habe 31 Stunden für die Ausbildung benötigt, weil es nach seiner - nicht zutreffenden - Rechtsansicht nicht darauf ankam, ob die Angaben des Klägers zutreffen. Auf der Überzeugung des Gerichts beruhende Tatsachenfeststellungen fehlen also. Das LSG wird daher die noch erforderlichen Tatsachenfeststellungen nachholen müssen und erneut über den geltend gemachten Anspruch des Klägers zu entscheiden haben. Dabei ist auch darauf zu achten, daß die Beklagte die Bewilligung des Kindergeldes teilweise für die Vergangenheit aufgehoben hat und diese Entscheidung selbst dann fehlerhaft sein könnte, wenn die Tochter des Klägers sich nicht während des Wiederholungssemesters in Schul- und Berufsausbildung befunden haben sollte. Handelte es sich nämlich insoweit um einen atypischen Fall, so mußte die Beklagte bei der Aufhebung für die Vergangenheit von dem ihr durch § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X eingeräumten Ermessen Gebrauch machen (vgl. dazu BSGE 59, 111, 114 f).

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisions- und Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

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