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5 RJ 48/88

Tatbestand

Der Kläger bezieht von der Beklagten eine Berufsunfähigkeitsrente, die wegen des Bezugs einer italienischen Unfallrente gekürzt ist. Er begehrt von der Beklagten, die Kürzung ohne Berücksichtigung des Ehegattenzuschlags vorzunehmen, der in der italienischen Unfallrente enthalten ist.

Der 1926 geborene, in Italien wohnende Kläger war von April 1960 bis November 1962 in der Bundesrepublik Deutschland als Bauhilfsarbeiter beschäftigt. Seit 1970 bezieht er von dem zuständigen italienischen Versicherungsträger (INAIL) eine Unfallrente mit Ehegattenzuschlag. Seit August 1972 erhält er von der Beklagten Rente wegen Berufsunfähigkeit. Deren monatlicher Zahlbetrag hat ab Januar 1982 83,40 DM ausgemacht. Bis dahin ergab die Anwendung der Ruhensvorschriften (§§ 1278, 1279a Reichsversicherungsordnung -RVO-) kein - auch nur teilweises - Ruhen der deutschen Rente.

Im September 1983 stellte die Beklagte wiederum die Rente neu fest (Bescheid vom 23. September 1983) und errechnete in Anwendung der §§ 1278, 1279a RVO wegen einer Erhöhung der italienischen Unfallrente für die Zeit ab dem 1. Juli 1983 einen monatlichen Rentenzahlbetrag von nur noch 67,30 DM. Mit weiterem Neufeststellungsbescheid vom 6. November 1984 setzte die Beklagte die Rente auf nunmehr 57,30 DM fest. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage. Der Zahlbetrag wurde in der Folgezeit mehrfach neu festgestellt.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29. Januar 1986). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG abgeändert und die Beklagte verurteilt, bei der Kürzung der Rente des Klägers den in der italienischen Unfallrente enthaltenen Ehegattenzuschlag unberücksichtigt zu lassen (Urteil vom 19. April 1988). Es hat im wesentlichen ausgeführt: Die italienische Unfallrente sei zwar im Rahmen der Ruhensbestimmung des § 1278 RVO zu berücksichtigen. Das gelte jedoch nicht für den Ehegattenzuschlag. Sowohl die Rente aus der Rentenversicherung als auch die aus der Unfallversicherung hätten Lohnersatzfunktion. Die betreffenden Renten seien leistungsbezogen. Das treffe auf den Kinderzuschuß nicht zu. Die innerstaatliche Ruhensvorschrift des § 1278 Abs 1 RVO klammere deswegen den Kinderzuschuß bzw die Kinderzulage aus. Eine weitergehende Regelung sei im innerstaatlichen Bereich nicht erforderlich, weil es in der Bundesrepublik keinen Ehegattenzuschlag gebe. Die innerstaatliche Rente betreffe hinsichtlich der Kürzung also nur die Stammrente. Das müsse deshalb auch für ausländische Renten gelten.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 1278, 1279a RVO durch das Berufungsgericht.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

  • das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 29. Januar 1986 abgeändert hat, und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg insoweit zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

  • die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die durch Zulassung statthafte Revision der Beklagten ist begründet. Zu Recht rügt die Revision, daß bei der Anrechnung der italienischen Unfallrente, die durch §§ 1279a, 1278 RVO vorgeschrieben ist, der in der italienischen Unfallrente enthaltene Ehegattenzuschlag nicht unberücksichtigt bleiben darf.

Nach § 1279a Abs 1 RVO sind die Vorschriften über das Zusammentreffen einer Rente mit einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auch anzuwenden, wenn eine Rente bei einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit von einem Träger geleistet wird, der seinen Sitz außerhalb des Geltungsbereiches der RVO hat (zur Rechtswirksamkeit dieser Vorschrift vgl Urteil des erkennenden Senats vom 13. März 1986 in SozR 2200 § 1279a Nr 1). § 1278 Abs 1 RVO sieht eine Kürzung der Rente wegen Berufsunfähigkeit, wegen Erwerbsunfähigkeit oder des Altersruhegeldes vor, wenn diese Renten und die Renten aus der Unfallversicherung zusammen bestimmte Grenzen überschreiten. Bei der Zusammenrechnung der Renten aus der Rentenversicherung und aus der Unfallversicherung ist allerdings zugunsten des Versicherten der Kinderzuschuß außer Ansatz zu lassen. Die Leistungen, die der Versicherte für seine Kinder erhält, führen damit nicht zu einer Kürzung. Das LSG führt richtig aus, daß das deutsche Rentenrecht einen Zuschuß für den Ehegatten nicht kennt, der dem Kinderzuschuß entspricht. Dieser Umstand läßt indes nicht die vom LSG daraus gezogene Folgerung zu, daß der ausländische Ehegattenzuschlag bei der Anwendung der Ruhensvorschrift des § 1278 RVO wie der Kinderzuschuß behandelt werden müsse. Denn der deutsche Gesetzgeber wäre nicht gehindert gewesen, für den Ehegatten, der vom Rentenempfänger zu versorgen ist, einen Freibetrag vorzusehen, der ebenso wie der Kinderzuschuß bei der Ruhensregelung unberücksichtigt zu bleiben hat. Der Gesetzgeber hat dies indes nicht getan und offenbar auch nicht tun wollen.

Man muß nicht der Auffassung der Beklagten folgen, bei der deutschen Unfallrente sei der Ehegattenzuschlag gewissermaßen im Rechenbetrag der Rente enthalten und werde jetzt nur durch die - für den früheren Gesetzgeber nicht vorhersehbaren - gesellschaftlichen Veränderungen von den Unverheirateten eigentlich zu Unrecht in Anspruch genommen. Unabhängig davon bleibt auf jeden Fall die Tatsache bestehen, daß ein deutscher Rentenempfänger die Rente auch dann durch § 1278 RVO gekürzt erhält, wenn er einem Ehepartner unterhaltspflichtig ist, mit ihm seine Rente also "teilen" muß, ohne dafür bei der Kürzung einen entsprechenden Freibetrag zu erhalten, der von der Kürzung verschont wird. Man kann deshalb auch nicht davon ausgehen, daß der Gesetzgeber bei Rentenempfängern, die eine ausländische Unfallrente erhalten, eine Vergünstigung gegenüber den Empfängern einer deutschen Unfallrente gewollt hat, weil der Rechenbetrag der ausländischen Unfallrente einen Ehegattenzuschlag enthält. Auch der Empfänger der ausländischen Rente befindet sich in keiner anderen Lage als der Empfänger der deutschen Unfallrente, der ebenfalls einen Teil seiner Rente für den Ehepartner aufwenden muß.

Würde der Wortlaut der §§ 1278, 1279a RVO zugunsten der Empfänger von ausländischen Unfallrenten eine solche Vergünstigung vorsehen, wie sie das LSG dem Gesetz entnimmt, so müßte geprüft werden, ob sie unter der Geltung des Gleichheitsgrundsatzes (Art 3 Abs 1 Grundgesetz -GG-) Bestand haben könnte. Der Wortlaut dieser Vorschriften gibt aber keine ausreichende Grundlage für eine solche Auslegung.

Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben, soweit es das Urteil des SG abgeändert hat (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.

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