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4 RJ 139/80

Tatbestand

Der im Jahr 1927 in S. geborene Kläger, spanischer Staatsangehöriger, legte von 1958 bis 1963 in der spanischen Sozialversicherung 63 Monate Pflichtversicherungszeiten zurück. Von 1964 bis 1967 arbeitete er im Bundesgebiet; die für diese Zeit entrichteten Beiträge zur Arbeiterrentenversicherung wurden ihm nach § 1303 Reichsversicherungsordnung (RVO) erstattet. Vom 22. September 1969 bis zum 20. Oktober 1970 war er wieder im Bundesgebiet beschäftigt. In dieser Zeit war er vom 9. März bis zum 14. April und vom 20. April bis 20. Oktober 1970 krank und arbeitsunfähig; für den ersten Zeitabschnitt erhielt er Lohnfortzahlung, für den zweiten nur Krankengeld. Von 1971 bis 1975 legte er 43 Monate Pflichtversicherungszeiten beim spanischen Versicherungsträger zurück. Im März 1975 beantragte er Invaliditätsrente.

Mit Bescheid vom 14. August 1978 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente aus der deutschen Arbeiterrentenversicherung ab, weil nach deutschen Rechtsvorschriften nur Versicherungszeiten von weniger als 12 Monaten zurückgelegt worden seien.

Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben (Urteile des Sozialgerichts Düsseldorf vom 7. Dezember 1979 und des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. September 1980).

Mit der vom LSG zugelassenen Revision trägt der Kläger vor: „Versicherungszeit“ i.S. des Art. 22 Abs. 4 des deutsch-spanischen Abkommens über Soziale Sicherheit vom 4. Dezember 1973 seien auch Ausfallzeiten; rechne man die Ausfallzeit der Arbeitsunfähigkeit von April bis Oktober 1970 zu den Beitragszeiten hinzu, so sei die Zwölfmonatsgrenze dieser Bestimmung überschritten.

Er beantragt,

  • die Urteile der Vorinstanzen sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. August 1978 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente „wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit“ zu gewähren.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

  • die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit oder eine Invaliditätsrente.

Nach dem Recht der RVO allein besteht ein solcher Anspruch schon deshalb nicht, weil die Wartezeit von 60 Kalendermonaten (§§ 1246 Abs. 3 und 1247 Abs. 3 RVO) nicht erfüllt ist. Da aus den Beitragszeiten vor 1969 wegen der Erstattung keine Ansprüche abgeleitet werden können (§ 1303 Abs. 7 RVO), bleiben für die Wartezeit nur die von der Beklagten anerkannten acht Beitragsmonate für September 1969 bis April 1970 übrig; diese reichen für die Wartezeit nicht aus.

Auch unter Anwendung des deutsch-spanischen Abkommens über Soziale Sicherheit vom 4. Dezember 1973 (BGBl. 1977 II 687) - im folgenden: Abk. - steht dem Kläger kein Anspruch gegen den deutschen Rentenversicherungsträger zu, denn das Abk. sieht jedenfalls in Fällen wie diesem keine deutsche Rentenzahlung vor. Art. 22 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Art. 26 Abs. 1 bestimmt:

Hat die betreffende Person (zu ergänzen: die nach den Rechtsvorschriften beider Vertragsstaaten versichert war) nach den Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates Versicherungszeiten zurückgelegt, die insgesamt weniger als zwölf Monate umfassen, und gilt nach diesen Rechtsvorschriften die Wartezeit nicht als erfüllt, so gewährt der Träger dieses Staates für diese Zeiten keine Rente.

Nach Art. 1 Abk. bedeuten „in diesem Abkommen“ die Ausdrücke „Rechtsvorschriften“ die Gesetze, Verordnungen und Satzungen, auf die sich die in Art. 2 Abs. 1 bezeichneten Versicherungen, Systeme und Leistungen der Sozialen Sicherheit beziehen und die in dem Hoheitsgebiet oder einem Teil des Hoheitsgebietes eines Vertragsstaates in Kraft sind (Nr. 4), „Versicherungszeit“ eine Beitragszeit oder eine gleichgestellte Zeit gemäß den anzuwendenden Rechtsvorschriften (Nr. 13) und „Gleichgestellte Zeit“ eine Ersatzzeit, Ausfallzeit, Zurechnungszeit oder sonstige Zeit, soweit sie nach den deutschen oder spanischen Rechtsvorschriften einer Beitragszeit gleichgestellt ist (Nr. 15).

Art. 22 Abs. 4 Satz 1 Abk. ist auf den Rentenantrag des Klägers anzuwenden. Dieser hat in der deutschen Rentenversicherung Versicherungszeiten nur für die Zeit von September 1969 bis April 1970, also für weniger als zwölf Monate zurückgelegt, deshalb gilt nach deutschem Recht die Wartezeit nicht als erfüllt; der deutsche Rentenversicherungsträger darf keine Rente gewähren.

Was die Revision gegen das so gewonnene rechtliche Ergebnis vorbringt, vermag nicht zu überzeugen.

Die Revision meint, die Definition des Begriffs „Versicherungszeit“ im Abk. sei einer eventuell unterschiedlichen Definition in der RVO vorzuziehen, laut Abk. sei die Ausfallzeit eine Versicherungszeit. Daran ist richtig, daß bei der Anwendung des Abk. die dort verwendeten Begriffe so zu verstehen sind, wie sie im Abk. selbst definiert werden. Aber auch nach der Begriffsbestimmung des Abk. ist die Ausfallzeit (die Monate Mai bis Oktober 1970 könnten eine Ausfallzeit der Arbeitsunfähigkeit i.S. des § 1259 Abs. 1 Nr. 1 RVO darstellen) keine Versicherungszeit i.S. des Art. 22 Abs. 4 Satz 1 Abk.

Das ergibt sich einmal aus der in Art. 1 Nr. 13 Abk. enthaltenen Definition. Die Ausfallzeit ist „gemäß den anzuwendenden Rechtsvorschriften“, hier also den deutschen, weder eine Beitragszeit noch eine gleichgestellte Zeit. Denn nach dem deutschen Rentenversicherungsrecht ist die Ausfallzeit der Beitragszeit gerade nicht gleichgestellt: Sie wird nicht für die Erfüllung der Wartezeit angerechnet (§§ 1249 Satz 1 und 1250 Abs. 1 RVO) und geht nur in die Berechnung der Rentenhöhe ein (§§ 1253, 1255a, 1258 RVO).

Auch nach der Begriffsbestimmung des Art. 1 Nr. 15 Abk. ist der Anspruch des Klägers nicht begründet. Denn nach dieser Vorschrift ist die Ausfallzeit eine gleichgestellte Zeit nur, „soweit sie nach den (hier allein anwendbaren) deutschen Rechtsvorschriften einer Beitragszeit gleichgestellt ist. Die Ausfallzeit ist, wie ausgeführt, nach deutschem Recht der Beitragszeit jedoch nicht gleichgestellt.

Die Regelung des Abk. ist auch sinnvoll. Durch sie wird, worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist, erreicht, daß möglichst keine Kleinst-(Teil-)Renten zu zahlen sind. Wer als Wanderarbeitnehmer in einem Vertragsstaat nur für eine verhältnismäßig kurze Zeit gearbeitet hat, bedarf einer Teilrente aus der Rentenversicherung dieses Staates nicht. Im Gesamtergebnis erleidet er aber keinen Schaden, weil die kurze Zeit in dem einen Vertragsstaat bei der von dem anderen Vertragsstaat gezahlten Rente berücksichtigt werden muß; er erhält von dem anderen Träger die voll „Zunächstrente“ und nicht nur, wie in der Regel sonst, die „Pro-rata-temporis-Rente“ (Art. 22 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Abk.). Darauf, ob die Rentenversicherung eines Vertragsstaates etwa günstiger ist als die des anderen, kann es bei einer verhältnismäßig kurzen Beitragszeit im Gebiet des (günstigeren) Staates nicht ankommen.

Die Revision des Klägers war als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

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