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5b/5 RJ 26/80

Tatbestand

Die Kläger beanspruchen Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihrer am 31. Oktober 1977 nach einem Verkehrsunfall verstorbenen Mutter.

Die Versicherte hatte bis zum 30. September 1971 eine Krankenpflegevorschule besucht. Danach war sie mit Unterbrechungen versicherungspflichtig beschäftigt. Insgesamt sind 52 Beitragsmonate nachgewiesen. In den Monaten Mai und Juni 1975 besuchte sie einen 28tägigen Schwesternhelferinnen-Lehrgang des Deutschen Roten Kreuzes (DRK).

Die Beklagte lehnte den Rentenanspruch mit der Begründung ab, die Wartezeit von 60 Monaten sei nicht erfüllt und könne auch nicht gemäß § 1252 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) als erfüllt gelten, weil die Teilnahme an dem Lehrgang für Schwesternhelferinnen keine Ausbildung i.S.d Vorschrift darstelle (Bescheid vom 26. April 1978).

Das Sozialgericht (SG) hat den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, Halbwaisenrente zu gewähren (Urteil vom 15. November 1978). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Im Urteil vom 15. Januar 1980 ist zur Begründung ausgeführt: Die aus § 1252 Abs. 2 RVO folgende Fiktion der Wartezeiterfüllung greife - bei im übrigen vorliegenden Voraussetzungen - zu Gunsten der Kläger deshalb nicht ein, weil die Versicherte nicht vor Ablauf von 6 Jahren nach Beendigung einer Ausbildung tödlich verunglückt sei. Der Abschluß der Krankenpflegevorschule habe zZ des Todes um mehr als diese Zeitspanne zurückgelegen. Die noch in die Frist fallende Teilnahme an dem Lehrgang für Schwesternhelferinnen genüge nicht den Anforderungen, die von dem Gesetzesbegriff der Ausbildung ausgingen. Die gebotene Abgrenzung nach einem objektiven Maßstab setze voraus, daß die Ausbildung für die Ausübung eines Berufes notwendig sei. Dies treffe auf den Schwesternhelferinnen-Lehrgang nicht zu. Die Teilnahme daran sei weder erforderlich noch ausreichend für eine berufliche Betätigung.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügen die Kläger eine fehlerhafte Anwendung des § 1252 Abs. 2 RVO. Sie beharren auf ihrer Auffassung, die Teilnahme an dem DRK-Lehrgang sei für den von der Versicherten angestrebten krankenpflegerischen Beruf im Sinne dieser Bestimmung als Ausbildung zu werten.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

  • das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Januar 1980 aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

  • die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) zugestimmt.

Entscheidungsgründe

Die Revisionen der Kläger sind sachlich unbegründet. Das LSG hat die geltend gemachten Rentenansprüche zu Recht verneint.

Renten an Hinterbliebene eines Versicherten, dem zZ seines Todes Versichertenrente nicht zustand, können gemäß § 1263 Abs. 2 RVO nur gewährt werden, wenn der Verstorbene die Wartezeit für die Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt, dh eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt hatte (§ 1246 Abs. 3 RVO) oder wenn diese Leistungsvoraussetzung nach § 1252 RVO als erfüllt gilt.

Den nicht angegriffenen und deshalb für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (vgl. § 163 SGG) ist zu entnehmen, daß die Versicherte mit den bis Oktober 1977 entrichteten Beiträgen nicht die für die Rente wegen Berufsunfähigkeit notwendige Mindestversicherungszeit aufzuweisen hatte. Die Bedingungen, unter denen nach der hier allein in Betracht zu ziehenden Regelung in Abs. 2 des § 1252 RVO die sonst für die Erfüllung der Wartezeit erforderliche Versicherungsdauer unterstellt wird, liegen - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - aber gleichfalls nicht vor. Entscheidend fällt dafür ins Gewicht, daß sich die Versicherte in dem Zeitraum von 6 Jahren vor ihrem Unfalltod nicht in einer Ausbildung befunden und diese beendet hat.

Als Anknüpfungspunkt für eine diesbezügliche rechtliche Würdigung bietet sich allein der Lehrgang für Schwesternhelferinnen an, da die Berücksichtigung des Besuchs der Krankenpflegevorschule jedenfalls an der 6-Jahresfrist scheitert. Die Teilnahme an diesem Lehrgang ist keine Ausbildung in dem Sinne, wie der Begriff im gegebenen Zusammenhang verstanden werden muß.

Nicht jede irgendwie geartete Ausbildung ist geeignet, die Fiktion der erfüllten Wartezeit auszulösen, sondern - in Anlehnung an die Bedeutung des gleichlautend verwendeten Begriffs in § 1251 Abs. 2 RVO - nur eine Schul- oder Berufsausbildung (BSG SozR 2200 § 1252 Nr. 1 S. 2 m.w.N.). Von diesen möglichen Begriffsinhalten ist der Fall der Schulausbildung durch den gegebenen Sachverhalt ohne weiteres ausgeschlossen. Eine für den gesamten Bereich des Sozialversicherungsrechts gültige Erläuterung des Begriffs der Berufsausbildung fehlt. Seine Tragweite ist angesichts der Vieldeutigkeit und Wandelbarkeit des Berufsbegriffs aus dem Gesamt- und Sinnzusammenhang der jeweils anzuwendenden gesetzlichen Regelung zu erschließen (vgl. BSG a.a.O. S. 3 m.w.N.). Die durch § 1252 RVO ermöglichte Rentengewährung trotz unzureichender Beitragsleistung steht in gewissem Gegensatz zu den Grundlinien der Rentenversicherung. Am Beginn des Bemühens um eine normgerechte Deutung des Begriffs der Berufsausbildung steht deshalb die Erkenntnis, daß der Ausnahmecharakter der Regelung der Gesetzesauslegung enge Grenzen zieht (vgl. BSGE 7, 159, 162; BSG SozR Nrn 1 und 5 zu § 1263a RVO aF). Besonderes Gewicht besitzt dieser Gedanke namentlich in bezug auf die von § 1252 Abs. 2 RVO erfaßten Tatbestände, weil der Wortlaut dieser Vorschrift weiter reicht als der erkennbare Normzweck (vgl. BSG SozR 2200 a.a.O. S. 5).

Geht man vom allgemeinen Wortsinn aus, dann beinhaltet Berufsausbildung die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten, die für die Verrichtung einer Erwerbstätigkeit erforderlich sind (vgl. BSG SozR 4100 § 41 Nr. 1 S. 3). Die Berufsausbildung ist daher nach Ziel, Plan und inhaltlicher Ausgestaltung maßgeblich auf das Erreichen einer bestimmten beruflichen Befähigung ausgerichtet. Die Beurteilung des Einzelfalles richtet sich insoweit nach den objektiven Gegebenheiten. Der bloße innere Wille, auf anderem Wege erworbene Kenntnisse beruflich zu nutzen, macht das Erlernen der betreffenden Fertigkeiten nicht zur Berufsausbildung. Beispielhaft läßt sich dies etwa an dem Fall eines Wehrpflichtigen verdeutlichen, der einen längeren freiwilligen Wehrdienst in der Absicht wählt, auf die dabei erlangten Fähigkeiten zB technischer Art im späteren zivilen Leben eine Erwerbstätigkeit zu gründen. Dieser Beweggrund macht den Wehrdienst ebensowenig zur Berufsausbildung wie umgekehrt eine anerkannte Berufsausbildung diese Rechtsnatur nicht deshalb einbüßt, weil sie für andere Zwecke erfolgt und dem Ausbildungswilligen aus seiner Sicht nicht als Vorbereitung auf eine später gegen Entgelt auszuübende berufliche Tätigkeit dienen soll.

Dem von der Versicherten absolvierten Lehrgang für Schwesternhelferinnen fehlt nach den Feststellungen des LSG dieser objektive berufliche Bezug. Danach verfolgte der Lehrgang nicht den Zweck, den Teilnehmerinnen den Übergang in das Arbeitsleben zu ermöglichen. Er diente vielmehr der Schulung für die ehrenamtliche Mitarbeit im Rahmen des vom DRK organisierten freiwilligen Hilfsdienstes in Not- und Katastrophenfällen. Als Berufsvorbereitung war er dagegen weder erforderlich noch geeignet.

An diese Feststellungen des LSG, die von den Beteiligten nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen worden sind, ist der Senat gemäß § 163 SGG gebunden. Schon nach den tatsächlichen Verhältnissen, von denen das Revisionsgericht demzufolge auszugehen hatte, kann die Teilnahme an dem DRK-Lehrgang nicht zur Ausbildung i.S. des § 1252 Abs. 2 RVO gerechnet werden.

Der Senat mußte deshalb die unbegründeten Revisionen der Kläger zurückweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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