Navigation und Service

Logo der Deutschen Rentenversicherung (Link zur Startseite rvRecht)

rvRecht® - Rechtsportal der Deutschen Rentenversicherung

11 RA 70/79

Tatbestand

I

Streitig ist die Zuordnung von Leistungsgruppen nach der Anlage 1 B zu § 22 des Fremdrentengesetzes (FRG).

Die 1938 geborene Klägerin legte in R. 1958 die Schulabschlußprüfung und nach dreijähriger Ausbildung im Juni 1962 das Examen als medizinisch-technische Assistentin (MTA) ab. Von August 1962 bis November 1963 arbeitete sie in diesem Beruf in einem Krankenhaus, von Dezember 1963 bis Januar 1965 wurde sie auf einer Baustelle als Hilfsarbeiterin geführt und bezahlt und von März 1965 bis zu ihrer Ende 1970 erfolgten Aussiedlung in die Bundesrepublik Deutschland war sie wieder in einem Krankenhaus als MTA tätig.

Mit Bescheid vom 12. Mai 1976 erteilte ihr die Beklagte eine Bescheinigung über die anrechnungsfähigen fremden Versicherungszeiten und stufte sie darin bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres in die Leistungsgruppe B 4 der Anlage 1 zu § 22 FRG ein; die Klägerin begehrt die durchgehende Zuordnung zu der Leistungsgruppe B 3.

Das Sozialgericht (SG) gab der Klage statt, das Landessozialgericht (LSG) wies sie auf die Berufung der Beklagten ab (Urteile vom 23. Februar 1978 und 2. Mai 1979). Nach der Auffassung des LSG hat die Klägerin während der betreffenden Zeit noch keine „besonderen Fachkenntnisse und Fähigkeiten“ i.S. der allgemeinen Definition der Leistungsgruppe B 3 gehabt. Hierfür genüge auch im Beruf der MTA noch nicht die abgeschlossene Berufsausbildung; vielmehr müßten berufliche Erfahrungen hinzutreten, die (erst) im Laufe der Zeit den Wert der geleisteten Arbeit erhöhten. Da die Klägerin keine Spezialtätigkeit verrichtet habe, komme es allein auf die „mehrjährige Berufserfahrung“ an. Im Hinblick darauf sei die von der Beklagten ab dem 30. Lebensjahr vorgenommene Einstufung in die Leistungsgruppe B 3 nicht zu beanstanden; zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin den Beruf erst knapp sechs Jahre lang ausgeübt gehabt. Der Berufskatalog der Leistungsgruppe, der die MTA ohne Alterseinschränkung aufführe, habe keine eigenständige Bedeutung. Gegen höherrangiges Recht verstoße die in § 22 FRG getroffene Regelung nicht.

Mit der - zugelassenen - Revision beantragt die Klägerin (sinngemäß),

  • das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Zur Begründung rügt sie eine Verletzung von § 22 FRG i.V.m. der Anlage 1 B. Schon die vom Alter unabhängige Aufnahme der MTA in den Berufskatalog der Leistungsgruppe B 3 belege, daß diese im Regelfall von Anfang an dort hin gehöre; sie, die Klägerin, hebe sich wegen der ihr bescheinigten ausgezeichneten Ausbildung aus dem Kreise der Kolleginnen noch heraus. Im übrigen weise eine MTA die in der Definition geforderten besonderen Fachkenntnisse und Fähigkeiten mit der staatlichen Prüfung nach; eine bestimmte Berufserfahrung oder ein bestimmtes Alter werde auch im Gesetz über die technischen Assistenten in der Medizin nicht (zusätzlich) verlangt. Soweit der Berufskatalog der Leistungsgruppe B 3 ein Mindestalter nenne, beziehe sich das auf Berufe ohne qualifizierte Ausbildung; nur die Angehörigen solcher Berufe müßten sich die Eingruppierung mit „mehrjähriger Berufserfahrung“ erdienen.

Die Beklagte beantragt,

  • die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist nicht begründet; die Klägerin kann für die in Rede stehenden fremden Beitragszeiten nicht in die Leistungsstufe B 3 der Anlage 1 zu § 22 FRG eingestuft werden.

Zu dieser Leistungsgruppe gehören nach dem hier allein in Betracht kommenden Satz 1 der allgemeinen Definition Angestellte mit mehrjähriger Berufserfahrung oder besonderen Fachkenntnissen und Fähigkeiten oder mit Spezialtätigkeiten, die nach allgemeiner Anweisung selbständig arbeiten, jedoch keine Verantwortung für die Tätigkeit anderer tragen. Im Anschluß an Satz 3 der Definition („Ergibt sich nicht nach den Merkmalen der ausgeübten Beschäftigung die Einstufung in eine andere Leistungsgruppe, so gehören hierzu unter anderem“) folgt ein Berufskatalog, der bei den weiblichen Angestellten - ohne Altersgrenze - auch die MTA aufführt. Hieraus ist entgegen der Meinung der Klägerin indessen nicht zu schließen, daß in aller Regel jede Angehörige dieses Berufsstandes von Berufsbeginn an in die Leistungsgruppe B 3 einzugruppieren sei. Wie das Bundessozialgericht (BSG) in einer Anzahl von Entscheidungen unter Hinweis auf Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte der Vorschrift ausgeführt hat (z.B. SozR Nr. 8 sowie Nrn. 4, 6 und 7 zu § 22 FRG; SozR 5050 § 22 Nr. 1), sind für die Zuordnung zu den Leistungsgruppen die beigefügten Berufskataloge vielmehr nur dann maßgebend, wenn sich aus den allgemeinen Definitionen keine andere Leistungsgruppe ergibt; den Definitionen kommt der Vorrang vor den Berufskatalogen zu. Die Bedeutung der Kataloge liegt u.a. darin, daß sie - als Beispiele - Berufe nennen, bei denen in der Regel die Tatbestandsmerkmale der allgemeinen Definitionen gegeben sein werden; daraus folgt aber nicht, daß die Zuordnung zu den Leistungsgruppen sich regelmäßig in erster Linie nach den - mit und ohne Altersangabe - aufgezählten Berufen zu richten hat.

Von den in Satz 1 der Leistungsgruppendefinition B 3 enthaltenen Tatbestandsmerkmalen war in der in Betracht kommenden Zeit keines erfüllt.

Eine „Spezialtätigkeit“ im dort gemeinten Sinne hat die Klägerin nicht verrichtet. Dabei muß es sich nach der Rechtsprechung (SozR Nr. 11 zu § 22 FRG) um eine selten anzutreffende Tätigkeit ohne traditionelles Berufsbild handeln; dies ist bei der Tätigkeit einer MTA nicht der Fall. Die dem angefochtenen Urteil zu entnehmende Feststellung des LSG, die Klägerin habe in dem betreffenden Zeitraum noch nicht über eine „mehrjährige Berufserfahrung“ verfügt, läßt keinen Rechtsirrtum erkennen. Aus dem Vorrang der Definition gegenüber dem Berufskatalog folgt, daß diese Berufserfahrung auch dort, wo der Katalog ein Mindestalter nicht nennt, nicht unterstellt werden kann, sondern tatsächlich erworben sein muß. Dazu bedarf es einer sich über eine Anzahl von Jahre erstreckenden steten praktischen Arbeit im Beruf. Daß dabei nach der Vorstellung des Gesetzgebers nicht schon eine geringe Zeitspanne genügen kann, ergibt sich bereits daraus, daß der Berufskatalog der Leistungsgruppe B 3 weitgehend auf die Vollendung des 30. Lebensjahres abhebt (vgl. hierzu SozR Nr. 8 zu § 22 FRG Aa 10 sowie SozR 5050 § 22 Nr. 1 auf Seite 2 zur Abgrenzung der „besonderen Erfahrung“ im Sinne der Leistungsgruppe B 2). Im vorliegenden Fall fällt ins Gewicht, daß nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG die Klägerin in Rumänien zwischendurch länger als ein Jahr auf einer Baustelle als ungelernte Arbeiterin geführt und entlohnt worden ist; das LSG dürfte daher zu dem Ergebnis gelangen, die Klägerin habe vor Vollendung des 30. Lebensjahres eine mehrjährige Berufserfahrung noch nicht erlangt.

Zu einem früheren Zeitpunkt kann die Klägerin die Leistungsgruppe B 3 auch nicht wegen „besonderer Fachkenntnisse“ beanspruchen; soweit sie sich hierzu auf dem Senat vorgelegte Bestätigungen von Ärzten beruft, kann sie in der Revisionsinstanz von vornherein nicht gehört werden. Wie der Senat in dem Urteil vom 3. Februar 1977 (BSGE 43, 189, 192) schon ausgeführt hat, handelt es sich bei den besonderen Fachkenntnissen zwar nicht oder nicht notwendigerweise um solche, zu deren Erlangung es einer mehrjährigen Berufserfahrung bedarf. Soweit das LSG hiervon auszugehen scheint, indem es meint, zur abgeschlossenen Ausbildung müßten „berufliche Erfahrungen hinzutreten, die im Laufe der Zeit den Wert der geleisteten Arbeit erhöhten“, kann ihm in dieser Form nicht beigepflichtet werden; „besondere Fachkenntnisse“ können durchaus auch Kenntnisse sein, die schon vor oder neben der Ausbildung zu einem Beruf erworben wurden. Ein bloßer Abschluß einer Berufsausbildung durch eine Prüfung an einer (staatlichen) Fachschule, die bereits Voraussetzung für eine Zugehörigkeit zur Leistungsgruppe B 4 ist, ist jedoch in keinem Falle schon geeignet, besondere Fachkenntnisse im Sinne der Leistungsgruppendefinition B 3 zu verbürgen; Fachkenntnisse sind vielmehr erst dann „besondere“, wenn sie zu den durch Abschluß einer Berufsausbildung erworbenen allgemeinen Fachkenntnissen hinzutreten (BSGE a.a.O.; SozR 5050 § 22 Nrn. 1 und 9). Dafür, daß die Klägerin während der in Betracht kommenden Zeit über solche Fachkenntnisse verfügte, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Nach dem Sachverhalt hat sie die rumänische Mittelschule abgeschlossen und sodann - mit einer zeitlichen Verzögerung von etwa einem Jahr - die MTA-Ausbildung aufgenommen; für die Zwischenzeit ist hinsichtlich des Erwerbs besonderer Fachkenntnisse nichts dargetan. Die Länge der rumänischen Ausbildungszeit bis zur examinierten MTA im Verhältnis zur Ausbildungszeit in der Bundesrepublik Deutschland läßt sich hierfür nicht anführen. Sie betrug offenbar in Rumänien generell drei Jahre für diesen Beruf; damit muß sie der Klägerin indessen nicht notwendig zu besonderen Fachkenntnissen verholfen haben.

Bei dieser Sachlage kann nicht von Bedeutung sein, ob die Klägerin von Anfang an „besondere Fähigkeiten“ für ihren Beruf als MTA besessen hat. Auch wenn dies mit Rücksicht auf die ihr in den Vorinstanzen bescheinigte hohe berufliche Qualifikation der Fall wäre, änderte sich nichts am Ergebnis, denn die Erfüllung dieses Merkmals reicht für die Eingruppierung in die Leistungsgruppe B 3 allein nicht aus.

Gegen übergeordnetes Recht verstößt das angewandte Gesetz nicht. Daß § 22 FRG in seinen Anlagen männlichen und weiblichen Berechtigten unterschiedliche Jahresentgelte zuweist, ist mit Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes (noch) vereinbar (Beschluß des BVerfG vom 26. Januar 1977 in SozR 5050 § 22 Nr. 5; SozR Nr. 10 zu § 22 FRG).

Nach alledem war, wie geschehen, zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

Zusatzinformationen