Navigation und Service

Logo der Deutschen Rentenversicherung (Link zur Startseite rvRecht)

rvRecht® - Rechtsportal der Deutschen Rentenversicherung

8b RKg 6/79

Tatbestand

I.

Der Kläger begehrt Kindergeld für eine Zeit, in der er in M/L gearbeitet hat.

Der Kläger ist der Vater seiner ehelichen Kinder G. und Ch. (geboren am 17. April 1970 und 4. Oktober 1971). Seit 1973 war er bei der B. M. C., M/L, dem rechtlich selbständigen Tochterunternehmen eines in D. ansässigen Unternehmens, beschäftigt. Es bestand zunächst ein auf 27 Monate befristetes Vertragsverhältnis, das später jeweils um 13,5 Monate (Arbeitszeit und Urlaub) verlängert wurde. Im Juli 1978 ist der Kläger in die B. D. zurückgekehrt.

Am 21. November 1975 beantragte der Kläger, ihm für seine beiden Kinder Kindergeld zu gewähren. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab (Bescheid vom 15. Dezember 1975) und wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 1976), weil der Kläger im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt habe.

Das Sozialgericht Würzburg (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 22. Juni 1977). Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 31. Januar 1979).

Der Kläger hat Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung der §§ 1 Nr. 1 BKGG; 13 StAnpG; 30 Abs. 3 Satz 1 des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil - (SGB I).

Der Kläger beantragt,

  • das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 31. Januar 1979, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 22. Juni 1977 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 1975 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 1976 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 1. Januar 1975 bis 31. Juli 1978 Kindergeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

  • die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen.

Die Beklagte und die Vorinstanzen haben zu Recht einen Kindergeldanspruch des Klägers für die streitige Zeit verneint, weil er keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des BKGG hatte (§ 1 Nr. 1 BKGG) und nicht von seinem im Geltungsbereich des Gesetzes ansässigen Arbeitgeber in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt, abgeordnet, versetzt oder kommandiert war (§ 1 Nr. 2a BKGG).

Nach den nicht angegriffenen und deshalb für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war der Kläger von 1973 bis Juli 1978 aufgrund eines zunächst auf 27 Monate befristeten und später jeweils um 13,5 Monate verlängerten Arbeitsvertrages bei der in M/L ansässigen selbständigen Tochtergesellschaft eines in der B. ansässigen Unternehmens tätig. Seine Familie hielt sich dort bei ihm auf. Er besaß zwar schon vorher in der B. eine Eigentumswohnung, die er nicht aufgab und insbesondere benutzte, wenn er sich mit seiner Familie in D. aufhielt. Nach den vom BSG in seinem Urteil vom 27. April 1978 - 8 RKg 2/77 - (SozSich 1978, 221; Praxis 1978, 333, 334) dargelegten und vom LSG weitgehend wörtlich wiedergegebenen Gründen sind auch bei diesem Sachverhalt die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Nrn. 1 oder 2a BKGG nicht erfüllt. Entgegen der Ansicht des Klägers unterscheiden sich der seinerzeit dem Urteil des BSG zugrundeliegende und der zu beurteilende Sachverhalt in ihren rechtserheblichen Merkmalen nicht. In beiden Fällen hatten die Kläger längere und mehrfach verlängerte Arbeitsverträge, wonach sie im Ausland für mehrere Jahre beschäftigt waren (dort: etwa 6 1/2, hier: etwa 5 Jahre). Beide hatten eigene Wohnungen (Eigenheim; Eigentumswohnung) in der B. D., die sie während des Urlaubs mit ihren Familien benutzten. Daß der damalige Kläger I war, war für die Entscheidung ohne Bedeutung, weil der Kindergeldanspruch, jedenfalls soweit er vom Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder der Entsendung abhängig ist, gerade nicht die deutsche Staatsangehörigkeit voraussetzt. Es ist allerdings nicht erforderlich, daß der Antragsteller seinen alleinigen Wohnsitz im Inland hat. Es reicht aus, wenn einer von mehreren Wohnsitzen im Geltungsbereich des Gesetzes liegt. Das haben der Reichsfinanzhof und der Bundesfinanzhof in ihrer Rechtsprechung klargestellt; auch das BSG vertritt insoweit keine andere Rechtsauffassung. Inwieweit entgegen dem damals entschiedenen Fall hier die eingerichtete Eigentumswohnung „die Basis der beruflichen Tätigkeit“ des Klägers im Ausland gewesen und weshalb sich daraus eine andere Rechtsfolge ergeben soll, legt der Kläger weder dar, noch vermag der Senat das zu erkennen.

Der erkennende Senat hat inzwischen in weiteren Urteilen an seiner in dem o.a. Urteil vom 27. April 1978 vertretenen Rechtsauffassung festgehalten (vgl. Urteile vom 26. Juli 1979 - 8b RKg 12/78 - SozSich 1979, 351 und 31.Januar 1980 - 8b RKg 4/79 -). Die vom Kläger hiergegen vorgebrachten Bedenken überzeugen nicht. Der Reichsfinanzhof und der Bundesfinanzhof, deren Rechtsprechung der erkennende Senat herangezogen hat, hatten in ihren Urteilen jeweils über Sachverhalte zu entscheiden, bei denen eine Wohnung tatsächlich vorhanden war, die von dem dort Steuerpflichtigen nicht regelmäßig benutzt wurde. Er hat dann in bestimmten Fällen, etwa wenn die Familie die Wohnung weiterhin bewohnte, dennoch auch dessen Wohnsitz bejaht, wenn dieser Zustand nicht allzu lange andauerte. Wenn der Kläger ferner meint, die Rechtsprechung des erkennenden Senats berücksichtige nicht hinreichend die Lage von in Entwicklungsländern Beschäftigten, trifft das ebenfalls nicht zu. Einerseits sieht das Gesetz selbst bei fehlendem inländischen Wohnsitz einen Kindergeldanspruch für denjenigen vor, der als Entwicklungshelfer Unterhaltsleistungen im Sinne des § 4 Nr. 1 des Entwicklungshelfergesetzes erhält (§ 1 Nr. 2d BKGG). Andererseits wird dieser Personenkreis unter den dort genannten Voraussetzungen von § 1 Nr. 2a BKGG erfaßt. Eine weitere Ausdehnung des anspruchsberechtigten Personenkreises muß dem Gesetzgeber überlassen bleiben.

Ob die von dem erkennenden Senat für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV (1. Juli 1977) für den Begriff der „vorübergehenden Entsendung“ angenommene Höchstdauer eines Auslandsaufenthalts von 2 Jahren angesichts der gesetzlichen Umschreibung der „Ausstrahlung“ in § 4 SGB IV weiterhin gültig bleibt, kann hier unentschieden bleiben. Das Kindergeldrecht wird von SGB IV nicht erfaßt und § 4 SGB IV setzt insoweit inhaltlich ähnlich wie § 1 Nr. 2a BKGG eine Entsendung im Rahmen eines im Inland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses voraus, erfaßt also ebensowenig wie § 1 Nr. 2a BKGG Beschäftigungsverhältnisse bei nicht im Inland ansässigen Arbeitgebern. Der Arbeitgeber des Klägers war nicht im Inland ansässig.

Zutreffend weisen das LSG und die Beklagte schließlich auf das o.a. Urteil des erkennenden Senats vom 26. Juli 1979 hin. Dort ist ausgesprochen, ein inländischer Wohnsitz werde wenigstens bei einem Auslandsaufenthalt von 2 Jahren nicht aufgegeben, wenn u.a. der Rückkehrwille bestehe und der Rückkehr keine tatsächlichen Hindernisse entgegenstünden. Die damalige Klägerin hatte mit ihren Kindern eine Auslandsreise unternommen, die sie auf fast 2 Jahre ausgedehnt hatte. Sie war aber im Ausland keinerlei rechtliche oder tatsächliche Bindungen eingegangen, und es hing lediglich von ihrem eigenen Willen ab, wann sie an ihren alten Wohnsitz zurückkehrt. Der Kläger dagegen war vertraglich verpflichtet, sich im Ausland aufzuhalten. Er konnte deshalb nicht jederzeit ohne Grund, vor allem nicht ohne Vertragsbruch, zurückkehren. Er hatte deshalb für die Dauer seines Beschäftigungsverhältnisses in M seinen inländischen Wohnsitz aufgegeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Zusatzinformationen