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5 RKn 22/78

Gründe I.

Die Beteiligten streiten über den Beginn der dem Kläger gewährten Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG).

Der im Jahre 1924 geborene Kläger arbeitete während seiner knappschaftlichen Versicherungszeit von 1958 bis zum 1. Juni 1971 als Hauer, danach bis zum 31. März 1976 als Maschinenhauer 1 sowie anschließend als Hauer im Streckenausbau und im Transport. Am 15. Juni 1976 beantragte er die Bergmannsrente wegen Vollendung des fünfzigsten Lebensjahres und Erfüllung besonderer Wartezeit (§ 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG). Die Beklagte teilte ihm am 18. Oktober 1976 mit, er übe im Vergleich zu seinem „Hauptberuf“ als Hauer noch die wirtschaftlich gleichwertige Arbeit eines Maschinenhauers aus; die Bergmannsrente könne erst gewährt werden, wenn sein Tariflohn 71,94 DM je Schicht nicht übersteige. Nachdem der Kläger am 1. November 1976 die Tätigkeit eines Bandaufsehers in der Lohngruppe 07 unter Tage aufgenommen hatte, lehnte die Beklagte gleichwohl die Gewährung der Bergmannsrente am 4. Februar 1977 ab, weil der Kläger eine seiner „bisher verrichteten knappschaftlichen Arbeit“ wirtschaftlich gleichwertige Arbeit verrichte. Als „Hauptberuf“ gab sie nun die Tätigkeit des Maschinenhauers 1 an. Wirtschaftlich nicht mehr gleichwertig sei ein Tariflohn von nicht mehr als 68,20 DM täglich. Mit Bescheid vom 6. April 1977 gewährte die Beklagte dem Kläger die Bergmannsrente gem. § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG vom 1. Februar 1977 an, weil der Kläger von da an als Streckenreparaturarbeiter nur noch den Lohn der Gruppe 06 unter Tage erhielt. Sein Widerspruch wegen des Beginns der Bergmannsrente blieb erfolglos. (Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 1977).

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger die Bergmannsrente bereits vom 1. November 1976 an zu gewähren (Urteil vom 2. November 1977). Das Landessozialgericht (LSG) hat die zugelassene Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Hauptberuf des Klägers sei eine Tätigkeit der Lohngruppe 09 unter Tage. Im Vergleich dazu sei die von ihm in der Zeit vom 1. November 1976 bis zum 31. Januar 1977 verrichtete Tätigkeit des Bandaufsehers nicht mehr wirtschaftlich gleichwertig gewesen. Zwar betrage nach der Lohnordnung für den Aachener Steinkohlenbergbau die Differenz zwischen den Lohngruppen 09 und 07 seit dem 1. Mai 1974 konstant nur 7,44 Prozent; das sei aber noch mit dem vom Bundessozialgericht - BSG - (SozR 2600 § 45 Nr. 18) geforderten Grenzwert der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit von „etwa“ 7,5 Prozent zu vereinbaren (Urteil vom 10. August 1978).

Die Beklagte hat dieses Urteil mit der - vom LSG zugelassenen - Revision angefochten. Sie ist der Ansicht, ein Unterschreiten des Grenzwertes von 7,5 Prozent könne nicht toleriert werden, weil der Kläger bei einer weiteren Abstufung in die niedrigere Lohngruppe 06 bereits einen Lohnverlust von 10,66 Prozent zu erleiden hätte. Eine solche Auslegung widerspreche dem Prinzip des Gleichwertigkeitsverhältnisses. Die Bergmannsrente habe echte Lohnersatzfunktion. Eine Einkommensminderung bis zu 7,5 Prozent sei dem Versicherten zuzumuten und bleibe ohne Ausgleich durch die Rentenversicherung. Selbst bei geringfügigen Abweichungen sei für eine Verneinung der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit kein Raum. Grenzfälle müßten in Kauf genommen werden.

Die Beklagte beantragt,

  • das angefochtene Urteil sowie das Urteil des SG Aachen vom 2. November 1977 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

  • die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil im Ergebnis und in der Begründung für richtig. Im übrigen erblickt er in dem Schreiben der Beklagten vom 18. Oktober 1976 eine Zusage, ihm unter den dort genannten Voraussetzungen, die er erfüllt habe, die Berg-mannsrente zu gewähren.

Gründe II.

Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, daß dem Kläger die Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG auch für die Zeit vom 1. November 1976 bis zum 31. Januar 1977 zusteht.

Als „bisher verrichtete knappschaftliche Arbeit“ des Klägers ist eine Tätigkeit der Lohngruppe 09 der Lohnordnung für den Aachener Steinkohlenbergbau anzusehen, wobei es gleichgültig ist, ob vom Maschinenhauer 1 oder vom Hauer im Streckenausbau und im Transport auszugehen ist. Diesen Tätigkeiten gegenüber war die vom Kläger in der streitigen Zeit ausgeübte Arbeit eines Bandaufsehers (Lohngruppe 07) nicht wirtschaftlich gleichwertig.

Für den Anspruch auf Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG i.d.F. des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der knappschaftlichen Rentenversicherung (KnVNG) vom 21. Mai 1957 wurden zunächst nur die Vollendung des 50. Lebensjahres und eine besondere Wartezeit gefordert. Mit der am 1. Januar 1968 in Kraft getretenen Neufassung dieser Vorschrift wurde die Rentengewährung zusätzlich davon abhängig gemacht, daß der Versicherte „keine wirtschaftlich gleichwertigen Arbeiten mehr ausübt“. Dem Wortlaut nach erfüllt jeder - auch geringe - Minderverdienst im Vergleich zu der „bisher verrichteten knappschaftlichen Arbeit“ diese Voraussetzung. Der Gesetzgeber hat mit der Neufassung bewußt an die bis zum 31. März 1939 für die damalige Alterspension geltende Regelung angeknüpft (vgl. Urteil des Senats vom 29. Juni 1977 BSGE 44, 123, 124 = SozR 2600 § 45 Nr. 18 m.w.N.). Eine Gleichwertigkeit der Lohnarbeit wurde damals auch bei nur unbedeutenden, wirtschaftlich nicht ins Gewicht fallenden Lohnunterschieden angenommen. Im Grundsatz galt zunächst ein Minderverdienst bis zu 5 % als gleichwertig; dieser Prozentsatz wurde später in der Verwaltungspraxis auf 10 % erhöht „um das starke Anschwellen der Alterspension durch allzu weitherzige Auslegung des Begriffs „Gleichwertigkeit“ zu vermeiden“ (so Mansfeld / Pohle, Reichsknappschaftsgesetz, 1932, Anm. 2 f zu § 36).

Die nach der Neufassung des § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG angenommene Grenze der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit von ebenfalls 10 % Differenz des Arbeitseinkommens zwischen der bisher und der nun verrichteten Arbeit (vgl. BSG in SozR 2600 § 45 Nr. 2) hat der Senat in seiner Entscheidung vom 29. Juni 1977 (a.a.O. 125) infolge der in den letzten Jahren eingetretenen allgemeinen Verringerung der Lohndifferenz zwischen den einzelnen Tätigkeiten auf etwa 7,5 % reduziert. Das entspricht dem ursprünglichen Zweck der Festsetzung eines solchen Prozentsatzes, kleinere Veränderungen der Relation nicht zu einer ständigen Veränderung der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit und damit des Rentenanspruchs führen zu lassen. In dem Zusatz „etwa“ kommt zum Ausdruck, daß es sich nicht um eine schematisch und starr zu handhabende Grenze handelt, denn auch bis zum 31. März 1939 war die Entscheidung über die Gleichwertigkeit von Fall zu Fall unter Abwägung der Einzelumstände zu treffen (vgl. Mansfeld / Pohle a.a.O.). Die Grenze der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit von 7,5 % stellt eine absolute Obergrenze dar, oberhalb der in jedem Falle unabhängig von dem Lohngruppenabstand keine Gleichwertigkeit mehr besteht. Unterhalb dieses Grenzwertes können - zeitlich oder der Höhe nach - geringfügige Unterschreitungen gleichwohl im Einzelfall zur Ungleichwertigkeit führen. Dementsprechend hat der Senat im Urteil vom 20. Juni 1979 - 5 RKn 4/78 - entschieden, daß kurzfristige Verringerungen der Differenz zwischen dem tariflichen Entgelt zweier Tätigkeiten, die durch zeitversetzte Tariferhöhung bedingt sind, die hier maßgebende wirtschaftliche Gleichwertigkeit nicht begründen.

Eine Abstufung des Klägers in die Lohngruppe 06, wie sie die Beklagte für die Rentengewährung fordert, bedeutet im Vergleich zur Gruppe 09 eine Lohndifferenz von 10,66 %, worauf das LSG bereits hingewiesen hat. Damit wäre für den Kläger die vom Senat im Urteil vom 29. Juni 1977 (a.a.O.) vorgenommene Korrektur und Neubestimmung des Grenzwertes der „wirtschaftlichen Gleichwertigkeit“ i.S. des § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG von 10 auf 7,5 % bedeutungslos. Er müßte weiterhin die vom Senat als korrekturbedürftig angesehene Differenz von über 10 % hinnehmen. Zwar könnte er unter Umständen eine Tätigkeit außerhalb des Bergbaus finden, die in ihrer Entlohnung näher an den Grenzwert von 7,5 % herankommt. Darauf kann die Entscheidung aber nicht abgestellt werden. Maßgebend ist vielmehr die tatsächlich vom Kläger verrichtete Tätigkeit. Die Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG ist in erster Linie darauf abgestellt, daß Bergleute, die lange Jahre ständige Arbeiten unter Tage verrichtet haben, diese Tätigkeiten nach Vollendung des 50. Lebensjahres nicht mehr ausführen können und eine minderentlohnte Arbeit aufnehmen müssen. Wann dann noch Gleichwertigkeit besteht, ist generell an einer Weiterbeschäftigung im Bergbau auszurichten, weil diesem typischen Fall vornehmlich die gesetzliche Regelung dient. Eine Tätigkeit, die in der Lohnskala des Steinkohlenbergbaus zwei Stufen unter der „bisher verrichteten knappschaftlichen Arbeit“ steht und einen konstanten Lohnabfall von nahezu 7,5 %, nämlich 7,44 % aufweist, liegt in ihrem wirtschaftlichen Wert so deutlich unter der Vergleichstätigkeit, daß sie nicht mehr als wirtschaftlich gleichwertig angesehen werden kann. Nur so bleibt eine spürbare Abgrenzung zwischen den Begriffen „wirtschaftlich gleichwertig“ in § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG und „im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig“ in § 45 Abs. 2 RKG erhalten (vgl. Urteil vom 29. Juni 1977 a.a.O.), denn eine Lohndifferenz von 10,66 % liegt schon näher an dem Grenzwert von 12,5 %, an dem die Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit auszurichten ist. Da bei einer Beschäftigung außerhalb des Bergbaus ein direkter Lohnstufenvergleich mit der knappschaftlichen Tätigkeit vielfach nicht möglich sein wird, kann dort der Grenzwert von 7,5 % hier bedeutsamer sein und eher eine starre Handhabung erfordern.

Da der Kläger in der Zeit vom 1. November 1976 bis zum 31. Januar 1977 keine gleichwertigen Arbeiten verrichtet hat, mußte der Senat die unbegründete Revision der Beklagten zurückweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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