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4 RJ 61/76

Gründe

Die Beteiligten streiten darum, ob und in welchem Umfang die beklagte LVA auf die von ihr der Klägerin gezahlte Erwerbsunfähigkeitsrente die jugoslawische Leistung anrechnen darf, nachdem die beigeladene BG für einen Teil derselben Rentenbezugszeit die Rente aus der UV bereits in Höhe der jugoslawischen Leistung zum Ruhen gebracht hat (§§ 11 und 31 FRG).

Die Klägerin verlor 1947 während ihrer Tätigkeit als Maschinenarbeiterin in Jugoslawien bei einem Unfall den linken Unterarm. Sie arbeitete noch bis 1953 als Pförtnerin und bezog dann eine „Invalidenpension“. 1963 kam sie als Aussiedlerin in die Bundesrepublik Deutschland. Mit Wirkung vom 13.10.1970 wurde die jugoslawische Rente nach hier überwiesen. Die Beklagte leitete in ihrer Eigenschaft als Verbindungsstelle den für die Zeit bis November 1973 vom jugoslawischen Träger überwiesenen Betrag von umgerechnet 5.767,68 DM an die Klägerin weiter, obwohl diese schon seit 1964 von der Beigeladenen eine Unfallrente nach dem FRG sowie von der LVA eine Berufsunfähigkeitsrente bezog. Die Beigeladene verlangte von der Klägerin mit dem Hinweis auf § 11 FRG 5.767,68 DM und kürzte in Anrechnung hierauf ab September 1974 die Unfallrente um monatlich 150,00 DM. Die Beklagte übernahm in Ausführung eines gerichtlichen Vergleichs mit Wirkung vom 01.02.1972 die Gewährung der Rente wegen EU. Gleichzeitig forderte sie mit Bezug auf § 31 FRG 8.635,03 DM (Höhe der jugoslawischen Leistung für die Zeit vom 13.10.1970 bis Dezember 1974) zurück.

Das SG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, die der Klägerin ab 01.02.1972 zustehende Rente wegen EU ohne Anrechnung der vom jugoslawischen Träger gezahlten Invalidenrente zu gewähren.

Die Sprungrevision der Beklagten Ist nur zum Teil begründet. Der Beklagten steht das Recht zu, die jugoslawische Leistung insoweit anzurechnen, als dies nicht vorher die Beigeladene getan hat.

Allerdings scheidet nicht - wie das SG meint - jegliche Berechtigung der Beklagten, die fremde Leistung anzurechnen, schon deshalb aus, weil die Beigeladene allein (vorrangig) hierzu befugt sei. Zunächst ist das SG zutreffend davon ausgegangen, daß die Klägerin sowohl die Voraussetzungen des § 11 FRG wie auch diejenigen des § 31 FRG erfüllt. § 11 Abs. 1 FRG lautet: „Wird dem Berechtigten von einem Träger der Sozialversicherung oder einer anderen Stelle außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes für denselben Versicherungsfall eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder an Stelle einer solchen eine andere Leistung gewährt, so ruht die Rente in Höhe des in Deutsche Mark umgerechneten Betrages, der als Leistung des Trägers der Sozialversicherung oder der anderen Stelle außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ausgezahlt wird.“ In der Parallelvorschrift des §31 Abs. 1 FRG für die RentVen heißt es bei sonst gleichem Wortlaut... „für die nach Bundesrecht anzurechnenden Zeiten eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung...”. Die Klägerin ist Berechtigte i.S. beider Bestimmungen, d.h. ihr wird von der Beigeladenen und von der Beklagten jeweils eine Rente in Anwendung des FRG gewährt. Sie erhält vom jugoslawischen Träger wegen der dort organisatorisch bestehenden Einheitsversicherung nur eine Leistung; diese trägt indessen funktionell und materiell sowohl die Merkmale der gesetzlichen UV wie auch der gesetzlichen RentV. Die Beklagte räumt ein, daß der jugoslawischen Leistung der im Jahre 1947 erlittene Unfall zugrunde gelegt worden ist und der Arbeitsunfall auch zu einer höheren Invalidenrente geführt hat; sie meint nur, die hier erbrachte jugoslawische Leistung sei vom Wortlaut des zugrunde liegenden Gesetzes und ihrer Bezeichnung als Invalidenrente her als eine der deutschen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente vergleichbare Rente anzusehen. Diese Ansicht wird weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des § 11 FRG gerecht. Die weite Fassung „von einem Träger der Sozialversicherung oder einer anderen Stelle“ soll gerade berücksichtigen, daß es im Herkunftsland keine der deutschen SozVers entsprechende Trägerschaft gibt. Das Fehlen einer gegliederten SozVers namentlich in osteuropäischen Staaten steht der Anwendung des § 11 FRG nicht entgegen (vgl. RVO-Gesamt-Komm. §11 FRG - Stand: August 1973 - Anm. 2 und 6); die Organisationsform und das Berechnungsprinzip der fremden Versicherung sind nicht ausschlaggebend (BSGE 6, 263, 265). Es kommt wesentlich auf den Bestand einer auf Gesetz beruhenden Versicherung gegen Arbeitsunfälle und/oder Berufskrankheiten an (vgl. § 6 FRG), genügt also zur Anwendung des § 11 FRG, daß sich die Einheitsversicherung auf eines dieser Wagnisse erstreckt. Das SG hat in Anwendung und Auslegung nichtrevisiblen jugoslawischen Rechts und somit für das Revisionsgericht bindend festgestellt (§ 162 SGG, § 562 ZPO i.V.m. § 202 SGG; BSGE 25, 20, 23 und SozR Nr. 19 zu § 15 FRG), daß im jugoslawischen Versicherungssystem Sonderregelungen bestehen, bei einem Arbeitsunfall die Wartezeit als erfüllt anzusehen und für die Berechnung der Pension von einer bestimmten Mindestzahl von Berufsjahren auszugehen. Ergänzend dazu können die zwischenstaatlichen Regelungen herangezogen werden. So war bereits im deutsch-jugoslawischen Vertrag vom 10.03.1956 (Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die Regelung gewisser Forderungen aus der Sozialversicherung - BGBl.  1958 II 170) die Rede von Versicherungen gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (Art. 1 Abs. 1) sowie Im Gesetz vom 25.06.1958 zu dem Vertrag vom 10.03.1956 (BGBl. II 168) von der „Zugehörigkeit zu der jugoslawischen gesetzlichen Unfallversicherung“ (Art.. 4); entsprechende Hinweise und Regelungen finden sich im deutsch-jugoslawischen Abkommen über Soziale Sicherheit vom 12.10.1968 (BGBl. 1969 II 1438), so in Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Nr. 1 b des Schlußprotokolls.

Wenn hiernach auch das erstinstanzliche Gericht im Gegensatz zur Beklagten mit Recht die Voraussetzungen des § 11 FRG als gegeben angesehen hat, so hätte es doch bei dieser Feststellung nicht halt machen oder aus der Erwähnung des Arbeitsunfalls in den jugoslawischen Bescheiden sowie aus der Auswirkung dieses Unfalls auf die Höhe der fremden Leistung schließen dürfen, § 11 FRG sei hier vorrangig gegenüber § 31 FRG. Die jugoslawische Leistung hat, was vom SG selbst bejaht und von der Beigeladenen nicht in Zweifel gezogen wird, den Charakter einer Rente der gesetzlichen RentV; sie beruht zudem auf Zeiten, die auch nach Bundesrecht (FRG) angerechnet worden sind.

Nach der Überzeugung des Senats ist bei der Konkurrenz der §§ 11 und 31 FRG im Falle der Zahlung einer Einheitsrente aus dem Herkunftsland keine der beiden Vorschriften vorrangig mit der Folge, daß nur ein deutscher Versicherungsträger die fremde Rente anrechnen dürfe. Die §§ 11, 31 FRG enthalten freilich hierzu nichts; ihre Bedeutung erschöpft sich darin, Doppelleistungen zu vermeiden (so schon der Entw., BT-Drucks. 3/1109 Begr. zu §§ 11, 31 FRG). Der Gesamtkonzeption des FRG sind ebenfalls keine Anhaltspunkte für die Beantwortung der Frage zu entnehmen. Auch läßt sich nicht, wie dies anscheinend SG und Beigeladene wollen, darauf abheben, daß hier der Arbeitsunfall das auslösende Moment, die wesentliche Ursache für die Gewährung der jugoslawischen Rente gewesen sein mag. Eine solche Betrachtungsweise ist nicht vertretbar und inpraktikabel, weil sie darauf hinausläuft, fremdes Recht auszulegen.

Die allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften weisen ebenfalls nicht auf ein Vorrecht des einen oder anderen Versicherungsträgers hin. Daß den §§ 1278 ff. RVO hierfür nichts zu entnehmen ist, hat der Senat bereits im Urt. vom 25.06.1975 ausgeführt (=  SozR 2200 § 1291 Nr. 5). Dies gilt auch für §§ 1524, 1525 RVO. Abgesehen davon, daß diese Bestimmungen das Verhältnis der UV-Träger und ArV-Träger zueinander - nicht das Außenverhältnis zum Rentenberechtigten - betreffen, handelt es sich nur um einen Ersatzanspruch gegen den UV-Träger, der durch ein vom Träger der ArV gewährtes Heilverfahren für die Zukunft „entlastet“ worden ist; im übrigen erklärt § 77 Abs. 1 AVG diese Best. nicht für entsprechend anwendbar, so daß sie für die Angestelltenversicherung nicht gelten (so h.M.; RVO-Gesamt-Komm. § 1524 RVO Anm. 1 mit Nachweisen). Der Anwendungsbereich der §§ 1524, 1525 RVO ist mithin zu eng begrenzt (zur geschichtlichen Entwicklung vgl. RVA in AN 1921, 164, 165) um daraus generell etwas über eine Rangfolge der Versicherungsträger ableiten zu können (a.A. Bürkle in SozVers 1976, 228, der in §§ 1278 ff. RVO neben §§ 1524, 1525 RVO eine Regelung der Leistungskonkurrenz zu Gunsten des Rentenversicherungsträgers sieht und annimmt, dieser sei im Rahmen des § 1291 RVO vorrangig vor dem Unfallträger zur Anrechnung des neuen Anspruchs berechtigt).

Beide - Beklagte und Beigeladene - sind sonach befugt, jeweils ihre Rente in Höhe der umgerechneten jugoslawischen Leistung zum Ruhen zu bringen. Sie stehen der Klägerin wie Gesamtgläubiger gegenüber mit der Folge, daß zwar jeder Versicherungsträger die volle jugoslawische Leistung fordern (anrechnen) kann, die Klägerin aber insgesamt die Anrechnung nur bis zur Höhe der fremden Leistung hinzunehmen braucht (vgl. § 428 BGB). Letzteres entspricht auch dem Wesen und Zweck der §§ 11, 31 FRG. Diese sollen eine Doppelleistung verhindern, andererseits aber - schon wegen des das FRG beherrschenden Eingliederungsgrundsatzes - nicht zu einer Doppelanrechnung führen. Zu diesem Ergebnis ist der Senat im Anschluß an BSGE 24, 293 (= SozR Nr. 13 zu § 1291 RVO) gelangt. Jenem Urt. vom 23.03.1966 lag der insoweit vergleichbare Sachverhalt zugrunde, daß beim Wiederaufleben der Witwenrente der Rentenversicherungsträger gemäß § 68 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 AVG (= § 1291 RVO) den von der Witwe infolge Auflösung der zweiten Ehe erworbenen Unterhaltsanspruch anrechnen wollte, was nach beamtenrechtlichen Vorschriften hinsichtlich des Witwengeldes bereits die Versorgungsbehörde getan hatte (ebenso zum Innenverhältnis Unfallversicherungsträger - Rentenversicherungsträger Urt. des erkennenden Senats vom 25.06.1975 = SozR 2200 § 1291 Nr. 5, ferner Urt. vom 18.03. 1976 = SozR 2200 § 1291 Nr. 9, zustimmend die im Urt. vom 25.06.1975 zitierte Literatur; a.A. Bürkle a.a.O., der eine Anspruchskonkurrenz bejahte und die Gesamtgläubigerschaft ablehnt).

Andere Konstruktionen der Gläubigermehrheit kommen nicht in Betracht: Die Gesamthandgläubigerschaft (§ 432 BGB) scheidet schon deshalb aus, weil es an ihrem wesentlichen Merkmal - Forderung einer unteilbaren Leistung - fehlt. Eine Teilgläubigerschaft (§ 420 BGB), die jedem Versicherungsträger auch im Außenverhältnis gegenüber dem Rentenberechtigten nur in Höhe seiner Forderungsquote einen Anspruch einräumt, würde der Sach- und Interessenlage nicht gerecht. Mag es auch praktisch erscheinen, wenn von vornherein jeder Träger lediglich seine Forderungsquote geltend machen könnte und der Innenausgleich zwischen den Trägern vermieden würde, so sprechen doch entscheidende Momente hier gegen dieses Rechtsinstitut: Der Rentenberechtigte wäre in seiner Rechtsstellung beeinträchtigt; er müßte zur Vermeidung von Nachteilen überprüfen können, ob die Forderungsquote zutrifft. Das stößt jedoch auf Schwierigkeiten. Insofern greifen Außen- und Innenverhältnisse ineinander (vgl. BGHZ 28, 68). Nach der Ansicht des Senats sind nämlich die beiden Versicherungsträger nicht zu gleichen Teilen anrechnungsbefugt, sondern in dem Größenverhältnis, in dem die beiden Renten vor Anwendung der §§ 11, 31 FRG zueinander gestanden haben (so RVO-Gesamt-Komm., § 11 FRG, Anm. 6 und wohl auch Merkle/Michel, FANG - Stand: 30.11.1970 - § 11 FRG, Anm. 2). Dementsprechend ist die Rechtspr. bei insoweit ähnlichen Gesetzestatbeständen verfahren (zu § 1291 RVO: SozR 2200 §1291 Nr. 5 und 9; zu § 1542 RVO: BGHZ 28, 68, Ständige Rechtspr. z.B. BGH in Lindenmaier / Möhring, Nachschlagwerk des Bundesgerichtshofs Nr. 45 a zu § 1542 RVO). Überdies hat auch der Gesetzgeber in einer die KrV und UV betreffenden Bestimmung angeordnet, daß „verhältnismäßig geteilt“ wird (§ 1508 RVO i.d.F. vom 30.04.1963). In den Fällen der §§ 11, 31 FRG kann eine weitere Schwierigkeit hinzukommen, wenn der Rentenversicherungsträger nicht die gesamte fremde Leistung anrechnen darf (vgl. SozR 5050 § 31 Nr. 1), wodurch sich das Teilungsverhältnis zwischen den beiden deutschen Trägern verschieben kann. Unter allen diesen Gesichtspunkten ist es gerechtfertigt, von der Gesamtgläubigerschaft auszugehen und die Aufteilung allein dem Innenverhältnis der Versicherungsträger zu überlassen.

Im vorliegenden Fall hat den unangefochten gebliebenen und somit nach § 163 SGG den Senat bindenden Feststellungen des SG zufolge „zumindest für die Zeit vom 1. September 1974 bis Ende 1975 eine echte Doppelanrechnung“ stattgefunden. Folglich ist auch in diesem Umfang der Bescheid der Beklagten rechtswidrig. Es macht dabei keinen Unterschied, ob die deutsche Rente wegen der laufenden fremden Leistung ruht, ein „Rückerstattungsanspruch“ geltend gemacht oder mit diesem aufgerechnet worden ist (vgl. § 11 Abs. 2 und 3 FRG, § 31 Abs. 2 und 3 FRG). Bei der analogen Anwendung der Vorschriften über die Gesamtgläubigerschaft sind aber die Besonderheiten des Sozialversicherungsrechts und die allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätze zu beachten; die zivilrechtliche Rechtspr. zur Gesamtgläubigerschaft läßt sich nicht ohne weiteres übertragen. Deshalb sieht dem Rentenberechtigten auch ein „Wahlrecht“, von welchem Träger er sich die fremde Rente anrechnen läßt, von dem Zeitpunkt an und insoweit nicht mehr zu, als ihm ein VerwAkt über die Anrechnung (Aufrechnung, Rückerstattung) bereits zugegangen ist.

Die Feststellungen des SG reichen zwar nicht aus, für welche Zeiten und hinsichtlich welcher Beträge die Beklagte ihre Rente zum Ruhen bringen oder aufrechnen darf; dies ist jedoch aufgrund des Urteilsspruches und der diesen ergänzenden Gründe bestimmbar.

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