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1 RA 101/70

Gründe

Die Revision des klagenden Witwers ist nicht begründet. Der Entscheidung des LSG ist beizutreten, daß dem Kläger aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau ein Anspruch auf Witwerrente gem. § 43 AVG nicht zusteht, weil es an der Voraussetzung fehlt, daß seine Ehefrau den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten hat.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG hat die Ehefrau den Unterhalt ihrer Familie i.S. des § 43 AVG nur dann überwiegend bestritten, wenn sie zu dem Unterhaltsaufwand der Familie mehr als die Hälfte beigesteuert hat (BSG 31, 90, 92). Bei der Beurteilung, ob die verstorbene Ehefrau den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten hat, ist es nur auf den tatsächlichen Unterhaltsaufwand der Familie und nur auf die dafür tatsächlich erbrachten Unterhaltsbeiträge des Klägers und seiner Ehefrau während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tode der Versicherten abzustellen. Als tatsächlicher Unterhaltsbeitrag der verstorbenen Ehefrau für den Unterhalt ihrer Familie kann deshalb nur ihre Arbeit als Hausfrau und Mutter, nicht aber ihr Anspruch auf Rente wegen EU in Höhe von 279,00 DM berücksichtigt werden; denn diesen Rentenbetrag hat sie nicht tatsächlich für den Unterhalt ihrer Familie beigesteuert; er ist erst nach ihrem Tode rückwirkend festgestellt und ausgezahlt worden.

Nach den Feststellungen des LSG ist während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tode der Versicherten der tatsächliche Unterhaltsaufwand der Familie, die aus dem Kläger, seiner Ehefrau und der 1952 geborenen Tochter bestand, ausschließlich aus dem Nettoarbeitsverdienst des Klägers von etwa 1000,00 DM mtl. bestritten worden. In einem solchen Fall kann der wirtschaftliche Wert des Unterhaltsbeitrages der Ehefrau, den sie durch ihre Haushaltsführung und Betreuung des Kindes zum Unterhalt der Familie beigesteuert hat, jedenfalls nicht höher bemessen werden als der Arbeitsverdienst des Ehemannes. Ungeachtet dessen, welche Tätigkeit eine Ehefrau bei der Haushaltsführung und der Kinderbetreuung tatsächlich verrichtet, werden diese Arbeiten nur dadurch ermöglicht, daß der Ehemann seinen Arbeitsverdienst zum Unterhalt der Familie beisteuert. Die Ehefrau kann bei einer solchen Sachlage ihre Arbeiten als Hausfrau und Mutter nur in dem wirtschaftlichen Rahmen des Lebenszuschnitts der Familie erbringen, der durch den Arbeitsverdienst des Ehemannes bestimmt ist. Der wirtschaftliche Wert ihres Unterhaltsbeitrags ist deshalb nicht danach zu bemessen, wie ihre einzelnen Tätigkeiten hätten belohnt werden müssen, wenn sie durch fremde Arbeitskräfte ausgeführt worden wären, sondern danach, welche Geldbeträge nach dem Arbeitsverdienst des Mannes und dem dadurch begründeten Lebenszuschnitt der Familie für die Haushaltsführung und die Kinderbetreuung durch die Ehefrau, wirtschaftlich gesehen, billigerweise angesetzt werden können; denn wenn von dem Arbeitsverdienst des Ehemannes der gesamte Unterhalt der Familie wirtschaftlich bestritten wird, so ordnet sich die Ehefrau mit ihrem Unterhaltsbeitrag durch die Führung des Haushalts einschl. der Kinderbetreuung in die gegebenen Lebensverhältnisse der Familie ein, die auch sonst für die wirtschaftliche Bemessung von Unterhaltsansprüchen und -pflichten zwischen Familienangehörigen den rechtserheblichen Maßstab bilden. Von dem wirklich gegebenen Lebenszuschnitt der Familie her gesehen erscheint es daher nicht gerechtfertigt, die Tätigkeit der versicherten Ehefrau als Hausfrau und Mutter in einer Höhe in Geldbeträgen zu bewerten, die in keinem Verhältnis mehr zu den wirtschaftlichen Mitteln stehen, von denen der Lebensunterhalt der Familie tatsächlich bestritten worden ist.

In diesem Sinne hat sich auch bereits das BSG 31 a.a.O. geäußert: Haushaltführung, Kinderbetreuung und Pflegedienste für Familienangehörige dürfen nicht schematisch bewertet werden, zwar sind zunächst Art und Ausmaß der hausfraulichen Tätigkeit und sodann die Aufwendungen zu ermitteln, die für eine Verrichtung durch Hilfskräfte erforderlich gewesen wären, diese Werte sind sodann aber noch dem Lebenszuschnitt der Familie anzupassen. Dabei hat das BSG hervorgehoben, das Bewertungsverfahren dürfe nicht dazu führen, daß in den meisten Fällen die Haushaltsführung höher bewertet werde als der Verdienst der in abhängiger Arbeit außerhalb des Hauses erwerbstätigen Ehemänner; dies hätte eine ungerechtfertigte Ausweitung der Witwerrente zur Folge, die nicht dem Zweck des Gesetzes entsprechen könne; für den Regelfall gehe das Gesetz gerade nicht davon aus, daß die Ehefrau den Familienunterhalt überwiegend bestritten habe. Dies sei auch der Entsch. des BVerfG v. 24.07.1963 (BVerfG 17, 1, 18) zu entnehmen.

Ist wie hier der Unterhaltsaufwand der Familie während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tode der Ehefrau nur aus dem Arbeitseinkommen des Mannes bestritten worden und hat sie zum Familienunterhalt als ihren Unterhaltsbeitrag allein ihre Arbeit als Mutter und Hausfrau beigesteuert, so erleidet der Ehemann mit dem Wegfall ihres Unterhaltsbeitrages zur Familie durch ihren Tod keine solche materielle, wirtschaftlich ins Gewicht fallende und typische Einbuße in dem Unterhaltsstandard seiner Familie, die nach dem Zweck des § 43 AVG durch die Gewährung einer lebenslänglichen Witwerrente auszugleichen wäre. Trotz der für das bürgerlich-rechtliche Unterhaltsrecht im allgemeinen geltenden Gleichwertigkeit der wechselseitigen Unterhaltsleistungen von Ehegatten, nämlich des den Unterhaltsaufwand verdienenden Ehemannes und der den Haushalt führenden Ehefrau, hat bei den hier gegebenen tatsächlichen Verhältnissen i.S. des § 43 AVG nicht die Ehefrau, sondern der Ehemann den Familienunterhalt überwiegend bestritten.

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