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11 RA 150/70

Gründe I.

Der im Jahre 1903 geborene Kläger erhält von der Beklagten Altersruhegeld (Bescheide vom 03.05.1968 und 09.12.1969), mit dessen Berechnung er nicht einverstanden ist. Seine Klage hatte vor dem Sozialgericht (SG) keinen und vor dem Landessozialgericht (LSG) einen Teilerfolg (Höherstufung für die Zeit von Juni 1927 bis Dezember 1928). Im Revisionsverfahren geht es dem Kläger noch darum, daß er a) für die Jahre 1929 und 1930 statt in die Leistungsgruppe 4 in die Leistungsgruppe 3 und b) für die Zeiten von Januar 1931 bis September 1938 und Juli 1942 bis April 1945 statt in Leistungsgruppe 3 in die Leistungsgruppe 2 der Anlage 1 zum Fremdrentengesetz (FRG) (§ 22) eingestuft wird. Nach den Feststellungen des LSG war der Kläger in dem Lagerhaus D. einer landwirtschaftlichen Warenzentrale bzw. Bezugs- und Verwertungszentrale der Tschechoslowakei - im folgenden: Zentrale - im Zeitraum a) Bilanzbuchhalter und in den Zeiten b) Lagerhausleiter. Diesen Tätigkeiten waren Besuche einer Ackerbauschule in den Jahren 1918 und 1919 und einer staatlichen höheren Landwirtschaftsschule in den Jahren 1919 bis 1922 sowie Beschäftigungen als Ökonomieadjunkt von Juli 1922 bis August 1923 und als Gutsverwalter von Juni 1927 bis Dezember 1928 vorausgegangen.

Das LSG führte zur Einstufung im Zeitraum a) aus, der Kläger habe sich als Buchhalter erst praktische Kenntnisse und Erfahrungen aneignen müssen, der Schritt von Leistungsgruppe 4 zu 3 verlange jedoch eine mehrjährige Berufserfahrung; sie habe dem Kläger in der Sparte als Buchhalter gefehlt. Zu den Zeiten b) meinte das LSG, daß die Bezeichnung des Klägers als Betriebsleiter noch nicht auf eine leitende Stellung im Sinne der Leistungsgruppe 2 hinweise. Nach der Bestätigung des früheren Prokuristen U. der Zentrale sei der Kläger als Verwalter des Lagerhauses D. Untergebener des Zeugen gewesen. Gehe man davon aus, daß der Prokurist der Geschäftsführung unterstanden habe, dann habe der Kläger also in der Rangfolge der Zentrale nur die 3. Stufe erreicht. Auch der Umfang des Betriebes sowie die Behauptung des Klägers, ihm hätten zwei Buchhalter, ein Kassierer, zwei Magazinäre und fünf Arbeiter unterstanden, zwinge nicht zur Höherstufung des Klägers; nach den Bekundungen des Zeugen U. sei das Lagerhaus D. nur ein Filiallagerhaus mit allerdings einer eigenen Filiale und zwei Verteilerstellen gewesen; der Kläger habe weder innerbetrieblich im größeren Umfang disponieren noch vor allem den Betrieb nach außen hin verpflichten können. Damit habe ihm aber selbst die eingeschränkte Dispositionsbefugnis der Leistungsgruppe 2 gefehlt.

Mit der nicht zugelassenen Revision beantragt der Kläger,

  • das Urteil des LSG und die Bescheide der Beklagten abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihn für den Zeitraum a) in die Leistungsgruppe 3 und für die Zeiten b) in die Leistungsgruppe 2 einzustufen.

Der Kläger rügte als wesentliche Verfahrensmängel, das LSG habe bei der Feststellung von Tatsachen nicht den gesamten Inhalt der Verhandlung und des Beweisergebnisses berücksichtigt, gegen Denkgesetze verstoßen und den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt.

Die Beklagte stellte keinen Antrag.

Gründe II.

Eine nicht zugelassene Revision ist nur statthaft, wenn ein vorliegender wesentlicher Mangel im Verfahren des LSG ordnungsgemäß gerügt wird (§§ 162 Abs. 1 Nr. 2, 164 SGG, BSG 1, 150). Bei mehreren prozessualen Ansprüchen ist das für jeden gesondert zu prüfen (BSG 8, 228).

Zu a): Soweit die Revision den Zeitraum zu a) betrifft, ist sie nicht statthaft. Der Kläger rügt am Eingang und Schluß seiner einschlägigen Ausführungen eine mangelnde Sachaufklärung und eine Nichtberücksichtigung vorgebrachter Tatsachen. Er weist darauf hin, daß die Definition der Leistungsgruppe 3 neben der mehrjährigen Berufserfahrung als weitere Alternative „besondere Fachkenntnisse und Fähigkeiten“ vorsehe; daß er solche beim Besuch der Landwirtschaftsschule erworben habe, habe er im Berufungsverfahren vorgetragen; das LSG habe sich jedoch mit dieser Gesetzesalternative nicht auseinandergesetzt. Im übrigen habe er auch über eine mehrjährige Berufserfahrung verfügt.

Nach § 164 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) muß die Revisionsbegründung bei Verfahrensrügen die verletzte Rechtsnorm und die Tatsachen und Beweismittel bezeichnen, die den Verfahrensmangel ergeben. Der Kläger hat in der gesamten Revisionsbegründung keine verletzte Rechtsnorm bezeichnet. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 1, 227, 231) ist das allerdings unschädlich, wenn der Inhalt der Revisionsbegründung die angeblich verletzte Rechtsnorm erkennen läßt. Nur muß sich „klar“ und „ohne weiteres“ ergeben, welche Verfahrensnorm der Revisionskläger als verletzt ansieht. Nach dem Inhalt der Revisionsbegründung rügt der Kläger zu a) erkennbar eine Verletzung der §§ 103 und 128 SGG. Ob er außerdem eine Verletzung des § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG geltend machen will, bleibt dagegen zweifelhaft. Das geht zu seinen Lasten; eine solche Rüge kann deshalb nicht als erhoben betrachtet werden.

Die Rüge des Verstoßes gegen die §§ 103 und 128 SGG enthält zur Frage der mehrjährigen Berufserfahrung nur eine andere tatsächliche und rechtliche Würdigung als das LSG, so daß insoweit ein Verfahrensverstoß des LSG nicht dargetan ist. Zur Frage der besonderen Fachkenntnisse und Fähigkeiten läßt sie nicht erkennen, inwiefern das LSG nach seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt rechtserhebliches Vorbringen nicht gewürdigt und nach diesem Rechtsstandpunkt rechtserhebliche Tatsachen nicht aufgeklärt hat. Der Kläger will dem LSG vorgetragen haben, er habe sich „die besonderen Fachkenntnisse und Fähigkeiten in der Buchhaltung“ durch den Besuch der höheren Landwirtschaftsschule erworben. Das ist zu unsubstantiiert dargestellt, um hieraus auf eine Verletzung der angeführten Verfahrensvorschriften schließen zu können. Das LSG ist offenbar der Auffassung des SG gefolgt, daß „Spezialkenntnisse auf dem Gebiete der Buchführung einschließlich der Fragen über Bilanzkritik, des Kreditwesens, des Mahnwesens, sowie auf dem Gebiete der Gesetzgebung wie Steuer- und Handelsrecht usw.“ nachgewiesen werden müßten. Der Kläger hätte also darlegen müssen, welche Spezialkenntnisse in diesem Sinne er nach seinem Vortrag vor dem LSG beim Schulbesuch erworben hatte. Da schon das aus der Revisionsbegründung nicht ersichtlich ist, kann dahingestellt bleiben, ob die Rüge noch aus anderen Gründen nicht durchgreifen würde.

Zu b): Dagegen ist die Revision statthaft, soweit es sich um die Zeiten zu b) handelt. Der Senat braucht nicht auf alle hier erhobenen Rügen einzugehen. Die Statthaftigkeit ergibt sich jedenfalls aus der Rüge, daß das LSG aus der vom Kläger vorgelegten schriftlichen Erklärung des Zeugen U. vom 6. Juni 1968 eine darin nicht enthaltene Äußerung entnommen hat. Das LSG hielt es zur Klärung der Dispositionsbefugnis des Klägers für rechtserheblich, welche Stellung der Kläger in der Rangfolge der Zentrale eingenommen hat. Es ordnete den Kläger der 3° Stufe zu, weil er dem Zeugen in dessen Eigenschaft als Prokuristen und dieser wiederum der Geschäftsführung der Zentrale unterstanden habe. In der Erklärung des Zeugen (Bl. 24 d.A. des SG) heißt es dazu aber nur: „Als seinerzeitiger Prokurist der landw. Warenzentrale … wurden mir u.a. auch die Personalangelegenheiten übertragen, so daß ich bestätigen kann, daß P. (der Kläger) … Verwalter des Filiallagerhauses D. war“. Damit war nichts über die Unterordnung des Klägers unter den Zeugen und über die Rangfolge von Bediensteten der Zentrale gesagt, was den Schluß auf eine Stellung des Klägers im 3. Rang erlaubt hätte. Das LSG hat deshalb hier gegen § 128 SGG verstoßen. Diese Vorschrift fordert in ihrem Abs. 1 Satz 1, daß das Gericht sich seine Überzeugung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens bildet. So wenig ein Gericht hiernach ein einzelnes Ergebnis des Verfahrens übergehen darf, so wenig darf es andererseits Ergebnisse unterstellen, die das Verfahren nicht erbracht hat (für die sich keine Grundlage im Verfahren findet). Dieser Verfahrensmangel ist wesentlich; er kann ursächlich dafür gewesen sein. daß das LSG die Höherstufung in die Leistungsgruppe 2 für die Zeiten zu b) abgelehnt hat.

Hinsichtlich dieser Zeiten ist die Revision ferner begründet. Der Senat kann insoweit das Urteil des LSG nicht aus anderen Gründen bestätigen. Dazu reichen die von dem Verfahrensmangel nicht betroffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht aus.

Da sie umgekehrt auch eine abschließende Entscheidung zugunsten des Klägers nicht erlauben, muß der Rechtsstreit hinsichtlich der Zeiten zu b) an das LSG zur neuen Entscheidung zurückverwiesen werden. Das LSG wird den Kläger für diese Zeiten in die Leistungsgruppe 2 nur einstufen können, wenn der Kläger sämtliche Tatbestandsmerkmale erfüllt, die in der Definition dieser Leistungsgruppe angeführt sind. Dazu bedarf es jeweils einer genauen Feststellung von Tatsachen, die den rechtlichen Schluß auf die Erfüllung oder Nichterfüllung der einzelnen Voraussetzungen (Tätigkeitsmerkmale) erlauben. Das bedeutet z.B. für die Frage der eingeschränkten Dispositionsbefugnis, daß hier festgestellt werden muß, welche Befugnisse der Kläger im einzelnen besaß und welche nicht. Bei der Aufklärung des Sachverhalts sind im übrigen die schriftlichen Erklärungen von Zeugen, die der Kläger beigebracht hat, nicht ausreichend; der Sachverhalt ist vielmehr durch die Vernehmung der Zeugen zu klären, soweit nicht ausnahmsweise die Einholung von Auskünften durch das Gericht (§ 106 SGG) genügt. Das dürfte aber wegen des Inhalts der schriftlichen Erklärungen kaum sachdienlich sein, weil sie häufig nur die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale (Tätigkeitsmerkmale) bestätigen; solche Bekundungen sind wertlos, weil nicht die Zeugen, sondern das Gericht die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale (Tätigkeitsmerkmale) festzustellen hat.

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten bleibt dem abschließenden Urteil des LSG vorbehalten.

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