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12 RJ 440/63

Gründe I.

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die Klägerin während eines 13-monatigen Aufenthalts als „Au-pair-Mädchen“ in England zum Bezug der Waisenrente nach § 1267 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) berechtigt war.

Die am … 1942 geborene Klägerin hatte seit 1943 die Waisenrente aus der Versicherung ihres im Jahre 1942 verstorbenen Vaters bezogen, die Rente wurde zuletzt von der beklagten Landesversicherungsanstalt R. gezahlt. Da die Klägerin bei Vollendung des 18. Lebensjahres ihre dreijährige Lehrzeit bei einem Rechtsanwalt noch nicht beendet hatte, bewilligte die Beklagte ihr auf Antrag die Weiterzahlung der Rente bis einschließlich März 1960.

Am 14. Juli 1960 beantragte die Klägerin erneut die Weitergewährung der Waisenrente. In der Absicht, Auslandskorrespondentin oder Fremdsprachenstenotypistin zu werden, befand sie sich ab Mai 1960 zum Erlernen der englischen Sprache in England. Sie war dort während dieser Zeit von acht bis dreizehn Uhr in einer englischen Familie wie eine Haustochter untergebracht. Durch den Besuch von englischen Sprachschulen wurde sie nachmittags ab Juni 1960 vier Stunden und von Februar 1961 an acht Stunden wöchentlich in Anspruch genommen. Dazu kamen schriftliche Hausarbeiten und das Vorbereiten auf mündliche Vortrage, die neben dem Lernstoff der Lehrbücher noch das Durcharbeiten sonstiger Bücher erforderten, wozu die Klägerin im Durchschnitt täglich zweieinhalb Stunden verwenden mußte. Schließlich war ihr der Besuch von Theateraufführungen und von Museen sowie die Teilnahme an Studienfahrten zur Pflicht gemacht. Die Klägerin hat diese Sprachschulen auch mit Erfolg besucht und hierüber ein am 6. Juni 1961 ausgestelltes Diplom sowie ein Zertifikat ohne Datum erhalten.

Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin durch Bescheid vom 27. Oktober 1960 mit der Begründung ab, daß sich die Klägerin nur zur Vervollkommnung der Sprachkenntnisse in England aufhalte, sowie durch den Besuch der Sprachkurse nicht überwiegend in Anspruch genommen werde und sich daher nicht in Schul- oder Berufsausbildung befinde.

Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen im wesentlichen Erfolg.

Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen verpflichtete die Beklagte, der Klägerin Waisenrente für die Zeit vom Juni 1960 bis einschließlich Juni 1961 zu gewähren und darüber einen Bescheid zu erteilen; es ließ die Revision zu (Urteil vom 19. Juli 1963).

Zur Begründung führte das LSG im wesentlichen aus: Die Klägerin habe sich vom Juni 1960 bis einschließlich Juni 1961 in Schul- und Berufsausbildung i.S. des § 1267 Abs. 1 RVO befunden. Dabei gehe der Senat mit der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 5. Juli 1961 (BSG 14, 285) davon aus, daß durch die Ausbildung die Zeit und Arbeitskraft der Waise überwiegend in Anspruch genommen werden müsse und es für sie unmöglich sein müsse, außerhalb der Ausbildung die erforderliche Zeit zum Lohnerwerb zu haben. Diese Voraussetzungen seien bei der Klägerin gegeben. Nach dem 2. Weltkrieg sei es in weiten Volkskreisen üblich geworden, daß junge Mädchen durch Übernahme einer hauswirtschaftlichen Tätigkeit bei einer Familie im Ausland sich den sonst verhältnismäßig teuren Aufenthalt in einem fremden Land ermöglichten, um die fremde Sprache zu erlernen oder die Kenntnisse darin zu erweitern. Daß dadurch die Sprachkenntnisse wesentlich schneller und besser vervollständigt würden, als durch den Besuch einer Sprachschule in Deutschland, bedürfe keiner weiteren Ausführungen. Wenn die Klägerin bei dem Besuch der englischen Sprachschulen auch nur vier Stunden und ab Februar 1961 acht Stunden wöchentlich nachmittags in Anspruch genommen gewesen sei, so dürfe nicht übersehen werden, daß es sich um Schulen für Erwachsene gehandelt habe, die an häuslichen Vorbereitungsarbeiten erheblich höhere Anforderungen zu stellen pflegen als das sonstige Schulen im allgemeinen täten. Die Möglichkeit, daß die Klägerin neben dem Besuch der Sprachschulen mit Fabrikarbeit ihren Unterhalt selbst hätte verdienen können, erscheine dem Senat bei der überwiegenden Inanspruchnahme ihrer Arbeitskraft durch die Kurse ausgeschlossen gewesen zu sein. Außerdem sei es zweifelhaft, ob eine solche Tätigkeit der Klägerin bei ihrem bisherigen Ausbildungsgang und dem Berufsziel zumutbar gewesen wäre. Die Gewährung der Waisenrente an die Klägerin während ihres Englandaufenthaltes sei somit gerechtfertigt.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Revision eingelegt.

Sie rügt eine Verletzung des § 1267 RVO.

Das LSG sei zu Unrecht von dem Vorliegen einer Schul- und Berufsausbildung i.S. dieser gesetzlichen Vorschrift ausgegangen und habe dabei die vom 4. und 12. Senat des BSG in den Urteilen vom 5. Juli 1961 (BSG 14, 285) und 31. Oktober 1962 (Az.: 12 RJ 328/61) vertretene Ansicht über eine Schulausbildung nicht richtig beachtet. Von einer „überwiegenden Inanspruchnahme der Zeit und Arbeitskraft“ könne man nur dann sprechen, wenn diese länger als die Hälfte eines vollen Arbeitstages bzw. einer vollen Arbeitswoche andauere. In diesem Streitfall stehe unbestritten fest, daß die Klägerin bis Ende Januar 1961 nur zweimal wöchentlich insgesamt vier Unterrichtsstunden in zwei Abendschulen besucht habe. In den Nachmittagsstunden zwischen 16 und 18 Uhr habe die Klägerin nur in der Zeit vom 2. Februar bis 30 Mai 1961 das LTC in L. neben den beiden vorstehend erwähnten Sprachschulen besucht. Die Beklagte könne auch keinen erkennbaren Grund für die Annahme einer Schul- oder Berufsausbildung für den Monat Juni 1961 finden; denn in seinem Urteil habe das LSG selbst festgestellt, daß die Klägerin nur bis zum 30. Mai 1961 die englischen Schulen besucht habe und im Juni 1961 wieder nach Deutschland zurückgekehrt sei. Bei der Kürze der Ausbildung und der geringen Anzahl der wöchentlichen Unterrichtsstunden hätte die Klägerin zumindest noch die Möglichkeit gehabt, einer entgeltlichen Halbtagsbeschäftigung nachzugehen. Auch bei jeder anderen Tätigkeit hätte die Klägerin englisch sprechen müssen und hätte ihre Kenntnisse in der englischen Sprache vertiefen können. Die Beklagte sehe jedenfalls in dem über einjährigen Aufenthalt der Klägerin als Haustochter und in der Teilnahme an zunächst vier und ab Februar 1961 an acht Unterrichtsstunden wöchentlich nicht die Voraussetzungen für eine Schul- oder Berufsausbildung nach § 1267 RVO als erfüllt an.

Die Beklagte beantragt,

  • das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 19. Juli 1965 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt

  • die Zurückweisung der Revision.

Sie hält die Ausführungen des Berufungsgerichts für zutreffend. Sie sei durch den Besuch der einzelnen Sprachschulen sowie die notwendigen schulischen Vorbereitungen so ausgelastet gewesen, daß für eine entgeltliche Berufstätigkeit ihr nicht genügend Zeit verblieben sei. überdies sei eine solche bezahlte Tätigkeit schon deswegen nicht möglich gewesen, weil die zuständigen englischen Behörden die hierfür erforderliche Arbeitsgenehmigung überhaupt nicht erteilen würden.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Gründe II.

Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist nur zum Teil begründet.

Sowohl im LSG-Urteil als auch in der Revisionsbegründung der Beklagten werden die in § 1267 Satz 2 RVO nicht näher definierten Begriffe Schul- oder Berufsausbildung gleichgesetzt. Der Senat ist der Auffassung, daß im vorliegenden Streitfall aber lediglich eine Berufsausbildung in Betracht kommt, da die Klägerin das Erlernen der englischen Sprache in England anstrebte, um Auslandskorrespondentin oder Fremdsprachenstenotypistin zu werden, für diesen Berufszweig aber besondere Ausbildungsbestimmungen, die eine spezielle und zeitlich festgelegte Schulausbildung vorschreiben, bisher nicht vorhanden sind (vgl. Neflin in FamRZ 1960, 360; Schaefer in SozVers 1962, 103; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24. April 1963 in ZBR 1963, 359 sowie „Klassifizierung der Berufe, Berufstätigkeiten in der BRD“, herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Arbeit sowie mit dem Statistischen Bundesamt, Verlag W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart - Köln - Berlin - Mainz, wonach der Fremdsprachenkorrespondent zur Berufsklasse 7121 gehört und dabei nicht unter die dort aufgeführten Lehr- und Anlernberuf fällt). Damit im Einklang steht auch, daß erst durch § 1 i.V.m. § 25 des am 1. September 1969 in Kraft getretenen Berufsbildungsgesetzes (BGBl. I 1112) die gesetzliche Grundlage für eine künftig geordnete und einheitliche Berufsausbildung sowie zu ihrer Anpassung an die technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfordernisse und deren Entwicklung dadurch geschaffen wurde, daß nunmehr der zuständige Fachminister im Einvernehmen mit dem BMA durch Rechtsverordnung Ausbildungsberufe staatlich anerkennen und für diese Ausbildungsordnungen erlassen kann, in welchen u.a. die Ausbildungsdauer, das Ausbildungsberufsbild, ein Ausbildungsrahmenplan und die etwaigen Prüfungsanforderungen festzulegen sind.

Die somit allein maßgebende Berufsausbildung i.S. des § 1267 Satz 2 RVO liegt nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des BSG nur vor, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

1.Der Beruf muß von der Waise ernstlich angestrebt werden,
2.Zeit und Arbeitskraft der Waise müssen durch die Ausbildung überwiegend in Anspruch genommen werden, so daß auch die Möglichkeit einer Halbtagsbeschäftigung gegen Entgelt nicht besteht (vgl. BSG 14, 285, 287; 21, 185 186; 23, 227, 228).

Das erste Erfordernis liegt nach den nicht angegriffenen Feststellungen im Urteil des LSG vor. Von dem ernsthaft angestrebten Berufsziel einer Fremdsprachenkorrespondentin bzw. Fremdsprachenstenotypistin muß daher auch das Revisionsgericht ausgehen.

Der Senat sieht auch keine Veranlassung, von den vom BSG unter der Ziff. 2 genannten weiteren Erfordernissen für eine Berufsausbildung als anspruchsbegründende Voraussetzung der Waisenrente nach § 1267 Satz 2 RVO abzuweichen, zumal der Gesetzgeber diese zwischenzeitlich für den Begriff der Berufsausbildung in anderen Gesetzen übernommen hat (vgl. § 45 Abs. 3a BVG i.d.F. der Bek. vom 20. Januar 1967, BGBl. I 142, und § 18 Abs. 2 BBesG).

Dabei steht der Umstand, daß die Klägerin bereits vor dem Englandaufenthalt ihre dreijährige Ausbildung als Anwaltsgehilfin abgeschlossen hatte, nicht entgegen, da unter Berufsausbildung im dargelegten Sinne nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats auch eine Ausbildung für einen anderen als den bereits erlernten Beruf und die Ausbildung für eine höhere Stufe des bereits erlernten und ausgeübten Berufes gehört (vgl. BSG 23, 166 und SozR Nr. 14, 27 und 28 zu § 1267 RVO).

Wenn es aber zur Berufsausbildung einer Fremdsprachenkorrespondentin - wie bereits dargelegt - begrifflich bisher nicht notwendig war, einen bestimmten Ausbildungsgang zur Erreichung des Berufszieles einzuhalten, so mußte es der Berufsanwärterin überlassen bleiben, wie und wo sie ihr Berufswissen erwerben wollte. Hier hatte alles als Ausbildung zu gelten, was der Anwärterin die Fähigkeit zur selbständigen Ausübung des Berufes vermittelt (so Neflin a.a.O. unter Bezugnahme auf Staudinger, Komm. zum BGB Anm. 2b zu § 1610). Dies gilt jedenfalls dann, wenn in Ermangelung verbindlicher Ausbildungsrichtlinien die durchgeführte Ausbildung zumindest üblich oder zweckmäßig war, wobei der Berufsanwärterin auch eine entsprechende Ausgestaltungsfreiheit einzuräumen ist, wenn nur der Beruf ernstlich angestrebt wird. Letzteres ist hier aber nach den tatsächlichen und von der Revisionsklägerin auch nicht angegriffenen Feststellungen des LSG zu bejahen. Diese Auffassung steht auch im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats, wonach nicht nur Ausbildungsverhältnisse mit vorgeschriebenem Ausbildungsgang und Abschlußprüfung, sondern auch abweichend gestaltete Ausbildungsschemata ohne Prüfungsabschluß als Berufsausbildung i.S. des § 1267 Satz 2 RVO gelten (vgl. BSG 23, 166, 167 unter Hinweis auf BSG 14, 285, 288 und RVA GE 3277, AN 1928, 337; ebenso LSG Berlin in Breithaupt 1966, 349 und BGH RzW 1965, 569 zu § 115 BEG)

Für eine Fremdsprachenkorrespondentin oder auch Fremdsprachenstenotypistin ist jedoch als Ziel des frei gestaltungsfähigen Ausbildungsweges in jedem Falle die möglichst vollständige Beherrschung der einschlägigen Sprache in Wort und Schrift anzusehen. Diese kann aber in der Regel nicht ohne längeren Auslandsaufenthalt erworben werden. Zwar wird der Nachweis eines solchen von einem späteren Arbeitgeber nicht immer verlangt. Doch kann dem Stellenmarkt der großen Tageszeitungen entnommen werden, daß selbst in einer Zeit der Überbeschäftigung vorwiegend nur fremdsprachliche Korrespondenten gesucht werden, die ihre Sprachkenntnisse im Ausland erworben bzw. vertieft haben. Für diesen Berufszweig hat sich daher seit langem ein von einem längeren Auslandsaufenthalt geprägter beruflicher Werdegang entwickelt (so übereinstimmend VGH Bad.-Württ. a.a.O., LSG Niedersachsen in Breithaupt 1962, 711, OVG Lüneburg in OVGE 21, 398, BFH in BFHE 70, 316 und neuerdings BAG-Urteil vom 14  Mai 1969, Az.: 3 AZR 412/68).

Bei der mangels eines bisher gesetzlichen Ausbildungsganges für Fremdsprachenkorrespondentinnen bestehenden Gestaltungsfreiheit muß man somit davon ausgehen, daß ein längerer Auslandsaufenthalt Bestandteil der Berufsausbildung sein kann. Ein solcher angemessener Auslandsaufenthalt erweist sich in der Regel als ebenso gute und gründliche Ausbildungsmethode wie lediglich der - für die Berufsausbildung nicht vorgeschriebene - Besuch einer inländischen Sprachenschule. Voraussetzung ist jedoch, daß die praktische Übung der Fremdsprache im Ausland durch einen sowohl quantitativ als auch qualitativ ins Gewicht fallenden theoretischen Sprachunterricht einschließlich der damit verbundenen Hausarbeiten ständig ergänzt wird.

Insoweit ist der Senat mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 14. Mai 1968 a.a.O. der Ansicht, daß eine Berufsanwärterin, die als Schreibkraft fremdsprachliche Texte schreiben soll, die Fremdsprache nicht nur als Umgangssprache sprechen können, sondern auch die Grammatik und die Rechtschreibung dieser Sprache beherrschen muß. Man wird also in diesem Fall einen Auslandsaufenthalt nur dann als Berufsausbildung anerkennen können, wenn er mit einer theoretischen Sprachausbildung von einiger Bedeutung verbunden ist.

Andererseits hat die ständige Begegnung mit der Fremdsprache in der Auslandsumwelt und die damit zwangsläufig verbundene ständige Übung der Fremdsprache im Alltag zur Folge, daß der zur vollständigen Beherrschung der Fremdsprache in Wort und Schrift zwar nötige theoretische Schulunterricht nicht das gleiche zeitliche Ausmaß erfordert wie bei einem den Beruf einer Fremdsprachenkorrespondentin anstrebenden Mädchen, das lediglich ein einschlägiges inländisches Sprachinstitut besucht. Deshalb kann im Ausland die Zahl der schulmäßigen Unterrichtsstunden - unter Berücksichtigung der ständigen praktischen Übung der Fremdsprache auch außerhalb der Schule - geringer sein. Allerdings darf die Zeit der theoretischen Fremdsprachenausbildung im Ausland nicht auf ein praktisch unerhebliches Maß herabsinken.

Nach den tatsächlichen und für den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG nahm die Klägerin in der Zeit vom Juni 1960 bis einschließlich Januar 1961 lediglich vier Stunden wöchentlich an englischen Sprachkursen teil. Diese geringe Stundenzahl erscheint dem Senat auch unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse im Ausland nicht geeignet, dem Aufenthalt der Klägerin in England in diesem Zeitraum den Charakter einer Berufsausbildung zu geben. Denn auch unter Einbeziehung der praktischen Sprachübung in der übrigen Zeit vermögen nur vier Unterrichtsstunden in der Woche keine methodische oder systematische Unterweisung in der fremden Sprache zu gewährleisten. Für die Zeit vom Juni 1960 bis Januar 1961 ist daher die Revision der Beklagten begründet.

Anders ist jedoch die Zeit des Auslandsaufenthalts vom Februar 1961 an zu beurteilen. Ab 2. Februar 1961 hatte die Klägerin nämlich nach den auch insoweit für den Senat bindenden Feststellungen des LSG ihre bisherigen wöchentlichen vier Unterrichtsstunden durch den zusätzlichen Besuch eines weiteren Sprachinstituts auf acht Stunden in der Woche erhöht und damit die Anstrengungen zu ihrer theoretischen Fremdsprachenausbildung praktisch verdoppelt. Dies führte auch dazu, daß der Klägerin allein von der ab 2. Februar 1961 zusätzlich besuchten LTC School of English am 6. Juni 1961 ein Diplom über den erfolgreichen Abschluß des Sprachkurses ausgestellt worden ist, in welchem die Sprachkenntnisse der Klägerin in die erste Stufe der Fortgeschrittenen eingereiht sind. Für die Zeit vom Februar bis Juni 1961 - dieser Monat muß noch einbezogen werden - kommt daher der Senat zu dem Ergebnis, daß die regelmäßige Teilnahme an acht Unterrichtsstunden in der Woche zusammen mit den vom LSG ebenfalls bindend festgestellten Schulvorbereitungsarbeiten von täglich zweieinhalb Stunden in Verbindung mit der ständigen praktischen Übung der Fremdsprache in der Auslandsumwelt und dem Besuch von kulturellen Veranstaltungen die Arbeitskraft der Klägerin überwiegend in Anspruch genommen hat.

Wenn somit der praktische Erwerb der Fremdsprachenkenntnisse durch den Auslandsaufenthalt verbunden mit einer erforderlichen, im Vergleich zum Inlandsstudium allerdings geringeren Anzahl von nur acht wöchentlichen Unterrichtsstunden und zusätzlich zweieinhalb Stunden täglicher Hausarbeiten als Berufsausbildung anzusehen ist, so folgt daraus, daß eine Mithilfe als Haustochter während dieses Aufenthaltes im Ausland den Charakter des Ausbildungsaufenthalts in der Zeit vom Februar bis einschließlich Juni 1961 nicht mehr entscheidend ändern konnte.

Ein anderes Ergebnis käme möglicherweise dann in Betracht, wenn man die Halbtagstätigkeit als „Au-pair-Mädchen“ in einer englischen Familie als Beschäftigung gegen Entgelt ansehen würde, da diese - nach der eingangs genannten Rechtsprechung des BSG - eine Berufsausbildung i.S. des § 1267 Satz 2 RVO ausschließt. Eine Zahlung i.S. eines Arbeitsentgelts ist aber hier vom LSG nicht festgestellt worden. Auch wenn man davon ausgehen wollte, das LSG habe insoweit den Sachvortrag der Klägerin, wie er im Tatbestand des Urteils auf Seite 2 angegeben ist, stillschweigend als zutreffend unterstellt, muß man eine Arbeitsleistung gegen Entgelt hinsichtlich der halbtägigen Mithilfe als Haustochter ablehnen. Dies schon deswegen, weil die Zahlung von £ 1 sh 10 wöchentlich bei freier Station nach deutschen und englischer Verhältnissen nicht als Lohn für eine Hausgehilfin angesehen werden kann. Die Tätigkeit in der englischen Familie diente auch ausschließlich dem Zweck, auf diese Weise überhaupt den Auslandsaufenthalt ermöglicht zu erhalten. Auch ist die gewährte lange Freizeit über den ganzen Nachmittag und Abend zum Besuch von Sprachinstituten, Theateraufführungen und dergl. bei einem normalen Arbeitsverhältnis als Hausgehilfin gegen Entgelt ungewöhnlich. Schließlich fehlen auch Feststellungen oder wenigstens Hinweise dafür, daß ein für die Annahme einer Beschäftigung gegen Entgelt notwendiges echtes persönliches und wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Klägerin und den englischen Gastgebern im Sinne von Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie eine Zugehörigkeit zur englischen Sozialversicherung bestanden hat. Die halbtägige Mithilfe eines „Au-pair-Mädchens“ in einer englischen Familie erweist sich somit als ein Betreuungsverhältnis besonderer Art, das nicht mit einer Beschäftigung gegen Entgelt gleichgesetzt werden kann.

Bei der gegebenen Sachlage vermag sich der Senat auch nicht der Ansicht der Revisionsklägerin anzuschließen, die Klägerin hätte sogar anstelle der „Au-pair“-Stellung eine halbtägige oder gar ganztägige entgeltliche Beschäftigung in England aufnehmen können. Ob eine solche entsprechend den Ausführungen der Revisionsbeklagten im Schriftsatz vom 26. November 1963 überhaupt möglich gewesen wäre, kann dahingestellt bleiben. Eine solche Arbeit im Ausland ist nämlich für ein noch minderjähriges Mädchen - die Klägerin war bei Beginn ihres Aufenthalts in England erst 18 Jahre alt -, das die Sprache des fremden Landes noch nicht beherrscht, sondern diese dort erst erlernen will, unzumutbar. Gerade deshalb hat ja die Tätigkeit als „Au-pair-Mädchen“ im Rahmen eines Betreuungsverhältnisses in einer englischen Familie in den letzten beiden Jahrzehnten unter einer besonderen beiderseitigen staatlichen Förderung so stark zugenommen, weil diese für die Erziehungsberechtigten und für die etwaigen gesetzlichen Vertreter der Jugendlichen auch unter dem Gesichtspunkt des Jugendschutzes die allein denkbare Form ist, noch nicht volljährigen Mädchen den Auslandsaufenthalt zur Erlernung bzw. Fortbildung in der Fremdsprache zu ermöglichen.

Der somit in der Zeit von Februar bis einschließlich Juni 1961 vom Senat angenommenen Berufsausbildung der Klägerin steht die vom 7. Senat des BSG in den Urteilen vom 30. Juni 1964 - 7 RKg 4/62 - und vom 18. Dezember 1964 - 7 RKg 3/64 - für den Bereich des Kindergeldes vertretene Rechtsauffassung nicht entgegen. In der ersten Entscheidung wurde die Berufsausbildung deswegen verneint, weil nach den dortigen tatsächlichen Feststellungen - im Gegensatz zum vorliegenden Fall - nicht das fest umrissene Berufsziel einer Auslandskorrespondentin angestrebt wurde. In der zweiten Entscheidung ist der 7. Senat im Einklang mit der Ansicht des erkennenden Senats zu dem Ergebnis gekommen, daß ein lediglich mit vier Sprachunterrichtsstunden in der Woche verbundener Auslandsaufenthalt eines „au-pair“ untergebrachten Mädchens die Annahme einer Berufsausbildung i.S. des § 2 Abs. 1 des Kindergeldgesetzes in der bis zum 30. Juni 1964 geltenden Fassung vom 13. November 1954 (BGBl. I 33) nicht rechtfertigt.

Danach ist der Auslandsaufenthalt der Klägerin zwar nicht in der Zeit vom Juni 1960 bis Januar 1961, wohl aber in der Zeit vom Februar bis Juni 1961 als Berufsausbildung i.S. des § 1267 Satz 2 RVO zu werten. Der Klägerin steht deshalb ein Anspruch auf Waisenrente nach dem Gesetz nur in letzterem Zeitraum zu.

Mit dieser Maßgabe sind auf die Revision der Beklagten die Urteile des LSG und des SG zu ändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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