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12 RJ 422/66

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. August 1966 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die Beklagte Versicherungsunterlagen für die Zeit der Beschäftigung des Klägers von 1945 bis 1947 herzustellen hat (§ 11 Abs. 2 der Versicherungsunterlagen-Verordnung - VuVO - in Verbindung mit §§ 16, 18 Abs. 3 des Fremdrentengesetzes - FRG -).

Der 1895 geborene Kläger, Bundesbahnoberinspektor i.R., leistete vom 1. Mai 1945 bis 4. September 1947 für die Besatzungsmächte in Stettin Zwangsarbeit. Er begehrt die Herstellung von Versicherungsunterlagen für diese Zeit. Er begründet dies damit, daß in seiner ruhegehaltfähigen Dienstzeit von 49 Jahren und 153 Tagen die Zeit vom 9. Mai 1945 bis 31. Dezember 1950 als Zeit der Außerdienststellung aus anderen als beamtenrechtlichen Gründen nach dem 8. Mai 1945 gemäß § 181 Abs. 3 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) enthalten sei; für das Höchstruhegehalt von 75 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge reichten 35 Jahre aus; für die darüber hinausgehenden 14 Jahre erhalte er keine Versorgung.

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 23. Dezember 1960 ab: Die Zeit könne nicht als Versicherungszeit anerkannt werden, da sie einer Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften zugrundegelegt werde (§ 18 Abs. 3 FRG). Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 25. Oktober 1961).

Das Sozialgericht (SG) Trier hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 13. April 1965). Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 10. August 1966).

Der Kläger hat Revision eingelegt und sinngemäß beantragt, die Urteile des LSG und des SG und den Bescheid der Widerspruchsstelle aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten abzuändern und diese zu verurteilen, die Zeit vom 1. Mai 1945 bis 4. September 1947 als Beschäftigungszeit anzuerkennen. Er meint, Sinn und Zweck der Wortänderung in § 18 Abs. 3 FRG idF des Rentenversicherungsänderungsgesetzes vom 9. Juni 1965 (RVÄndG) könne nur eine Folge der Erkenntnis des Gesetzgebers sein, die bisherige Benachteiligung abzustellen, wenn eine Beschäftigungszeit zwar als ruhegehaltfähig anerkannt werde sie sich jedoch nicht erhöhend auf die Versorgungsleistung auswirke.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie hält die Auffassung des Klägers von der Bedeutung der Wortänderung in § 18 Abs. 3 FRG nicht für zutreffend.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

II

Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Herstellung von Versicherungsunterlagen für die Zeit von 1945 bis 1947 gemäß § 11 Abs. 2 VuVO in Verbindung mit § 16 FRG und § 18 Abs. 3 Satz 1 FRG idF des RVÄndG. § 18 Abs. 3 Satz 1 FRG idF des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) lautete dahin, daß §§ 15 und 16 FRG keine Anwendung auf eine Zeit finden, die im Geltungsbereich des FRG "einer Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen zugrundegelegt ist oder bei Eintritt des Versorgungsfalles zugrundegelegt wird" ... Durch Art. 1 § 4 Nr. 2 Buchst. a und b RVÄndG ist § 18 Abs. 3 FRG geändert und ergänzt worden. In Satz 1 ist die Anführung von § 15 FRG weggefallen; statt des Wortes "zugrundegelegt" heißt es jetzt "berücksichtigt". Ferner ist ein neuer Satz 2 eingefügt worden: "Wird bei einer Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen von einem Zeitraum nur ein Teil als ruhegehaltfähig berücksichtigt, so ist der nicht berücksichtigte Teil bei der Anwendung des § 16 so zu behandeln, als ob er vom Beginn dieses Zeitraumes an zurückgelegt wäre".

Der hier zu beurteilende Anspruch des Klägers auf Herstellung von Versicherungsunterlagen richtet sich nach § 18 Abs. 3 FRG idF des RVÄndG; denn diese Vorschrift ist am 1. Juli 1965 in Kraft getreten und gilt auch für Versicherungsfälle vor dem 1. Juli 1965 (Art. 5 § 4 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Buchst. e RVÄndG; vergleiche BABl 1965, 614).

Es trifft indessen nicht zu, daß § 18 Abs. 3 FRG deshalb neu gefaßt worden sei um in der Rentenversicherung die rentensteigernde Berücksichtigung von Zeiten zu ermöglichen, die beamtenrechtlich zwar als ruhegehaltfähig berücksichtigt, aber zur Erreichung des Höchstruhegehalts nicht erforderlich sind, wie der Kläger meint.

Die Neufassung des § 18 Abs. 3 Satz 1 FRG wurde vom Ausschuß für Sozialpolitik, der sie vorgeschlagen hat, folgendermaßen begründet: "Die bisherige Regelung in Abs. 3 ist in der Erwartung getroffen worden, daß das Problem der Doppelversorgung auch für einheimische Beamte in entsprechender Weise gelöst würde. Da dieses bisher nicht geschehen ist, kann die Benachteiligung der Vertriebenen nach Ansicht des Ausschusses nicht mehr aufrechterhalten werden".

Eicher führt in BABl 1965, 606, 611 zu § 18 Abs. 3 Satz 1 FRG idF des RVÄndG aus, durch die Weglassung des § 15 FRG in § 18 Abs. 3 FRG sei die Regelung der Doppelversorgung von Beamten mit Zeiten nach § 15 FRG der Regelung der Doppelversorgung bei einheimischen Beamten, die gleichzeitig Versicherungszeiten haben, angeglichen worden; der Ausgleich erfolge bei beiden Personengruppen über die Beamtenversorgung. Beschäftigungszeiten hingegen würden nach dem FRG nur angerechnet, wenn die Beschäftigung, wäre sie im Bundesgebiet ausgeübt worden, Versicherungspflicht nach dem seit dem 1. März 1957 geltenden Bundesrecht begründet hätte; damit seien die Vertriebenen den Einheimischen gleichgestellt. Beim Zusammentreffen von Beschäftigungszeiten mit Zeiten, die im Bundesgebiet bei der Beamtenversorgung als ruhegehaltfähig berücksichtigt würden, seien die Beschäftigungszeiten nicht anzurechnen, weil sonst die vertriebenen Beamten besser gestellt würden als die einheimischen, die in keinem Fall Beschäftigungszeiten zurückgelegt haben könnten. Nach dem neuen Satz 2 in § 18 Abs. 3 FRG müsse die Beschäftigungszeit bei der beamtenrechtlichen Versorgung nicht nur wie bisher zugrundegelegt, sondern berücksichtigt sein; denn in der Vergangenheit seien dadurch Härten aufgetreten, daß die Beschäftigungszeit zwar der Beamtenversorgung zugrundegelegt, aber infolge besonderer Regelungen - G 131 - nicht in vollem Umfang bei der Berechnung der Ruhegehaltsbezüge berücksichtigt worden sei; nunmehr bleibe eine Beschäftigungszeit in der Rentenversicherung nur in dem Umfang unberücksichtigt, in dem sie in der Beamtenversorgung berücksichtigt werde.

Bei der Auslegung des § 18 Abs. 3 FRG ist demnach vom Eingliederungsgedanken der Neuregelung des Fremdrentenrechts auszugehen. Die Vorschrift bezweckt, die unter das FRG fallenden Personen mit den Einheimischen gleichzustellen. Die unter das FRG fallenden Personen sollen versicherungsrechtlich so behandelt werden, als hätten sie ihre Beschäftigungszeiten (§ 16 FRG) im Bundesgebiet zurückgelegt. Hat zum Beispiel ein früherer Reichsbeamter im Gebiet der jetzigen Bundesrepublik 1945 bis 1947 bei einer Besatzungsmacht gearbeitet, so wird diese Zeit nach § 181 Abs. 3 Satz 2 BBG "als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt". Sie könnte aber, wenn keine Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet worden sind, nicht als Versicherungszeit in der Rentenversicherung (§ 1250 RVO) angerechnet werden. Hat ein früherer Reichsbeamter in dieser Zeit in einem deutschen Gebiet außerhalb des Gebiets der jetzigen Bundesrepublik ohne Entrichtung von Versicherungsbeiträgen gearbeitet und wird diese Zeit im Bundesgebiet nach Bundesrecht als ruhegehaltfähig angesehen, so verbietet das Prinzip der Gleichstellung, diesem Beamten die Beschäftigungszeit in einem deutschen Gebiet außerhalb der Bundesrepublik noch zusätzlich in der Rentenversicherung anzurechnen. Sind aber im Herkunftsgebiet für eine Zeit Rentenversicherungsbeiträge entrichtet, so wird dem Beamten diese Beitragszeit nach § 15 FRG ebenso als Versicherungszeit angerechnet, wie dem Beamten, der im Gebiet der Bundesrepublik mit Beitragsentrichtung beschäftigt gewesen ist. Bei dem Vergleich zwischen einem einheimischen Beamten und einem unter das FRG fallenden Beamten spielt es keine Rolle, ob beamtenrechtlich gerade diese Zeit als ruhegehaltfähige Dienstzeit zur Erreichung der Höchstpension notwendig ist. Auch bei einheimischen Beamten hat dieser Gesichtspunkt keine Bedeutung für die Rechte aus der Rentenversicherung. Dies zeigt insbesondere die Vorschrift des § 1229 Abs. 1 Nr. 3 RVO, nach der Beamte mit Anwartschaft auf lebenslängliche Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen versicherungsfrei sind; diese Versicherungsfreiheit ist nicht auf die für die Erreichung der Höchstpension erforderliche Zeit einer Beschäftigung beschränkt (vgl. BVerwG 12, 284 zu § 115 Abs. 1 BBG über die Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten vor Berufung in das Beamtenverhältnis als ruhegehaltfähig, wenn der Beamte den Höchstsatz des Ruhegehalts ohnehin erreicht, und die Anrechnung von Rententeilen nach § 115 Abs. 2 BBG auf die Versorgungsbezüge).

Die Änderung des Wortlauts von "zugrundegelegt" in "berücksichtigt" in § 18 Abs. 3 Satz 1 FRG hängt mit dem neuen Satz 2 in diesem Absatz zusammen. Das Wort "zugrundegelegt" hat eine umfassendere Bedeutung und schließt mehr Zeiten von der Gleichstellung als Beschäftigungszeiten im Fremdrentenrecht aus, als das Wort "berücksichtigt". Da § 18 Abs. 3 FRG auf die beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätze verweist, ist zur Feststellung des Sinngehalts des neu verwendeten Wortes "berücksichtigt" dessen Bedeutung im Beamtenrecht heranzuziehen. Der Ausdruck "berücksichtigen" wird im BBG im Zusammenhang mit der beamtenrechtlichen Versorgung für Dienstzeiten und der Ausdruck "anrechnen" für Dienstbezüge verwendet (vgl. zum Beispiel §§ 106, 111, 115, 116, 116 a, 117, 181, 182 BBG; BVerwG 12, 284, 287). In der RVO wird ein ähnlicher Unterschied nicht gemacht (vgl. zum Beispiel §§ 1249, 1250, 1251, 1259, § 1255 Abs. 4, 7 und 8, § 1253 Abs. 2 Satz 2 RVO). In § 18 Abs. 3 FRG ist daher bei dem Wort "berücksichtigt" nur von seiner beamtenrechtlichen Bedeutung auszugehen, das heißt entscheidend ist, ob die Zeiten als ruhegehaltfähige Dienstzeit bewertet worden sind, nicht aber, ob sie sich bei der Berechnung der Dienstbezüge auswirken.

Nach § 18 Abs. 3 Satz 1 FRG kann somit die Zeit der Beschäftigung des Klägers von 1945 bis 1947 in Stettin nicht als Beschäftigungszeit im Sinne des § 16 FRG angesehen werden, weil sie als ruhegehaltfähig berücksichtigt ist. Der Anspruch des Klägers ist sowohl nach dem Wortlaut des § 18 Abs. 3 FRG, als auch nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift nicht begründet. Seine Revision ist nicht begründet und zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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