11 RA 102/66
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Februar 1966 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger war vom 18. Mai 1946 bis 28. Juli 1952 selbständiger Landwirt (Neusiedler) in der SBZ und als solcher in der dortigen Rentenversicherung pflichtversichert. Die Beteiligten streiten darüber, welchem Versicherungszweig in der Bundesrepublik diese Versicherungszeit nach § 20 des Fremdrentengesetzes (FRG) zuzuordnen ist.
In dem Bescheid über das Altersruhegeld vom 10. Februar 1964 hat die Beklagte die umstrittene Zeit der Rentenversicherung der Arbeiter (ArV) zugeordnet und den Kläger in die Leistungsgruppe 1 der "Arbeiter in der Landwirtschaft" eingestuft. Das Sozialgericht (SG) Konstanz hat die Beklagte verpflichtet, die Zeit der Rentenversicherung der Angestellten (AnV) zuzuordnen und den Kläger in die Leistungsgruppe 3 der Angestellten einzustufen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 14. Februar 1966 (Breithaupt 1966, S. 968) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Zuordnung richte sich gemäß § 20 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 2 Satz 3 FRG danach, ob die Tätigkeit bei ihrem Beginn überwiegend körperlicher oder überwiegend geistiger Art gewesen sei. Der Bewertung der Tätigkeit des Klägers von 1946 bis 1952 als "überwiegend geistiger Art" durch das SG könne nicht gefolgt werden. Die Tätigkeit des Klägers bei der Bewirtschaftung seiner Siedlerstelle sei vielmehr überwiegend körperlicher Art gewesen. Die Landwirtschaft habe mit 7,65 ha die übliche Größe eines Familienbetriebs gehabt, in dem der Bauer die wesentliche körperliche Arbeit verrichte. Der Kläger habe überwiegend körperlich mitarbeiten müssen, auch wenn er die schweren Arbeiten weitgehend seinen Hilfskräften überlassen habe. Als Hilfskräfte hätten ihm - außer der im Haushalt (2 Kinder) voll ausgelasteten Ehefrau - nur zwei verhältnismäßig junge Personen und eine außerhalb wohnende ältere Lohnarbeiterin zur Verfügung gestanden. Es entspreche der Lebenserfahrung, daß der Kläger bei zahlreichen Verrichtungen, zum Beispiel bei der Feldbestellung, selbst Hand habe anlegen müssen. Auch die Vieh- und Pflanzenzucht habe in einem Betrieb dieser Größe eine vorwiegend körperliche Arbeit erfordert. Die Leitung der selbständigen Landwirtschaft habe zwar auch beträchtliche geistige Anforderungen, zum Beispiel an Organisationstalent und Dispositionsvermögen gestellt, die körperliche Arbeit habe aber immer im Vordergrund gestanden. Im übrigen dürfe nicht übersehen werden, daß die vorangegangene Ausbildung des Klägers in der Landwirtschaft vorwiegend praktischer Natur gewesen sei, wie sich aus der zurückgelegten Landwirtschaftslehre und der Prüfung als "praktischer Landwirt" ergebe. Wenn der Kläger auch bis 1945 eine mehr verwaltende oder beratende Tätigkeit (zuletzt als Gutsverwalter) ausgeübt habe, so sei doch jedenfalls seine Siedlertätigkeit seit 1946 nicht der eines "landwirtschaftlichen Fachangestellten", sondern eher der eines Landwirtschaftsmeisters, Meisters der Tierzucht oder Meisters der Gärtnereiberufe (alle angeführt in der Leistungsgruppe 1 der Arbeiter in der Landwirtschaft) vergleichbar.
Mit der zugelassenen Revision beantragte der Kläger,
- das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Der Kläger rügt eine unrichtige Anwendung des § 20 FRG. Es sei rechtsirrig, auf die Tätigkeitsmerkmale zu Beginn der Versicherung abzustellen; das widerspreche dem Gesetzeswortlaut. Das LSG habe außerdem die allgemeine Zuordnungsregelung in § 20 Abs. 1 Satz 2 FRG übersehen, die ausdrücklich auf die "Art der Beschäftigung" während der anzurechnenden Zeit abstelle und den gesamten Bereich des § 20 FRG umfasse. Soweit das LSG versuche, die gesamte Tätigkeit als Neusiedler in eine solche überwiegend körperlicher Art abzustempeln, verweise er auf die zutreffende gegenteilige Wertung der ersten Instanz. Die Erfolge, die er als Neusiedler bereits zwischen 1946 und 1948 erreicht habe, seien zumindest überwiegend auf seine fachliche Ausbildung und seine planerische Tätigkeit, also auf geistige Beschäftigung zurückzuführen. Die Gleichstellung mit dem Landwirtschaftsmeister sei schon von der Ausbildung her nicht gerechtfertigt. Er müsse auch darauf hinweisen, daß ihn das ostzonale System aus einer langjährigen Angestelltentätigkeit herausgerissen habe.
Die Beklagte beantragte die Zurückweisung der Revision.
Die ursprünglich beigeladene Landesversicherungsanstalt Baden ist im Revisionsverfahren auf ihren Antrag aus dem Rechtsstreit entlassen worden.
Der Kläger und die Beklagte erklärten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§§ 165, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
II
Die Revision des Klägers ist verspätet eingelegt worden, der Senat hat dem Kläger jedoch durch Beschluß vom 7. Juni 1966 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Fristversäumnis erteilt. Die Revision des Klägers ist daher zulässig, sie ist jedoch unbegründet.
Für die Zuordnung der Beitragszeit ist § 20 FRG maßgebend. Die Zuordnungsregel des Abs. 1 Satz 2 gilt dabei nicht, soweit eine Sonderregelung getroffen ist. Für die Beitragszeiten, die pflichtversicherte Selbständige zurückgelegt haben, trifft § 20 FRG eine besondere Regelung in Abs. 3 Satz 1. Diese Vorschrift ist hier anzuwenden. Es kann daher offen bleiben, ob der Kläger bei einer Anwendung des Abs. 1 Satz 2 die Zuordnung der streitigen Zeit zur AnV erreichen könnte; die Bedenken hiergegen brauchen nicht erörtert zu werden.
§ 20 Abs. 3 Satz 1 FRG verweist auf Abs. 2 Satz 3, also auf die Sonderregelung für die Zeiten einer freiwilligen Weiterversicherung, für welche die Sätze 1 und 2 von Abs. 2 nicht gelten. Abs. 2 Satz 3 unterscheidet danach, ob die freiwillige Versicherung während einer Beschäftigung oder Tätigkeit überwiegend körperlicher oder überwiegend geistiger Art begonnen worden ist. Bei einer Beschäftigung oder Tätigkeit überwiegend körperlicher Art werden die Zeiten der ArV zugeordnet, bei einer Beschäftigung oder Tätigkeit überwiegend geistiger Art der AnV. Übertragen auf die Beitragszeiten der pflichtversicherten Selbständigen bedeutet das, daß die Zuordnung ihrer Beitragszeiten zur ArV oder AnV davon abhängt, ob sie bei Beginn der Beitragszeit eine Tätigkeit überwiegend körperlicher oder überwiegend geistiger Art verrichtet haben. Gemeint ist dabei der Beginn der Beitragszeit als pflichtversicherter Selbständiger.
Was unter dem "Beginn" zu verstehen ist - ob etwa der erste Beitragszeitabschnitt gemeint sein könnte -, kann hier dahingestellt bleiben. Nach den Feststellungen des LSG ist die landwirtschaftliche Tätigkeit des Klägers in der gesamten Zeit von 1946 bis 1952 überwiegend körperlicher Art gewesen. Da diese Feststellung, wie im folgenden dargelegt wird, nicht zu beanstanden ist, muß die Tätigkeit zwangsläufig auch zu ihrem Beginn - einerlei, wie man diesen Zeitraum umgrenzt - überwiegend körperlicher Art gewesen sein.
Die Entscheidung hängt also davon ab, ob das LSG die Tätigkeit des Klägers von 1946 bis 1952 zu Recht als eine Tätigkeit überwiegend körperlicher Art gewertet hat. Das ist zu bejahen. Die Frage, ob eine Tätigkeit überwiegend körperlicher oder überwiegend geistiger Art ist, erfordert im wesentlichen tatsächliche Feststellungen. Solche tatsächlichen Feststellungen enthält das Urteil des LSG in ausreichendem Maße; sie sind zwar zum Teil summarisch getroffen; dem LSG ist aber hier eine andere Art der Feststellung kaum möglich gewesen; das gilt insbesondere für die Feststellung, daß die körperliche Arbeit die geistige Arbeit überwogen hat. Das Bundessozialgericht (BSG) ist an die getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden (§ 163 SGG). Der Kläger hat in bezug auf diese Feststellungen keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht. Er hält dem LSG lediglich seine abweichende Ansicht und das Urteil des SG entgegen. Seine Revisionsbegründung enthält aber keine Rüge, daß das LSG seine tatsächlichen Feststellungen unter Verletzung von Verfahrensvorschriften getroffen habe, insbesondere, daß das LSG seine Aufklärungspflicht verletzt oder allgemeine Grundsätze der Beweiswürdigung, zum Beispiel allgemeine Erfahrungssätze, verletzt habe. Das BSG kann deshalb nur prüfen, ob das LSG bei der rechtlichen Würdigung der tatsächlichen Feststellungen die Begriffe "überwiegend körperlicher" oder "überwiegend geistiger Art" in rechtlicher Hinsicht falsch verstanden hat. Ein derartiger Rechtsverstoß ist jedoch nicht zu erkennen.
Das LSG hat demnach die Beitragszeiten in der SBZ von 1946 bis 1952 der ArV zuordnen müssen. Die Erwägungen, die das LSG und der Revisionskläger im übrigen noch angestellt haben, haben auf diese zwingend geregelte Zuordnung keinen Einfluß; für die Zuordnung ist es unerheblich, ob die Tätigkeit sich mit den Meistertätigkeiten der Leistungsgruppe 1 der Arbeiter in der Landwirtschaft vergleichen läßt. Das wäre allenfalls für die Einstufung in die Leistungsgruppen von Bedeutung; die Einstufung in die Leistungsgruppe 1 der Arbeiter in der Landwirtschaft ist aber ohnedies die höchstmögliche Leistungsgruppe, die der Kläger bei Zuordnung der streitigen Zeit zur ArV erreichen kann.
Die Revision des Klägers muß daher zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.