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4 RJ 249/58

Aus den Gründen

Die 1891 geborene Klägerin hatte als Dienstmagd von 1907 bis 1912 insgesamt 156 Wochenpflichtbeiträge zur JV. entrichtet. Sie hat dann als Landwirtsehefrau erst im Jahre 1953 wieder mit der Zahlung freiwilliger Beiträge begonnen, und zwar zahlte sie rückwirkend vom Jahre 1951 an für jedes Jahr bis einschließlich 1955 je 52 Wochenbeiträge. Am 14.3.1956 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung der Invalidenrente. In der am gleichen Tage verrechneten Quittungskarte Nr. 9 waren acht Wochenbeiträge für das Jahr 1956 enthalten. Die Beklagte lehnte diesen Antrag im August 1956 ab, da sie nach den von ihr eingeholten ärztlichen Gutachten noch keine Invalidität annahm. Während die gegen diese Rentenablehnung vor dem SG erhobene Klage schwebte, entrichtete die Klägerin weitere 44 freiwillige Wochenbeiträge Jahresaufdruck 1956) für das Kalenderjahr 1956 in der am 19.7.1956 ausgestellten und am 26.1.1957 aufgerechneten Quittungskarte Nr. 10. Das Verfahren vor dem SG endete nach Einholung eines weiteren ärztlichen Gutachtens mit dem Abschluß eines gerichtlichen Vergleichs am 21.3.1957, nach dem die Beklagte der Klägerin vom 1.4.1957 an die Rente wegen Berufsunfähigkeit gewährte.

In Ausführung dieses Vergleichs setzte die Beklagte durch Bescheid vom 23.10.1957 die Rente auf monatlich 4,00 DM fest; gleichzeitig lehnte sie in diesem Bescheid die Durchführung der im Art. 2 § 42 der Neuregelung des Arbeiterrentenversicherungsgesetzes (ArVNG) vorgesehenen Vergleichsberechnung ab, weil die Anwartschaft der Klägerin nicht aus allen vor dem 1.1.1957 entrichteten Beiträgen erhalten, vielmehr aus den für die Jahre 1907 bis 1912 gezahlten Beiträgen erloschen sei.

Auf die hiergegen erhobene Klage verurteilte das SG die Beklagte am 1.7.1958 kostenpflichtig, die Vergleichsberechnung durchzuführen.

Das LSG wies die Klage unter Aufhebung des sozialgerichtlichen Urteils ab.

Die Entscheidung der Frage, ob die über die Vergleichsberechnung sich ergebende höhere Rente zu gewähren sei, hänge einzig davon ab, ob die Anwendung des Art. 2 § 42 ArVNG voraussetze, daß die Anwartschaft aus allen in Frage kommenden Beiträgen erhalten sei. Das erkennende LSG habe zwar im Falle des Art. 2 § 17 Abs. 1 Satz 2 ArVNG für die Gewährung der Hinterbliebenenrente die Auffassung vertreten, daß es ausreiche, wenn dort die Anwartschaft aus der in jener Vorschrift vorgeschriebenen Mindestzahl von Beitragswochen aufrecht erhalten sei. Jener Fall unterscheide sich jedoch grundlegend von der hier zu entscheidenden Frage, da dort nicht nur die Leistungshöhe, sondern der Anspruch als solcher in Frage stehe und sich aus der Bestimmung des § 17 Abs. 2 die jeweils für die Anwartschaftserhaltung erforderliche Zahl von Beitragswochen entnehmen lasse. Demgegenüber könne es bei Art. 2 § 42 ArVNG nicht genügen, wenn die Anwartschaft aus so vielen Beiträgen erhalten sei, daß nach altem Recht eine Rentenleistung hätte gewährt werden müssen; diese Auffassung führe dazu, daß u.U. über § 1263a RVO a.F. bereits die Erhaltung der Anwartschaft aus einem einzigen Beitrag für die Anwendung des § 42 a.a.O. hinreiche, was bei einer Entrichtung von zwei oder mehr Beiträgen vor dem 1.1.1957 dem insofern klaren Wortlaut des § 42 a.a.O. zweifellos nicht genüge. Da ausdrücklich zahlenmäßige Bestimmungen darüber fehlten, aus wie vielen Beiträgen die Anwartschaft erhalten sein müsse, sei somit für die Auslegung des § 42 a.a.O. in erster Linie sein Wortlaut maßgebend. Aus den Worten „aus den... Beiträgen“ könne wörtlich nur entnommen werden, daß die Anwartschaft aus allen Beiträgen erhalten sein müsse. Diese enge Auslegung sei auch deshalb gerechtfertigt, weil § 42 a.a.O. eine Ausnahmevorschrift sei. Auch dem Sinn der Vorschrift werde nur diese Auslegung gerecht, da sie nur Versicherte mit relativ guter Beitragsleistung habe begünstigen wollen, wie sich auch aus dem weiteren Erfordernis, daß vom 1.1.1957 ab sogar für jedes weitere Kalenderjahr neun Beiträge nachgewiesen sein müssen, ergebe.

Die Klägerin werde durch diese Lösung allerdings schlechter gestellt, als wenn sie die Beiträge für die Jahre 1907 bis 1912 überhaupt nicht entrichtet haben würde. Bereits dem alten Recht seien jedoch ähnliche ungünstige Auswirkungen durchaus nicht fremd gewesen, wie insbesondere die Halbdeckungsberechnung (§ 1265 RVO a.F.) zeige. Die auftretenden Rechtsnachteile ergäben sich in Wirklichkeit in diesem Falle auch gar nicht aus der Entrichtung lange zurückliegender Beiträge, sondern durch die Unterlassung der Beitragsleistung in den darauf folgenden Zeitabschnitten.

Auch eine Verletzung des GG liege nicht vor; § 42 a.a.O. stelle ohnehin eine begünstigende Übergangsvorschrift dar.

Bei der Klägerin sei die Anwartschaft aus den Beiträgen für die Jahre 1907 bis 1912 nicht erhalten, da in den Jahren 1924 bis 1948 nicht wenigstens ein Beitrag entrichtet sei und auch etwaige anwartschaftserhaltende Ersatzzeiten nicht vorlägen. Die Anwartschaft für jene früheren Zeiten könne auch über die Halbdeckungsvorschriften nicht als gewahrt angesehen werden, da bis zum 1.1.1957 nur 486 Beiträge entrichtet seien, während 1274 Beiträge erforderlich gewesen wären.

Da somit die Anwartschaft nicht aus allen von der Klägerin jemals entrichteten Beiträgen am 1.1.1957 erhalten sei, sei die Klage unbegründet, wobei die Frage, ob die für 1956 entrichteten Beiträge noch rechtzeitig im Sinne des § 42 a.a.O. entrichtet seien, offen bleiben könne.

Das LSG hat die Revision gegen sein Urteil zugelassen; die Klägerin rügt mit ihrer frist- und formgerecht eingelegten Revision die Auslegung, die das LSG dem § 42 a.a.O. gegeben hat, als rechtsirrig; für die Anwendung dieser Vorschrift reiche es aus, wenn die Anwartschaft am 1.1.1957 überhaupt erhalten gewesen sei.

Die Beklagte ist demgegenüber der Auffassung, daß § 42 a.a.O. nicht etwa stets eine Besserstellung der Berechtigten beabsichtige, wie sich z.B. daraus ergebe, daß seine Anwendung für die späteren Jahre noch je neun weitere Monatsbeiträge erfordere. Der Übergang von der Mindest- zur Beitragsrente habe eine Umstellung bedingt, die von beiden Teilen gewisse Gegenleistungen erfordere. Nur wer die Anwartschaft vollständig erhalten habe, könne die auf Kosten des Risikos des VersTr. gehende alte Rente beanspruchen; § 42 a.a.O. sei daher nicht etwa aus Billigkeitsgründen großzügig, sondern als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Wenn der Gesetzgeber die Erhaltung der Anwartschaft nicht aus allen Beiträgen hätte fordern wollen, so würde er dem § 42 a.a.O. eine andere Fassung gegeben haben, etwa durch Ersetzung der Wörter „... vor dem...“ durch die Wörter „... zur Erfüllung der Wartezeit erforderlichen, bis zum...“.

Die Revision ist begründet.

Mit dem LSG ist davon auszugehen, daß die Anwartschaft aus den von 1907 bis 1912 entrichteten Beiträgen nicht erhalten ist. Unter Zugrundelegung der unangefochtenen Feststellungen des LSG ist die Anwartschaft für jene Zeiten erloschen und mangels Zahlung auch nur eines neuen Beitrages während der Zeit von 1924 bis 1948 nicht wieder aufgelebt. Die Anwartschaft gilt auch über die Halbdeckungsvorschriften nicht als erhalten, weil die insgesamt geleisteten Beiträge die für die Halbdeckung erforderliche Anzahl bei weitem nicht erreichen, so daß auch insoweit nicht an eine Erhaltung der Anwartschaft aus allen geleisteten Beiträgen gedacht werden kann.

Für seine Auffassung, die Anwartschaft müsse aus allen Beiträgen erhalten sein, führt das LSG zunächst aus, daß mangels Fehlens einer Bestimmung, aus wie vielen Beitragswochen die Anwartschaft erhalten sein müsse, die bloße Tatsache der Anwartschaftserhaltung bei Anwendung des § 42 a.a.O. zu von dem Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnissen führen könne und aus diesem Grunde nicht als richtig anzunehmen sei. Diese Begründung greift nicht durch.

§ 42 a.a.O. ist eine Vorschrift, die den Gedanken der Besitzstandswahrung über den Kreis der bereits rentenberechtigten Altrentner (Art. 2 § 36 ArVNG) hinaus aus Billigkeitserwägungen auch auf diejenigen Versicherten ausdehnt, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung noch keine Rente beziehen, nach den bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften jedoch bei Eintritt des Vers.Falles eine höhere Rente zu erwarten gehabt hätten, als diese sich nach dem neuen Recht stellen würde. Die Vorschrift ist demnach gerade ersichtlich in erster Linie für jene Gruppen von Versicherten geschaffen, die nach dem bisherigen Recht - unabhängig von Zahl und Höhe der für die Rentenberechtigten anzurechnenden Beiträge - Anspruch auf eine Mindestrente gehabt hätten, da sich gerade bei diesen die beitragsgerechte Rente wohl stets erheblich niedriger stellen würde. Für die Begünstigung des § 42 a.a.O. wurde deshalb auch nur eine fünfjährige Übergangszeit vorgesehen, da bei fortlaufender Beitragszahlung nach Ablauf dieser Frist ein voller Ausgleich in der Rentenhöhe nach der alten und der neuen Berechnung zu erwarten war (vgl. hierzu Bundestagsdrucksache Nr. 3080 S. 24).

Voraussetzung für jeden auf der Grundlage der Vorschriften des alten Rechts zu berechnenden Anspruch war - abweichend vom neuen Recht - zusätzlich die Erhaltung der Anwartschaft. Es ist daher durchaus einleuchtend, daß der Gesetzgeber diesen schon ohnehin weitgehenden Besitzstandsschutz nur jenen Versicherten zugebilligt hat, bei denen diese nach altem Recht unbedingt notwendige Voraussetzung erhalten war. Mit seinen Erwägungen, die vom Fehlen einer vom Gesetzgeber vorgesehenen Mindestzahl von Beitragswochen für die Erhaltung der Anwartschaft ausgehen, trägt das LSG demgegenüber wartezeitliches Gedankengut in den Begriff der Anwartschaft. Die Wartezeit erfordert allerdings begrifflich stets, daß der Versicherte eine bestimmte Mindestzeit der Versichertengemeinschaft angehört haben muß, bevor er Ansprüche an sie stellen kann. Sie ist, soweit und solange die Beitragszeiten, auf denen sie beruht, überhaupt nach den jeweiligen gesetzlichen Vorschriften ab anrechnungsfällig anzusehen sind, einmal zu erfüllen und nach ihrer Erfüllung statisch, dauernd vorhanden.

Das Institut der Anwartschaft diente ganz anderen Zwecken: Es wollte im Grunde nur denjenigen Versicherten einen Anspruch auf Vers.Leistungen einräumen, die durch bis zum Vers.Fall laufend fortgesetzte Beitragszahlungen ihre Zugehörigkeit und Verbundenheit mit der Versicherung bewiesen hatten; daher sah das Gesetz bei der Anwartschaft die Notwendigkeit des fortlaufenden (dynamischen) Erhaltens, die Möglichkeit des Verfalls von Beitragszeiten, wenn hinterher eine Unterbrechung jener laufenden Erhaltung eintrat, aber auch wieder die Möglichkeit eines Wiederauflebens und Erneuerns der Anwartschaft bei erneuter laufender Beitragszahlung vor. Dieser Sinn der Anwartschaft wurde im Grundsätzlichen auch nicht dadurch geändert, daß der Gesetzgeber aus Billigkeitserwägungen die fiktive Anwartschaftserhaltung durch Halbdeckung und zum Teil überaus weitgehende Erleichterungen für die Anwartschaftserhaltung selbst (insbesondere durch § 4 Abs. 1 SVAG) einführte- Für die einzig bedeutsame Frage, ob die Anwartschaft erhalten ist, spielt es demnach allerdings eine ausschlaggebende Rolle, ob die für eine Anwartschaftserhaltung erforderlichen Beiträge vorhanden sind; unbeachtlich ist jedoch in diesem Zusammenhang, ob neben jenen Beiträgen noch andere Beiträge geleistet sind, die für die Anwartschaftserhaltung nicht angerechnet werden können. Art. 2 § 17 Abs. 2 ArVNG, auf den das LSG sich dafür beruft, daß dort nach seiner Rechtsprechung die Aufrechterhaltung der Anwartschaft nur aus einem Teil der gezahlten Beiträge ausgereicht habe, paßt nicht in den vorliegenden Zusammenhang. Das Erfordernis einer Mindestbeitragsdauer ist in § 17 ArVNG durchaus ordnungsgemäß allein für die Erfüllung der Wartezeit vorgeschrieben. Wenn das LSG in diesem Zusammenhang davon ausgegangen ist, die Anwartschaft müsse aus mindestens denselben Beitragswochen aufrecht erhalten sein, so ist dies nur eine Konsequenz daraus, daß die früheren Zeiten, aus denen die Anwartschaft erloschen war, auch auf die Wartezeit nicht angewendet werden können.

In Wirklichkeit laufen die vom LSG erhobenen Bedenken demnach darauf hinaus, daß § 42 a.a.O. nach seinem Wortlaut nicht zusätzlich auch noch erfordert, daß im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung neben der Erhaltung der Anwartschaft auch noch die Erfüllung der Wartezeit nach altem Recht erfüllt sein müsse, um die Gewährung der nach den alten Vorschriften errechneten höheren Leistung auszulösen. Es ist zuzugeben, daß hier möglicherweise eine unklare Fassung oder eine Lücke im Gesetz vorliegt, die allerdings nur in jenen Fällen zum Tragen kommen könnte, in denen die Wartezeit im Zeitpunkt des Vers.Falles nur nach neuem, nicht aber nach altem Recht erfüllt ist. Im vorliegenden Fall, in dem die Wartezeit nach neuem wie nach altem Recht zweifelsfrei erfüllt ist, braucht auf diese Frage nicht näher eingegangen zu werden.

Da in den Fällen, in denen die Anwartschaft aus lange zurückliegenden Beiträgen nicht mehr erhalten ist, diese Beiträge nach altem Recht auch bei der Errechnung der Rentenhöhe unberücksichtigt gelassen werden, ist auch nicht zu befürchten, daß die Vergleichsberechnung diejenigen Versicherten, deren Anwartschaft nicht aus allen Beiträgen erhalten ist, ungerechtfertigt bevorzugen könnte, wenn man von der gerade gewollten Besserstellung durch die für diesen Kreis in Frage kommende Mindestrentenregelung absieht.

Schließlich ist allerdings einzuräumen, daß der Versicherte in Fällen wie dem vorliegenden ohne jene verfallenen Beiträge zu der seinen Anspruch allein begründenden freiwilligen Weiterversicherung gar nicht berechtigt gewesen wäre; daraus kann jedoch ebenfalls nicht abgeleitet werden, eine Vergleichsberechnung komme nicht in Frage, da es für die Regelung des § 42 a.a.O. gänzlich unerheblich ist, auf Grund welcher Berechtigung die der Vergleichsberechnung zugrunde zu legenden wirksamen Beiträge früher einmal entrichtet sind.

Es verbleibt somit noch als weitere, vom LSG als besonders wesentlich herausgestellte Argumentation für die Annahme, die Anwartschaft müsse aus allen Beiträgen erhalten sein, der gesetzliche Wortlaut. Es erscheint unrichtig, wenn das LSG annimmt, § 42 a.a.O. könne nur in der von ihm angenommenen Weise verstanden werden. Bei unbefangener Betrachtung des § 42 Satz 1 a.a.O. ergibt sich vielmehr eine entgegengesetzte Auffassung. Das sprachliche und inhaltliche Gewicht des Bedingungssatzes liegt auf den Wörtern „... wenn ... die Anwartschaft ... erhalten war“. Es ist bereits oben ausgeführt, daß die Erhaltung der Anwartschaft Grundlage aller zu dem Besitzstandsschutz des § 42 a.a.O. führenden Billigkeitserwägungen war. Die drei weiteren näheren Zusätze: 1) „aus den vor dem 1. Januar 1957 entrichteten Beiträgen ...“, 2) „... zu diesem Zeitpunkt“ und 3) „nach den bis dahin geltenden Vorschriften“ sind daher auch nur als Einschränkungen aufzufassen, die gewährleisten sollen, daß im Zeitpunkt des Auslaufens des alten Rechts einem Rentenanspruch des Versicherten jedenfalls anwartschaftliche Gesichtspunkte nicht entgegenständen; es kam demnach nur dann, wenn der Versicherte ohne das Inkrafttreten des neuen Rechts bei einem damals eingetretenen Vers.Fall einen Anspruch auf eine nach altem Recht zuzubilligende Rente gehabt hätte, eine Besitzstandssicherung überhaupt in Frage. Der zu dem Wort „Beiträgen“ gehörende Artikel „den“ ist unbetont zu lesen.

Wesentlich ist nach dem Wortlaut allein die Erhaltung der Anwartschaft in einem bestimmten Zeitpunkt. Wenn zum Teil aus Bestimmungen wie § 1264 Abs. 1, 2. Halbsatz oder § 1309a Abs. 4 RVO. a.F. gefolgert wird (z. B. Jahn, ZfS. 1957 S. 317), weil in jenen Bestimmungen „den“ gleichbedeutend sei mit „allen“, müsse dies auch hier angenommen werden, so liegt der entscheidende Fehler dieser Deduktion darin, daß es sich in jenen Fällen um den vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Verlust irgendwelcher Berechtigungen oder Ansprüche handelt; bei einer solchen Bestimmung ist jedoch notwendigerweise „den“ stets gleichbedeutend mit „allen bisherigen“; ganz anders liegt es dagegen, wenn - wie hier - vorgeschrieben ist, daß eine Berechtigung erhalten sein müsse; dann hat man - sprachlich wie logisch - darauf abzustellen, daß einzig diese Erhaltung wesentlich ist. Will der Gesetzgeber in einem derartigen Fall die Erhaltung - abweichend von den von ihm sonst vorgeschriebenen Voraussetzungen - nur unter Einhaltung verschärfter Voraussetzungen zulassen (hier Anwartschaftserhaltung ausnahmsweise aus allen Beiträgen), so muß er dies besonders vorschreiben.

Es trifft schließlich auch nicht zu, daß dann, wenn die Erhaltung der Anwartschaft schlechthin, also nicht nur aus allen Beiträgen, vorgeschrieben werden sollte, eine andere Fassung zweckmäßig gewesen wäre; die von der Beklagten empfohlene Fassung erscheint entgegen ihrer Meinung durchaus kompliziert und zu sonstigen Auslegungsschwierigkeiten anlaßgebend; die vielleicht klarste Fassung, die in einem einfachen Fortlassen des bestimmten Artikels „den“ bestanden hätte, ist offenbar aus Gründen des Sprachempfindens nicht gewählt worden.

Zu welchen bedenklichen Ergebnissen die Rechtsauffassung des LSG führt, zeigt besonders deutlich die Verteidigung der eingetretenen Schlechterstellung der Klägerin allein durch die Tatsache ihrer früheren Beitragszahlung. Irgendein sinnvoller Grund, Versicherte schlechter zu stellen, weil sie außer den ihre Anwartschaft erhaltenden Beiträgen zusätzlich früher noch weitere zusätzliche Beiträge geleistet haben, ist schlechterdings nicht zu erkennen. Eine verschiedene Behandlung würde vielmehr, entgegen der Auffassung des LSG, durchaus berechtigte Bedenken in Richtung einer Verletzung des grundgesetzlichen Gleichheitssatzes hervorrufen können. Wenn das LSG auf die angebliche Schlechterstellung bei der Berechnung der Halbdeckung hinweist, so handelt es sich dabei um einen völlig anderen Sachverhalt. Mit den Halbdeckungsvorschriften hat der Gesetzgeber, wie oben bereits kurz gestreift wurde, aus Billigkeitserwägungen vorgesehen, daß Versicherte, die ihre Anwartschaft unzweifelhaft verloren hatten, so zu behandeln seien, als ob die Anwartschaft noch bestehe; Voraussetzung dafür war, daß diese Versicherten während ihrer gesamten Vers.Zeit insgesamt mindestens ebenso lange zahlende Mitglieder gewesen waren, wie sie für ordnungsmäßige Anwartschaftserhaltung der Versicherung hätten beitragszahlend angehören müssen. Wenn in diesem Falle zur vergleichbaren Berechnung die gesamte Zeit vom ersten Eintritt an der Versicherung zugrunde gelegt wurde, so war das eine aus dem Sinn einer begünstigenden Vorschrift durchaus erklärliche Forderung. Rückschlüsse auf Fälle echter Anwartschaftserhaltung lassen sich daraus nicht ziehen.

Die Auffassung des LSG, eine nach § 42 a.a.O. zu berechnende Rente könne nur gewährt werden, wenn die Anwartschaft aus allen bis zum Inkrafttreten der Neuregelung entrichteten Beiträgen erhalten war, erweist sich somit in Übereinstimmung mit der bisher bereits überwiegend vertretenen Auffassung als unrichtig. Der Anspruch der Klägerin scheitert mithin nicht bereits daran, daß die Anwartschaft jedenfalls nicht aus allen bisher geleisteten Beiträgen erhalten ist.

Es kommt daher nunmehr entscheidend darauf an, ob - was das LSG von seinem Rechtsstandpunkt aus dahingestellt lassen konnte - die Anwartschaft der Klägerin bei Inkrafttreten des ArVNG überhaupt erhalten war.

Nach § 42 a.a.O. besteht nur dann Anspruch auf eine nach altem Recht zu berechnende höhere Rente, wenn die Anwartschaft aus den vor dem 1.1.1957 entrichteten Beiträgen zu diesem Zeitpunkt nach altem Recht erhalten war. Im Januar 1957 geleistete Beiträge sind jedoch nicht vor dem 1.1.1957 „entrichtet“ worden; denn mit diesem Wort „entrichten“ bezeichnet der Gesetzgeber stets die tatsächliche Zahlung, wie sich dies besonders deutlich aus den Vorschriften der §§ 1442 bis 1444 RVO a.F. bzw. 1418 bis 1420 RVO n.F. ergibt, bei denen es gerade auf den Gegensatz zwischen tatsächlicher Zahlung (gleich Entrichtung) und Wirksamkeit für eine davon abweichende Zeit ankommt. Die Frage des Entrichtens hat somit mit der Frage, für welchen Zeitraum die Beiträge wirksam anzurechnen sind, nichts zu tun. Gerade § 42 a.a.O. zeigt im zweiten Teil seines zweiten Satzes deutlich, daß der Gesetzgeber hier durchaus bewußt zwischen Zeiten, zu denen die Beiträge entrichtet werden, und Zeiten, für die sie entrichtet werden, unterscheidet. Entrichtet sind erst im Januar 1957 geleistete Beiträge auch dann in diesem Monat, wenn sie für das vorhergehende Jahr 1956 gelten. Nach § 42 a.a.O. erhalten jedoch nur Beiträge, die vor dem 1.1.1957 entrichtet sind, nicht auch Beiträge, die für die Zeit vor dem 1.1.1957 entrichtet sind, diese Anwartschaft. Eine entsprechende Vorschrift findet sich auch in Art. 2 § 4 Abs. 1 ArVNG, wo der Gesetzgeber die Besitzstandswahrung bewußt an die tatsächliche Entrichtung mindestens eines Beitrags vor einem bestimmten Zeitpunkt geknüpft hat; ebenso spielte seinerzeit bei § 4 Abs. 2 SVAG die auch im vorliegenden Falle wesentliche Unterscheidung zwischen dem Zeitpunkt der tatsächlichen Beitragsentrichtung und dem Zeitraum, für den der Beitrag gelten sollte, eine entscheidende Rolle. Es läßt mithin schon die sprachlich eindeutige Fassung eine die Rechtsfolgen des § 42 wirksam durch Anwartschaftserhaltung auslösende Beitragszahlung nach jenem Zeitpunkt nicht zu.

Nach dem Wortlaut des § 42 a.a.O. kommt es ferner darauf an, daß die Anwartschaft aus den vorher entrichteten Beiträgen „zu diesem Zeitpunkt“, d.h. am 1.1.1957, erhalten war. Wenn am 1.1.1957 die fehlenden Beiträge noch nicht entrichtet waren, so war nach den bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Bestimmungen die Anwartschaft zu diesem Zeitpunkt tatsächlich erloschen. Die Möglichkeit, diese Anwartschaft nach dem 1.1.1957 durch Zahlung weiterer Beiträge rückwirkend wieder aufleben zu lassen, wurde durch das Inkrafttreten der von jenen abweichenden Vorschriften des neuen Rechts ausgeschlossen.

Der Gesetzgeber hat auch keine Fiktion aufgestellt, durch die eine spätere Entrichtung der tatsächlichen Entrichtung vor Ablauf des sonst in Frage kommenden Zeitpunkts gleichgestellt wird, wie er dies z.B. für den Fall der nachträglichen Beitragszahlung in angemessener Frist nach Mahnung bzw. Bereiterklärung zur Nachentrichtung von Beiträgen (§ 1442 Abs. 1 RVO a.F. bzw. § 1420 Abs. 1 RVO n.F.) vorgesehen hat, obwohl ein derartiger Gedanke hier nicht fern gelegen hätte.

Die Tatsache schließlich, daß schon seit dem 14.3.1956 das noch mit der vorliegenden Revision anhängige Verfahren über den Rentenanspruch der Klägerin schwebte, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. § 1420 Abs. 2 RVO, der mangels irgendwelcher Übergangsvorschriften auf im Januar 1957 gezahlte Beiträge anzuwenden ist, bestimmt nur, daß in derartigen Fällen Beiträge auch nach Ablauf der in § 1418 Abs. 1 (§ 1418 Abs. 2, §§ 1303 und 1304 RVO betreffen offensichtlich ganz andere Fälle) bestimmten Frist noch wirksam entrichtet werden können. Hier sind die Beiträge jedoch ohnehin innerhalb der Frist jenes § 1418 Abs. 1 RVO wirksam entrichtet worden, sie werden daher nach den Vorschriften des neuen Rechts als Beiträge auch voll angerechnet, so daß eine Anwendung des § 1420 Abs. 2 RVO nicht in Frage kommt.

Ein Versuch, etwa trotz fehlender Übergangsregelung § 1444 Abs. 2 RVO a.F. für entsprechend anwendbar zu erklären und dann weiter unter Berücksichtigung des Sinnes von § 1444 Abs. 2 in Verbindung mit § 1443 RVO a.F. die Entrichtung von Beiträgen während eines Streitverfahrens, das sich über den 1.1. 1957 hinaus erstreckt, stets als rechtzeitig - d.h. vor diesem Stichtag - entrichtet zu behandeln, geht über die richterliche Auslegungsbefugnis weit hinaus und ist deshalb abzulehnen.

Der Gesetzgeber war sich auch durchaus dessen bewußt, daß durch die bei rückwirkend auf den 1.1.1957 bezogenem Inkrafttreten für die Zeit bis zur Verkündung scheinbare Weitergeltung der alten gesetzlichen Vorschriften Schwierigkeiten auftreten mußten. Er hat deshalb im Art. 3 § 8 ArVNG die Bestimmungen des alten Rechts, nach denen die Pflichtversicherungen dem Grunde und der Höhe nach bis zur Verkündung des neuen Gesetzes tatsächlich durchgeführt worden waren, bewußt noch bis zum 1.3.1957 gelten lassen, um die sonst rückwirkend auftretenden Schwierigkeiten zu vermeiden. Aus dieser Übergangsbestimmung ergibt sich, daß der Gesetzgeber sehr wohl die durch die verspätete Verkündung entstehenden Schwierigkeiten im Auge gehabt hat; dies ist auch daraus zu ersehen, daß der maßgebende Bericht des Bundestagsausschusses überhaupt erst am 10.1.1957 erstattet wurde. Es kann unter diesen Umständen keinesfalls angenommen werden, daß die Folgen der Nichberücksichtigung des rückwirkenden Inkrafttretens in Fällen wie dem vorliegenden vom Gesetzgeber etwa nicht beabsichtigt seien; es liegt daher auch keine irgendwie durch die Rechtsprechung ausfüllbare Lücke in der gesetzlichen Regelung vor.

Ist hiernach die fragliche Bestimmung des § 42 a.a.O. dahin zu verstehen, daß erst nach dem 1.1.1957 gezahlte Beiträge für die Anwartschaftserhaltung bis zu jenem Tage nicht angerechnet werden sollen, so fragt sich schließlich noch, ob etwa irgendwelche Vorschriften des GG durch diese Bestimmung als verletzt angesehen werden können. In dem Obergang von der Mindestrente zur Beitragsrente, der im Grunde die Schlechterstellung der Klägerin allein herbeigeführt hat, liegt jedoch keine Grundgesetzverletzung, da eine derartige Neuregelung weder einen Verstoß gegen Art. 14 noch einen solchen gegen Art. 20 GG enthält. § 42 a.a.O. stellt sich danach als eine Vorschrift dar, die den Kreis der an sich nur noch dem neuen Recht unterworfenen Versicherten, die ihre Anwartschaftsverhältnisse bis zum Auslaufen des alten Rechts stets in Ordnung gehalten hatten, vor den übrigen Versicherten begünstigte; es fehlt somit für letztere Versicherte an jedem Eingriff in ihre Sphäre durch § 42 a.a.O., so daß durch diese Bestimmung Art. 14 GG nicht verletzt sein kann.

Schließlich verstößt § 42 a.a.O. auch nicht dadurch gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG, daß er die in Frage kommenden Versicherten unterschiedlich behandelt. Abgesehen davon, daß jene Versicherten sich untereinander bereits dadurch unterscheiden, daß die einen ihre Anwartschaft im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes aufrecht erhalten hatten, während die anderen - auf eigenes Risiko - die Anwartschaft in jenem Zeitpunkt verloren hatten und höchstens rückwirkend wieder aufleben lassen wollten, kann die Wahl des 1.1.1957 als des Tages, an dem die gesamte Neuregelung mit wenigen Ausnahmen in Kraft trat, als maßgeblich auch für § 42 a.a.O. nicht als eine aus reiner Willkür erfolgte, dem Gerechtigkeitsgedanken unerträgliche Regelung angesehen werden, sondern wird von durchaus berechtigten Zweckmäßigkeits- und Vereinfachungserwägungen getragen.

Hiernach kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits darauf an, ob die in der Quittungskarte Nr. 10 entrichteten 44 Beitragsmarken vor dem 1.1.1957 entrichtet sind. Da das LSG eine Feststellung über den Zeitpunkt der tatsächlichen Entrichtung der Beiträge bisher nicht getroffen hat und nach seiner Rechtsauffassung auch nicht zu treffen brauchte, erweist sich eine Nachholung dieser fehlenden Feststellung und damit eine Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG als erforderlich.

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