7 RAr 40/57
Aus den Gründen
Der ... geborene Kläger, von Beruf Zimmerer, meldete sich am 19.12.1953 beim ArbA H. arbeitslos und beantragte Alu. Nach der Arbeitsbescheinigung des Taucher- und Bergungsbetriebs O.H. und Söhne, H.-Bl., war er bei diesem vom 18.7.1952 bis zum 16.10.1953 als Taucherlehrling beschäftigt gewesen. Zwischen dem Lehrbetrieb und dem Kläger war ein schriftlicher Lehrvertrag abgeschlossen, von der Handelskammer anerkannt und in die Lehrlingsrolle eingetragen worden. Das Lehrverhältnis war auf 2 Jahre vom 15.7.1952 bis zum 14.7.1954 festgesetzt. Als Ausbildungsbeihilfe war vereinbart: Leichtmatrosenheuer einschließlich freier Unterkunft und Verpflegung an Bord. Laut Zeugnis ist das Lehrverhältnis vorzeitig im beiderseitigen Einverständnis gelöst worden.
Vom 30.11. bis zum 18.12.1953 war der Kläger im Zimmereigeschäft seines Vaters tätig.
Das ArbA lehnte den Antrag auf Alu ab, weil die Anwartschaftszeit gemäß § 95 AVAVG nicht erfüllt sei. Den Widerspruch hiergegen wies die Widerspruchsstelle als unbegründet zurück, da auf Grund des Lehrvertrages die Beschäftigung versicherungsfrei gewesen und infolge vorzeitiger Beendigung des Lehrverhältnisses eine Anwartschaft nicht erworben sei.
In seiner Klage führte der Kläger aus, es sei zwar ein Lehrvertrag abgeschlossen gewesen, jedoch hätten die sachlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorgelegen; denn einen Lehrberuf „Taucher“ gebe es nicht. Er habe auch nicht nur eine Lehrlingsvergütung erhalten. Mit seinen Bezügen habe er Monatsverdienste von rd. 400,00 DM erreicht. Hiervon seien auch die Beiträge zur Soz.Vers. und ArbIV abgeführt worden.
Das SG holte eine Auskunft der Handelskammer H. ein, in der mitgeteilt wurde, daß der Beruf des Tauchers ein gesetzlich anerkannter Aufbauberuf sei.
Das SG hob die Vorbescheide auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger Alu zu gewähren. Es war der Auffassung, daß die Tätigkeit des Klägers nicht als versicherungsfreie Lehrlingsbeschäftigung nach § 74 AVAVG zu beurteilen sei, sondern als eine Sonderausbildung. Denn nach der Berufsaufstiegsordnung setze die Ausbildung als Taucher eine dreijährige erfolgreich abgeschlossene Lehrzeit als Schlosser, Zimmerer oder Schiffsjunge voraus. Der Kläger habe eine abgeschlossene Facharbeiterausbildung als Zimmerer durchgemacht. Daß die Sonderausbildung keine Lehrlingsausbildung im herkömmlichen Sinne sei, zeige sich in der Entlohnung, die der eines Facharbeiters entspreche, also nicht als „Lehrlingsvergütung“ bewertet werden könne.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache wurde die Berufung zugelassen.
Die Beklagte legte Berufung ein. Nach ihrer Auffassung ist der Taucher ein auf Unterwasserarbeit spezialisierter Handwerker, der wegen der Eigenart dieses Berufes nacheinander zwei Lehrverhältnisse durchmachen muß.
Das LSG wies die Berufung zurück. Es trat der Auffassung des SG bei, daß die Tätigkeit des Klägers von Anfang an arbeitslosenversicherungspflichtig gewesen sei und er deshalb die Anwartschaftszeit erfüllt habe. Unter § 74 AVAVG fielen nur Lehrverhältnisse im herkömmlichen Sinne. Die Ausbildung des Tauchers entspreche im wesentlichen der Gesellentätigkeit im übrigen Handwerk, nur mit dem Unterschied, daß beim Taucher die Ausbildung noch nicht abgeschlossen sei. Es handele sich deshalb um eine besondere „Berufsausbildung von Spezialfacharbeitern“. Eine solche Weiterbildung sei jedoch kein Lehrverhältnis im Sinne des § 74 AVAVG.
Revision ist zugelassen worden.
Die Beklagte hat Revision eingelegt. Sie rügt Verstöße gegen die §§ 69, 74, 87, 95, 99 AVAVG und führt dazu aus, daß beim § 74 AVAVG von dem allgemein üblichen Inhalt des Begriffs „Lehrverhältnis“ im Gewerberecht auszugehen sei, da die GewO selbst keine gesetzliche Begriffsbestimmung enthalte. Eine Unterscheidung zwischen Lehrverhältnis im landläufigen und im weiteren Sinne, wie sie das Berufungsgericht getroffen habe, kenne das Gewerberecht nicht. Der Taucherberuf sei als Lehrberuf für den Bereich der Industrie anerkannt worden, so daß ein Lehrvertrag abgeschlossen werden könne. Es sei nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der Gesetzgeber beabsichtigt haben sollte, die sogenannten Aufbauberufe von der Vers.Freiheit nach § 74 AVAVG im Falle des Abschlusses eines schriftlichen Lehrvertrages auszunehmen.
Der Kläger hat beantragt,
- die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält die Ausführungen des Berufungsgerichts für zutreffend. Sie entsprächen den grunds. Entscheidungen des RVA.Nr.3326 und Nr. 3758 (AN. 1929 S. 23 und 1930 S. 253), die auch jetzt noch maßgebend seien. Danach müsse aber angenommen werden, daß in der Regel ein „echter“ Lehrvertrag dann nicht vorliege, wenn eine nachfolgende Lehrzeit auf einer voraufgegangenen aufbaue und diese zur zwingenden Voraussetzung habe. Das Gesamtbild des streitigen „Lehrverhältnisses“ deute auf ein sogenanntes Umlernverhältnis hin, das der Vers.Pflicht unterliege. Aus den Einzelheiten des „Lehrvertrages“ ergebe sich, daß gerade kein Lehrverhältnis begründet worden sei.
Die Revision ist zulässig. Sie mußte auch Erfolg haben.
Maßgebend für die Beurteilung des Streitfalles ist § 74 AVAVG i.d.F. des Gesetzes vom 9.12.1952 (BGBl. I S. 790). Danach wird unterschieden zwischen der Beschäftigung als Lehrling, als Anlernling oder als Praktikant und eine solche unter bestimmten Voraussetzungen für versicherungsfrei erklärt. Soweit es sich um das Lehrverhältnis handelt, das hier den sachlichen Umständen nach in Betracht kommt, ist Vers.Freiheit bei einer Beschäftigung auf Grund eines schriftlichen Lehrvertrages von mindestens zweijähriger Dauer vorgesehen, und zwar ohne Rücksicht auf die Höhe der Lehrlingsvergütung. Da aber durch versicherungsfreie Beschäftigung eine Anwartschaftszeit nicht erfüllt werden kann, die Gestaltung des Beschäftigungsverhältnisses nach Abschluß der Lehrzeit sich jedoch nicht voraussehen läßt, sieht § 74 Abs. 3 vor, daß die Vers.Freiheit 12 Monate vor dem Tage erlischt an dem die Lehrlingsbeschäftigung durch Zeitablauf endet.
Im Gegensatz zu den Anlernlingen, bei denen Vers.Freiheit nur eintritt, wenn sie in einem anerkannten Anlernberuf beschäftigt werden, ist bei Lehrlingen die Ausbildung in einem „anerkannten“ Lehrberuf nicht gesetzliche Voraussetzung.
Auf Grund des Runderlasses II A 2a 1957/48 vom 2.6.1948 (Mitteilungsblatt der Verwaltung für Wirtschaft 1948 S. 289), worin die Anerkennung von Lehr- und Anlernberufen als im Mittelpunkt aller Berufsausbildung stehend bezeichnet wird, hat die Verwaltung für Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsgebietes durch Runderlaß vom 1.2.1949 den Aufbauberuf „Taucher“ als Lehrberuf anerkannt und das Berufsbild, die Prüfungsanforderungen und die Berufsaufstiegsordnung festgestellt (Mitt. Bl. 1949 S. 19, 43). Nach dem Berufsbild kommen für die Ausbildung in Betracht:
1. | Anwärter, die eine Ausbildung entweder als Schlosser, Zimmerer, Matrose, Wasserbauwerker oder in verwandten Berufen abgeschlossen haben. Ihre Taucherausbildung dauert 2 Jahre; |
2. | Anwärter, die als Taucherhelfer ausgebildet sind. Bei ihnen beträgt die Ausbildungsdauer 3 Jahre, wovon 1 Jahr für die Ausbildung als Schlosser und Zimmerer, 2 Jahre als Taucher bestimmt sind. |
Die Ausbildung als Taucher darf frühestens mit dem 19. Lebensjahr beginnen.
Nach der Auskunft der Handelskammer H. vom 16.11.1954 werden die Taucherlehrlinge mit ordnungsmäßigem Lehrvertrag in die Lehrlingsrolle eingetragen und unterziehen sich einer Lehrabschlußprüfung.
Auf Grund dessen haben der Lehrbetrieb O.H. & Söhne und der Kläger als Lehrling schriftlich einen Lehrvertrag auf zwei Jahre abgeschlossen. Daß hier der Wille der Vertragschließenden darauf gerichtet war, einen Lehrvertrag im eigentlichen Sinne abzuschließen, kann Zweifeln nicht unterliegen. Jedenfalls sind solche nicht erkennbar. Der Grund etwaiger Einsparung der Beiträge zur ArbIV. schied schon deshalb aus, weil nach der Bescheinigung der AOK. die Beiträge während des ganzen Vertragsverhältnisses - wenn auch für das erste Jahr irrtümlich - bezahlt worden sind. Daß der Lehrvertrag etwa zur Umgehung ordnungsmäßiger Lohnzahlung abgeschlossen und nur deshalb eine „Lehrlingsvergütung“ gezahlt worden wäre, ist nicht behauptet worden, den Umständen nach auch nicht anzunehmen. Der Kläger selbst hat beim Abschluß des Lehrvertrages gegen dessen Inhalt keine Einwendungen erhoben, er hat ihn selbst unterschrieben. Erst nach Ablehnung der Alu hat er bei Erhebung der Klage geltend gemacht, daß die sachlichen Voraussetzungen für einen Lehrvertrag nicht gegeben gewesen seien, da es einen Lehrberuf „Taucher“ nicht gebe. SG und LSG vertreten die Auffassung, daß es sich im vorliegenden Falle nicht um ein Lehrverhältnis im herkömmlichen Sinne handele, sondern um eine besondere „Berufsausbildung von Spezialfacharbeitern“. Ein solcher Schluß ist jedoch nicht berechtigt. Es kann nicht zwischen einem Lehrverhältnis im herkömmlichen oder in einem anderen Sinne unterschieden, sondern nur festgestellt werden, ob ein Lehrverhältnis vorliegt oder nicht.
Der Begriff „Lehrling“ ist in der GewO nicht festgelegt. Die Erläuterung, die im § 115 GewO i.d.F. vom 21.6.1869 enthalten war, ist bereits durch die Novelle von 1878 gestrichen worden, da jede derartige Bestimmung schwierig, aber auch bedenklich sei, weil sie „den Beteiligten leicht eine Handhabe zur Umgehung des Gesetzes“ aus eigensüchtigen Gründen bieten würde. Sie sei aber auch entbehrlich, da es für Verw.Behörden und Gerichte nicht besonders schwer sein werde, im Einzelfall festzustellen, ob ein Arbeitsverhältnis ein Lehrverhältnis darstelle oder nicht (Reichstagsverhandlungen 1878 Drucksache Nr. 41 S. 26, vgl. Landmann-Rohmer, Kommentar zur Gewerbeordnung, 10. Aufl., Vorbem. c zu Abschn. III).
Das Lehrverhältnis ist die Grundlage für eine geregelte Berufserziehung und Berufsausbildung (vgl. auch Landmann-Rohmer, a.a.O.). Es ist - wie schon das RVA in seiner grunds. Entsch. Nr. 5215 vom 8.3.1938 (AN. 1938 S. 311) zutreffend ausgeführt hat - dann als gegeben anzusehen, wenn die Beschäftigung hauptsächlich der Fachausbildung dient, diesem Ziel entsprechend geleitet wird und der Auszubildende in dem Ausbildungsbetrieb tatsächlich die Stellung eines Lehrlings einnimmt. Die Arbeitstätigkeit ist hier nicht Selbstzweck, sondern in erster Linie Mittel zur Erreichung eines bestimmten Zieles, nämlich der Fach- oder Berufsausbildung (vgl. auch grunds. Entsch. des RVA. Nr. 5333 vom 4. 12. 1939, AN. 1940 S. 46, und Nr. 5493 vom 18.6.1942, AN. 1942 S. 544). In diesem Sinne spricht auch § 63 AVAVG i.d.F. vom 3.4.1957 (BGB. I S. 322) von einer „Beschäftigung zur Ausbildung“. Der Lehrvertrag für sich allein ist kein Beweis für das Vorliegen eines Lehrverhältnisses, wenn er auch darauf hindeutet. Hinzukommen müssen die zuvor angegebenen besonderen Merkmale.
Daß es sich bei der Ausbildung des Taucherlehrlings um ein Lehrverhältnis handelt, kann bei Berücksichtigung des Berufsbildes nicht bezweifelt werden. Dies ergibt sich aus der Fülle und der Bedeutung der besonderen Berufskenntnisse, die sich der Taucherlehrling anzueignen hat, wenn er den Prüfungs- und Berufsanforderungen gerecht werden will. Sie können nicht etwa nebenbei während eines Arbeitsverhältnisses erworben werden, sondern müssen - auch schon mit Rücksicht auf die Gefährlichkeit dieses Berufes - systematisch unter fachgemäßer Anleitung erlernt werden. Dabei sind nicht maßgebend für die Beurteilung der Streitfrage das Alter des Lehrlings, die für die Taucherausbildung erforderliche anderweitige Grundausbildung und die Höhe der Lehrlingsvergütung.
Daß die Taucherlehre erst mit dem 19. Lebensjahr beginnen darf, ist einmal darin begründet, daß die Schwere dieses Berufs und seine Anforderungen an die physische Leistungsfähigkeit eine fortgeschrittene körperliche Entwicklung verlangen, zum anderen, daß die Erkenntnis des Lehrstoffes ebenso wie seine Verwertung nur bei einer gewissen geistigen Reife gewährleistet ist. Wenn das LSG hinsichtlich des Alters auf § 127a GewO hinweist, wonach der Lehrling „der väterlichen Zucht des Lehrherrn unterworfen und dem Lehrherrn ... zur Folgsamkeit und Treue, zu Fleiß und anständigem Betragen verpflichtet“ ist und bis zum Erlaß des ÄndG vom 27.12.1951 (BGBl. I S. 1007) sogar dem Züchtigungsrecht des Arbeitgebers ausgesetzt gewesen sei, eine solche Rechtslage aber bei einem mindestens 19Jährigen Menschen für unvorstellbar hält, so ist festzustellen, daß solche Gründe weder für noch gegen die Annahme des Bestehens eines Lehrverhältnisses herangezogen werden können. Der weitaus größte Teil aller Lehrlinge tritt im Jugendlichen Alter, meist sogleich nach Entlassung aus der Volksschule, ins Lehrverhältnis. Auf sie sind in erster Linie die Vorschriften der GewO zugeschnitten. Soweit es sich auf Grund der durch den Ausgang des Krieges verursachten Umschichtung in den Berufen um ältere Lehrlinge handelt, können solche Vorschriften der GewO nur sinngemäß angewendet werden. Da körperliche Züchtigung nach § 127a Abs. 2 i.d.F. des erwähnten ÄndG verboten ist, bedurfte es des Hinweises hierauf nicht. Aus der Mindestaltersgrenze kann Jedenfalls nicht geschlossen werden, daß ein Lehr Verhältnis nicht vorliegt. Im übrigen ergibt sich das höhere Lebensalter für die Ausbildung als Taucher schon daraus, daß sie eine abgeschlossene Ausbildung als SchIosser, Zimmerer, Matrose, Wasserbauwerker oder in verwandten Berufen oder als Taucherhelfer voraussetzt. Diese Forderung hinwiederum beruht darauf, daß der Taucherberuf ein Aufbauberuf ist, der - wie schon die Bezeichnung ergibt - auf einem anderen Beruf aufbaut, dessen Kenntnisse erst eine Ausbildung als Taucher ermöglichen. Es ist deshalb irrig, wenn der Kläger meint, dieser Umstand deute auf ein - versicherungspflichtiges - Umlernverhältnis hin. Denn ein Umlernverhältnis kann, worauf gerade das RVA in den vom Kläger angeführten Entscheidungen Nr. 3326 und Nr. 3758 (AN a.a.O.) hinweist, nach den Umständen des Einzelfalles auch ein Lehrverhältnis gemäß § 74 AVAVG darstellen. Bei der Taucherausbildung liegen tatsächlich und rechtlich zwei regelrechte Ausbildungen auf Grund zweier Lehrverhältnisse vor, hier die als Zimmerer und als Taucher. Daß unter diesen Umständen auch die „Lehrlingsvergütung“ während der Taucherausbildung eine höhere sein muß, als sie sonst üblich ist, ist verständlich, kann aber nicht als Merkmal gegen die Annahme eines Lehrverhältnisses herangezogen werden.
Nach der Feststellung im Urteil des LSG, an die der erkennende Senat gebunden ist, erhielt der Kläger „außer freier Kost und Verpflegung“ - gemeint ist damit gemäß § 5 des Lehrvertrages „außer freier Unterkunft und Verpflegung an Bord“ - monatlich rund 350,00 DM. Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat er damit etwa dasselbe verdient wie ein Geselle, weshalb seine Tätigkeit in erster Linie dem Gelderwerb habe dienen sollen und „herkömmlicherweise“ nicht mehr als Lehr Verhältnis bezeichnet werden könne. Dieser Schlußfolgerung kann nicht beigetreten werden. Das LSG hat dabei nicht beachtet, daß § 74 AVAVG in seiner Neufassung die Vers.Freiheit „auf Grund eines schriftlichen Lehrvertrages von mindestens zweijähriger Dauer ohne Rücksicht auf die Höhe der Lehrvergütung“ vorschreibt. Dies hat seine besondere Bedeutung. Das RVA hatte in früheren Entscheidungen (vgl. z.B. Nr. 3326 a.a.O. - in einschränkendem Sinne Nr. 5493 a.a.O. -) die Auffassung vertreten, daß sich u.a. auch aus der Höhe der Vergütung ein Anhaltspunkt dafür ergeben könne, ob eine Lehrlingstätigkeit vorliege oder die Bezeichnung „Lehrverhältnis“ nur vorgeschoben sei, um ein Arbeitsverhältnis zu verdecken. Nach der Neufassung des § 74 ist dieser Schluß nicht mehr ohne weiteres zutreffend. Die Lehrlingsvergütung als solche ist für die Beurteilung des rechtlichen Wesens eines Lehrverhältnisses, sofern dessen sonstige Merkmale vorliegen, nicht von maßgeblicher Bedeutung.
Aus diesen Erwägungen heraus ist grundsätzlich festzustellen, daß nach der Gesamtheit der Umstände die Ausbildung als Taucher ein Lehrberuf ist und zwar ein Aufbauberuf, der eine vorhergehende abgeschlossene Fachausbildung voraussetzt. Durch Abschluß eines schriftlichen Lehrvertrages von mindestens zweijähriger Dauer wird - ohne Rücksicht auf die Lehrlingsvergütung - Vers.Freiheit in der ArbIV. begründet. Sie erlischt zwölf Monate vor dem Tage, an dem die Beschäftigung durch Zeitablauf endet. Dieser Zeitpunkt ändert sich nicht bei vorzeitigem Abbruch des Lehrverhältnisses (ebenso Entsch. Nr. 3672 des RVA vom 20.2.1929, AN 1930 S. 97).
Das Urteil des LSG mußte deshalb aufgehoben werden. Die Streitsache ist jedoch noch nicht entscheidungsreif. Zunächst ist noch zweifelhaft, ob der abgeschlossene „Lehrvertrag“ als ein solcher nach § 74 AVAVG zu bewerten ist. Die Vordergerichte haben davon abgesehen, ihn beizuziehen. In den Akten befindet sich nur eine - nicht einmal beglaubigte - Abschrift der §§ 1, 5 und 11, so daß nicht erkennbar ist, ob diese richtig wiedergegeben sind und welche Punkte sonst noch geregelt sind. Insbesondere ist aber noch nicht festgestellt, ob und welche Gründe etwa für eine vorzeitige Beendigung des Lehrverhältnisses vorgesehen sind. Dies ist aber von wesentlicher Bedeutung. Die gesetzlichen Gründe zu vorzeitiger fristloser Entlassung berühren, wie schon das RVA in seinen grunds. Entsch.en Nr. 3342 vom 17.10.1928 (AN 1929 S. 40) und Nr. 4808 vom 6.2.1934 (AN 1934 S. 344) zutreffend ausgeführt hat, die Vers.Freiheit des Lehrverhältnisses nicht; wohl aber ist dies der Fall, wenn nach dem Lehrvertrag das Lehrverhältnis innerhalb der Im § 74 vorgeschriebenen Mindestdauer allgemein oder aus anderen als den gesetzlichen Gründen Jederzeit gelöst werden könnte. Denn in diesem Falle würde der Lehrling nicht mehr gegen Arbeitslosigkeit geschützt sein. Vers.Freiheit nach § 74 AVAVG kann deshalb nur dann eintreten, wenn lediglich die im § 127b GewO i.d.F. vom 7.3.1940 (RGBl. I S. 478) vorgesehenen Gründe für eine einseitige vorzeitige Lösung des Lehrverhältnisses vorgesehen sind. Darüber hinaus wird aber weiter geprüft werden müssen, ob hier trotz Abschlusses des Lehrvertrages tatsächlich ein Ausbildungsverhältnis vorgelegen hat. Nach den Angaben des Klägers gegenüber dem ArbA. ist ihm während der 15monatigen Ausbildung nur Gelegenheit gegeben worden, 22 Taucherstunden abzuleisten, während im Lehrvertrag - in der zweijährigen Dauer - mindestens 200 Taucherstunden vorgesehen waren. Es ist deshalb zunächst nicht auszuschließen, daß der Kläger nicht mehr die Stellung eines Lehrlings, sondern eines Arbeitnehmers hatte und daß demgemäß von einem noch zu klärenden Zeitpunkt an ein versicherungsfreies Ausbildungsverhältnis nicht mehr vorlag.
Da demnach noch Feststellungen erforderlich sind, mußte die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden.