Navigation und Service

Logo der Deutschen Rentenversicherung (Link zur Startseite rvRecht)

rvRecht® - Rechtsportal der Deutschen Rentenversicherung

2 RU 32/54

Gründe

Die Frage, ob der Versicherungsschutz für den Unfall besteht, ist sowohl von der Beklagten als auch in den Urteilen der Vorinstanzen ausschließlich mit der Begründung verneint worden, daß L. M. als Mitinhaber der Firma H.M. KG nicht zu dem Kreis der nach dem 3. Buch der RVO versicherten Personen gehört habe.

Da die Beklagte von dem Recht, durch ihre Satzung die Versicherungspflicht auf Unternehmer zu erstrecken (§ 538 RVO), keinen Gebrauch gemacht hat und L. M. sich - unstreitig - nicht freiwillig versichert hatte (§ 539 RVO), würde ein Versicherungsschutz für L. M. nach den Vorschriften des 3. Buches der RVO, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, nur dann bestanden haben, wenn L. M. nicht Unternehmer oder Mitunternehmer im Unternehmen der H. M. KG war, sondern in diesem Unternehmen auf Grund eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig gewesen ist. Für die Entscheidung dieser Frage sind die im Arbeitsrecht bestehenden Meinungsverschiedenheiten über die Natur des Arbeitsverhältnisses ohne Bedeutung (vgl. z.B. Nikisch, Arbeitsrecht, 2. Aufl., S. 137 ff.; s. auch die Anm. von Schieckel zu dem angefochtenen Urteil in SGb. 1954 S. 80). Es ist unstreitig, daß L. M. im Unternehmen der Firma H. M. KG tätig gewesen ist und für das Unternehmen ernsthafte und wirtschaftlich wertvolle Arbeit geleistet hat. Streitig ist, ob er diese Arbeit als Unternehmer oder als abhängiger Beschäftigter geleistet hat. Seine Rechtsstellung ergibt sich lediglich aus dem Gesellschaftsvertrag vom 81.4.1947. Danach haftete L. M. für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft als Gesamtschuldner persönlich und war auch berechtigt, die Gesellschaft nach außen hin unbeschränkt zu vertreten, wobei er lediglich im Innenverhältnis, also ohne Wirkung Dritten gegenüber, auf Geschäfte bis zu 5000 RM beschränkt war.

Diese durch den Vertrag geschaffene bürgerlich-rechtliche Rechtslage ist auch für die Rechtslage in der Sozialversicherung bedeutsam. Sie hat zur Folge, daß L. M. als persönlich haftender Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft grundsätzlich die Rechtsstellung eines Mitunternehmers hatte (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. bis 4. Auflage 1956, Bd. I S. 308 c, Bd. II S. 502 ff. und die im Urteil des LSG zitierten zur ArblV. ergangenen grundsätzlichen Entscheidungen des RVA Nr. 5320 und 5382, AN 1939 S. 430 und 1940 S. 255 = EuM. Bd. 45 S. 251 und Bd. 46 S. 469). Es kann dahingestellt bleiben, ob die Rechtsstellung als persönlich haftender Gesellschafter, wie Dersch (RdA 1951 S. 212, vgl. auch Nikisch, Arbeitsrecht, 2. Aufl., S. 104) annimmt, für sich allein schon die Annahme eines abhängigen Arbeitsverhältnisses ausschließt. Das RVA hat zwar in der oben angeführten grundsätzlichen Entscheidung Nr. 5382 die Möglichkeit offen gelassen, daß es besonders gelagerte seltene Ausnahmefälle geben könne, in denen ein besonderes persönliches und wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis zur Gesellschaft auch bei einem persönlich haftenden Gesellschafter einer KG die Annahme eines abhängigen Arbeitsverhältnisses rechtfertigen könne.

Der Senat vermag jedoch in dieser Streitsache in Übereinstimmung mit dem Vorderrichter Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles nicht festzustellen. Wenn die Revision darauf hinweist, L. M. habe außer seinem Anteil am Gesellschaftsvermögen keine Vermögenswerte besessen, so steht dies seiner durch die gesamtschuldnerischen Mithaftung bedingten Teilnahme am Wagnis des Unternehmens nicht entgegen. Denn diese Haftung hätte im Falle eines Zusammenbruchs der Gesellschaft zur Folge gehabt, daß bei L. M. im Gegensatz zu seinen Geschwistern, nicht nur die persönliche Habe, sondern vor allem auch jeder etwaige Unternehmergewinn und jedes Arbeitseinkommen in der Zukunft dem Zugriff der Gesellschaftsgläubiger unterlegen hätte. Die Einschränkung der unbeschränkten Geschäftsführungsbefugnis auf Geschäfte mit einem Gegenstandswert bis zu 5000,-- RM im Einzelfall, die Gewinnverteilung, die Regelung des Stimmrechts und die Festsetzung einer monatlichen Vergütung von 1000,-- RM für den Vater H. M. und von 500,-- RM für L. M. halten sich durchaus im rahmen dessen, was üblicherweise vereinbart wird, wenn ein Gesellschafter auf Grund seiner Erfahrungen und seines Anteils am Gesellschaftsvermögen einen größeren Einfluß gegenüber seinen, zudem noch jüngeren, Mitgesellschaftern beansprucht. Dabei ist überdies zu berücksichtigen, daß die innenrechtliche Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis nach dem Gesellschaftsvertrag sogar dann bestehen bleiben sollte, wenn L. M. nach einem Ausscheiden seines Vaters aus der Gesellschaft alleiniger persönlich haftender Gesellschafter geworden wäre. Auch entsprecht die Gewinnverteilung, nach der H. M. 40 v.H., die übrigen 4 Gesellschafter je 15 v.H. (zusammen also 60 v.H.) des Gewinns erhielten, nicht dem Anteil des Vaters am Gesellschaftsvermögen (66 2/3 v.H.). Auch die Bekundungen der Zeugen, auf die sich die Revision beruft, gaben dem Vorrichter keinen Anlaß zu einer abweichenden Beurteilung. Denn aus ihnen war lediglich zu entnehmen, daß der Vater H. M., der bis zur Errichtung der Gesellschaft das Unternehmen allein geleitet hatte, auf Grund seiner Erfahrungen, seiner Persönlichkeit und seiner Stellung als Familienoberhaupt auch weiterhin eine Sonderstellung besaß, wie sie unter solchen Umständen nur natürlich ist. Das genügt jedoch nicht, um die durch den Gesellschaftsvertrag nach dem Willen aller Beteiligten herbeigeführte Gestaltung der Rechtslage gegenstandslos zu machen. Zudem war anzunehmen, daß L. M., der im Zeitpunkt des Unfalls schon nahezu 30 Jahre als und Bauingenieur war, im Laufe der Zeit immer mehr in die Mitverantwortung hineingewachsen wäre, die ihm der Gesellschaftsvertrag gegenüber den anderen Gesellschaftern auferlegt hatte. Sein Lebensalter und vor allem seine bereits abgeschlossene Fachausbildung gaben ihm, unabhängig von der bürgerlich-rechtlichen Vertragsgestaltung, auch eine tatsächliche Vorrangstellung vor seinen an der Gesellschaft beteiligten jüngeren Geschwistern.

Es liegt somit kein besonders und ungewöhnlich gelagerter Ausnahmefall vor, der, wenn der Rechtsprechung des RVA gefolgt wird, die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses rechtfertigen könnte. Das LSG ist vielmehr ohne Rechtsirrtum zu dem Ergebnis gekommen, daß L. M. Unternehmer im Sinne der Vorschriften des 3. Buches der RVO und somit, wie oben dargelegt, unversichert war.

Dabei hat das LSG zutreffend auch berücksichtigt, daß L. M. nach außen hin für sich die Rechtsstellung eines Unternehmers in Anspruch genommen hat. Das ergibt sich daraus, daß seine Bezüge in die Beitragsnachweisung für die Beklagte vom Jahre 1947 nicht aufgenommen worden sind und daß er dem Finanzamt gegenüber als Unternehmer die Veranlagung zur Einkommensteuer beantragt hat. Es muß grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß eine Person, die sich für das Rechtsleben zu einer bestimmten Einstellung entschlossen hat, diese nicht nach Belieben ändern kann (vgl. hierzu die grundsätzliche Entscheidung des RVA Nr. 5229, AN 1938 S. IV 384 = EuM Bd. 43 S. 299, ähnlich schon EuM Bd. 14 S. 136).

Zusatzinformationen