XII ZB 427/17
Tenor
Die Rechtsbeschwerden gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg vom 15. März 2017 werden auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 2, 3 und 4 verworfen.
Beschwerdewert: 5.000 €
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 2, 3 und 4 wenden sich gegen die Anordnung einer Pflegschaft zugunsten einer durch Testament errichteten Stiftung von Todes wegen.
Der im Juni 2013 verstorbene Dipl.-Ing. A. M. (nachfolgend: Erblasser) setzte in seinem Testament die Dipl.-Ing. A. M. Stiftung (nachfolgend: Stiftung) als Alleinerbin ein. Gleichzeitig ordnete er die Errichtung der Stiftung von Todes wegen an, falls diese im Zeitpunkt seines Todes noch nicht errichtet sein sollte. Zugunsten der Beteiligten zu 1 setzte er verschiedene Vermächtnisse aus. Das Nachlassgericht erteilte im November 2013 einen Erbschein, wonach die Beteiligten zu 2 und 3 als Kinder des Erblassers je zur Hälfte Alleinerben geworden sind.
Im Dezember 2016 hat die Beteiligte zu 1 beim Notariat L. - Nachlassgericht - beantragt, einen Nachlasspfleger für die Stiftung zu bestellen. Diesen Antrag hat das Notariat L. - Betreuungsgericht - zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Landgericht den Beteiligten zu 4 als Pfleger für die Stiftung bestellt. Die Rechtsbeschwerde hat es nicht zugelassen. Gegen diesen Beschluss wenden sich die Beteiligten zu 2 und 3 als Erben sowie der Beteiligte zu 4 als Pfleger im eigenen Namen mit ihren Rechtsbeschwerden.
II.
Die Rechtsbeschwerden sind unzulässig, da sie nach § 70 FamFG nicht statthaft sind. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen (§ 70 Abs. 1 FamFG). Die Voraussetzungen für eine zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG liegen nicht vor.
1. Nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG ist in Betreuungssachen die Rechtsbeschwerde ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung oder zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts richtet. Die Regelung knüpft damit an die gleichlautende Definition des Begriffs der Betreuungssachen in § 271 Nr. 1 und 2 FamFG an. Daraus folgt, dass die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nur in den Fällen statthaft ist, die von § 271 Nr. 1 und 2 FamFG erfasst werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 25. Mai 2011 - XII ZB 283/10 - FamRZ 2011, 1219 Rn. 10 und vom 15. September 2010 - XII ZB 166/10 - FamRZ 2010, 1897 Rn. 8).
Die angegriffene Entscheidung betrifft allerdings keine Betreuungssache im Sinne der §§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 271 Nr. 1 und 2 FamFG. Das Landgericht hat mit der angegriffenen Entscheidung in analoger Anwendung der §§ 1912, 1913, 1960 Abs. 1 Satz 2 BGB der Stiftung für die Wahrnehmung ihrer Rechte bis zur Anerkennung ihrer Rechtsfähigkeit den Beteiligten zu 4 als Pfleger bestellt. Verfahren, die eine Pflegschaft nach §§ 1911, 1913 oder 1914 BGB betreffen, sind nach § 340 Nr. 1 FamFG nicht als Betreuungssachen, sondern als betreuungsgerichtliche Zuweisungssachen zu qualifizieren (vgl. Keidel/Budde FamFG 19. Aufl. § 340 Rn. 2; Schulte-Bunert/Weinreich/Rausch FamFG 5. Aufl. § 340 Rn. 5), für die das Gesetz keine besonderen Verfahrensvorschriften vorsieht. Insbesondere enthalten die §§ 340, 341 FamFG keine allgemeine Verweisung auf die Vorschriften über Betreuungssachen in §§ 271 bis 311 FamFG. Soweit in § 341 FamFG für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit in betreuungsgerichtlichen Zuweisungssachen auf § 272 FamFG verwiesen wird, bezweckt die Regelung nur, die nach früherem Recht in zahlreichen verstreuten Einzelvorschriften geregelten Zuständigkeiten des Vormundschaftsgerichts außerhalb des Betreuungs- und Unterbringungsrechts beim Betreuungsgericht zu bündeln (Schulte-Bunert/Weinreich/Rausch FamFG 5. Aufl. § 340 Rn. 1; vgl. auch BT-Drucks. 16/6308 S. 276). Entgegen der von den Rechtsbeschwerden vertretenen Auffassung kann deshalb die Bestellung eines Pflegers nach §§ 1911, 1913 oder 1914 BGB nicht einer Betreuungssache iSv § 271 Nr. 1 und 2 FamFG gleichgestellt werden.
Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf betreuungsgerichtliche Zuweisungssachen iSv § 340 FamFG, insbesondere auf die Pflegerbestellung nach §§ 1911, 1913 oder 1914 BGB, ist aufgrund des Ausnahmecharakters der Vorschrift und des Fehlens einer planwidrigen Regelungslücke ebenfalls nicht möglich (vgl. auch MünchKommFamFG/Ansgar Fischer 2. Aufl. § 70 Rn. 29). Dabei kann dahinstehen, ob die umfassende Anordnung einer Pflegschaft für die Stiftung der Errichtung einer Betreuung vom Inhalt und der belastenden Wirkung gleichkommt, wie es von den Rechtsbeschwerden angenommen wird. Mit der Regelung des § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG wollte der Gesetzgeber einen zulassungsfreien Zugang zum Bundesgerichtshof schaffen, um in Betreuungs-, Unterbringungs- und Freiheitsentziehungssachen und somit in Verfahren, in denen gerichtliche Entscheidungen mit besonders hoher Intensität in höchstpersönliche Rechte der Beteiligten eingreifen, eine Verbesserung des Rechtsschutzes zu schaffen (vgl. Keidel/Meyer-Holz FamFG 19. Aufl. § 70 Rn. 45; vgl. auch Bericht und Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses BT-Drucks. 16/9733 S. 290). Während in Unterbringungs- und Freiheitsentziehungssachen die Vorschrift keine Einschränkung enthält, sieht § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG in Betreuungssachen die Statthaftigkeit der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde nur für Entscheidungen vor, die die Bestellung eines Betreuers, die Aufhebung einer Betreuung oder die Anordnung bzw. Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts zum Inhalt haben. Damit benennt das Gesetz für Betreuungssachen abschließend die Entscheidungen, in denen der Gesetzgeber Anlass für eine Ausnahme von dem Zulassungserfordernis nach § 70 Abs. 1 FamFG gesehen hat (vgl. BeckOK FamFG/Obermann [Stand: 1. Juli 2018] § 70 Rn. 34).
2. Schließlich kann die Zulassung der Rechtsbeschwerde auch nicht vom Rechtsbeschwerdegericht nachgeholt werden.
Bedarf die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO der Zulassung durch das Beschwerdegericht, so findet dieses Rechtsmittel nur statt, wenn es in der Beschwerdeentscheidung ausdrücklich zugelassen worden ist. Enthält eine Beschwerdeentscheidung keine Ausführungen über die Zulassung der Rechtsbeschwerde, ist der Rechtsweg erschöpft. Der Bundesgerichtshof kann mit der Sache nicht mehr in statthafter Weise befasst werden. Das gilt unabhängig davon, welche Erwägungen der Entscheidung des Beschwerdegerichts zu Grunde lagen, die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen. An einer Zulassung fehlt es auch, wenn das Beschwerdegericht sich über sie keine Gedanken gemacht hat, weil es die grundsätzliche Bedeutung der Sache oder die Abweichung von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht erkannt hat oder rechtsirrig davon ausgegangen ist, die Rechtsbeschwerde sei kraft Gesetzes statthaft. Der Gesetzgeber hat bewusst von der Möglichkeit einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde abgesehen. Es widerspräche der gesetzlichen Unanfechtbarkeit auch der Entscheidung über die Zulassung, wenn diese im Rechtsmittelweg daraufhin überprüft werden könnte, ob das Beschwerdegericht die ihm obliegende Verantwortung für die Zulassungsentscheidung erkannt hat (Senatsbeschluss vom 9. Juli 2014 - XII ZB 7/14 - FamRZ 2014, 1620 Rn. 20 mwN; BGH Beschluss vom 10. Mai 2012 - IX ZB 295/11 - NJW-RR 2012, 1509 Rn. 15 f. mwN).