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XII ZB 102/17

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des 2. Familiensenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 31. Januar 2017 wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussrechtsbeschwerde des Antragstellers wird der vorgenannte Beschluss teilweise aufgehoben und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kassel vom 19. Juli 2016 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Wert: 3.267 €

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten als geschiedene Ehegatten über die Abänderung einer gemäß dem vor dem 1. September 2009 geltenden Recht ergangenen Entscheidung zum Versorgungsausgleich.

Der Antragsteller (im Folgenden: Ehemann) und die Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) heirateten im August 1977. Die Ehe wurde auf den im September 1996 zugestellten Scheidungsantrag im April 1997 geschieden und der Versorgungsausgleich durchgeführt. In den Versorgungsausgleich wurden Anrechte des Ehemanns aus seinem Dienstverhältnis als Polizeibeamter und auf Seiten der Ehefrau Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie aus einer betrieblichen Altersvorsorge einbezogen. Zu Gunsten der Ehefrau wurde nach § 1587 b Abs. 2 BGB ein Ausgleich in Höhe von 715,91 DM (bezogen auf den 31. August 1996) angeordnet.

Auf Antrag des Ehemanns wurde seine Dienstzeit nach Rechtskraft der Scheidung über die gesetzliche Altersgrenze als Polizeibeamter von 62 Jahren hinaus um ein Jahr verlängert. In die Berechnung der Gesamtdienstzeit des mittlerweile pensionierten Ehemanns sind auch sogenannte Kannzeiten (ruhegehaltsfähige Dienstzeit vor Vollendung des 17. Lebensjahres aufgrund § 12 Abs. 2 HBeamtVG) einbezogen worden. Dies hat einschließlich der Dienstzeitverlängerung zu einer Dienstzeit von insgesamt 46 Jahren und 100 Tagen geführt.

Der Antragsteller begehrt die Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich und beruft sich neben den genannten Änderungen auf die Herabsetzung des Ruhegehaltssatzes sowie die entfallene Ruhegehaltsfähigkeit von Sonderzahlungen.

Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich abgeändert und zu Lasten der Beamtenversorgung des Ehemanns zu Gunsten der Ehefrau ein auf den 31. August 1996 bezogenes Anrecht von monatlich 308,84 € in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet. Hinsichtlich der Anrechte der Ehefrau hat es angeordnet, dass zu Lasten des Anrechts in der gesetzlichen Rentenversicherung kein Wertausgleich bei der Scheidung und zu Lasten des Anrechts auf Zusatzversorgung kein Ausgleich stattfindet. Auf die Beschwerde der Ehefrau hat das Oberlandesgericht den Ausgleichsbetrag auf 315,66 € erhöht. Dagegen richtet sich deren Rechtsbeschwerde, mit der sie eine Erhöhung auf 347,93 € erstrebt. Der Ehemann erstrebt mit der Anschlussrechtsbeschwerde die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.

II.

Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Auf die Anschlussrechtsbeschwerde ist die amtsgerichtliche Entscheidung wiederherzustellen.

1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ergibt sich die Zulässigkeit der Abänderung nach § 51 VersAusglG bereits aus der Absenkung des Ruhegehaltssatzes und der entfallenen Ruhegehaltsfähigkeit von Sonderzahlungen.

Im Rahmen der durchzuführenden Totalrevision sei der Ehezeitanteil des Anrechts auf Beamtenversorgung zeitratierlich zu bemessen. Bei der Gesamtdienstzeit seien die sogenannten Kannzeiten, die dem Ehemann nach § 12 Abs. 2 HBeamtVG nunmehr zugerechnet werden könnten, zu berücksichtigen. Dafür spreche der Grundsatz des § 41 VersAusglG, wonach die auf Prognosen basierende Ermittlung der erreichbaren Gesamtzeiten in der Leistungsphase einer Bewertung nach tatsächlichen Zeiten weichen müsse. Bei der Erweiterung der anrechnungsfähigen Ausbildungszeiten handele es sich um eine Veränderung im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG. Da der Ehemann bereits im Versorgungsbezug stehe, stehe fest, dass der Dienstherr die Kannzeiten für die Festsetzung der Versorgungsbezüge berücksichtigt habe. An das von der Versorgungsbehörde bereits ausgeübte Ermessen seien die Familiengerichte gebunden. Dass die Einbeziehung der Kannzeiten keine Verbesserung der versorgungsrechtlichen Lage des Ehemanns bewirkt habe, ändere daran nichts, denn sie seien ohne Rücksicht darauf zu veranschlagen, ob sie für den Berechtigten günstig oder ungünstig seien. Würde man dagegen die Kannzeiten ergebnisorientiert nur berücksichtigen, wenn sie sich auf die Versorgung auswirkten, so würde dies zur unterschiedlichen Beurteilung desselben Sachverhalts zu verschiedenen Zeiten führen.

Etwas anderes gelte für die Hinausschiebung des Endes der Dienstzeit um ein Jahr. Eine individuell vereinbarte Verlängerung der Dienstzeit müsse ebenso behandelt werden wie die Entscheidung für den Bezug einer vorgezogenen Altersrente, die sich nicht zu Lasten des Ausgleichsberechtigten auswirken dürfe.

Die Voraussetzungen einer Korrektur nach § 27 VersAusglG wegen einer mit den Veränderungen gegenüber der Ausgangsentscheidung etwa verbundenen Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes seien unter Berücksichtigung des Nichtausgleichs der Anwartschaften der Ehefrau nicht gegeben.

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.

a) Nach § 51 Abs. 1 VersAusglG ändert das Gericht eine Entscheidung über einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich, die nach dem bis zum 31. August 2009 geltenden Recht getroffen worden ist, bei einer wesentlichen Wertänderung auf Antrag ab, indem es die in den Ausgleich einbezogenen Anrechte nach den §§ 9 bis 19 VersAusglG teilt. Die Vorinstanzen haben im vorliegenden Fall ohne Rechtsfehler die Voraussetzungen einer Abänderung, auch im Hinblick auf die Wertgrenze nach § 51 Abs. 2 VersAusglG iVm § 225 Abs. 2 und 3 FamFG, als erfüllt angesehen. In der Rechtsbeschwerdeinstanz werden insoweit auch keine Beanstandungen erhoben.

b) Bei der im Fall des § 51 Abs. 1 VersAusglG eröffneten Totalrevision der in den ursprünglichen Versorgungsausgleich einbezogenen Anrechte (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 198, 91 = FamRZ 2013, 1548 Rn. 15 ff.) unterliegt das vom Ehemann erworbene Anrecht auf landesrechtliche Beamtenversorgung der externen Teilung gemäß § 16 VersAusglG.

Für Anrechte auf Beamtenversorgung sind nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 VersAusglG die Grundsätze der zeitratierlichen Bewertung anzuwenden. Nach § 41 Abs. 2 VersAusglG gilt bei einem in der Leistungsphase befindlichen, im Fall der Bewertung in der Anwartschaftsphase der zeitratierlichen Bewertung unterliegenden Anrecht in entsprechender Anwendung des § 40 Abs. 1 bis 3 VersAusglG ebenfalls die zeitratierliche Bewertung. Gemäß § 41 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG sind hierbei die Annahmen für die höchstens erreichbare Zeitdauer und für die zu erwartende Versorgung durch die tatsächlichen Werte zu ersetzen. Die zeitratierliche Bewertung eines in der Leistungsphase befindlichen Anrechts hat demzufolge nach §§ 40 Abs. 2 Satz 1, 41 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG von der tatsächlich erreichten Zeitdauer bis zum Eintritt in den Ruhestand auszugehen.

aa) Von dieser gesetzlichen Anordnung der Bewertung nach den tatsächlichen Gegebenheiten ist im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts auch hinsichtlich der auf Antrag des Ehemanns verlängerten Dienstzeit auszugehen.

Die gesetzliche Regelung beruht auf dem Gedanken, dass sich die Bewertung nach Beginn der Leistungsphase nicht mehr mit einer Prognose begnügen muss, sondern von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehen kann, was dem Gesetzgeber gegenüber weiteren Differenzierungen bei einer von der Regelaltersgrenze abweichenden Inanspruchnahme einer Versorgung nicht zuletzt auch aus Praktikabilitätsgesichtspunkten vorzugswürdig erschien (vgl. BT-Drucks. 16/10144 S. 80).

Dementsprechend hat der Senat bereits zum vor dem 1. September 2009 geltenden Recht auch nach der Ehezeit eingetretene Veränderungen der tatsächlichen Zeitdauer des Dienstverhältnisses für die Gesamtzeit berücksichtigt, auch wenn dies zu einem höheren und damit für den Berechtigten der Versorgungsanwartschaft ungünstigeren Ehezeitanteil führte (Senatsbeschluss vom 5. November 1995 - XII ZB 4/95 - FamRZ 1996, 215, 217 mwN; vergleiche Wick Versorgungsausgleich 4. Aufl. Rn. 263).

Nichts anderes ergibt sich aus der Rechtsprechung des Senats zum Fall des vorzeitigen Ruhestands und dem damit vom Berechtigten hingenommenen Versorgungsabschlag. Wenn in diesem Fall der Ausgleich aufgrund der erreichbaren vollen fiktiven Versorgung und ohne Berücksichtigung des Versorgungsabschlags zu berechnen ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Mai 2011 - XII ZB 127/08 - FamRZ 2011, 1214 Rn. 13 ff. und vom 14. Dezember 2011 - XII ZB 23/08 - FamRZ 2012, 769 Rn. 14 ff.), müsste folgerichtig - ebenfalls fiktiv - von der Zeitdauer bis zum Eintritt in den Ruhestand nach Erreichen der Regelaltersgrenze ausgegangen werden (vgl. BT-Drucks. 16/10144 S. 80 mit Hinweis auf OLG Koblenz FamRZ 2007, 1248).

Im umgekehrten Fall der Verlängerung der Dienstzeit auf entsprechenden Antrag des Ehegatten kann sich ein vergleichbares Problem aber schon deshalb nicht stellen, weil - im Unterschied zu gesetzlichen Rentenanwartschaften und des hier wegen der auf Entgeltpunkte bezogenen Teilung nicht zu berücksichtigenden Zugangsfaktors - auch eine damit verbundene Erhöhung der Versorgung noch in den Versorgungsausgleich fiele. Der ausgleichsberechtigte Ehegatte würde in diesem Fall von der nach Ablauf der Ehezeit erfolgten Verlängerung der Dienstzeit profitieren. Wurde wie im vorliegenden Fall der höchste Ruhegehaltssatz schon vor der Verlängerung erreicht, gibt das keinen Anlass für eine abweichende Ermittlung der Gesamtdienstzeit. Denn zur Zeitdauer im Sinne von § 40 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG (Gesamtdienstzeit) gehört auch diejenige Zeit, in der kein Versorgungszuwachs eintritt (Borth Versorgungsausgleich 8. Aufl. Kap. 2 Rn. 101). Ob die ruhegehaltsfähige Dienstzeit vor, während oder nach der Ehezeit abgeleistet wurde, ist mithin für die in die zeitratierliche Bewertung einzustellende Gesamtzeit ohne Bedeutung. Die zeitratierliche Bewertung kann sich darum im Ergebnis gegenüber der Bewertung des Ehezeitanteils gesetzlicher Rentenanwartschaften vorteilhaft oder nachteilig auswirken. Wirkt sie sich im Einzelfall - wie hier - für den ausgleichsberechtigten Ehegatten ungünstig aus, liegt dies in der bewusst gewählten gesetzlichen Systematik begründet und vermag für sich genommen eine Korrektur nicht zu legitimieren.

Dem Ehegatten, der durch seinen Antrag eine Dienstzeitverlängerung bewirkt, kann auch nicht angelastet werden, dass aufgrund seiner individuellen Entscheidung der Ehezeitanteil der Versorgungsanwartschaft rechnerisch verringert worden ist. Abgesehen davon, dass er im Unterschied zum Fall des vorzeitigen Versorgungsbezugs nicht weniger, sondern mehr Dienste leistet, als von ihm im gesetzlichen Regelfall erwartet werden kann, hat er zudem selbst den Nachteil, dass er erst nach Ablauf der verlängerten Dienstzeit zum - der Höhe nach unveränderten - Versorgungsbezug berechtigt ist. Eine Rechtsmissbräuchlichkeit seines Vorgehens im Sinne einer gezielten Benachteiligung des Ausgleichsberechtigten ist ihm daher nicht vorzuwerfen. Die Verlängerung der Gesamtdienstzeit kann somit nicht einseitig im Sinne des Ausgleichsberechtigten unterschiedlich danach berücksichtigt werden, ob sich daraus eine Erhöhung des Versorgungsbezugs ergibt oder nicht, sondern ist als Folge des allgemein gültigen Bewertungsmaßstabs der gesetzlich angeordneten zeitratierlichen Bewertung regelmäßig hinzunehmen.

bb) Nichts anderes gilt hinsichtlich der vom Oberlandesgericht zu Recht berücksichtigten sogenannten Kannzeiten.

Auch hier ist von der gesetzlichen Maßgabe auszugehen, dass zur Zeitdauer im Sinne von § 40 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG (Gesamtdienstzeit) auch diejenige Zeit gehört, in der kein Versorgungszuwachs eintritt (Borth Versorgungsausgleich 8. Aufl. Kap. 2 Rn. 101). Hinzu kommt noch, dass diese Zeiten vor Erreichen des höchsten Ruhegehaltssatzes liegen und sich ihre Berücksichtigung daher bei einer von Anfang an bestehenden entsprechenden Rechtslage sogar von selbst verstehen würde. Dass die Kannzeiten aufgrund einer Gesetzesänderung erst nachträglich Berücksichtigung gefunden haben (vgl. auch EuGH NJW 2018, 1805), begründet schließlich aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses keinen entscheidenden Unterschied (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG).

c) Die angefochtene Entscheidung ist daher insoweit aufzuheben, als darin die Verlängerung der Dienstzeit außer Betracht gelassen worden ist. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden, da weitere tatrichterliche Feststellungen nicht notwendig sind. Die amtsgerichtliche Entscheidung ist mithin wiederherzustellen.

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