XII ZB 3/16
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 1. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 12. November 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 2.433 €
Gründe
I.
Die 1961 geborene Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) und der 1955 geborene Antragsgegner (im Folgenden: Ehemann) heirateten am 7. Juli 1983. Das Amtsgericht hat die Ehe auf den am 26. Januar 2008 zugestellten Scheidungsantrag durch Beschluss vom 23. Oktober 2013 geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Dabei hat es im Wege der internen Teilung zulasten des Anrechts der Ehefrau bei der Beteiligten zu 3 (DRV Bund) zugunsten des Ehemanns ein auf ein Ehezeitende am 31. Juli 2007 bezogenes Anrecht von 5,1355 Entgeltpunkten übertragen. In gegenläufiger Ausgleichsrichtung hat es im Wege der externen Teilung zulasten der beamtenrechtlichen Versorgungsanwartschaften des Ehemanns bei dem Beteiligten zu 1 (Land Hessen) zugunsten der Ehefrau auf ihrem Versicherungskonto in der gesetzlichen Rentenversicherung ein auf das Ende der Ehezeit am 31. Dezember 2007 bezogenes und in Entgeltpunkte umzurechnendes Anrecht von monatlich 816,89 € begründet. Darüber hinaus hat das Amtsgericht angeordnet, dass der Versorgungsausgleich hinsichtlich verschiedener Versorgungsanrechte der privaten Altersvorsorge wegen Geringfügigkeit nicht stattfindet.
Die Entscheidung des Amtsgerichts ist dem erstinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten des Ehemanns am 25. November 2013 zugestellt worden. Durch ein bei dem Amtsgericht am 19. Dezember 2013 eingegangenes Schreiben hat der in der Beschwerdeinstanz nicht mehr anwaltlich vertretene Ehemann persönlich Beschwerde eingelegt, diese auf die Entscheidung zur externen Teilung seines beamtenrechtlichen Anrechts beschränkt und insoweit beanstandet, dass das Amtsgericht bei der Wertermittlung die auf einem nachehezeitlichen Dienstunfall beruhende Erhöhung des für ihn maßgeblichen Ruhegehaltsatzes nicht habe berücksichtigen dürfen. Die DRV Bund hat sich der Beschwerde des Ehemanns angeschlossen und im Hinblick auf zwischenzeitliche Gesetzesänderungen betreffend die verbesserte Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten eine aktualisierte Versorgungsauskunft zu den von der Ehefrau erworbenen gesetzlichen Rentenanwartschaften erteilt.
Das Oberlandesgericht hat die angefochtene Entscheidung auf die Beschwerde des Ehemanns und die Anschlussbeschwerde der DRV Bund abgeändert. Es hat den Ausgleichswert für das von dem Ehemann erworbene beamtenrechtliche Anrecht von 816,89 € auf 708,66 € herabgesetzt und den Ausgleichswert für das von der Ehefrau erworbene gesetzliche Rentenanrecht von 5,1355 Entgeltpunkten auf 5,7240 Entgeltpunkte heraufgesetzt.
Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Ehefrau, welche die von dem Ehemann persönlich eingelegte Erstbeschwerde für unzulässig hält.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
1. Das Beschwerdegericht hat die Erstbeschwerde des Ehemanns für zulässig gehalten und dazu ausgeführt, dass sich die Beteiligten vor dem Oberlandesgericht in Ehesachen und Folgesachen zwar durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müssten. Nach § 114 Abs. 4 Nr. 6 FamFG bedürfe es einer Vertretung durch einen Rechtsanwalt aufgrund der dort enthaltenen Bezugnahme auf § 78 Abs. 3 ZPO aber nicht für solche Verfahrenshandlungen, die in Ehesachen, Folgesachen und Familienstreitsachen vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden könnten. Bei der Einlegung der Beschwerde handele es sich gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG um eine solche Verfahrenshandlung, denn § 64 Abs. 2 Satz 2 FamFG schließe die Einlegung einer Beschwerde nur für Ehesachen und Familienstreitsachen aus, zu denen Versorgungsausgleichssachen nicht gehörten. Angesichts des klaren Gesetzeswortlauts könne es nicht Sache der rechtsprechenden Gewalt sein, den hierdurch eröffneten Zugang zur Beschwerdeinstanz zu beschränken.
2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Die als Folgesachen gemäß § 137 Abs. 2 Nr. 1 FamFG in den Scheidungsverbund einbezogenen Versorgungsausgleichssachen sind Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Gemäß § 114 Abs. 1 FamFG müssen sich "die Ehegatten in Ehesachen und Folgesachen sowie die Beteiligten in selbständigen Familienstreitsachen" vor dem Familiengericht und dem Oberlandesgericht durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Einer Vertretung durch einen Rechtsanwalt bedarf es nach § 114 Abs. 4 Nr. 6 FamFG allerdings nicht in den Fällen des § 78 Abs. 3 ZPO und somit nicht für Verfahrenshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können. In Familiensachen wird die Beschwerde gemäß §§ 1, 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt. Nach § 64 Abs. 2 Satz 2 FamFG ist die Einlegung der Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle "in Ehesachen und Familienstreitsachen" ausgeschlossen.
b) Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist es in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob für die isolierte Beschwerde gegen eine im Scheidungsverbund getroffene Regelung in einer Folgesache auch dann Anwaltszwang besteht, wenn diese Folgesache keine Familienstreitsache, sondern - wie beim Versorgungsausgleich - eine Familiensache der freiwilligen Gerichtsbarkeit betrifft.
aa) Teilweise wird - mit dem Beschwerdegericht - die Ansicht vertreten, dass der Wortlaut von § 64 Abs. 2 Satz 2 FamFG eindeutig und die Einlegung der Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle ausdrücklich nur in Ehesachen (§ 121 FamFG) und Familienstreitsachen (§ 112 FamFG) ausgeschlossen sei. Damit seien die Ehegatten gemäß § 114 Abs. 4 Nr. 6 FamFG in Verbindung mit § 78 Abs. 3 ZPO für die Einlegung einer Beschwerde in Folgesachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom Anwaltszwang befreit. Selbst wenn bei der Fassung von § 64 Abs. 2 Satz 2 FamFG ein Redaktionsversehen unterlaufen sein und der Gesetzgeber tatsächlich beabsichtigt haben sollte, auch die Einlegung einer Beschwerde in Folgesachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit dem Anwaltszwang zu unterstellen, habe diese Absicht jedenfalls im Gesetzeswortlaut keinen Ausdruck gefunden und sei deshalb bei der Auslegung nicht zu berücksichtigen (OLG Brandenburg [4. Senat für Familiensachen] FamRZ 2014, 1933 f.; OLG Frankfurt [4. Senat für Familiensachen] FamRZ 2014, 681; Zöller/Feskorn ZPO 31 Aufl. § 64 FamFG Rn. 5; MünchKommFamFG/Ansgar Fischer 2. Aufl. § 64 Rn. 30; BeckOK FamFG/Nickel [Stand: 1. Dezember 2016] § 114 Rn. 1b; Rackl Das Rechtsmittelrecht nach dem FamFG S. 69; Schwamb FamRB 2014, 111 f.; Weber NZFam 2014, 710; Knoche FamRZ 2011, 1093 f.; Frank FamRZ 2011, 1021, 1022 f.; vergleiche auch Dürbeck in Heilmann Praxiskommentar Kindschaftsrecht § 64 FamFG Rn. 5 f.).
bb) Nach der Gegenansicht soll für die Einlegung einer Beschwerde in einer Folgesache der freiwilligen Gerichtsbarkeit Anwaltszwang bestehen. Es sei Absicht des Gesetzgebers gewesen, im Beschwerdeverfahren einen bereits im erstinstanzlichen Verfahren geltenden Anwaltszwang fortbestehen zu lassen. Die Umsetzung dieses Ziels sei dem Gesetzgeber mit dem Wortlaut von § 64 Abs. 2 Satz 2 FamFG zwar nicht uneingeschränkt gelungen. Dieses Redaktionsversehen könne aber durch eine weite Auslegung des § 64 Abs. 2 Satz 2 FamFG behoben werden, welche die bestehende Widersprüchlichkeit zu § 114 Abs. 1 FamFG beseitige (OLG Frankfurt [2. Senat für Familiensachen] FamRZ 2016, 1802, 1803; OLG Saarbrücken FamRZ 2014, 2018 f.; OLG Bremen FamRZ 2014, 596 f.; OLG Brandenburg [2. Senat für Familiensachen] MDR 2014, 1209, 1210; OLG Köln FamRZ 2013, 1604; OLG Rostock FamRZ 2011, 57, 58; Zöller/Lorenz ZPO 31. Aufl. § 114 FamFG Rn. 1; Keidel/Weber FamFG 19. Aufl. § 114 Rn. 21a; Prütting/Helms FamFG 3. Aufl. § 114 Rn. 36; Johannsen/Henrich/Althammer Familienrecht 6. Aufl. § 64 FamFG Rn. 4; BeckOK FamFG/Obermann [Stand: 1. Dezember 2016] § 64 Rn. 8; Hk-ZPO/Kemper 7. Aufl. § 64 FamFG Rn. 4; Borth/Grandel in Musielak/Borth FamFG 5. Aufl. § 114 Rn. 5; Schulte/Bunert/Breuers FamFG 5. Aufl. § 114 Rn. 20; Elzer NZFam 2016, 502; Stockmann FamRB 2014, 464, 465; Heiter FamRB 2012, 21, 24 f.).
c) Die letztgenannte Auffassung trifft zu.
aa) Richtig ist der Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts. Nach dem Wortlaut von § 64 Abs. 2 Satz 1 und 2 FamFG wäre es nicht ausgeschlossen, dass Ehegatten in Folgesachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle einlegen, so dass sie sich folgerichtig gemäß § 114 Abs. 4 Nr. 6 FamFG in Verbindung mit § 78 Abs. 3 ZPO bei der Einlegung der Beschwerde auch nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müssten. Indessen zieht der Wortlaut des Gesetzes im Regelfall keine starre Auslegungsgrenze. Selbst eine Auslegung gegen den Wortlaut einer Norm ist nicht ausgeschlossen, wenn andere Indizien deutlich belegen, dass ihr Sinn im Gesetzestext unzureichend Ausdruck gefunden hat (vgl. BVerfG Beschluss vom 25. April 2016 - 1 BvR 1147/12 - juris Rn. 7 mwN; BVerfG NJW 1998, 1478, 1479). Obwohl im Verfahrensrecht grundsätzlich Erwägungen des Vertrauensschutzes für eine weitgehend am Gesetzeswortlaut angelehnte Auslegung sprechen, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch bei der Auslegung von Verfahrensrecht durchaus Raum für eine an teleologischen Gesichtspunkten ausgerichtete Norminterpretation (vgl. BVerfG NJW 2007, 2977 Rn. 121).
Auch bei Vorschriften, welche die Notwendigkeit anwaltlicher Vertretung im Verfahren regeln, ist es deshalb keineswegs von vornherein ausgeschlossen, dass der zu enge Wortsinn einer Norm durch die Rechtsprechung - methodisch etwa im Wege der Analogie oder der teleologischen Extension - gemäß ihrem Zweck berichtigt und die Regelung damit auf einen Sachverhalt erstreckt wird, den sie nach ihrem möglichen Wortsinn nicht erfasst. Zwar stellen die den Anwaltszwang betreffenden Verfahrensvorschriften sogenannte formale Ordnungsregeln dar, die zwingend und strikt festlegen, wann und in welcher Weise sich die Verfahrensbeteiligten durch Bevollmächtigte vertreten lassen müssen (vgl. BGH Beschlüsse vom 22. April 2008 - X ZB 18/07 - NJW-RR 2008, 1290 Rn. 9 und vom 20. Juni 2000 - X ZB 11/00 - NJW 2000, 3356, 3357). Aber auch der Charakter einer formalen Ordnungsregel steht teleologischen Erwägungen bei der Bestimmung der Reichweite des Anwaltszwangs nicht grundsätzlich entgegen (BeckOK ZPO/Piekenbrock [Stand: 1. März 2017] § 78 Rn. 4; vergleiche auch BGHZ 194, 68 = NJW 2012, 2810 Rn. 24 f.).
bb) Freilich setzt jede Art der richterlichen Rechtsfortbildung eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern oder durch eine judikative Lösung ersetzen (BVerfG FamRZ 1995, 1052, 1056 mwN). Ob eine Gesetzeslücke vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob die vom Regelungsprogramm des Gesetzgebers erfassten Fälle in den gesetzlichen Vorschriften tatsächlich Berücksichtigung gefunden haben. Sie ist zu bejahen, wenn festzustellen ist, dass der Wortlaut der Vorschrift nicht alle Fälle erfasst, die nach dem Sinn und Zweck der Regelung erfasst sein sollten (vgl. BVerwG NJW 2013, 2457 Rn. 22 und NJW 2014, 1256 Rn. 27). Unter den obwaltenden Umständen lässt sich diese Feststellung für § 64 Abs. 2 Satz 2 FamFG zur Überzeugung des Senats mit Blick auf die Gesetzessystematik, die Entstehungsgeschichte des Gesetzes und die in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommenen Intentionen des Gesetzgebers treffen.
(1) Der Wortlaut des § 114 Abs. 1 FamFG, der in Anlehnung an § 78 ZPO den Anwaltszwang in Familiensachen regelt, entspricht der ursprünglichen Fassung aus dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 7. September 2007. Nach der Entwurfsbegründung stimme die Regelung des § 114 Abs. 1 FamFG "für Ehesachen und Folgesachen sowie für isolierte Familiensachen, deren Verfahren sich ausschließlich nach dem FamFG richtet (bisherige FGG-Familiensachen)" mit dem bisherigen Rechtszustand überein (BT-Drucks. 16/6308 S. 223). Nach dem von der Entwurfsbegründung in Bezug genommenen "bisherigen Rechtszustand" erstreckte sich der Anwaltszwang in Folgesachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit - insbesondere also auch in Versorgungsausgleichssachen - auf das gesamte Beschwerdeverfahren einschließlich der Einlegung der Beschwerde (vgl. bereits BGH Beschlüsse vom 17. Januar 1979 - IV ZB 111/78 - FamRZ 1979, 232 und vom 23. November 1979 - IV ZB 54/79 - VersR 1980, 262).
(2) Die Regelung des § 64 Abs. 2 Satz 2 FamFG in ihrer aktuell gültigen Fassung war im ursprünglichen Regierungsentwurf zum reformierten Familienverfahrensrecht vom 7. September 2007 noch nicht enthalten. Vielmehr sah die - an § 21 Abs. 2 FGG angelehnte - Vorschrift des § 64 Abs. 2 FamFG in der Entwurfsfassung uneingeschränkt die Möglichkeit vor, eine Beschwerde in Familiensachen zur Niederschrift der Geschäftsstelle einlegen zu können. In diesem Zusammenhang wurde schon vor dem Inkrafttreten des reformierten Familienverfahrensrechts zum 1. September 2009 darauf hingewiesen, der Gesetzgeber habe dadurch vermutlich unabsichtlich erreicht, dass ein Beteiligter in Familiensachen wegen der in § 114 Abs. 4 Nr. 6 FamFG enthaltenen Verweisung auf § 78 Abs. 3 ZPO auch dann persönlich Beschwerde einreichen kann, wenn das Verfahren für ihn ansonsten dem Anwaltszwang unterliegt (vgl. Schürmann FamRB 2009, 24, 26; Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer 2007/50 zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit S. 4, veröffentlicht auf www.brak.de).
(3) § 64 Abs. 2 Satz 2 FamFG in seiner aktuellen Fassung wurde durch Art. 8 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft und zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2449) in das Gesetz eingefügt. Diese Novellierung ging auf eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 22. April 2009 zurück. Zur Begründung ist dabei das Folgende ausgeführt (BT-Drucks. 16/12717 S. 59):
"Der eingefügte Satz 2 bestimmt, dass die Einlegung der Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle ausgeschlossen ist, wenn sich die Beschwerde gegen eine Endentscheidung in einer Ehesache oder einer Familienstreitsache richtet. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die in § 114 Abs. 4 Nr. 6 FamFG in Verbindung mit § 78 Abs. 3 ZPO statuierte Ausnahme vom Anwaltszwang in Familiensachen nicht dazu führt, dass die Beteiligten in Verfahren, die dem Anwaltszwang unterliegen, ohne Rechtsanwalt Beschwerde einlegen können."
Aus diesen Ausführungen erschließt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass die Einlegung einer Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle nach den Intentionen des Gesetzgebers in allen Fällen ausgeschlossen sein soll, in denen das Verfahren schon in erster Instanz als Anwaltsverfahren zu führen war. Damit sollten ersichtlich die inhaltlichen Widersprüche zwischen § 114 Abs. 1 FamFG einerseits und § 114 Abs. 4 Nr. 6 FamFG in Verbindung mit § 78 Abs. 3 ZPO und § 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG andererseits beseitigt werden. Die Umsetzung dieses Ziels ist dem Gesetzgeber bei der redaktionellen Fassung des § 64 Abs. 2 Satz 2 FamFG allerdings - in doppelter Hinsicht - misslungen: Einerseits greift der Wortlaut des § 64 Abs. 2 Satz 2 FamFG zu kurz, weil die Vertretung durch Rechtsanwälte im erstinstanzlichen Verfahren auch bei der Vertretung von Ehegatten in Folgesachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorgeschrieben ist. Andererseits greift der Wortlaut auch zu weit, weil sich ausschließlich die Ehegatten in Ehesachen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen und mit den zuständigen Behörden in Eheaufhebungsverfahren (vgl. § 129 FamFG) auch solche Dritte an "Ehesachen" beteiligt sein können, für die ein Anwaltszwang unzweifelhaft nicht gilt (§ 114 Abs. 3 FamFG).
cc) Sinn und Zweck des in § 114 Abs. 1 FamFG normierten Anwaltszwanges gebieten es ebenfalls, diesen für die Ehegatten auch auf die Einlegung einer Beschwerde in Folgesachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu erstrecken. Der Anwaltszwang in Familiensachen dient einerseits dem öffentlichen Interesse an einer geordneten Rechtspflege, andererseits aber - mit Blick auf die erheblichen Auswirkungen und die häufig existentielle Bedeutung familiengerichtlicher Verfahren - vor allem dem Schutz der Beteiligten durch eine sachgerechte Rechtsberatung (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. Oktober 1986 - IVb ZB 85/86 - FamRZ 1987, 57, 58 und vom 21. Mai 1980 - IVb ZB 628/80 - FamRZ 1980, 990, 991; vergleiche im Einzelnen MünchKommZPO/Toussaint 5. Aufl. § 78 Rn. 2).
(1) Soweit hiernach der Anwaltszwang eine Warn- und Beratungsfunktion für den rechtsunkundigen Beteiligten erfüllen soll, spricht dies dafür, dass die Einlegung der Beschwerde in Folgesachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom Anwaltszwang erfasst wird. Mit Recht wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass eine ohne vorherige anwaltliche Beratung eingelegte Beschwerde unter Umständen die unerwünschte und vom Beschwerdeführer persönlich nicht hinreichend bedachte Folge haben kann, dass sich andere Beteiligte zu einer verfahrensübergreifenden Anfechtung anderer Folgesachen im Wege der Anschließung (vgl. § 145 Abs. 1 FamFG) veranlasst sehen könnten (zutreffend OLG Saarbrücken FamRZ 2014, 2018, 2019). Im Übrigen ist es zwar richtig, dass das Beschwerdegericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht (§ 26 FamFG) den Tatsachenvortrag des anwaltlich nicht vertretenen Beteiligten im vollen Umfang zur Kenntnis nehmen muss (vgl. auch BVerfG FamRZ 1992, 1151 f. zu § 12 FGG). Indessen dient die notwendige Einschaltung eines Rechtsanwalts gerade dazu, den maßgeblichen Verfahrensstoff zu filtern und rechtlich relevanten Tatsachenvortrag herauszuarbeiten, um dem Beschwerdegericht eine bessere inhaltliche Befassung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu ermöglichen. Dies ist insbesondere in den sogenannten echten Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit von Bedeutung, in denen das Gericht ohne Verletzung seiner Amtsermittlungspflicht davon ausgehen kann, dass die Beteiligten die ihnen vorteilhaften Umstände von sich aus vortragen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2016 - XII ZB 480/13 - FamRZ 2016, 1343 Rn. 19 und vom 23. März 1988 - IVb ZB 51/87 - FamRZ 1988, 709, 710 zu Härteklauseln im Versorgungsausgleich).
(2) Könnte ein Ehegatte das Beschwerdeverfahren in einer Folgesache der freiwilligen Gerichtsbarkeit ohne Rechtsanwalt einleiten, würde dies in gewissem Umfang auch zu verfahrensrechtlichen Friktionen führen. Denn aus dem Umstand, dass der verfahrenseinleitende Antrag zur Niederschrift der Geschäftsstelle erklärt werden kann, lässt sich regelmäßig nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass nunmehr für das gesamte Verfahren das Erfordernis anwaltlicher Vertretung entfiele (vgl. BGHZ 194, 68 = NJW 2012, 2810 Rn. 12 ff. zur Beitrittserklärung des Nebenintervenienten zum selbständigen Beweisverfahren). Dafür streiten bereits systematische Erwägungen, denn in Fällen, in denen der Gesetzgeber nicht nur den verfahrenseinleitenden Antrag, sondern auch sonstige Anträge, Erklärungen oder Verfahrenshandlungen vom Anwaltszwang ausnehmen will, ordnet er dies ausdrücklich an (vgl. für Rechtsmittelverfahren etwa §§ 569 Abs. 3, 571 Abs. 4 ZPO; §§ 43 Abs. 2 Satz 1, 45 Abs. 2 Satz 1 AUG). Der nicht durch einen Rechtsanwalt vertretene Ehegatte kann daher im Beschwerdeverfahren insbesondere keine Sachanträge stellen, so dass er nach Einlegung der Beschwerde zumindest in Ehewohnungs- und Haushaltssachen ohne anwaltliche Vertretung weitgehend handlungsunfähig wäre (vgl. Frank FamRZ 2011, 1021, 1024). Darüber hinaus müsste sich der Ehegatte für die teilweise oder vollständige Rücknahme der Beschwerde (§ 67 FamFG) sowie für den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs - beispielsweise im Rahmen einer Vereinbarung über den Versorgungsausgleich (§§ 6 ff. VersAusglG) - zwingend durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist der Ehegatte daher für eine sachgerechte Durchführung des Beschwerdeverfahrens in Folgesachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit in sehr vielen Fällen ohnehin auf eine anwaltliche Vertretung angewiesen, sprechen auch Gesichtspunkte der Praktikabilität dafür, dass bereits die Einlegung der Beschwerde vom Anwaltszwang erfasst wird.
dd) Hiergegen lassen sich auch keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken erheben.
Allerdings muss der Gesetzgeber für die Rechtsmittel, die er bereitstellt, die Voraussetzungen ihrer Zulässigkeit in einer dem Grundsatz der Rechtsmittelklarheit entsprechenden Weise bestimmen. Dieser Grundsatz verbietet es, den Rechtsuchenden mit einem unübersehbaren Risiko der Behandlung seines Rechtsmittels als (un-)zulässig und dessen Kostenfolgen zu belasten. Darüber hinaus dürfen die Rechtsmittelgerichte ein von der jeweiligen Verfahrensordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch die Art und Weise, in der sie die gesetzlichen Voraussetzungen für den Zugang zu einer Sachentscheidung auslegen und anwenden, ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen (vgl. BVerfG Beschlüsse vom 27. Oktober 2015 - 2 BvR 3071/14 - juris Rn. 12 mwN und vom 11. April 2008 - 2 BvR 866/06 - juris Rn. 16 mwN).
Die dargestellten Grundsätze werden aber nicht schon dadurch berührt, dass eine den Anwaltszwang im Rechtsmittelverfahren regelnde Vorschrift aus teleologischen Gründen über ihren möglichen Wortsinn hinaus ausgelegt beziehungsweise entsprechend angewendet wird. Ein Rechtsuchender, der sich in einem entschuldbaren Irrtum über die Erforderlichkeit anwaltlicher Vertretung für ein von ihm eingelegtes Rechtsmittel befindet, ist bereits durch die einschlägigen Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinreichend davor geschützt, dadurch den Zugang zu einer ihm eröffneten Rechtsmittelinstanz zu verlieren.
3. Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Der Sache ist noch nicht im Sinne von § 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG zur Endentscheidung reif. Zwar ist die Frist für die Einlegung einer (formgerechten) Beschwerde gegen die amtsgerichtliche Entscheidung mittlerweile abgelaufen. Es kommt aber in Betracht, dem Ehemann insoweit eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
a) Durch die unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung ist ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, weil sie bei dem Ehemann einen entschuldbaren Rechtsirrtum über das Erfordernis anwaltlicher Vertretung bei der isolierten Anfechtung der im Scheidungsverbund getroffenen Entscheidung zum Versorgungsausgleich hervorgerufen hat (§ 17 Abs. 2 FamFG). Der Ehemann muss sich auch kein Verschulden seines erstinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten zurechnen lassen. Auch ein Rechtsanwalt kann grundsätzlich auf die Richtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung vertrauen, wenn diese nicht offenkundig falsch gewesen ist und deshalb - ausgehend von dem bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Kenntnisstand über die Grundzüge des Verfahrensrechts und des Rechtsmittelsystems - nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermochte (Senatsbeschluss vom 13. Juni 2012 - XII ZB 592/11 - FamRZ 2012, 1287 Rn. 9; BGH Beschluss vom 12. Oktober 2016 - V ZB 178/15 - NJW 2017, 1112 Rn. 12). Von einer solcherart "offenkundig falschen" Rechtsbehelfsbelehrung wird unter den hier obwaltenden Umständen nicht auszugehen sein. Denn ein Rechtsirrtum über das Erfordernis anwaltlicher Vertretung in der Rechtsmittelinstanz gereicht dem Rechtsanwalt generell nicht zum Verschulden, wenn die diesbezügliche Rechtsfrage - wie hier bei den Folgesachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit - zweifelhaft und höchstrichterlich noch nicht geklärt ist (vgl. BGH Beschlüsse vom 23. November 1979 - IV ZB 54/79 - VersR 1980, 262 f. und vom 20. April 1979 - IV ZB 160/78 - FamRZ 1979, 908 f.).
b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist das auf diesem Rechtsirrtum beruhende Hindernis nicht dadurch entfallen, dass die zweitinstanzliche Verfahrensbevollmächtigte der Ehefrau schriftsätzlich die Unzulässigkeit der Beschwerde gerügt hat. Denn der Ehemann konnte weiterhin auf die - den Beteiligten auch in der Hinweisverfügung vom 13. Mai 2014 nochmals zur Kenntnis gebrachte - Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts vertrauen, dass er sich im Beschwerdeverfahren nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müsse. Aus dem gleichen Grund steht auch die Ausschlussfrist des § 18 Abs. 4 FamFG der nachträglichen Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 15. Dezember 2010 - XII ZR 27/09 - FamRZ 2011, 362 Rn. 37; BGH Beschluss vom 21. Januar 2016 - IX ZA 24/15 - FamRZ 2016, 632 Rn. 8; BAG NJW 2004, 2112, 2114).
c) Die Frist des § 18 Abs. 1 FamFG wird für den Ehemann daher erst mit der Kenntnisnahme vom Inhalt dieser Senatsentscheidung in Lauf gesetzt. Ab diesem Zeitpunkt kann er innerhalb dann beginnenden Frist von zwei Wochen eine formgerechte Beschwerde durch einen Rechtsanwalt einlegen (§ 18 Abs. 3 Satz 2 FamFG).