XII ZB 275/15
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 7. Mai 2015 wird auf Kosten der Beklagten verworfen.
Streitwert: 76.898 €.
Gründe
I.
Die Klägerin mietete Gewerberäume von der Beklagten. Sie begehrt die Rückzahlung überzahlter Mieten. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat die Beklagte den Klageanspruch anerkannt. Das Landgericht hat ein Anerkenntnisurteil erlassen, dessen Ziffer 1 des Tenors lautet: „Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagte (...) zu zahlen.“ In Ziffer 2 des Tenors sind der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden. Das Anerkenntnisurteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 17. Dezember 2014 zugestellt worden. Die Klägerin hat die Berichtigung des Anerkenntnisurteils beantragt, woraufhin das Landgericht mit Beschluss vom 19. Januar 2015 wegen einer offensichtlichen Unrichtigkeit den Tenor in Ziffer 1 dahingehend berichtigt hat, dass er nunmehr lautet: „Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin (...) zu zahlen.“ Der Berichtigungsbeschluss ist dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 22. Januar 2015 zugestellt worden. Die Klägerin hat gegen das Anerkenntnisurteil (vorsorglich) Berufung eingelegt, welche sie nach Rechtskraft des Berichtigungsbeschlusses für erledigt erklärt hat.
Die Beklagte hat ihrerseits mit am 20. Februar 2015 bei dem Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz gegen das Urteil des Landgerichts in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 19. Januar 2015 Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.
II.
Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt die Beklagte nicht in ihrem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Dieses Verfahrensgrundrecht verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. Senatsbeschlüsse vom 12. Oktober 2011 - XII ZB 127/11 - FamRZ 2011, 1929 Rn. 8 und vom 27. Juli 2016 - XII ZB 53/16 - FamRZ 2016, 1681 Rn. 3).
2. Dass das Oberlandesgericht die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO verworfen hat, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 517 ZPO eingelegt worden sei, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Das Oberlandesgericht hat zutreffend erkannt, dass die Berichtigung eines Urteils gemäß § 319 ZPO wegen offenbarer Unrichtigkeit grundsätzlich keinen Einfluss auf Beginn und Lauf der Rechtsmittelfrist hat. Gegen das berichtigte Urteil findet nur das gegen das ursprüngliche Urteil zulässige Rechtsmittel statt, und die Frist zu seiner Einlegung läuft (schon) von der Zustellung der unberichtigten Urteilsfassung an (BGHZ 89, 184, 186 = NJW 1984, 1041 mwN). Den Parteien wird zugemutet, im Rahmen ihrer Entscheidung über die Einlegung eines Rechtsmittels eine offenbare Unrichtigkeit des Urteils zu berücksichtigen, schon bevor dieses gemäß § 319 ZPO berichtigt wird. Nur ausnahmsweise beginnt eine neue Rechtsmittelfrist mit der Bekanntmachung des Berichtigungsbeschlusses zu laufen, nämlich dann, wenn das Urteil insgesamt nicht klar genug war, um die Grundlage für die Entscheidung über die Einlegung eines Rechtsmittels sowie für die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu bilden. Das ist etwa der Fall, wenn erst die berichtigte Entscheidung die Beschwer erkennen lässt oder ergibt, dass die Entscheidung überhaupt einem Rechtsmittel zugänglich ist (Senatsurteil vom 5. Mai 1993 - XII ZR 44/92 - FamRZ 1993, 1424, 1425 mwN). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Berufungsfrist begann folglich mit der Zustellung des Anerkenntnisurteils am 17. Dezember 2014 und endete mit dem 19. Januar 2015. Die Berufung vom 20. Februar 2015 ist nicht fristgemäß eingelegt worden.
a) Soweit die Rechtsbeschwerde meint, das nicht berichtigte Anerkenntnisurteil habe keine Beschwer der Beklagten und insbesondere nicht erkennen lassen, dass dem Landgericht bei der Bezeichnung der Parteirollen ein Fehler unterlaufen sei, trifft dies nicht zu.
aa) Das Anerkenntnisurteil wies eine Verwechslung der Parteibezeichnungen auf, welche als Schreibfehler im Sinne des § 319 Abs. 1 ZPO zu qualifizieren ist (vgl. BGH Urteil vom 21. Dezember 2010 - X ZR 122/07 - NJW 2011, 989 Rn. 6, 9 ff.; BeckOK ZPO/Elzer [Stand: 1. Oktober 2016] § 319 Rn. 20). Die Verwechslung der Parteirollen war auch offenbar. Die Unrichtigkeit muss sich nicht unmittelbar aus dem Urteil selbst ergeben. Es ist ausreichend, wenn sie für die Parteien des Rechtsstreits durch die Vorgänge bei Erlass und Verkündung des Urteils anhand der Prozessakten einschließlich der Sitzungsprotokolle nachvollziehbar ist (Senatsbeschluss vom 29. Juni 1994 - XII ARZ 19/94 - FamRZ 1994, 1520, 1521; MünchKommZPO/Musielak 5. Aufl. § 319 Rn. 7).
bb) Danach war die Parteiverwechslung für die Beklagte unter Hinzuziehung der Akte und des Sitzungsprotokolls erkennbar. Denn es gab nur eine gegen die Beklagte geltend gemachte Forderung im Sinne des § 307 ZPO, die von ihr hat anerkannt werden können. Eine Widerklageforderung, bezüglich derer auch die Klägerin ein Anerkenntnis hätte erklären können, war nicht anhängig. Im Sitzungsprotokoll ist die Erklärung eines Anerkenntnisses durch den Prozessbevollmächtigten der Beklagten vermerkt. Das Urteil ist zudem als Anerkenntnisurteil bezeichnet worden und die Kostenentscheidung sieht - entsprechend einem Anerkenntnis von Beklagtenseite - die Kostentragung durch die Beklagte vor.
b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass sich die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf den Antrag im Schriftsatz vom 18. November 2014 bezogen hat, der selbst schon die Parteirollen verwechselte. Denn der Inhalt eines Antrags ist der Auslegung zugänglich, die vom Revisionsgericht ohne Einschränkungen überprüft oder selbst vorgenommen werden kann. Zur Auslegung sind auch die Ausführungen in der Begründung mit heranzuziehen (BGH Urteil vom 7. März 2013 - VII ZR 223/11 - NJW 2013, 1744 Rn. 23; BeckOK ZPO/Bacher [Stand: 1. Oktober 2016] § 253 Rn. 58 mwN). Diese Auslegung ergibt zweifelsfrei, dass die Klägerin die Parteirollen verwechselte und eine Verurteilung der Beklagten anstrebte.
c) Die Beklagte hat die Unrichtigkeit auch unzweifelhaft erkannt, da sie sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Anerkenntnisurteils wandte mit dem Argument, sie habe den von der Klägerin erhobenen Anspruch sofort anerkannt, weshalb ihr die Kostenfolge des § 93 ZPO zugutekommen müsse.
d) Wegen der offenbaren und von der Beklagten erkannten Unrichtigkeit des Anerkenntnisurteils begann die Frist des § 517 ZPO also bereits mit der am 17. Dezember 2014 erfolgten Zustellung zu laufen, so dass die am 20. Februar 2015 eingegangene Berufung verspätet und damit unzulässig war.
e) Ohne Erfolg macht die Beklagte ferner geltend, ihre Berufung hätte noch als eine wirksame Anschlussberufung „gewertet“ werden können. Denn selbst wenn man ihre Berufungsbegründung als Anschlussberufung hätte auslegen oder umdeuten können, konnte eine Anschlussberufung mangels Existenz einer (Haupt-)Berufung nicht mehr wirksam erhoben werden, § 524 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Nachdem das Landgericht das Rubrum des Anerkenntnisurteils rechtskräftig berichtigt hatte, war die Beschwer für die Klägerin nachträglich weggefallen. In einem solchen Fall der prozessualen Überholung durfte sie ihr Rechtsmittel für erledigt erklären (vgl. MünchKommZPO/Schulz 5. Aufl. § 91a Rn. 110 ff.; LG Bochum ZZP 1984, 215 f.). Dadurch war eine die Rechtsstellung der Beklagten verschlechternde Sachentscheidung über die Hauptberufung ausgeschlossen, so dass eine unterstellte Anschlussberufung analog § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung verloren hätte (vgl. Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. § 524 Rn. 55; Prütting/Gehrlein/Lemke ZPO 8. Aufl. 2016 § 524 Rn. 25, 29; Saenger/Wöstmann ZPO 6. Aufl. § 524 Rn. 17).