XII ZB 226/13
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 16. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts München vom 9. April 2013 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Wert: 3.058 €
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Abänderung einer 1988 erlassenen Entscheidung sowie einer zugleich geschlossenen Vereinbarung zum Versorgungsausgleich.
Die Antragstellerin war seit 1965 mit dem 1944 geborenen und im Juli 2006 verstorbenen P. L. P. (im Folgenden: Ehemann) verheiratet. Die Ehe wurde 1983 geschieden. Im Scheidungsverbundurteil wurde der Versorgungsausgleich bezogen auf die Ehezeit vom 1. November 1965 bis zum 30. Juni 1982 durchgeführt. Der Antragstellerin wurden bezogen auf das Ehezeitende gesetzliche Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 355,05 DM übertragen. Hinsichtlich einer Anwartschaft des Ehemanns auf betriebliche Altersversorgung bei der S. AG (Beteiligte) wurde die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs vorbehalten.
Auf (Abänderungs-)Antrag der Antragstellerin gemäß Art. 4 § 1 VAWMG wurde durch Beschluss vom 28. Juni 1988 die betriebliche Altersversorgung des Ehemanns teilweise öffentlich-rechtlich ausgeglichen, indem der Antragstellerin nunmehr auf das Ehezeitende bezogene Rentenanwartschaften von insgesamt 404,25 DM übertragen wurden. Im Übrigen schlossen die geschiedenen Ehegatten am 7. Juni 1988 einen - gerichtlich genehmigten - Vergleich, in dem sich der Ehemann verpflichtete, an die Antragstellerin zur Abgeltung eines nach Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs verbleibenden "ausgleichspflichtigen Rests" von 41,03 DM (rechnerisch richtig 40,68 DM) einen Betrag von 9.000 DM zu zahlen.
In der Folgezeit schloss der Ehemann die Ehe mit der Antragsgegnerin. Seit dem Tod des Ehemanns im Juli 2006 bezieht diese von der S. AG eine laufende Hinterbliebenenversorgung von monatlich 1.563,70 €.
Im vorliegenden Verfahren hat die Antragstellerin beantragt, den Beschluss vom 28. Juni 1988 und die Vereinbarung vom 7. Juni 1988 abzuändern. Sie beruft sich darauf, dass die Betriebsrente bei der S. AG wesentlich höher zu bewerten sei als seinerzeit noch unter Anwendung der Barwertverordnung. Der Abfindungsbetrag von 9.000 DM sei um ein Vielfaches zu niedrig und unangemessen.
Das Amtsgericht hat den Abänderungsantrag abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen. Dagegen richtet sich deren Rechtsbeschwerde, mit welcher sie ihr Abänderungsbegehren weiterverfolgt. Der Senat hat auf § 51 Abs. 4 VersAusglG sowie die mangelnde Bestimmtheit des Antrags zur Abänderung des Vergleichs hingewiesen. Daraufhin hat die Antragstellerin ihren Antrag dahingehend "zur Klarstellung" ergänzt, dass sowohl der Beschluss vom 28. Juni 1988 als auch die Vereinbarung vom 7. Juni 1988 "aufzuheben und abzuändern und mit Wirkung ab dem ersten Tag des Monats nach Antragstellung neu zu regeln" seien.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts führt § 51 VersAusglG schon deshalb nicht zu einer Abänderung, weil sich das Ausgangsverfahren auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich beschränkt habe. Auf die Frage, ob die Vorschrift auch auf Vereinbarungen Anwendung finde, komme es daher nicht an.
Die §§ 225, 226 FamFG stützten das Abänderungsbegehren ebenfalls nicht, weil diese die Abänderung des Wertausgleichs bei der Scheidung beträfen, es vorliegend aber um den Wertausgleich nach der Scheidung gehe. Aus §§ 227 Abs. 1, 48 FamFG könne sich eine Abänderung mangels Entscheidung nicht ergeben. Da durch die Vereinbarung lediglich der schuldrechtliche Versorgungsausgleich geregelt worden sei, sei auch § 227 Abs. 2 FamFG nicht einschlägig.
Auch unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB habe die Antragstellerin keinen Anspruch darauf, dass die 1988 getroffenen Regelungen zum Versorgungsausgleich nachträglich zu ihren Gunsten angepasst würden. Ihr sei ein Festhalten an der Vereinbarung nicht unzumutbar. Sie sei in jenem Verfahren anwaltlich vertreten gewesen und habe das vorliegende Zahlenwerk durch einen Rentenberater prüfen lassen. Die Vereinbarung stelle eine abschließende und seit nunmehr 25 Jahren vollständig erfüllte Gesamtregelung des Versorgungsausgleichs, insbesondere der betrieblichen Versorgungsanwartschaften des verstorbenen Ehemanns dar, die einer nachträglichen Anpassung nicht zugänglich sei.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
Ob und in welchem Umfang eine Antragsänderung in der Rechtsbeschwerdeinstanz zulässig ist, kann dafür offenbleiben. Denn der von der Antragstellerin auf Hinweis des Senats modifizierte Antrag weicht der Sache nach nicht von den von ihr in den Vorinstanzen gestellten Anträgen ab.
a) Im Ergebnis zutreffend hat das Oberlandesgericht die Abänderung der Entscheidung vom 28. Juni 1988 abgelehnt.
aa) Eine Abänderung nach § 51 VersAusglG scheitert indessen entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts nicht daran, dass die Entscheidung sich auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich bezog. Denn durch die Entscheidung wurden der Ausspruch zum Versorgungsausgleich im Scheidungsverbundurteil abgeändert und weitere gesetzliche Rentenanwartschaften übertragen. Somit ist die Entscheidung zum öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich ergangen. Im Fall einer nach § 51 Abs. 1 VersAusglG eröffneten Abänderung werden auch solche Anrechte vollständig ausgeglichen, die in der Ausgangsentscheidung aus Rechtsgründen nur teilweise in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einbezogen werden konnten. Eine Abänderung nach § 51 Abs. 1 VersAusglG kann zudem nach der Rechtsprechung des Senats auch auf eine im Sinne des § 51 Abs. 2 VersAusglG, § 225 Abs. 2 und 3 FamFG wesentliche Wertänderung eines solchen Anrechts gestützt werden (Senatsbeschluss vom 24. Juni 2015 - XII ZB 495/12 - FamRZ 2015, 1688 Rn. 28).
bb) Die Abänderung nach § 51 Abs. 1 VersAusglG ist auch dann eröffnet, wenn ein öffentlich-rechtlich ausgeglichenes Anrecht der betrieblichen Altersversorgung betroffen ist und Wertänderungen nach § 51 Abs. 2 VersAusglG vorliegen (Senatsbeschluss vom 24. Juni 2015 - XII ZB 495/12 - FamRZ 2015, 1688 Rn. 25 ff.). Auch wenn nur die geänderte Umwertung des Anrechts Abänderungsgrund gemäß § 51 Abs. 3 VersAusglG ist, ist die Abänderung nach § 51 Abs. 1 VersAusglG durchzuführen, wenn das Anrecht im Ausgangsverfahren vollständig öffentlich-rechtlich ausgeglichen worden ist, was auch den Fall der vom Gericht nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 VAHRG angeordneten Beitragszahlung einschließt (vgl. Borth FamRZ 2015, 1692 f.). Beschränkt sich die Ausgangsentscheidung hingegen auf einen Ausgleich nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG, ohne das Anrecht vollständig auszugleichen, so handelt es sich um einen bloßen Teilausgleich im Sinne von § 51 Abs. 4 VersAusglG (Senatsbeschluss vom 24. Juni 2015 - XII ZB 495/12 - FamRZ 2015, 1688 Rn. 26 ff.).
Im vorliegenden Fall stehen keine Wertänderungen nach § 51 Abs. 2 VersAusglG, sondern steht ausschließlich die Umwertung des Anrechts auf betriebliche Altersvorsorge im Rahmen von § 51 Abs. 3 VersAusglG in Rede. Das Anrecht wurde nicht vollständig öffentlich-rechtlich ausgeglichen. Vielmehr handelt es sich bei der Ausgangsentscheidung lediglich um einen Teilausgleich nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG, so dass die Abänderung nach § 51 Abs. 1 VersAusglG nicht zulässig ist.
cc) Der Abänderungsantrag kann auch nicht auf § 51 Abs. 3 VersAusglG gestützt werden. Denn nach § 51 Abs. 4 VersAusglG ist eine Abänderung nach § 51 Abs. 3 VersAusglG ausgeschlossen, wenn für das Anrecht nach einem Teilausgleich gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG noch Ausgleichsansprüche nach der Scheidung gemäß §§ 20 bis 26 VersAusglG geltend gemacht werden können. Ob und inwiefern ein durch Vergleich vereinbarter Verzicht auf den weitergehenden Ausgleich der Betriebsrente wirksam ist, ist sodann im Verfahren nach §§ 20 bis 26 VersAusglG zu klären (Senatsbeschluss vom 15. April 2015 - XII ZB 30/13 - FamRZ 2015, 1100 Rn. 14). Einen Antrag auf Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs, der sich überdies nicht gegen die Antragsgegnerin, sondern nach § 25 Abs. 1 VersAusglG gegen die S. AG zu richten hätte, hat die Antragstellerin nicht gestellt.
b) Eine Anpassung des Vergleichs nach § 227 Abs. 2 FamFG scheitert im vorliegenden Verfahren bereits daran, dass die Antragstellerin insoweit keinen zulässigen Antrag gestellt hat. Nach § 227 Abs. 2 FamFG sind die Abänderungsvorschriften der §§ 225 und 226 FamFG auf eine Vereinbarung der Ehegatten über den Versorgungsausgleich entsprechend anzuwenden, wenn die Abänderung nicht ausgeschlossen worden ist.
aa) Auf welcher Grundlage eine nach dem bis zum 31. August 2009 geltenden Recht zur Abfindung des nicht ausgeglichenen Rests einer betrieblichen Altersversorgung geschlossene Vereinbarung abgeändert werden kann, ist zweifelhaft.
Im Schrifttum wird zum Teil im Hinblick auf den Wortlaut eine umfassende Anwendbarkeit der Regelung in § 227 Abs. 2 FamFG vertreten (so Wick Versorgungsausgleich 3. Aufl. Rn. 799; MünchKommBGB/Dörr 6. Aufl. § 227 FamFG Rn. 10 f.; Zöller/Lorenz ZPO 31. Aufl. § 227 FamFG Rn. 4 f.). Dagegen wird überwiegend die Auffassung vertreten, die Regelung in § 227 Abs. 2 FamFG erfasse nur Vereinbarungen zum öffentlich-rechtlichen Ausgleich bei der Scheidung, während Vereinbarungen zum schuldrechtlichen Ausgleich nach der Scheidung der Abänderung nach § 48 FamFG unterlägen(Johannsen/Henrich/Holzwarth Familienrecht 6. Aufl. § 227 FamFG Rn. 3; BeckOK FamFG/Hahne [Stand: 1. Januar 2016] § 227 Rn. 3; Musielak/Borth/Grandel FamFG 5. Aufl. § 227 Rn. 8, 10; i.E. auch Prütting/Helms/Wagner FamFG 3. Aufl. § 227 Rn. 7). Schließlich wird für vor dem 1. September 2009 geschlossene Vereinbarungen die Auffassung vertreten, dass § 227 FamFG einschränkend auszulegen sei und für Vereinbarungen die §§ 51, 52 VersAusglG Anwendung fänden (MünchKommFamFG/Stein 2. Aufl. § 227 Rn. 13; ähnlich auch Prütting/Helms/Wagner FamFG 3. Aufl. § 227 Rn. 7, der den Abänderungsmaßstab der §§ 51, 52 VersAusglG heranziehen will).
bb) Die in § 227 Abs. 2 FamFG enthaltene Regelung ist der früheren Regelung in § 10 a Abs. 9 VAHRG nachgebildet (BT-Drucks. 16/10144 S. 98), nach der auf die Abänderung von Vereinbarungen die Vorschriften zur Abänderung von Entscheidungen (§ 10 a Abs. 1 bis 8 VAHRG) entsprechend anzuwenden waren. Dementsprechend ist die Abänderbarkeit von Vereinbarungen im Fall einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse dem Grunde nach nicht zweifelhaft. Deren Grundlage besteht in § 227 Abs. 2 FamFG, der seinem Wortlaut nach sämtliche Vereinbarungen umfasst, während sich § 48 FamFG und § 51 VersAusglG nur auf Entscheidungen beziehen.
Ob § 227 Abs. 2 FamFG bei Vereinbarungen zum schuldrechtlichen Ausgleich nach der Scheidung einschränkend auszulegen ist und anstelle der dort aufgeführten §§ 225, 226 FamFG ein anderer Maßstab (etwa nach § 48 Abs. 1 FamFG oder § 51 VersAusglG) sachgerecht wäre, bedarf im vorliegenden Fall keiner abschließenden Entscheidung. Denn in jedem Fall setzt die Abänderung einer Vereinbarung einen hinreichend konkreten Antrag des die Abänderung Begehrenden voraus, der jedenfalls das Ziel der Abänderung erkennen lassen muss. Wenn der Antrag sich, wie im vorliegenden Fall, als Abänderungsantrag auf eine Abfindungsvereinbarung bezieht (zur Abänderbarkeit von Abfindungsvereinbarungen vergleiche BGH Urteil vom 12. Februar 2008 - VI ZR 154/07 - NJW-RR 2008, 649), ist die Bezeichnung des konkreten Ziels der Abänderung unerlässlich. Denn es kann nicht dem Gericht überlassen werden, den konkreten Inhalt des Abänderungsanspruchs zu bestimmen, der eine erhebliche Bandbreite hat und letztlich von der Grundlage der Parteivereinbarung bestimmt wird. Demnach muss der Antrag erkennen lassen, in welcher Form die Vereinbarung abgeändert werden soll, ob bei einer Abfindung etwa die Zahlung eines erhöhten Abfindungsbetrags verlangt wird oder ob durch die Abänderung der Weg für die Geltendmachung einer schuldrechtlichen Ausgleichsrente nach §§ 20 ff. VersAusglG eröffnet werden soll (vgl. Senatsbeschluss vom 15. April 2015 - XII ZB 30/13 - FamRZ 2015, 1100 Rn. 14). Anderenfalls ließe sich auch nicht beurteilen, wer am Abänderungsverfahren zu beteiligen ist und ob der Antragsteller durch eine Abänderungsentscheidung beschwert ist.
Der von der Antragstellerin formulierte Antrag richtet sich ohne nähere Konkretisierung des Anspruchsziels lediglich auf die Abänderung und "Neuregelung" des Vergleichs vom 7. Juni 1988. Er lässt nicht erkennen, mit welchem Ziel und in welcher Form die Vereinbarung abgeändert werden soll. Vor allem bleibt offen, ob die Antragstellerin von der - am Vergleich nicht beteiligten - Antragsgegnerin (etwa als mögliche Alleinerbin des Ehemanns) die Zahlung eines höheren Abfindungsbetrags verlangen will oder ob der Vergleich etwa dahingehend angepasst werden soll, dass der Abfindungsbetrag erstattet werden und der Vergleich rückabgewickelt werden soll, so dass er der Geltendmachung einer schuldrechtlichen Ausgleichsrente gegen den Versorgungsträger nach § 25 VersAusglG nicht (mehr) entgegensteht (zur fraglichen Reichweite von § 25 Abs. 2 VersAusglG s. etwa Johannsen/Henrich/Holzwarth Familienrecht 6. Aufl. § 25 VersAusglG Rn. 6; Erman/Norpoth BGB 14. Aufl. § 25 VersAusglG Rn. 8; AG Bayreuth FamRZ 2012, 1726 m. Anm. Borth; zur Vorgängerregelung in § 3 a Abs. 3 Satz 2 VAHRG vergleiche Senatsbeschluss vom 22. Februar 1989 - IVb ZB 210/87 - FamRZ 1989, 602).
Soweit die Rechtsbeschwerde davon ausgeht, dass die Anpassung der Vereinbarung im Rahmen des ihrer Ansicht nach durchzuführenden öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs zu erfolgen habe, steht dem bereits - wie ausgeführt - § 51 Abs. 4 VersAusglG entgegen.
Da auch nach dem Hinweis des Senats eine nähere Konkretisierung des Antrags nicht erfolgt und auch keine spezifizierte Rüge wegen unterlassenen Hinweises in der Vorinstanz erhoben worden ist, ist die Zurückweisung der Beschwerde auch hinsichtlich der begehrten Abänderung der Vereinbarung im Ergebnis zutreffend.
3. Die Rechtsbeschwerde ist in vollem Umfang zurückzuweisen, weil der angefochtene Beschluss im Ergebnis nicht zu beanstanden ist.