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XII ZB 394/12

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 33. Zivilsenats - zugleich Familiensenat - des Oberlandesgerichts München vom 26. Juni 2012 wird auf Kosten des Antragstellers verworfen.

Beschwerdewert: 68.177 €

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Verwerfung seiner Beschwerde und begehrt Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 12. April 2012 die Ehe der Verfahrensbeteiligten geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und den Antragsteller zur Zahlung eines Zugewinnausgleichs an die Antragsgegnerin verpflichtet. Die Entscheidung wurde dem Antragsteller am 26. April 2012 zugestellt.

Mit einem an das Oberlandesgericht gerichteten und am 22. Mai 2012 bei der allgemeinen Einlaufstelle der Justizbehörden M. eingegangenen Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten hat der Antragsteller Beschwerde gegen die Entscheidung über den Zugewinnausgleich eingelegt.

Nachdem der Antragsteller am 8. Juni 2012 auf die Nichteinhaltung der Beschwerdefrist hingewiesen worden war, hat er am 14. Juni 2012 Beschwerde beim Amtsgericht einlegt. Gleichzeitig hat er beim Oberlandesgericht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist beantragt.

Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Beschwerde als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 112 Nr. 2, 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG in Verbindung mit §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 2 und 4574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig, weil es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt den Antragsteller weder in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) noch in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip), der es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschlüsse vom 23. März 2011 - XII ZB 51/11 - FamRZ 2011, 881 Rn. 7 und vom 2. April 2008 - XII ZB 189/07 - FamRZ 2008, 1338 Rn. 8 mwN).

2. Das Oberlandesgericht hat dem Antragsteller zu Recht die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und seine Beschwerde als unzulässig verworfen. Die Beschwerde ist verspätet bei dem zuständigen Amtsgericht eingegangen, und die Säumnis ist auf ein dem Antragsteller zurechenbares Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten zurückzuführen.

a) Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dem Antragsteller könne Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden, weil er die Beschwerdefrist nicht unverschuldet versäumt habe. Er müsse sich das Verschulden seines Anwalts bei der Adressierung der Beschwerde an das falsche Gericht zurechnen lassen. Die Kausalität des Anwaltsverschuldens für die Versäumung der Frist sei auch nicht durch eine fehlerhafte oder nachlässige Bearbeitung der Angelegenheit durch das Oberlandesgericht unterbrochen worden. Die am 22. Mai 2012 in der allgemeinen Einlaufstelle der Justizbehörden M. eingegangene Beschwerdeschrift habe zunächst dem Oberlandesgericht zugeordnet und dorthin weitergeleitet werden müssen. In der Eingangsstelle des Oberlandesgerichts sei der Schriftsatz am 23. Mai 2012 registermäßig erfasst und an die zuständige Geschäftsstelle des 33. Senats weitergeleitet worden. Am Tag des Eingangs dort (24. Mai 2012) habe der Urkundsbeamte eine Verfügung der Vorsitzenden vorbereitet. Da die Vorsitzende Richterin jedoch erkrankt gewesen sei, sei die Beschwerde am Freitag, den 25. Mai 2012, dem stellvertretenden Vorsitzenden vorgelegt worden. Dieser habe von einer Weiterleitung der Beschwerdeschrift an das Amtsgericht abgesehen, weil vor Ablauf der Beschwerdefrist ein Eingang der Beschwerde beim zuständigen Amtsgericht nicht mehr möglich gewesen sei. Hätte der stellvertretende Vorsitzende eine entsprechende Weiterleitung verfügt, wäre die Beschwerdeschrift erst am Dienstag nach Pfingsten, dem letzten Tag der Frist, bei der Geschäftsstelle und am nächsten Tag bei der Poststelle des Oberlandesgerichts eingegangen, von wo aus die Beschwerde mit der Sammelpost noch am selben Tag an das Amtsgericht geschickt worden wäre. Damit hätte die Beschwerde dort frühestens am 31. Mai 2012 und damit zwei Tage nach Ablauf der Frist eingehen können. Anders als in dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12. Oktober 2011 (IV ZB 17/10 - NJW 2012, 78) zugrundeliegenden Sachverhalt sei der Geschäftsgang beim Oberlandesgericht M. so organisiert, dass eingehende Schriftstücke von der Geschäftsstelle dem zuständigen Vorsitzenden oder Einzelrichter nicht erst nach Eingang der Akten oder der Beschwerdebegründung, sondern gleich vorgelegt würden. Bei dieser Organisation bestehe kein vernünftiger Grund, dass der Geschäftsstellenbeamte selbst ohne Kenntnis und Verfügung des Vorsitzenden die Weiterleitung eines Schriftstücks veranlasse.

b) Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

aa) Gemäß § 113 Abs. 1 FamFG sind in Familienstreitsachen, wozu gemäß § 112 Nr. 2 FamFG auch das hier streitgegenständliche Zugewinnausgleichsverfahren gehört, die §§ 233 ff. ZPO anzuwenden.

Der Antragsteller hat den Wiedereinsetzungsantrag beim zuständigen Gericht gestellt. Denn gemäß § 237 ZPO entscheidet über den Antrag auf Wiedereinsetzung das Gericht, dem die Entscheidung über die nachgeholte Prozesshandlung zusteht; deshalb ist das Wiedereinsetzungsgesuch an das Beschwerdegericht zu richten (Senatsbeschluss vom 17. August 2011 - XII ZB 50/11 - FamRZ 2011, 1649 Rn. 15).

Der Wiedereinsetzungsantrag des Antragstellers ist auch in der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO von zwei Wochen eingegangen. Nachdem das Beschwerdegericht den Antragsteller am 8. Juni 2012 auf die Verfristung hingewiesen hatte, hat er mit am 14. Juni 2012 beim Beschwerdegericht eingegangenem Schriftsatz Wiedereinsetzung beantragt. Zudem hat er an diesem Tag erneut Beschwerde beim Amtsgericht eingelegt und damit die versäumte Verfahrenshandlung nachgeholt (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde liegen jedoch die materiellen Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nicht vor.

(1) Das Oberlandesgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass der Antragsteller, der sich das Verhalten seines Verfahrensbevollmächtigten zurechnen lassen muss (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG in Verbindung mit § 85 Abs. 2 ZPO), die Fristversäumung verschuldet hat. Aus der dem amtsgerichtlichen Beschluss beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung war eindeutig zu entnehmen, dass die Beschwerde innerhalb von einem Monat beim Amtsgericht einzulegen ist. Im Übrigen war der Antragsteller anwaltlich vertreten, weshalb ein möglicher Rechtsirrtum regelmäßig verschuldet ist (Senatsbeschluss vom 23. Juni 2011 - XII ZB 82/10 - FamRZ 2010, 1425 Rn. 11).

(2) Die Behandlung des Beschwerdeschriftsatzes im Geschäftsgang des Oberlandesgerichts verstößt auch nicht gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens und lässt daher die Kausalität der schuldhaften Pflichtverletzung für die Fristversäumung nicht entfallen.

Zwar war die Beschwerdeschrift am Dienstag, dem 22. Mai 2012, noch innerhalb der Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG beim Oberlandesgericht eingegangen. Die unterlassene Weiterleitung der Beschwerde an das zuständige Amtsgericht verletzt die Verfahrensgrundrechte des Antragstellers aber nicht.

Wird in einer Familienstreitsache die Beschwerde anstatt bei dem gemäß § 64 Abs. 1 FamFG für ihre Entgegennahme zuständigen Amtsgericht beim Beschwerdegericht eingelegt, hat das angerufene Gericht die Beschwerdeschrift im ordentlichen Geschäftsgang an das Amtsgericht weiterzuleiten, wenn ohne weiteres die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts erkennbar und - damit regelmäßig - die Bestimmung des zuständigen Gerichts möglich ist (Senatsbeschlüsse vom 27. Februar 2013 - XII ZB 6/13 - FamRZ 2013, 779 Rn. 11 und vom 17. August 2011 - XII ZB 50/11 - FamRZ 2011, 1649 Rn. 23 mwN). Dies folgt aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch des Rechtsuchenden auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Geht der Schriftsatz so zeitig ein, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Amtsgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, darf die Partei darauf vertrauen, dass der Schriftsatz noch rechtzeitig dort eingeht. Geschieht dies tatsächlich nicht, wirkt sich das Verschulden der Partei oder ihrer Verfahrensbevollmächtigten nicht mehr aus, so dass ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (Senatsbeschluss vom 23. Mai 2012 - XII ZB 375/11 - FamRZ 2012, 1205 Rn. 26 mwN).

Eine weitergehende Verpflichtung, etwa eine beschleunigte Weiterleitung an das zuständige Gericht oder eine Verpflichtung, den Beteiligten oder dessen Verfahrensbevollmächtigten durch Telefonat oder Telefax von der Einreichung des Rechtsmittels bei einem unzuständigen Gericht zu unterrichten, ergibt sich von Verfassungs wegen jedoch nicht. Denn sonst würde dem Beteiligten die Verantwortung für die Ermittlung des richtigen Adressaten fristgebundener Schriftsätze vollständig abgenommen und dem nicht empfangszuständigen Gericht übertragen (BVerfG FamRZ 2001, 827; ständige Rechtsprechung, vergleiche Senatsbeschlüsse vom 27. Februar 2013 - XII ZB 6/13 - FamRZ 2013, 779 Rn. 12; vom 15. Juni 2011 - XII ZB 468/10 - FamRZ 2011, 1389 Rn. 12 und vom 17. August 2011 - XII ZB 50/11 - FamRZ 2011, 1649 Rn. 22).

Unterbleibt die gebotene Weiterleitung der Beschwerdeschrift an das Amtsgericht, ist weitere Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung, dass die bei einer Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang verbleibende Zeit für die Fristwahrung ausreichend ist (Senatsbeschluss vom 17. August 2011 - XII ZB 50/11 - FamRZ 2011, 1649 Rn. 27). Dies hat grundsätzlich der die Wiedereinsetzung begehrende Beteiligte darzulegen und glaubhaft zu machen (vgl. Senatsbeschluss vom 23. Mai 2012 - XII ZB 375/11 - FamRZ 2012, 1205 Rn. 29 mwN).

(3) Danach hat das Oberlandesgericht zu Recht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist versagt, weil der Antragsteller im vorliegenden Fall nicht erwarten konnte, dass die Beschwerdeschrift bei einer Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang noch rechtzeitig beim Amtsgericht eingehen würde.

Die Beschwerde ging am Dienstag, dem 22. Mai 2012, bei der gemeinsamen Einlaufstelle der Justizbehörden M. ein. Mit einem Eingang des Schriftsatzes auf der Geschäftsstelle des zuständigen Senats des Oberlandesgerichts konnte daher frühestens am Mittwoch, dem 23. Mai 2012, gerechnet werden. Auch die Vorlage der Beschwerde zunächst an die Vorsitzende Richterin am Donnerstag, dem 24. Mai 2012, und an den stellvertretenden Vorsitzenden am Freitag, dem 25. Mai 2012, wegen der krankheitsbedingten Abwesenheit der Vorsitzenden Richterin, entspricht noch einer Sachbearbeitung im ordentlichen Geschäftsgang. Das gilt auch deswegen, weil die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht der Gerichte keine generelle Verpflichtung zur sofortigen Prüfung der Zuständigkeit erfordert (BVerfG NJW 2006, 1579). Da dem stellvertretenden Vorsitzenden die Sache erst am Freitag zur Bearbeitung vorgelegt worden ist, wäre ein fristwahrender Eingang der Beschwerde beim zuständigen Amtsgericht aufgrund des Feiertags am 28. Mai 2012 (Pfingstmontag) am Dienstag, dem 29. Mai 2012 und damit am letzten Tag der Beschwerdefrist, nur zu erwarten gewesen, wenn noch an diesem Freitag der stellvertretende Vorsitzende des Senats die Weiterleitung der Beschwerde an das Amtsgericht verfügt hätte, diese Verfügung zur Geschäftsstelle des Senats gelangt und von dort zur Sammelpost gegeben worden wäre. Dies konnte jedoch im Rahmen des ordentlichen Geschäftsgangs nicht erwartet werden.

3. Weil der Antragsteller somit die Frist zur Einlegung seiner Beschwerde nicht schuldlos versäumt hat, hat das Oberlandesgericht ihm die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 113 Abs. 1 FamFG in Verbindung mit § 233 ZPO zu Recht versagt. Auch die Verwerfung der Beschwerde nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist deswegen nicht zu beanstanden.

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