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XII ZB 6/13

Tenor

Der Antrag des Antragsgegners auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 13. Zivilsenats - 4. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 29. November 2012 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde gegen den vorgenannten Beschluss wird auf Kosten des Antragsgegners als unzulässig verworfen.

Beschwerdewert: 10.416 €

Gründe

I.

Durch Beschluss vom 29. November 2012 hat das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht die Zwangsvollstreckung aus einem Unterhaltstitel, aus dem der antragsgegnerische Landkreis aus übergegangenem Recht die Zwangsvollstreckung gegen den Antragsteller betrieb, teilweise für unzulässig erklärt. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss, der keine Rechtsbehelfsbelehrung enthält, hat das Oberlandesgericht zugelassen.

Die Entscheidung ist dem Antragsgegner am 30. November 2012 zugestellt worden. Am Mittag des 21. Dezember 2012 (Freitag) hat der Antragsgegner vorab per Telefax bei dem Oberlandesgericht eine von einem Beschäftigten mit Befähigung zum Richteramt unterzeichnete Rechtsbeschwerdeschrift nebst Begründung eingereicht; das Original dieses Schriftsatzes ist am 28. Dezember 2012 (Freitag) bei dem Oberlandesgericht eingegangen. Am 3. Januar 2013 hat der Vorsitzende des Beschwerdesenats die Übersendung der Akten an den Bundesgerichtshof verfügt und dem Antragsgegner mitgeteilt, dass die Rechtsbeschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof einzureichen gewesen wäre und eine vorherige Weiterleitung der Rechtsbeschwerdeschrift an das Rechtsbeschwerdegericht aufgrund der Weihnachtsfeiertage im geordneten Geschäftsgang nicht mehr möglich gewesen sei.

Die Rechtsmittelschrift ist mit den Verfahrensakten am 7. Januar 2013 bei dem Bundesgerichtshof eingegangen; mit Schriftsatz vom 10. Januar 2013 beantragt der Antragsgegner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsbeschwerdefrist.

II.

1. Die nach § 70 Abs. 1 FamFG statthafte Rechtsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht binnen der Notfrist von einem Monat nach der am 30. November 2012 erfolgten Zustellung des Beschlusses des Oberlandesgerichts, mithin spätestens am 31. Dezember 2012 (Montag), bei dem Bundesgerichtshof eingelegt worden ist.

2. Der Wiedereinsetzungsantrag vom 10. Januar 2013 ist zurückzuweisen, weil der Antragsgegner nicht ohne sein Verschulden verhindert war, die Notfrist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde einzuhalten (§ 117 Abs. 5 FamFG in Verbindung mit § 233 ZPO). Diese Beurteilung wird weder durch die fehlende Rechtsbehelfsbelehrung noch durch die Behandlung des Rechtsbeschwerdeschriftsatzes im Geschäftsbetrieb des Oberlandesgerichts in Frage gestellt.

a) Richtig ist im Ausgangspunkt, dass nach der Rechtsprechung des Senats die Verpflichtung des Gerichts zur Erteilung einer Rechtsbehelfsbelehrung unterschiedslos für alle nach dem FamFG geführten Verfahren besteht und in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 2 FamFG auch in Ehesachen und Familienstreitsachen ein Fehlen des Verschuldens vermutet wird, wenn die erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Juni 2012 - XII ZB 592/11 - FamRZ 2012, 1287 Rn. 7).

aa) Allerdings kommt auch unter der Geltung des § 17 Abs. 2 FamFG eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann in Betracht, wenn die fehlende oder unvollständige Rechtsbehelfsbelehrung für die Fristversäumnis ursächlich geworden ist. An einer solchen Ursächlichkeit fehlt es in denjenigen Fällen, in denen der Beteiligte wegen vorhandener Kenntnis über seine Rechtsmittel keiner Unterstützung durch eine Rechtsmittelbelehrung bedarf; dies ist bei einem anwaltlich vertretenen Beteiligten regelmäßig der Fall (Senatsbeschlüsse vom 13. Juni 2012 - XII ZB 592/11 - FamRZ 2012, 1287 Rn. 8 und vom 23. Juni 2010 - XII ZB 82/10 - FamRZ 2010, 1425 Rn. 11).

bb) Die Grundsätze dieser Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof auch auf Behörden angewendet, die ein gerichtliches Verfahren in einem ihnen zugewiesenen Aufgabenkreis führen. Es obliegt grundsätzlich der Behörde, durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass ihre mit der Sachbearbeitung betrauten Mitarbeiter die für die Erfüllung ihrer täglichen Aufgaben benötigten Rechtskenntnisse erwerben (BGH Beschluss vom 23. November 2011 - IV ZB 15/11 - FamRZ 2012, 367 Rn. 12 f.) oder die Vorgänge in Zweifelsfällen einem Beschäftigten vorgelegt werden, der über die erforderlichen Rechtskenntnisse verfügt.

Familiengerichtliche Verfahren im Zusammenhang mit der Geltendmachung und Beitreibung übergegangener Unterhaltsansprüche gehören zweifellos zu den wiederkehrend anfallenden Vorgängen im Geschäftsbereich eines Landkreises als Träger öffentlicher Sozialleistungen. Auch der Hinweis darauf, dass von dem Antragsgegner in den letzten zehn Jahren noch kein Rechtsbeschwerdeverfahren in einer Familiensache vor dem Bundesgerichtshof eingeleitet worden sei, rechtfertigt hier keine andere Beurteilung. In Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit können sich Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse gemäß § 10 Abs. 4 Satz 2 FamFG beziehungsweise § 114 Abs. 3 Satz 2 FamFG vor dem Bundesgerichtshof (nur) durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen. Mit der Einführung einer besonderen juristischen Qualifikation des Behördenvertreters in den Verfahren vor dem Bundesgerichtshof sollten gerade die zur Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens erforderlichen "hohen Rechtskenntnisse" sichergestellt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Juli 2010 - XII ZB 149/10 - FamRZ 2010, 1544 Rn. 9 mit Hinweis auf die Begründung zum Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechtes; BT-Drucks. 16/3655 S. 85, dort zu § 78 Abs. 2 ZPO nF). Damit stünde es nicht im Einklang, wenn an die Rechtskenntnisse eines juristisch qualifizierten Behördenvertreters mit Befähigung zum Richteramt grundlegend andere Maßstäbe angelegt werden würden als an die Rechtskenntnisse eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten. Wie von einem Rechtsanwalt kann und muss daher auch von ihm erwartet werden, dass er die sich aus dem Gesetz ergebenden Voraussetzungen für die Einlegung eines Rechtsmittels kennt oder sich diese Kenntnis unschwer zu verschaffen vermag. Im Übrigen weist das familiengerichtliche Verfahren im Hinblick auf die Empfangszuständigkeit des Bundesgerichtshofs für einen Rechtsmittelschriftsatz in der Rechtsbeschwerdeinstanz (§ 71 Abs. 1 Satz 1 FamFG) keine Besonderheiten gegenüber den Vorschriften der Zivilprozessordnung über Revision und Rechtsbeschwerde (§§ 549 Abs. 1 Satz 1, 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO) auf.

b) Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt auch auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Fürsorgepflicht des unzuständigen Gerichts bei der Behandlung von fehlgeleiteten Schriftsätzen nicht in Betracht.

aa) Geht ein fristgebundener Rechtsmittelschriftsatz statt beim Rechtsmittelgericht bei dem in der Vorinstanz befasst gewesenen Gericht ein, ist dieses verpflichtet, den Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Dies folgt aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch des Rechtssuchenden auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Geht der Schriftsatz so zeitig bei dem mit der Sache befasst gewesenen Gericht ein, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, darf der Beteiligte darauf vertrauen, dass der Schriftsatz noch rechtzeitig beim Rechtsmittelgericht eingeht. Geschieht dies tatsächlich nicht, wirkt sich das Verschulden des Beteiligten oder seines Verfahrensbevollmächtigten nicht mehr aus, so dass ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (BVerfGE 93, 99, 115 f. = FamRZ 1995, 1559, 1561; BVerfG FamRZ 2001, 827).

Eine weitergehende Verpflichtung, etwa eine beschleunigte Weiterleitung an das zuständige Gericht oder eine Verpflichtung, den Beteiligten oder dessen Verfahrensbevollmächtigten durch Telefonat oder Telefax von der Einreichung des Rechtsmittels bei einem unzuständigen Gericht zu unterrichten, ergibt sich von Verfassungs wegen jedoch nicht. Denn sonst würde dem Beteiligten die Verantwortung für die Ermittlung des richtigen Adressaten fristgebundener Schriftsätze vollständig abgenommen und dem nicht empfangszuständigen Gericht übertragen (BVerfG FamRZ 2001, 827; ständige Rechtsprechung, vergleiche Senatsbeschlüsse vom 15. Juli 2011 - XII ZB 468/10 - FamRZ 2011, 1389, 1390 und vom 17. August 2011 - XII ZB 50/11 - FamRZ 2011, 1649, 1650).

bb) Die Erwartung, dass der Rechtsmittelschriftsatz bei einer Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang noch rechtzeitig den Bundesgerichtshof erreichen würde, war unter den hier obwaltenden Umständen nicht gerechtfertigt.

Zwischen dem Eingang der Rechtsmittelschrift bei dem Oberlandesgericht am Mittag des 21. Dezember 2012 (Freitag) und dem Ablauf der Rechtsbeschwerdefrist am 31. Dezember 2012 (Montag) lagen mit dem 27. Dezember 2012 (Donnerstag) und dem 28. Dezember 2012 (Freitag) lediglich zwei Arbeitstage. Selbst wenn der Vorsitzende des Beschwerdesenats oder dessen Vertreter schon am nächsten Arbeitstag nach dem Eingang des Schriftsatzes dessen Weiterleitung an den Bundesgerichtshof angeordnet hätte - was im Rahmen eines gewöhnlichen Geschäftsganges noch nicht einmal geboten gewesen wäre (vgl. Senatsbeschlüsse vom 19. Dezember 2012 - XII ZB 61/12 - juris Rn. 8 und vom 15. Juni 2011 - XII ZB 468/10 - FamRZ 2011, 1389 Rn. 13) - und diese Weiterleitung am nächsten Tag von der Geschäftsstelle veranlasst worden wäre, hätte (weil es inzwischen Freitag war) wegen des bevorstehenden Wochenendes nicht erwartet werden können, dass das Schreiben noch am selben Tag an das Postbeförderungsunternehmen zur Übermittlung an den Bundesgerichtshof gelangte (vgl. auch BGH Beschluss vom 6. November 2008 - IX ZB 208/06 - FamRZ 2009, 320, 321). Es konnte daher auch nicht damit gerechnet werden, dass der Schriftsatz im gewöhnlichen Geschäftsgang noch rechtzeitig vor dem Fristablauf am Montag bei dem Bundesgerichtshof eingehen würde, ohne dass es für diese Beurteilung noch darauf ankäme, dass in der Urlaubszeit zwischen Weihnachten und Neujahr ohnehin einer erheblichen personellen Unterbesetzung sowohl des richterlichen als auch des nichtrichterlichen Dienstes bei dem Oberlandesgericht hätte Rechnung getragen werden müssen.

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