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XII ZB 649/11

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 22. November 2011 wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Wert des Beschwerdegegenstands: bis 3.000 €

Gründe

I.

Die Parteien streiten über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich eines in der irischen Sozialversicherung erworbenen Rentenanrechts.

Der am 23. Juli 1943 geborene Antragsteller (im Folgenden: Ehemann) und die am 8. November 1941 geborene Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) schlossen am 23. April 1976 die Ehe.

Der Ehemann erwarb während der Ehezeit (1. April 1976 bis 31. Oktober 2005) Anrechte bei der Deutschen Rentenversicherung Bund sowie aus einer betrieblichen Altersversorgung. Die Ehefrau erwarb zunächst Anrechte bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See. Im Jahre 1994 trennten sich die Ehegatten. Nach der Trennung zog die Antragstellerin nach Irland und legte Versicherungszeiten in der irischen Sozialversicherung zurück.

Auf den im Oktober 2005 zugestellten Scheidungsantrag hat das Familiengericht die Ehe der Parteien durch Verbundurteil geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Auf die Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung Bund hat das Oberlandesgericht den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich dahin geregelt, dass zu Gunsten der Ehefrau monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von insgesamt 594,18 €, bezogen auf den 31. Oktober 2005, übertragen und begründet wurden und dem Antragsteller zum weiteren schuldrechtlichen Ausgleich der betrieblichen Altersversorgung aufgegeben wurde, einen Betrag von 24.076,17 € auf das Versicherungskonto der Ehefrau einzuzahlen. Hinsichtlich der in Irland von der Ehefrau erworbenen Rentenanwartschaften hat das Oberlandesgericht den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten.

Inzwischen beziehen beide Ehegatten eine laufende Versorgung. Aus der irischen Sozialversicherung erhält die Ehefrau eine Altersrente. Das Anrecht darauf erwarb sie in Höhe von 691,76 € während der Ehezeit. Auf Antrag des Ehemanns hat das Familiengericht die Ehefrau verpflichtet, an ihn im Wege des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs ab dem 1. Januar 2009 eine monatliche Ausgleichsrente von 345,88 € zu zahlen. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde der Ehefrau zurückgewiesen; hiergegen richtet sich ihre zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 5 FGG-RG, § 48 Abs. 3 VersAusglG das seit September 2009 geltende Verfahrensrecht und materielle Recht anzuwenden, weil am 31. August 2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen war.

1. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Das Familiengericht habe zu Recht den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich in Form einer Ausgleichsrente angeordnet. Dies stelle keinen Eingriff in die irische Sozialversicherung dar, da nicht deren Zahlungspflicht, sondern eine Zahlungspflicht der Antragsgegnerin begründet worden sei. Bei der irischen Rentenanwartschaft handle es sich um ein gemäß § 2 Abs. 2 VersAusglG auszugleichendes Anrecht, da es durch Arbeit geschaffen sei, der Absicherung des Alters diene und auf eine Rente gerichtet sei. Es handle sich um eine Grundrente, deren Höhe sich zwar nicht nach der Höhe, aber nach der Anzahl der Beitragsleistungen richte.

Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich sei auch nicht wegen Unbilligkeit auszuschließen (§ 27 VersAusglG). Zwar hätten die Ehegatten eine lange Zeit, nämlich rund zwölf Jahre, getrennt gelebt. Da die Antragsgegnerin jedoch selbst an den Versorgungsanwartschaften des Antragstellers partizipiert habe, die dieser während der Trennungszeit erworben hatte, sei es unbillig, ihm eine entsprechende Teilhabe an der während der Trennungszeit erworbenen irischen Rentenanwartschaft der Antragsgegnerin zu versagen.
2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Bezieht die ausgleichspflichtige Person eine laufende Versorgung aus einem noch nicht ausgeglichenen Anrecht, so kann die ausgleichsberechtigte Person von ihr gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG den Ausgleichswert als Rente (schuldrechtliche Ausgleichsrente) verlangen.

Anrechte in diesem Sinne sind im In- oder Ausland bestehende Anwartschaften auf Versorgungen und Ansprüche auf laufende Versorgungen, insbesondere aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus anderen Regelsicherungssystemen wie der Beamtenversorgung oder der berufsständischen Versorgung, aus der betrieblichen Altersversorgung oder aus der privaten Alters- und Invaliditätsvorsorge (§ 2 Abs. 1 VersAusglG).

Gemäß § 2 Abs. 2 VersAusglG ist ein Anrecht auszugleichen, sofern es durch Arbeit oder Vermögen geschaffen oder aufrechterhalten worden ist, der Absicherung im Alter oder bei Invalidität, insbesondere wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Berufsunfähigkeit oder Dienstunfähigkeit, dient und auf eine Rente gerichtet ist. Dieser Regelung liegt die Vorstellung zu Grunde, dass auf andere Weise als durch Arbeit oder Vermögen erworbene Versorgungsanrechte nicht auf einer gemeinsamen Lebensleistung der Ehegatten beruhen und damit nach dem Prinzip des Versorgungsausgleichs den Ausgleich nicht rechtfertigen würden (vgl. bereits BT-Drucks. 7/4361 S. 36).

Unter die danach auszugleichenden Anrechte fällt auch die von der Antragsgegnerin in der irischen Sozialversicherung erworbene Rentenanwartschaft. Nach den getroffenen Feststellungen handelt es sich bei dieser um eine laufende Versorgungsleistung aus der irischen Sozialversicherung. Der Anspruch hierauf beruht auf Pflichtbeiträgen, die der Versicherte vor der Vollendung des 66. Lebensjahres in Abhängigkeit von seinem Einkommen als Angestellter oder Selbstständiger zu erbringen hat. Somit handelt es sich um ein Rentenanrecht, das durch Arbeit geschaffen und aufrechterhalten wird. Darauf, ob die Höhe des Rentenanspruchs mit der Höhe der erbrachten Beitragszahlungen korrespondiert, kommt es nicht an (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Februar 2008 - XII ZB 66/07 - FamRZ 2008, 770 Rn. 28 zur niederländischen AOW-Pension). Denn § 2 Abs. 2 VersAusglG verlangt nicht ein beitragsfinanziertes Versorgungssystem, sondern nur einen Kausalitäts- und Zurechnungszusammenhang zwischen der Arbeitsleistung des Ehegatten und seinem Rentenanspruch. Ausgleichspflichtig wäre daher auch ein Rentenanspruch, der sich allein aus Arbeitgeberbeiträgen oder aus Steuermitteln finanziert, sofern nur das Teilhaberecht des Ehegatten auf seine Arbeit als Teil der gemeinsamen Lebensleistung zurückzuführen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Februar 2008 - XII ZB 66/07 - FamRZ 2008, 770 Rn. 43).

b) Zutreffend und auch von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen hat das sachverständig beratene Oberlandesgericht den Ehezeitanteil an der laufenden Versorgung auf monatlich 691,76 € festgestellt und hiervon die Hälfte schuldrechtlich ausgeglichen.

c) Ebenfalls zu Recht hat das Oberlandesgericht keinen Härtefall nach § 27 VersAusglG angenommen. Nach dieser Vorschrift findet ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen. Ob und in welchem Umfang die Durchführung des Versorgungsausgleichs grob unbillig erscheint, unterliegt grundsätzlich der tatrichterlichen Beurteilung, die im Verfahren der Rechtsbeschwerde nur darauf hin zu überprüfen ist, ob alle wesentlichen Umstände berücksichtigt wurden und das Ermessen in einer dem Gesetzeszweck entsprechenden Weise ausgeübt worden ist (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 30. März 2011 - XII ZB 54/09 - FamRZ 2011, 877 Rn. 11; vom 11. September 2007 - XII ZB 107/04 - FamRZ 2007, 1964; vom 29. März 2006 - XII ZB 2/02 - FamRZ 2006, 769, 770 und vom 25. Mai 2005 - XII ZB 135/02 - FamRZ 2005, 1238). Auf der Grundlage dieser eingeschränkten Überprüfung ist die durch das Beschwerdegericht vorgenommene Abwägung nicht zu beanstanden.

aa) Zwar kann eine lange Trennungszeit der Parteien Anlass sein, den Ausschluss oder die Herabsetzung des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit zu erwägen. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, können im Rahmen der Billigkeitsabwägung zu berücksichtigende Umstände auch darin bestehen, dass eine Versorgungsgemeinschaft durch lange Trennung der Ehegatten aufgehoben worden war (Senatsbeschlüsse vom 11. September 2007 - XII ZB 107/04 - FamRZ 2007, 1964 und vom 29. März 2006 - XII ZB 2/02 - FamRZ 2006, 769 mwN). In diesen Fällen fehlt dem Versorgungsausgleich die eigentlich rechtfertigende Grundlage, denn jede Ehe ist infolge der auf Lebenszeit angelegten Gemeinschaft schon während der Phase der Erwerbstätigkeit im Keim eine Versorgungsgemeinschaft, die der beiderseitigen Alterssicherung dienen soll (Senatsbeschlüsse vom 28. September 2005 - XII ZB 177/00 - FamRZ 2005, 2052, 2053; vom 19. Mai 2004 - XII ZB 14/03 -FamRZ 2004, 1181, 1182 und vom 28. Oktober 1992 - XII ZB 42/91 - FamRZ 1993, 302, 303). Hat eine Versorgungsgemeinschaft wegen langer Trennungszeit nicht mehr bestanden, kann eine Korrektur des Versorgungsausgleichs deshalb unter Billigkeitsgesichtspunkten gerechtfertigt sein (Senatsbeschlüsse vom 11. September 2007 - XII ZB 107/04 - FamRZ 2007, 1964 und vom 29. März 2006 - XII ZB 2/02 - FamRZ 2006, 769). Für die Dauer der Trennung lässt sich dabei kein allgemeiner Maßstab anlegen. Sie wird aber umso eher zur Anwendung der Härteklausel führen, je länger sie im Verhältnis zum tatsächlichen Zusammenleben gewährt hat (Senatsbeschluss vom 11. September 2007 - XII ZB 107/04 - FamRZ 2007, 1964).

Einer Beschränkung des Versorgungsausgleichs steht dabei nicht entgegen, dass § 1 Abs. 1 VersAusglG den Wertausgleich grundsätzlich für die gesamte Ehezeit vorschreibt. Die Regelung beruht in erster Linie auf Zweckmäßigkeitserwägungen, insbesondere wollte der Gesetzgeber dem Ausgleichsverpflichteten die Möglichkeit nehmen, den Ausgleichsanspruch durch Trennung von dem Ehegatten zu manipulieren (vgl. bereits Senatsbeschlüsse vom 29. März 2006 - XII ZB 2/02 - FamRZ 2006, 769 und vom 19. Mai 2004 - XII ZB 14/03 - FamRZ 2004, 1181, 1183; BT-Drucks. 7/4361 S. 36).

Allerdings erfordert § 27 VersAusglG für einen Ausschluss oder eine Herabsetzung des Wertausgleichs eine grobe Unbilligkeit, das heißt eine rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs muss unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, nämlich eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechten zu gewährleisten, in unerträglicher Weise widersprechen (Senatsbeschlüsse vom 21. März 2012 - XII ZB 147/10 - FamRZ 2012, 845 Rn. 16; vom 30. März 2011 - XII ZB 54/09 - FamRZ 2011, 877 Rn. 11 mwN; vom 29. März 2006 - XII ZB 2/02 - FamRZ 2006, 769, 770 und vom 25. Mai 2005 - XII ZB 135/02 - FamRZ 2005, 1238, 1239, jeweils zu §§ 1587 c, 1587 h BGB). Die grobe Unbilligkeit muss sich wegen des Ausnahmecharakters von § 27 VersAusglG im Einzelfall aus einer Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten ergeben (vgl. Senatsbeschlüsse vom 21. März 2012 - XII ZB 147/10 - FamRZ 2012, 845 Rn. 16; vom 30. März 2011 - XII ZB 54/09 - FamRZ 2011, 877 Rn. 11 und vom 29. März 2006 - XII ZB 2/02 - FamRZ 2006, 769, 770; BVerfG FamRZ 2003, 1173, 1174).

bb) Nach diesem Maßstab sind die Erwägungen, mit denen das Oberlandesgericht das Vorliegen eines Härtefalls im Ergebnis verneint hat, nicht zu beanstanden. Das Oberlandesgericht hat berücksichtigt, dass die Ehegatten eine lange Zeit, nämlich zwölf von insgesamt rund 30 Ehejahren, getrennt gelebt haben. Auch hat das Oberlandesgericht durchaus berücksichtigt, dass der Antragsteller vorzeitig in den Ruhestand trat und damit am Ende der Ehezeit selbst keine ausgleichsfähigen Versorgungsanrechte mehr erworben hat, ohne dass es hier entscheidend darauf ankäme, ob die Verrentung - wie vom Oberlandesgericht angenommen - im Jahre 2005 oder - wie von der Rechtsbeschwerde herausgestellt - schon Mitte 2003 eintrat. Das Oberlandesgericht hat das Vorliegen einer unbilligen Härte nämlich mit der tragenden Begründung verneint, dass die Antragsgegnerin ihrerseits an den Versorgungsanwartschaften des Antragstellers partizipiert habe, die dieser in der seit 1994 währenden Trennungszeit erworben hat. Damit ist das Oberlandesgericht zutreffend davon ausgegangen, dass es der Annahme einer unbilligen Härte des schuldrechtlichen Ausgleichs entgegenstehen kann, wenn zu Gunsten des Ausgleichspflichtigen bereits eine Versorgung, die der andere Ehegatte während der Trennungszeit erworben hatte, im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich ausgeglichen wurde. Denn ein wechselseitiger Ausgleich von während der Trennungszeit erworbenen Anrechten mildert die Härte ab, die bei einem einseitigen Ausgleich zu Lasten nur eines Ehegatten entstünde. Die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs ist in der Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten unter Berücksichtigung des zu Gunsten der Antragsgegnerin bereits im Verbundverfahren vorgenommenen Versorgungsausgleichs somit auf der Grundlage der nicht zu beanstandenden Feststellungen des Oberlandesgerichts keine unbillige Härte.

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