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IV ZB 15/11

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 3. August 2011 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 65.000 €

Gründe

I. Der zwischen dem 28. und 29. März 2010 verstorbene Erblasser hinterließ keine letztwillige Verfügung. Seine Ehefrau und seine Mutter schlugen die Erbschaft durch Erklärungen gegenüber dem Nachlassgericht vom 29. April 2010 und 6. Mai 2010 aus. Der Beschwerdegegner, der Bruder des Erblassers, der im Zeitpunkt des Erbfalles seinen Wohnsitz auf Mallorca (Spanien) hatte, schlug durch notariell beglaubigte Erklärung vom 17. September 2010, beim Nachlassgericht eingegangen am 21. September 2010, die Erbschaft ebenfalls aus. Mit Beschluss vom 22. September 2010 stellte das Nachlassgericht das Erbrecht des Fiskus gemäß § 1964 BGB fest. Dieser nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehene Beschluss wurde der Beschwerdeführerin, der für die Abwicklung von in den Nachlass des Landes fallenden Erbschaften zuständige Behörde am 24. September 2010 zugestellt. Diese legte mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2010, beim Nachlassgericht eingegangen am 21. Dezember 2010, Beschwerde ein und berief sich darauf, sie sei nicht Erbin geworden, da der Beschwerdegegner die Erbschaft nicht rechtzeitig ausgeschlagen und schon vor der Ausschlagungserklärung angenommen habe.

Das Nachlassgericht half der Beschwerde nicht ab. Auf einen Hinweis des Beschwerdegerichts bezüglich einer Verfristung des Rechtsmittels vertrat die Beschwerdeführerin die Ansicht, ihr stehe gegen den Feststellungsbeschluss nach § 1964 BGB die unbefristete Beschwerde zu. Hilfsweise hat sie Wiederaufnahme des Verfahrens und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen, den Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen sowie ihren weiteren Antrag auf Abänderung des Beschlusses des Nachlassgerichts nach § 48 Abs. 1 FamFG als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde, mit der die Beschwerdeführerin beantragt, ihr unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

II. Die gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthafte und auch nach § 71 FamFG im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Nachlassgerichts vom 22. September 2010 ist nicht fristgerecht eingelegt worden.

a) Gegen den Beschluss nach § 1964 BGB, durch den festgestellt wird, dass ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist, ist die befristete Beschwerde gemäß § 58 Abs. 1, § 63 Abs. 1, 3 FamFG eröffnet, die innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses einzulegen ist (MünchKomm-BGB/Leipold, 5. Aufl. § 1964 Rn. 12; Erman/Schlüter, BGB 13. Aufl. § 1964 Rn. 3; Palandt/Weidlich, BGB 70. Aufl. § 1964 Rn. 2). Diese durch das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586), gültig seit dem 1. September 2009, eingeführte befristete Beschwerde hat für die dort geregelten Verfahren die bisherige unbefristete einfache Beschwerde abgelöst (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 205). Lediglich im Grundbuch- und Schiffsregisterwesen besteht noch die Möglichkeit einer unbefristeten Beschwerde. Für den Bereich des Nachlassverfahrens hat der Gesetzgeber demgegenüber keine Ausnahme von der befristeten Beschwerde vorgesehen. Sie dient der Verfahrensbeschleunigung sowie der möglichst frühzeitigen Rechtsklarheit für alle Beteiligten über den dauerhaften Bestand der Entscheidung und bezweckt eine Verfahrensvereinfachung (BT-Drucks. aaO). Auch der Fiskus muss mithin innerhalb eines Monats nach Zustellung des Feststellungsbeschlusses gemäß § 1964 BGB die befristete Beschwerde einlegen. Der Lauf dieser Beschwerdefrist ist unabhängig davon, ob der angefochtene Beschluss mit der nach § 39 FamFG vorgesehenen Rechtsmittelbelehrung versehen ist. Fehlt diese - wie hier - so kommt lediglich eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 17 FamFG in Betracht (vgl. auch BT-Drucks. aaO S. 183).

b) Ohne Erfolg macht die Beschwerdeführerin demgegenüber geltend, die Einhaltung der Monatsfrist führe bei ihr zu erheblichen Problemen und unbilligen Ergebnissen, weil sie als Außenstehende in einem Erbfall häufig noch zusätzliche Informationen im familiären Umfeld einholen und mit den betroffenen Personen Kontakt aufnehmen müsse. Diese Ermittlungen seien oft innerhalb der Monatsfrist nicht abzuschließen. Die Schwierigkeiten des Fiskus bei der Aufarbeitung des Sachverhalts sowie der Klärung, ob nicht doch andere Erben in Betracht kommen, rechtfertigen aber keine Abweichung von der eindeutigen gesetzlichen Regelung. Hierdurch kommt es auch nicht zu unbilligen und der materiellen Rechtslage nicht entsprechenden Ergebnissen. Hat der Fiskus Zweifel, ob er gesetzlicher Erbe nach § 1936 BGB ist und der Feststellungsbeschluss gemäß § 1964 BGB daher zu Recht ergangen ist, so bleibt es ihm unbenommen, zunächst fristwahrend Beschwerde einzulegen und um die Einräumung einer gesonderten Frist zur Begründung der Beschwerde nach § 65 Abs. 2 FamFG zu ersuchen. Bestehen für den Fiskus innerhalb der Beschwerdefrist keine Zweifel daran, dass er Erbe ist, und haben sich - wie hier behauptet - diese Erkenntnisse erst nach Fristablauf ergeben, so kommt nach § 48 Abs. 1 FamFG eine Abänderung des ursprünglichen Feststellungsbeschlusses in Betracht. Für dieses neue Verfahren ist das Nachlassgericht erstinstanzlich zuständig.

c) Soweit die Beschwerdeführerin weiter darauf verweist, der Fiskus müsse häufig Steuermittel aufwenden, etwa zur Erfüllung von Verkehrssicherungspflichten bei in den Nachlass fallenden Grundstücken, so ist es gerade Sinn und Zweck des gesetzlichen Erbrechts des Staates nach § 1936 BGB, herrenlose Nachlässe zu vermeiden und eine ordnungsgemäße Nachlassabwicklung zu sichern (MünchKomm-BGB/Leipold, § 1936 Rn. 2). Wird später ein anderer Erbe festgestellt, so steht dem Fiskus diesem gegenüber ein Anspruch auf Ersatz seiner Verwendungen und Aufwendungen gemäß § 2022 BGB zu. Das Risiko, einen derartigen Anspruch wegen Vermögenslosigkeit des wahren Erben nicht realisieren zu können, ist keine Besonderheit des gesetzlichen Erbrechts des Fiskus und rechtfertigt keine Abweichung von dem Grundsatz der befristeten Beschwerde.

d) Schließlich begründet der Feststellungsbeschluss nach § 1964 Abs. 2 BGB ohnehin lediglich die Vermutung dafür, dass der Fiskus gesetzlicher Erbe ist. Durch diesen Beschluss werden weder das Erbrecht des Staates begründet noch Erbrechte bislang unermittelt gebliebener vorrangiger Erben ausgeschlossen (OLG München NJW-RR 2011, 1379, 1381; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1964 Rn. 9; Staudinger/Marotzke, BGB [2008] § 1964 Rn. 13; Erman/Schlüter aaO Rn. 1; Palandt/Weidlich aaO Rn. 2). Der Feststellungsbeschluss hat also keine rechtsbegründende Wirkung und schließt weder eine anderweitige Feststellung des tatsächlichen Erben im Wege des Zivilprozessverfahrens noch die Erteilung eines Erbscheins mit abweichender Erbfolge aus (MünchKomm-BGB/Leipold aaO; Palandt/Weidlich aaO Rn. 3). Der Beschluss nach § 1964 BGB kann bei Vorliegen neuer Tatsachen von Amts wegen aufgehoben werden. Für eine zeitlich unbefristete Beschwerde des Fiskus besteht daher auch aus diesem Grund keine Veranlassung.

2. Auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 17 Abs. 1 FamFG wegen Versäumung der Beschwerdefrist kommt nicht in Betracht.

a) Zwar enthielt der Beschluss des Nachlassgerichts vom 22. September 2010 entgegen § 39 FamFG keine Rechtsmittelbelehrung. Nach § 17 Abs. 2 FamFG wird ein Fehlen des Verschuldens bei Einhaltung einer gesetzlichen Frist vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Diese Regelung dient in erster Linie dem Schutz des rechtsunkundigen Beteiligten an der Versäumung der Frist (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 2010 - XII ZB 82/10, FamRZ 2010, 1425 unter II 2 a). Demgegenüber ist ein Rechtsirrtum etwa durch eine anwaltlich vertretene Partei in der Regel verschuldet und steht einer Wiedereinsetzung entgegen (BGH aaO; Ahn-Roth in Prütting/Helms, FamFG 2. Aufl. § 17 Rn. 25, 25a). Hierbei kann die Frage, ob die Vermutungswirkung des § 17 Abs. 2 FamFG bei fehlender oder fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung widerlegbar ist oder nicht, offen bleiben (für eine unwiderlegbare Vermutung Ahn-Roth aaO Rn. 29; Keidel, FamFG 17. Aufl. § 17 Rn. 36; a.A. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 70. Aufl. § 17 FamFG Rn. 5). Der Gesetzgeber hat mit der Neuregelung der §§ 17, 39 FamFG ausdrücklich die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Verfassungsgebot einer Rechtsmittelbelehrung in Wohnungseigentumssachen aufgegriffen (BGH, Beschluss vom 2. Mai 2002 - V ZB 36/01, BGHZ 150, 390, 396; BT-Drucks. 16/6308 S. 183). Hierbei hat er insbesondere auf die vom Bundesgerichtshof herangezogene Rechtsprechung zu § 44 Satz 2 StPO hingewiesen, die einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Belehrungsmangel und Fristversäumnis erfordert (BGH aaO 399; BT-Drucks. aaO). Hieraus folgt, dass eine Wiedereinsetzung in denjenigen Fällen ausgeschlossen ist, in denen der Beteiligte wegen vorhandener Kenntnis über seine Rechtsmittel keiner Unterstützung durch eine Rechtsmittelbelehrung bedarf. Auf diese Weise wird vor allem der geringeren Schutzbedürftigkeit anwaltlich vertretener Beteiligter Rechnung getragen (BT-Drucks. aaO).

Dementsprechend geht die ganz überwiegende Auffassung davon aus, dass es an einem ursächlichen Zusammenhang zwischen der unterbliebenen Rechtsmittelbelehrung und der Versäumung der Rechtsmittelfrist fehlt, wenn der Rechtsmittelführer anwaltlich vertreten war (BGH, Beschluss vom 23. Juni 2010 aaO; OLG Rostock FamRZ 2011, 986; OLG Naumburg MDR 2011, 387; OLG Karlsruhe FamRZ 2010, 2011; OLG Stuttgart FamRZ 2010, 1691; Keidel aaO Rn. 37; Musielak/Borth, FamFG 2. Aufl. § 17 Rn. 3; Bahrenfuss, FamFG, § 17 Rn. 11; Prütting aaO Rn. 31 f.; Maurer, FamRZ 2009, 465, 467, 473; a.A. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann aaO). Von einem Rechtsanwalt kann und muss erwartet werden, dass er selbst die Voraussetzungen für die Einlegung eines Rechtsmittels, insbesondere die zu wahrenden Fristen kennt. Auch in Übergangsfällen bei Änderung der Gesetzeslage hat der Rechtsanwalt die einzuhaltenden Fristen gegebenenfalls mit erhöhter Aufmerksamkeit zu überprüfen.

b) Zu Recht hat das Beschwerdegericht diese Grundsätze auf die Beschwerdeführerin als Landes-Mittelbehörde übertragen, in deren Aufgabenkreis die Abwicklung von Erbschaften des Landes fällt. Sie wird daher regelmäßig aufgrund der ihr zugewiesenen Aufgaben mit der Frage befasst, ob ein Erbrecht des Fiskus nach § 1936 BGB in Betracht kommt und ein Feststellungsbeschluss nach § 1964 BGB zu ergehen hat. In diesem Zusammenhang ist die Beschwerdeführerin dazu verpflichtet, sich selbst darüber Kenntnis zu verschaffen, ob und gegebenenfalls innerhalb welcher Fristen sie einen Beschluss, durch den das Erbrecht des Fiskus festgestellt wird, angreifen kann. Es handelt sich um im Aufgabenkreis der Beschwerdeführerin wiederkehrend anfallende Vorgänge. Sie muss sich daher die für ihre tägliche Arbeit benötigte Rechtskenntnis selbst beschaffen. Insbesondere durfte sie sich nicht darauf verlassen, dass entsprechend der früheren Rechtslage gegen den Feststellungsbeschluss nach § 1964 BGB die unbefristete Beschwerde fort galt. Die befristete Beschwerde nach §§ 58, 63 FamFG war durch die Gesetzesreform bereits mit Wirkung zum 1. September 2009 und damit mehr als ein Jahr vor der Zustellung des Beschlusses des Nachlassgerichts eingeführt worden.

Es kommt auch nicht darauf an, ob diese neue gesetzliche Regelung dem konkreten Sachbearbeiter tatsächlich bekannt war. Vielmehr fällt es in die Organisationszuständigkeit der Beschwerdeführerin als für die zur Abwicklung in den Nachlass des Landes fallender Erbschaften zuständige Behörde, geeignete Vorkehrungen dafür zu treffen, dass die entsprechende Rechtskenntnis bei den Mitarbeitern vorhanden ist. Hierfür bestand umso mehr Veranlassung, als die Beschwerdeführerin sowohl das Verfahren vor dem Nachlassgericht als auch vor dem Beschwerdegericht selbst und ohne anwaltliche Vertretung betreiben konnte (§ 10 Abs. 1 FamFG). Sogar im Verfahren der Rechtsbeschwerde vor dem Bundesgerichtshof muss die Beschwerdeführerin sich nicht durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen. Vielmehr ist hier eine Vertretung durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt möglich (§ 10 Abs. 4 Satz 2 FamFG). Gerade wegen dieser nicht bestehenden Pflicht zur anwaltlichen Vertretung hatte die Beschwerdeführerin umso mehr Anlass, dafür zu sorgen, dass ihre Mitarbeiter über die erforderliche Rechtskenntnis hinsichtlich der einzuhaltenden Fristen verfügen. Einem rechtsunkundigen Beteiligten, für den die Regelung des § 17 Abs. 2 FamFG in erster Linie vorgesehen ist, kann die Beschwerdeführerin nicht gleichgestellt werden.

c) Kommt mithin bereits aus diesem Grund eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht, so kann die weitere Frage, ob es an der Ursächlichkeit der fehlenden Rechtsmittelbelehrung für die verspätete Rechtsmitteleinlegung bereits deshalb fehlt, weil die Beschwerdeführerin innerhalb der Beschwerdefrist zunächst keinen Anlass dazu hatte, an der Richtigkeit des Feststellungsbeschlusses zu zweifeln, oder ob sie bei erfolgter Belehrung zumindest vorsorglich Beschwerde eingelegt hätte, offen bleiben.

3. Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde schließlich einen Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs, weil das Nachlassgericht die Beschwerdeführerin nicht gemäß § 37 Abs. 2 FamFG vor Erlass des Feststellungsbeschlusses beteiligt und angehört habe. Der gerügte Verfahrensverstoß betrifft nur das erstinstanzliche Verfahren und nicht die im Verfahren der Rechtsbeschwerde allein zu beurteilende Entscheidung des Beschwerdegerichts. Ein eigenständiger Verstoß des Beschwerdegerichts gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt nicht vor und kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beschwerdeführerin bereits die Frist für die Beschwerde versäumt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

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