XII ZB 25/07
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des 1. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 18. Januar 2007 aufgehoben.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts wird angewiesen festzustellen, dass der Beschluss des 1. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 30. August 2006 seit dem 10. Oktober 2006 rechtskräftig ist.
Gründe
I.
Das Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 30. August 2006 eine Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengericht - zum Versorgungsausgleich abgeändert und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Ausfertigungen der abändernden Entscheidung sind durch Verfügung vom 5. September 2006 den Beteiligten am 5., 6., 7. und 8. September 2006 zugestellt worden; eine Rechtsmittelschrift ist nicht eingegangen. Im Rechtskraftvermerk des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts wird festgestellt, dass der Beschluss des Oberlandesgerichts seit dem 5. September 2006 rechtskräftig sei.
Gegen diese Feststellung hat sich die Deutsche Rentenversicherung Bund mit der Erinnerung gewandt und beantragt, als Rechtskrafttermin den auf den Ablauf der Rechtsbeschwerdefrist folgenden Tag festzustellen. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Das Oberlandesgericht hat die Erinnerung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Erinnerungsführerin mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
Das Rechtsmittel ist begründet.
1. Das Oberlandesgericht ist der Auffassung, dass seine Entscheidung (vom 30. August 2006) zum Versorgungsausgleich bereits mit der Absendung dieser Entscheidung an die Beteiligten am 5. September 2006 rechtskräftig geworden sei. Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung sei nicht statthaft, da die Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung nicht zugelassen worden sei und die Nichtzulassung nach § 26 Nr. 9 EGZPO generell unanfechtbar sei. Soweit der Bundesgerichtshof die Auffassung vertreten habe, ein Rechtsmittel in Ehesachen sei nicht grundsätzlich unstatthaft, weil das Gesetz für den Fall der Nichtzulassung von Revision oder (damals:) weiterer Beschwerde keine Regelung enthalte und deshalb in Zweifelsfällen eine Entscheidung des Revisionsgerichts beziehungsweise des Gerichts der weiteren Beschwerde erforderlich sei, habe sich die Rechtslage zwischenzeitlich geändert. Der Gesetzgeber habe in diesem Zweifelspunkt Abhilfe geschaffen, indem er in den §§ 543, 544 ZPO nunmehr die Nichtzulassungsbeschwerde ausdrücklich geregelt und in § 26 Nr. 9 EGZPO bestimmt habe, dass diese Vorschriften in Familiensachen keine Anwendung finden, soweit die anzufechtende Entscheidung vor dem 1. Januar 2010 verkündet oder einem Beteiligten zugestellt oder sonst bekannt gemacht worden sei. Daraus ergebe sich zwingend, dass mangels Zulassung der Rechtsbeschwerde ein Rechtsmittel unstatthaft gewesen wäre mit der Folge, dass im vorliegenden Fall die Rechtskraft mit dem Tag des Existentwerdens des Beschlusses des Oberlandesgerichts (vom 30. August 2006), also der Absendung an die Beteiligten (am 5. September 2006), eingetreten sei.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Eine gerichtliche Entscheidung wird nur dann mit ihrer Verkündung beziehungsweise mit ihrer Zustellung oder sonstigen Bekanntgabe an die Beteiligten rechtskräftig, wenn ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung schon an sich nicht statthaft ist. Unter einem an sich statthaften Rechtsmittel ist, wie der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (BGHZ 88, 353, 357 = FamRZ 1984, 975, 976) entschieden hat, ein solches zu verstehen, das ohne Rücksicht auf besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben ist. Unstatthaftigkeit eines Rechtsmittels bedeutet, wie der Senat dargelegt hat (Senatsurteil vom 15. November 1989 - IVb ZR 3/89 - FamRZ 1990, 283, 286 f.), dementsprechend die generelle Unanfechtbarkeit der gerichtlichen Entscheidung kraft Gesetzes, ohne dass es noch eines richterlichen Rechtsfindungsaktes bedürfe, sei es durch das Erstgericht, sei es durch das Rechtsmittelgericht. An einer solchen generellen Unanfechtbarkeit fehlt es, wenn sich - wie im vorliegenden Fall der Beschluss des Oberlandesgerichts zum Versorgungsausgleich - die Unanfechtbarkeit der Entscheidung nicht unmittelbar aus dem Gesetz, sondern erst aus dem weiteren Umstand ergibt, dass das Erstgericht das Rechtsmittel nicht zugelassen hat; denn auch die Zulassung oder Nichtzulassung ist ein Akt richterlicher Rechtsfindung. Der Umstand, dass der durch das Zivilprozessreformgesetz eingefügte § 26 Nr. 9 EGZPO die Nichtzulassung eines Rechtsmittels in Familiensachen der Nachprüfung entzieht, ändert deshalb nichts daran, dass das Gesetz eine Rechtsbeschwerde gegen eine Entscheidung des Oberlandesgerichts in Familiensachen vorsieht, auch wenn es deren Statthaftigkeit von der weiteren Voraussetzung einer Zulassung durch das Oberlandesgericht abhängig macht. Auch unter der Geltung des Zivilprozessreformgesetzes tritt die Rechtskraft einer solchen Entscheidung, auch wenn sie die Rechtsbeschwerde nicht zulässt, folglich nicht schon mit ihrer Verkündung, Zustellung oder sonstigen Bekanntgabe, sondern grundsätzlich erst dann ein, wenn die Rechtsbeschwerdefrist abgelaufen und binnen dieser Frist keine Rechtsmittelschrift eingegangen ist.
Für diese Auffassung spricht nicht nur - wie dargestellt - der Zusammenhang des Rechtsmittelrechts, sondern auch ein praktisches Bedürfnis. So kann insbesondere zweifelhaft sein, inwieweit ein Rechtsmittel wirksam zugelassen worden ist. In einem solchen Fall muss das Rechtsmittelgericht zunächst über die Reichweite der Zulassung oder Nichtzulassung entscheiden. Vor einer solchen Entscheidung steht letztlich nicht verbindlich fest, inwieweit die angefochtene Entscheidung - mangels Zulassung der Rechtsbeschwerde - einer Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht entzogen und insoweit rechtskräftig ist. Dies schließt es aber aus, in Fällen, in denen die Rechtsbeschwerde - unbeschadet einer möglicherweise nur begrenzten Zulassung - unbeschränkt eingelegt worden ist, die Rechtkraft der Entscheidung - ganz oder hinsichtlich des von der Zulassung nicht erfassten Teils - als bereits mit der Verkündung, Zustellung oder Bekanntgabe eingetreten anzusehen. Auch allgemein muss es deshalb bei dem Grundsatz verbleiben, dass die Entscheidung eines Oberlandsgerichts in Familiensachen, welche ein Rechtsmittel nicht zulässt, erst dann rechtskräftig wird, wenn die Rechtsmittelfrist abgelaufen ist und ein unbeschränktes Rechtsmittel nicht innerhalb dieser Frist eingelegt ist.
3. Die angefochtene Entscheidung kann danach nicht bestehen bleiben. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden. Die Rechtskraft des Beschlusses des Oberlandesgerichts (vom 30. August 2006) zum Versorgungsausgleich ist erst eingetreten, als die einmonatige, am 8. September 2006 (letzte Zustellung) beginnende Rechtsbeschwerdefrist mit dem 9. Oktober 2006 (Montag) abgelaufen war. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts war deshalb anzuweisen, in seinem Rechtskraftvermerk festzustellen, dass der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 30. August 2006 seit dem 10. Oktober 2006 rechtskräftig ist.