XII ZB 46/01
Tenor
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des 6. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt vom 5. Januar 2001 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 511 € (= 1.000 DM).
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin im Wege des verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs die Zahlung einer Ausgleichsrente.
Die 1963 geschlossene Ehe der Antragstellerin mit K. R. wurde 1987 geschieden. In der Ehezeit (1. September 1963 bis 30. September 1986, § 1587 Abs. 2 BGB) hatten beide Ehegatten Versorgungsanrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) erworben; für den Ehemann bestanden daneben Anrechte auf betriebliche Altersversorgung bei der Antragsgegnerin. Zum Ausgleich der Anrechte bei der BfA hat das Amtsgericht den Versorgungsausgleich dahin geregelt, daß es im Wege des Rentensplittings nach § 1587b Abs. 1 BGB Rentenanwartschaften des Ehemannes bei der BfA auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der BfA übertragen hat. Den Ausgleich der dem Ehemann zustehenden Anrechte auf betriebliche Altersversorgung bei der Antragsgegnerin hat das Amtsgericht dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten.
Die Antragstellerin ist seit 1987 erneut verheiratet. Ihr früherer Ehemann ist am 7. Januar 1996 verstorben. Die Antragstellerin beansprucht von der Antragsgegnerin aus den bei dieser für ihren früheren Ehemann bestehenden betrieblichen Altersversorgung eine verlängerte schuldrechtliche Ausgleichsrente. Nach der Pensionsordnung der Antragsgegnerin erhält der überlebende Ehegatte eines Mitarbeiters eine Witwen-/Witwerpension, wenn die Ehe mindestens drei Monate und bis zum Tode des Mitarbeiters bestanden hat. Die Witwen-/Witwerpension erlischt mit dem Ablauf des Monats, in dem die Witwe/der Witwer sich wieder verheiratet. Im Falle der Wiederheirat der Witwe/des Witwers wird dieser/diesem eine Abfindung in Höhe der zweifachen Witwen-/Witwer-Jahrespension gewährt.
Das Amtsgericht hat festgestellt, daß der Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin ein verlängerter schuldrechtlicher Versorgungsausgleichsanspruch gemäß § 3a VAHRG dem Grunde nach zusteht. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Oberlandesgericht den Antrag auf Durchführung des verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs zurückgewiesen. Mit der zugelassenen weiteren Beschwerde erstrebt die Antragstellerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses.
II.
Das Rechtsmittel ist nicht begründet.
1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts kann die Antragstellerin keine schuldrechtliche Ausgleichsrente nach § 3a VAHRG beanspruchen. Eine solche Ausgleichsrente stünde der Antragstellerin nur zu, wenn sie für den Fall, daß ihre (erste) Ehe bis zum Tode ihres (ersten) Ehemannes fortbestanden hätte, von der Antragsgegnerin eine Hinterbliebenenversorgung verlangen könnte. Dies sei jedoch nicht der Fall. Nach Abschnitt VIII Nr. 3 der Pensionsordnung der Antragsgegnerin erlösche ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung, wenn die Witwe sich wieder verheirate. Da die Antragstellerin unmittelbar nach der Scheidung von ihrem (ersten) Ehemann wieder geheiratet habe, lägen die Voraussetzungen, unter denen nach der Pensionsordnung der (echten) Witwe eine Hinterbliebenenversorgung geschuldet werde, in der Person der Antragstellerin nicht vor. Damit sei aber auch ein Anspruch der Antragstellerin auf verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Der Umstand, daß die Pensionsordnung der (echten) Witwe für den Fall der Wiederverheiratung einen Abfindungsanspruch zugestehe, ändere daran nichts. Die - in der Literatur umstrittene - Frage, ob dem geschiedenen ausgleichsberechtigten Ehegatten in Fällen, in denen die Pensionsordnung des Arbeitgebers für den Fall der Wiederverheiratung eine Abfindung vorsehe, eine verlängerte schuldrechtliche Ausgleichsrente bis zur Höhe der Abfindung zustehe, erscheine zweifelhaft. Sie sei jedenfalls dann zu verneinen, wenn der geschiedene Ehegatte - wie hier - bei Eintritt der Voraussetzungen des § 3a Abs. 1 VAHRG bereits wieder verheiratet sei. Die Wiederverheiratungsklausel in der Pensionsordnung der Antragsgegnerin sei ersichtlich dem § 107 Abs. 1 Satz 1 SGB VI nachgebildet. Die dort vorgesehene Abfindung sei nicht als Kapitalisierung von Rentenleistungen zu verstehen, die der Versorgungsträger "an sich" - also auch nach einer Wiederverheiratung - schulde. Es handele sich vielmehr um eine Prämie, die der Witwe/dem Witwer den Start in eine neue Ehe erleichtern und einen Anreiz für die Aufgabe nichtehelicher Lebensgemeinschaften bieten solle. Die in der Pensionsordnung der Antragsgegnerin vorgesehene Abfindung verfolge ersichtlich denselben Zweck. Dieser Zweck erfordere die Zahlung einer Ausgleichsrente an den geschiedenen Ehegatten dann nicht, wenn er im Zeitpunkt des Todes seines früheren Ehegatten bereits wiederverheiratet sei.
2. Diese Ausführungen sind frei von Rechtsirrtum.
a) Nach § 3a VAHRG kann der geschiedene ausgleichsberechtigte Ehegatte in den Fällen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs von dem Träger der auszugleichenden Versorgung, von dem er, wenn die Ehe bis zum Tod des ausgleichspflichtigen Ehegatten fortbestanden hätte, eine Hinterbliebenenversorgung erhielte, bis zur Höhe dieser Hinterbliebenenversorgung die Ausgleichsrente nach § 1587g BGB verlangen - und zwar auch dann, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte noch keine Versorgung erlangt hatte. Durch die Verpflichtung, auch dem geschiedenen ausgleichsberechtigten Ehegatten des Versicherten in Form des verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs eine Versorgung zu gewähren, wird der Versorgungsträger mit einem zusätzlichen Risiko belastet. Diese zusätzliche Belastung erschien dem Gesetzgeber nur hinnehmbar, wenn und soweit der Versorgungsträger dem geschiedenen ausgleichsberechtigten Ehegatten für den Fall, daß die Ehe mit dem Versicherten bis zu dessen Tod fortbestanden hätte, zur Zahlung einer (Hinterbliebenen-) Versorgung verpflichtet gewesen wäre. Daran fehlt es nicht nur dann, wenn der Versorgungsträger seinem Versicherten überhaupt keine Hinterbliebenenversorgung zugesagt hat. Eine verlängerte schuldrechtliche Ausgleichsrente kommt vielmehr auch dann nicht in Betracht, wenn der Versorgungsträger die Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft hat und diese Voraussetzungen in der Person des geschiedenen ausgleichsberechtigten Ehegatten nicht vorliegen. Das ist hier der Fall: Die Antragsgegnerin hat in ihrer Pensionsordnung zwar eine Hinterbliebenenversorgung zugesagt. Die Gewährung dieser Hinterbliebenenversorgung steht jedoch unter der auflösenden Bedingung, daß der hinterbliebene Ehegatte erneut heiratet. Da § 3a VAHRG die Antragstellerin nicht besser stellen will als sie stünde, wenn ihre Ehe durch den Tod ihres (ersten) Ehemannes aufgelöst worden wäre, schließt diese Wiederverheiratungsklausel einen Anspruch der wieder verheirateten Antragstellerin auf verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich aus.
Soweit die weitere Beschwerde die in der Pensionsordnung der Antragsgegnerin vorgesehene Wiederverheiratungsklausel "bei unbefangener Betrachtung" für "befremdlich" hält, vermag der Senat dieser Einschätzung nicht zu folgen. Wiederverheiratungsklauseln beruhen auf der Vorstellung, daß der hinterbliebene Ehegatte, der sich erneut verheiratet, in dem Zusammenleben mit dem neuen Ehegatten eine angemessene Versorgung findet und auf eine Versorgung nach seinem verstorbenen Ehegatten nicht länger angewiesen ist. Diese Vorstellung hat für die gesetzliche Rentenversicherung in § 107 SGB VI, der in der Pensionsordnung der Antragsgegnerin nachgebildet ist, ihren Niederschlag gefunden. Sie rechtfertigt es, auch den Anspruch des geschiedenen Ehegatten auf verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich auszuschließen (vgl. etwa Johannsen/Henrich/Hahne Eherecht 4. Aufl. § 3a VAHRG Rdn. 12). Der weiteren Beschwerde ist zwar zuzugeben, daß der Versorgungsausgleich dem geschiedenen ausgleichsberechtigten Ehegatten grundsätzlich eine eigenständige Versorgung verschaffen will, die ihm durch spätere Ereignisse nicht mehr genommen werden kann. Dieser Grundsatz gilt indes nur für den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich, der zur Übertragung oder Begründung eigener Anrechte für den ausgleichsberechtigten Ehegatten bei gleichzeitiger Kürzung der Anrechte des ausgleichspflichtigen Ehegatten führt. Die dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich unterfallenden Anrechte folgen diesem auf dem Versicherungsprinzip aufbauenden Mechanismus aber gerade nicht. Deshalb ist der verlängerte schuldrechtliche Versorgungsausgleich als eine Ausnahme konzipiert, die nach Voraussetzungen und Höhe durch die vom Versorgungsträger zugesagte Hinterbliebenenversorgung - mithin auch durch eine dort vorgesehene Wiederverheiratungsklausel - limitiert wird.
b) Die Antragstellerin kann auch nicht deshalb eine verlängerte schuldrechtliche Ausgleichsrente von der Antragsgegnerin verlangen, weil in deren Pensionsordnung der (echten) Witwe/dem (echten) Witwer für den Fall der Wiederverheiratung eine Abfindung zugesagt wird.
In der Literatur wird zum Teil angenommen, daß auch eine als Hinterbliebenenversorgung zugesagte Kapitalleistung Grundlage eines verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs sein kann; mit der Berücksichtigung auch solcher Todes-Kapitalleistungen werde dem Schutzbedürfnis des ausgleichsberechtigten Ehegatten Rechnung getragen und Versuchen entgegengewirkt, die Rechtsfolgen des § 3a VAHRG zu umgehen (Johannsen/Henrich/Hahne aaO; MünchKomm/Glockner BGB 4. Aufl. § 3a VAHRG Rdn. 8). Daraus ist z.T. gefolgert worden, daß ein ausgleichsberechtigter Ehegatte in Fällen, in denen für den Fall der Wiederverheiratung anstelle der bisherigen Witwen-/Witwerrente eine Kapitalabfindung zugesagt sei, bis zur Ausschöpfung dieses Abfindungsbetrages eine verlängerte schuldrechtliche Ausgleichsrente beanspruchen könne (Wagenitz FamRZ 1987, 1, 6).
Es kann dahinstehen, ob diese Folgerung, die mit den in den Gesetzesmaterialien ausgewiesenen Zielen des § 3a VAHRG nicht in Einklang steht (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes über weitere Maßnahmen auf dem Gebiet des Versorgungsausgleichs BT-Drucks. 10/5447 S. 11) zwingend ist. Jedenfalls kann diese Folgerung für den hier vorliegenden Fall, in dem der ausgleichsberechtigte Ehegatte bereits vor dem Tod des ausgleichspflichtigen Ehegatten wieder geheiratet hat, keine Geltung beanspruchen. Das ergibt sich bereits aus dem System der Hinterbliebenenversorgung, wie es auch in der Pensionsordnung der Antragsgegnerin Niederschlag gefunden hat. Danach erlischt mit der Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten dessen Witwen-/Witwerrente; an ihre Stelle tritt eine Abfindung. Die Abfindung setzt mithin stets voraus, daß der Anspruch auf Witwenrente zunächst entstanden ist, dann infolge der Wiederverheiratung in Wegfall gerät und deshalb durch die Abfindung surrogiert wird. So liegen die Dinge im vorliegenden Fall aber gerade nicht: Hier hat die Antragstellerin, die vor dem Tod ihres (ersten) Ehemannes erneut geheiratet hat, schon keinen Anspruch auf verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich gegen die Antragsgegnerin erworben. Ein solcher Anspruch konnte deshalb von vornherein auch nicht durch Zahlung eines Kapitalbetrags abgefunden werden. Ein an der Abfindung der (echten) Witwe/des (echten) Witwers orientierter Ausgleichsanspruch wäre auch mit Sinn und Zweck der Abfindungsregelung nicht zu vereinbaren. Die Abfindungsregelung will, worauf das Oberlandesgericht zu Recht hingewiesen hat, dem überlebenden Ehegatten eine Startchance für dessen neue Ehe bieten; zugleich will sie einer Umgehung der Wiederverheiratungsklausel durch nichteheliche Lebensgemeinschaften begegnen. Beide Zwecke werden nicht erreicht, wenn der geschiedene Ehegatte - wie hier - nach der Ehescheidung erneut heiratet und der einen Anspruch auf verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich begründende Tod des früheren Ehegatten erst nach der Wiederverheiratung des ausgleichsberechtigten Ehegatten eintritt.