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XII ZR 184/93

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 5. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 24. Juni 1993 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Das klagende Land (im folgenden Kläger) macht gegen den Beklagten, dessen Tochter in der Zeit von Oktober 1987 bis September 1988 Vorausleistungen nach § 36 BAföG in Höhe von monatlich 681 DM erhalten hat, übergegangene Unterhaltsansprüche für den genannten Zeitraum geltend.

Der auf Zahlung von 8.172 DM nebst Zinsen gerichteten Klage gab das Amtsgericht - Familiengericht - teilweise statt, und zwar in Höhe von 4.060,80 DM nebst Zinsen. In den Gründen des am 18. März 1992 verkündeten Urteils legte es auf der Grundlage eines umfangreichen Rechenwerks dar, daß der Beklagte in dem zu beurteilenden Zeitraum nach seinem Einkommen, den anzuerkennenden Belastungen und den Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seiner zweiten Ehefrau und zwei in den Jahren 1968 und 1972 geborenen Kindern monatlich 338,46 DM Unterhalt an die vom Kläger geförderte Tochter leisten könne. Hierbei unterlief ihm ein Rechenfehler. Bei korrekter Saldierung der angesetzten Beträge ergibt sich nämlich, daß die Summe, der nach Auffassung des Gerichts abzugsfähigen Posten das anrechnungsfähige Einkommen des Beklagten um monatlich 338,46 DM übersteigt und sich demnach kein Überschuß für den Unterhalt der Tochter ergibt.

Nach Rechtskraft des Urteils beantragte der Beklagte unter Hinweis auf den Berechnungsfehler, die Entscheidung gemäß § 319 ZPO dahin zu berichtigen, daß die Klage abgewiesen wird. Dem Antrag gab das Amtsgericht statt; es ersetzte den Tenor des Urteils durch den Ausspruch "Die Klage wird abgewiesen" und berichtigte die Entscheidungsgründe u.a. dahin, daß vor den Betrag von 338,46 DM ein Minuszeichen zu setzen sei.

Auf diesen ihm am 10. September 1992 zugestellten Beschluß legte der Kläger mit einem am 16. September 1992 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz "Rechtsmittel" ein mit dem Antrag, die Berichtigungsentscheidung aufzuheben, hilfsweise das berichtigte Urteil zu ändern und den Beklagten in ursprünglich erkanntem Umfang zu verurteilen. Dazu führte er aus, wenn die erfolgte Berichtigung seinen Angriffen standhalte, sei sein Rechtsmittel als Berufung zulässig und müsse aus materiellrechtlichen Gründen zu der beantragten Änderung führen. Das Amtsgericht habe nämlich, wie näher dargelegt wurde, die Leistungsfähigkeit des Beklagten unzutreffend beurteilt.

Das Oberlandesgericht änderte auf die Berufung des Klägers das amtsgerichtliche Urteil im Sinne des gestellten Hilfsantrags ab. In den Entscheidungsgründen führte es aus, die gemäß § 319 Abs. 3 ZPO eingelegte sofortige Beschwerde gegen den Berichtigungsbeschluß sei zwar unbegründet, aber die zulässig eingelegte Berufung habe Erfolg. Das Amtsgericht habe die Leistungsfähigkeit des Beklagten in zwei Punkten nicht richtig beurteilt, so daß dem Kläger das ursprünglich Zuerkannte zustehe.

Mit der - zugelassenen - Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung in der berichtigten Fassung.

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Die Revision macht geltend, daß die Berufungsfrist für den Kläger schon durch die Zustellung des amtsgerichtlichen Urteils in der ursprünglichen Fassung am 1. April 1992 in Lauf gesetzt worden und infolgedessen seine erst am 16. September 1992 eingelegte Berufung verspätet sei. Dem ist nicht zu folgen; die Berufung des Klägers ist auch sonst zulässig.

a) Durch seinen Schriftsatz vom 16. September 1992 hat der Kläger sowohl die nach § 319 Abs. 3 ZPO statthafte sofortige Beschwerde gegen den Berichtigungsbeschluß als auch Berufung gegen das landgerichtliche Urteil in der berichtigten Fassung eingelegt. In beiden Fällen ist die gesetzliche Form gewahrt; die Verbindung zweier Rechtsmittel in einem Schriftsatz begegnet keinen Bedenken, da das angegangene Oberlandesgericht sowohl Beschwerde- als auch Berufungsgericht war. Das Oberlandesgericht hat auch über beide Rechtsmittel eine Entscheidung getroffen: Die sofortige Beschwerde hat es für unbegründet, die Berufung hingegen für begründet erachtet. Zwar ist über eine Beschwerde durch Beschluß und nicht durch Urteil zu entscheiden. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß eine Entscheidung, die an sich durch selbständigen Beschluß zu treffen ist, mit in ein Urteil aufgenommen wird, wie es in der Praxis etwa nicht selten bei Streitwertfestsetzungen gemäß § 25 GKG geschieht (vgl. Stein/Jonas/Grunsky ZPO 21. Aufl. Einl. III 60 vor § 511; Zöller/Schneider ZPO 18. Aufl. Rdn. 33 vor § 511; OLG Köln AnwBl 1969, 53, 54). In diesen Fällen stellt sich das Urteil als Verbindung zweier selbständiger Entscheidungen dar; die Anfechtung richtet sich nach den für die jeweilige Entscheidung geltenden Vorschriften. Im vorliegenden Fall folgt daraus, daß der Berichtigungsbeschluß mit dem Urteil des Oberlandesgerichts in Rechtskraft erwuchs, weil insoweit eine weitere Beschwerde nicht statthaft war (§§ 567 Abs. 4, 568 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Rechtskräftige Berichtigungsbeschlüsse sind vom Revisionsgericht grundsätzlich nicht auf die sachliche Richtigkeit hin zu überprüfen. Nur wenn wegen offenkundiger schwerer Mängel Unwirksamkeit anzunehmen ist, können sie unbeachtet bleiben (vgl. BGHZ 20, 188, 190; 78, 22, 23; BGH, Urteile vom 12. Januar 1984 - III ZR 95/82 - WM 1984, 1351, 1352 und vom 14. Juli 1994 - IX ZR 193/93 - zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Vorliegend ist ein solcher Fall nicht gegeben. Die Auffassung des Oberlandesgerichts, ein in einem Urteil aufgetretener Rechenfehler könne auch dann gemäß § 319 ZPO berichtigt werden, wenn er sich erst aufgrund der Überprüfung eines umfangreichen Rechenwerks ergebe, sofern nur kein Zweifel daran bestehe, daß das Gericht, hätte es den Fehler bemerkt, einen bestimmten anderen Betrag zu- oder aberkannt hätte, wird auch sonst vertreten (vgl. OLG Hamburg MDR 1978, 583; Zöller/Vollkommer aaO § 319 Rdn. 5); der Senat selbst ist bereits so verfahren (vgl. Beschluß vom 2. November 1988 - IVb ZB 146/83 - FamRZ 1989, 263). Somit ist von der Wirksamkeit der Berichtigung auszugehen.

b) Der Revision ist zuzugeben, daß die Berichtigung eines Urteils gemäß § 319 ZPO grundsätzlich keinen Einfluß auf Beginn und Lauf von Rechtsmittelfristen hat (st.Rspr., vgl. etwa BGHZ 89, 184; 113, 228; Senatsurteil vom 28. März 1990 - XII ZR 68/89 - FamRZ 1990, 988). Ausnahmsweise beginnt allerdings dann mit der Bekanntgabe des Berichtigungsbeschlusses eine neue Rechtsmittelfrist zu laufen, wenn das Urteil insgesamt nicht klar genug war, um die Grundlage für die Entschließungen und das weitere Handeln der Parteien und für die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu bilden; denn der Irrtum eines Gerichts darf sich nicht dahin auswirken, daß die Rechtsmittelmöglichkeit einer Partei beeinträchtigt oder gar vereitelt wird (vgl. BGHZ 113 aaO S. 231; Senatsurteil vom 28. März 1990 aaO m.w.N.). Im vorliegenden Fall hat das Oberlandesgericht einen solchen Ausnahmefall mit Recht angenommen, soweit der Kläger mit seiner Berufung das Ziel verfolgt, die zu seinen Gunsten ergangene Entscheidung in dem unberichtigten Urteil wiederherzustellen (die Bekämpfung der seinerzeit bereits geschaffenen Beschwer durch die Teilabweisung der Klage war allerdings keinesfalls mehr möglich, vgl. Senatsurteil vom 28. März 1990 aaO).

Wie im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt ist, war der in der Erstentscheidung aufgetretene Rechenfehler nicht ohne weiteres erkennbar. Tenor und Gründe standen bei grober Prüfung insoweit in Einklang, als dem Kläger der Jahresbetrag monatlicher 338,46 DM, der aufgrund eines umfangreichen Rechenwerks als "verbleibende Leistungsfähigkeit" des Beklagten bezeichnet war, zugesprochen worden war. Daß es sich bei den 338,46 DM in Wahrheit um einen Negativ-Saldo handelte, konnte nur bei genauer Überprüfung und Saldierung zahlreicher Einzelposten erkannt werden. Weiter ist zu berücksichtigen, daß der Kläger in Höhe des zunächst zugesprochenen Betrages dem äußeren Anschein nach nicht beschwert war. Ihm konnte nicht zugemutet werden, eine Berichtigung des Urteils zu seinen Ungunsten zu betreiben und anschließend - noch innerhalb der Monatsfrist des § 516 ZPO - Berufung gegen das daraufhin berichtigte Urteil einzulegen (vgl. BGHZ 17, 149, 152; RGZ 116, 13). Die Anfechtung schon vor einer Berichtigung hätte die Gefahr der Verwerfung des Rechtsmittels mangels Beschwer in sich getragen. Wollte man annehmen, die Berufungsfrist sei bereits am 1. April 1992 in Lauf gesetzt worden, auch soweit der Kläger mit seiner Klage Erfolg gehabt zu haben schien, liefe dies auf eine auch verfassungsrechtlich bedenkliche Erschwerung der Rechtsmittelmöglichkeit des Klägers hinaus. Es liegt einer der Fälle vor, in denen erst die Berichtigung die Beschwer der Partei hinreichend in Erscheinung treten läßt (vergleichbar mit der Fallgestaltung in BGHZ 17 aaO). Die nach allem erst mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses in Lauf gesetzte Berufungsfrist hat der Kläger gewahrt.

c) Bedenken sind auch nicht aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der Bedingungsfeindlichkeit einer Berufung herzuleiten. Zwar hat sich der Kläger mit seinem "Rechtsmittel" primär gegen den Berichtigungsbeschluß gewendet und nur hilfsweise Berufungsangriffe erhoben. Dies ist aber nicht in dem Sinne zu verstehen, daß die Berufung bedingt für den Fall des Mißerfolges der sofortigen Beschwerde gemäß § 319 Abs. 3 ZPO eingelegt worden wäre. Vielmehr ist bewußt der Begriff "Rechtsmittel" gewählt und mit der Erklärung, dieses sei auch als Berufung zulässig, hinreichend deutlich gemacht worden, daß sowohl sofortige Beschwerde als auch Berufung eingelegt werde. In der Art der Antragstellung lag unter diesen Umständen lediglich die Anregung, zunächst über die sofortige Beschwerde und erst dann über die Berufung zu entscheiden. Es kann daher dahinstehen, ob eine nur für den Fall des Mißerfolgs der sofortigen Beschwerde eingelegte Berufung unzulässig (so wohl MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher § 518 Rdn. 42; s.a. BGH, Beschluß vom 21. Mai 1985 - VI ZB 4/85 - NJW 1986, 935, 936) oder deswegen zulässig gewesen wäre, weil nur von einem innerprozessualen Vorgang abhängig gemacht (sowohl Stein/Jonas/Grunsky aaO § 518 Rdn. 17).

2. Zur Begründetheit der Berufung hat das Oberlandesgericht ausgeführt: Die Beurteilung des Amtsgerichts sei zunächst insoweit zu beanstanden, als es vorrangig Unterhaltsleistungen des Beklagten für seinen volljährigen Sohn J. in Höhe von monatlich 600 DM berücksichtigt habe. § 1609 Abs. 1 BGB bestimme, daß lediglich die minderjährigen unverheirateten Kinder den anderen Kindern im Range vorgingen. Der Unterhaltsverpflichtete müsse deshalb mehreren berechtigten volljährigen Kindern gleichrangig Unterhalt gewähren mit der Folge, daß hier ein Vorwegabzug von monatlich 600 DM nicht in Betracht komme.

Weiterhin sei der Abzug von monatlich 1.040 DM für den Unterhalt der zweiten Ehefrau des Beklagten nicht gerechtfertigt. Deren Bedürftigkeit könne nicht allein daraus hergeleitet werden, daß sie nach dem vorgelegten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1987 Verluste aus gewerblicher Tätigkeit in Höhe von 2.471 DM gehabt habe. Steuerlich beachtliche Ausgaben seien nicht immer in gleicher Weise unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen. Mehrfachen Aufforderungen, diese im vorliegenden Fall näher zu erläutern, sei der Beklagte nicht nachgekommen. Daher sei entsprechend dem Vorbringen des Klägers davon auszugehen, daß die zweite Ehefrau des Beklagten über eigene Einkünfte verfügt habe und nicht unterhaltsbedürftig gewesen sei.

Dem Beklagten sei danach in dem fraglichen Zeitraum bei Zugrundelegung des im übrigen zutreffenden Rechenwerks des Amtsgerichts ein monatlicher Betrag von 1.301,54 DM (1.640 DM - 338,46 DM) verblieben, der für den Unterhalt des Sohnes J. und denjenigen der vom Kläger unterstützten Tochter zur Verfügung gestanden habe. Der Kläger verlange für die Tochter nur noch monatlich 338,46 DM. In diesem Umfang sei der Beklagte ihr gegenüber jedenfalls leistungsfähig und auch unterhaltspflichtig gewesen.

Die Revision greift die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Gleichrangigkeit des Sohnes J. und der Tochter des Beklagten nicht an und macht lediglich geltend, daß der Betrag von monatlich 1.040 DM als Unterhalt der jetzigen Ehefrau des Beklagten nicht streitig gewesen sei. Der Beklagte sei nicht gehalten gewesen, deren wirtschaftliche Verhältnisse zu offenbaren, soweit sie ihm überhaupt bekannt gewesen seien. Nach allgemeinen Grundsätzen sei es vielmehr Sache des Klägers gewesen zu beweisen, daß die Ehefrau des Beklagten soviel Einkünfte erzielt habe, daß sie sich in dem fraglichen Zeitraum selbst habe unterhalten können.

Dieses Vorbringen vermag den Bestand des angefochtenen Urteils nicht zu gefährden. Der Kläger hat jedenfalls in zweiter Instanz bestritten, daß die jetzige Ehefrau des Beklagten von diesem wirtschaftlich abhängig gewesen sei, weil sie über Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit verfügt habe. Der Vorsitzende des Berufungsgerichts hat den Beklagten daraufhin durch Verfügung gemäß § 273 Abs. 2 Nr. 1 ZPO aufgefordert, die geltend gemachten Verluste aus dieser Tätigkeit näher zu erläutern. Dem ist der Beklagte nicht nachgekommen, auch nicht auf Befragen in der Berufungsverhandlung. Da er für die Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit durch die Unterhaltsbedürftigkeit seiner Ehefrau die Darlegungs- und Beweislast trägt (vgl. etwa Senatsurteil vom 30. Januar 1985 - IVb ZR 65/83 - FamRZ 1986, 458, 460; Schwab/Borth Handbuch des Scheidungsrechts 2. Auflage Teil IV Rdn. 747 m.w.N.), hat er die nachteiligen Folgen der insoweit verbleibenden Ungewißheit zu tragen. Die steuerliche Bewertung von Einkünften aus gewerblicher Tätigkeit ist unterhaltsrechtlich in verschiedener Hinsicht nicht maßgebend (vgl. etwa Senatsurteil vom 23. April 1980 - IVb ZR 510/80 - FamRZ 1980, 770); es ist nicht ausgeschlossen, daß in einem Zeitraum steuerrechtlich ein Verlust vorliegt, unterhaltsrechtlich aber ein Gewinn (vgl. dazu etwa Fischer-Winkelmann/Maier FamRZ 1993, 880, 889 m.w.N.). Daher ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß sich das Berufungsgericht vorliegend nicht in der Lage gesehen hat, seiner Entscheidung die Unterhaltsbedürftigkeit der jetzigen Ehefrau des Beklagten in dem zu beurteilenden Zeitraum zugrunde zu legen. Der Beklagte hat sich auch im Prozeß nicht darauf berufen, daß er aus Unkenntnis über die Einkommensverhältnisse seiner Ehefrau insoweit keine sachdienlichen Angaben machen könne - das wäre auch bei einer Zusammenveranlagung von Ehegatten, wie sie hier vorlag, eher unwahrscheinlich - oder daß seine Ehefrau ihm derartige Auskünfte untersagt habe. Nach seinem schriftsätzlichen Vortrag beruhte sein Verhalten vielmehr auf der irrigen Auffassung, die Rechtsverfolgung des Klägers in zweiter Instanz sei schon unzulässig. Daß eine Verpflichtung zur Offenbarung von Einkommensverhältnissen Dritter im Unterhaltsprozeß nicht bestehe, kann entgegen der Auffassung der Revision nicht angenommen werden.

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