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XII ARZ 2/93

Gründe I.

Der Kläger begehrt die Abänderung eines Urteils des Amtsgerichts Dorsten, durch das er zu Unterhaltszahlungen an den Beklagten, seinen ehelichen Sohn, verpflichtet worden ist.

Die Klageschrift, die für den Beklagten die Anschrift "R.-straße, Essen" nennt, ist bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Dorsten eingereicht und dem Beklagten am 8. Oktober 1992 unter der angegebenen Anschrift durch Niederlegung bei der Post zugestellt worden. Zugleich mit der Zustellungsverfügung hatte das Amtsgericht Dorsten dem Kläger aufgegeben, Angaben zur örtlichen Zuständigkeit zu machen, gegebenenfalls einen Verweisungsantrag zu stellen. Mit Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten vom 7. Oktober 1992 beantragte der Kläger, "das Verfahren an das Amtsgericht Essen abzugeben". Das Amtsgericht Dorsten ordnete am 9. Oktober 1992 die Zustellung dieses Schriftsatzes an den Beklagten an und gab ihm Gelegenheit, zur beabsichtigten Verweisung binnen 10 Tagen Stellung zu nehmen. Diese Verfügung einschließlich Schriftsatz vom 7. Oktober 1992 ist dem Beklagten am 17. Oktober 1992 unter der Anschrift in Essen durch Aushändigung an ihn persönlich zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 1992, eingegangen beim Amtsgericht Dorsten am 20. Oktober 1992, meldeten sich Rechtsanwälte aus Frankfurt am Main für den Beklagten, welche unter Hinweis darauf, daß der Beklagte seit langem in Frankfurt am Main, E. Straße, wohne, die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Dorsten rügten. Demgegenüber verwiesen die Klägervertreter darauf, daß ihnen eine Nachricht des Einwohnermeldeamts Essen vorliege, wonach der Beklagte nach wie vor in Essen gemeldet sei. Sie baten erneut um baldige Verweisung an das Amtsgericht Essen. Mit Beschluß vom 29. Oktober 1992 erklärte sich das Amtsgericht Dorsten für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Amtsgericht - Familiengericht - Essen. Von diesem Beschluß gab es den Parteien Nachricht. Das Amtsgericht Essen sandte die Akten an das Amtsgericht Dorsten mit der Bitte um Überprüfung des Verweisungsbeschlusses zurück. Es verwies auf den Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 19. Oktober 1992 sowie eine in den Akten befindliche, von den Klägervertretern überreichte Auskunft der Meldebehörde der Stadt Frankfurt am Main, die als Anschrift des Beklagten "E. Straße, Frankfurt am Main" angibt. Am 24. November 1992 änderte das Amtsgericht Dorsten seinen Beschluß vom 29. Oktober 1992 "wegen einer offensichtlichen Unrichtigkeit" dahingehend ab, daß der Rechtsstreit an das Amtsgericht - Familiengericht - Frankfurt verwiesen werde, da der Beklagte dort und nicht in Essen seinen Wohnsitz habe.

Das Amtsgericht Frankfurt am Main lehnte die Übernahme des Verfahrens ab und sandte die Akten an das Amtsgericht Dorsten mit dem Bemerken zurück, daß eine offensichtliche Unrichtigkeit nicht vorliege. Sowohl die Klage als auch der Schriftsatz vom 7. Oktober 1992 und die Verfügung vom 9. Oktober 1992 seien dem Beklagten in Essen zugestellt worden, wobei er die letzteren Schriftstücke persönlich entgegengenommen habe. Das Amtsgericht Dorsten gab daraufhin den Klägervertretern auf mitzuteilen, wo der Beklagte bei Zustellung der Klageschrift wohnhaft oder gemeldet gewesen sei, und dies durch Vorlage einer Meldebestätigung glaubhaft zu machen. Die Klägervertreter überreichten eine Auskunft der Meldebehörde der Stadt Essen und führten aus, aus ihr ergebe sich, daß der Beklagte noch immer unter der Adresse der Mutter gemeldet sei. Sie baten erneut um Verweisung an das Amtsgericht Essen. Am 30. Dezember 1992 wies das Amtsgericht Dorsten unter Darlegung seiner Rechtsauffassung die Parteien darauf hin, daß es das Amtsgericht Essen für zuständig halte und die Sache an dieses Gericht verweisen wolle, falls binnen 10 Tagen keine Einwendungen gegen seine Ausführungen erhoben würden. Zu dieser Verfügung nahmen die Beklagtenvertreter Stellung. Am 12. Januar 1993 übersandte das Amtsgericht Dorsten die Akten wieder dem Amtsgericht - Familiengericht - Frankfurt am Main und bat erneut um Übernahme. Es verwies u.a. darauf, daß nach seiner Auffassung der Verweisungsbeschluß in der berichtigten Form nicht mehr abänderbar sei. Hiervon gab es den Parteivertretern Nachricht. Mit Beschluß vom 22. Januar 1993, von dem es den Parteivertretern ebenfalls Mitteilung machte, erklärte sich das Amtsgericht - Familiengericht - Frankfurt am Main für örtlich unzuständig und legte die Akten dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor.

Gründe II.

Eine Abänderungsklage, wie sie der Kläger gegen den Beklagten erhoben hat, ist an sich im allgemeinen Gerichtsstand zu erheben. Es wurde deshalb zunächst mit Recht der Frage nachgegangen, im Bezirk welchen Gerichts der Beklagte bei Klageerhebung seinen Wohnsitz hatte (§§ 12, 13 ZPO). Indessen ist das Amtsgericht Essen durch den auf Antrag des Klägers ergangenen Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts Dorsten vom 29. Oktober 1992 zum zuständigen Gericht geworden, § 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO. Gründe, die ausnahmsweise eine Bindung entfallen lassen, sind hier nicht gegeben (vgl. dazu BGHZ 71, 69, 72; 102, 338, 341).

Der Beschluß vom 29. Oktober 1992 ist nicht nur für das Amtsgericht Essen bindend, sondern war auch für das Amtsgericht Dorsten unabänderlich, weil mit Eingang der Akten beim Amtsgericht Essen die Anhängigkeit des Verfahrens bei ihm beendet wurde (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO; Senatsbeschluß vom 27. Februar 1985 - IVb ARZ 58/84 - unveröffentlicht; vgl. auch Zöller/Stephan, ZPO 17. Aufl. § 281 Rdn. 16; Zimmermann, ZPO 2. Aufl. § 281 Rdn. 18). Zulässig war lediglich eine Berichtigung des Beschlusses nach § 319 ZPO, der nicht nur für Urteile, sondern in entsprechender Anwendung auch für Beschlüsse gilt. Eine derartige Berichtigung ist durch den Beschluß vom 24. November 1992 nicht erfolgt, obwohl er von "offensichtlicher Unrichtigkeit" spricht. Denn die Voraussetzungen einer Berichtigung sind nicht gegeben. Nach § 319 ZPO sind "Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen". Weder aus dem Verweisungsbeschluß selbst noch aus den Umständen seines Erlasses ergibt sich, daß eine Unrichtigkeit dieser Art vorgelegen hat. Das Amtsgericht Dorsten hat den Rechtsstreit an das Amtsgericht - Familiengericht - verwiesen, das der Kläger benannt hatte und das es selbst nach Aktenlage für zuständig gehalten hat. Daß das Gericht nach Erlaß des Verweisungsbeschlusses aufgrund der später gewechselten Schriftsätze die Frage des Wohnsitzes des Beklagten anders beurteilte, rechtfertigt die Berichtigung des Verweisungsbeschlusses nicht; sie ist vielmehr unwirksam (Senatsbeschluß vom 27. Februar 1985; vgl. auch Zöller/Vollkommer aaO § 319 Rdn. 17). Daher kommt dem "Berichtigungsbeschluß" vom 24. November 1992 auch keine Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO gegenüber dem Amtsgericht Frankfurt am Main zu (vgl. auch BGHZ 20, 188, 191 ff).

Damit haben sich mit den Amtsgerichten Dorsten und Frankfurt am Main zwei Gerichte rechtskräftig für unzuständig erklärt, von denen keines für den Rechtsstreit zuständig ist. Für die Zuständigkeitsbestimmung durch das im Rechtszuge nächsthöhere Gericht setzt § 36 Nr. 6 ZPO jedoch nach seinem Wortlaut voraus, daß eines der Gerichte, die sich für unzuständig erklärt haben, zuständig ist. Danach müßte hier eine Gerichtsstandsbestimmung unterbleiben; die Sache wäre an das Amtsgericht Dorsten zurückzugeben, damit es die Akten an das Amtsgericht Essen weiterleitet. Dieses Umwegs bedarf es jedoch nicht. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof in derartigen Fällen das zuständige Gericht selbst bestimmt, auch wenn dieses sich noch nicht rechtskräftig für unzuständig erklärt hat, sofern den Verfahrensbeteiligten hierzu rechtliches Gehör gewährt und ein nach § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderlicher Verweisungsantrag gestellt worden ist (BGHZ 71, 69, 74 f; Senatsbeschluß vom 16. Dezember 1987 - IVb ARZ 46/87 - BGHR ZPO § 36 Nr. 6 Gericht, nicht beteiligtes 1). Hier sind nicht nur diese Voraussetzungen gegeben, sondern es ist darüber hinaus bereits ein bindender Verweisungsbeschluß ergangen. Damit konnte das Amtsgericht Essen als zuständiges Gericht bestimmt werden.

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