Navigation und Service

Logo der Deutschen Rentenversicherung (Link zur Startseite rvRecht)

rvRecht® - Rechtsportal der Deutschen Rentenversicherung

XII ZB 114/92

Gründe

I.

Der Kläger erhob beim Amtsgericht - Familiengericht - gegen den Beklagten, seinen nichtehelichen Sohn, Vollstreckungsgegenklage wegen Wegfalls der Unterhaltsverpflichtung. Der mit der Sache befaßte Richter war laut Geschäftsverteilungsplan zugleich in Familiensachen und allgemeinen Zivilsachen tätig, soweit es sich hierbei um Unterhalt für nichteheliche Kinder handelt. Das Verfahren wurde mit einem C-Aktenzeichen für allgemeine Zivilsachen eingetragen. In der Folge wurde es jedoch mehrfach sowohl von den Parteien als auch vom Gericht als bei dem Familiengericht anhängig und als Familiensache bezeichnet. Am 12. Mai 1992 verkündete das Amtsgericht als "Familiengericht" "in der Familiensache ..." ein Urteil, welches dem Beklagten am 5. Juni 1992 zugestellt wurde. Hiergegen legte er am 3. Juli 1992 beim Oberlandesgericht Berufung ein. Der Familiensenat verwarf mit Beschluß vom 13. Juli 1992 die Berufung als unzulässig. Am 22. Juli 1992 berichtigte das Amtsgericht - neben einer Zahlenkorrektur im Tenor - das Urteil vom 12. Mai 1992 gemäß § 319 ZPO im Rubrum dahingehend, daß es statt "Amtsgericht - Familiengericht -" nunmehr "Amtsgericht - Zivilabteilung -" heißt. Am 29. Juli 1992 legte der Beklagte form- und fristgerecht sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts ein und begründete zugleich seine Berufung. Ebenfalls am 29. Juli 1992 reichte er außerdem vorsorglich Berufung nebst Begründung beim Landgericht ein, verbunden mit einem Wiedereinsetzungsantrag, und wies auf seine sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht hin. Über den Antrag beim Landgericht ist noch nicht entschieden.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil es sich nicht um eine Familiensache handele. Das Amtsgericht habe auch nicht als Familiengericht, sondern als allgemeine Zivilabteilung entschieden, was sich aus der Verwendung des C-Aktenzeichens ergebe. Daß es im Urteil als Familiengericht bezeichnet sei, habe nur verwaltungstechnische Gründe, die aus der Zuständigkeit des Familienrichters auch für den Unterhalt nichtehelicher Kinder herrührten.

Der Beklagte hält demgegenüber die Berufung für zulässig, da das Amtsgericht formell als Familiengericht entschieden habe und es auf die materiellrechtliche Einordnung als Familiensache nicht mehr ankomme. Damit hat er Erfolg.

Seit der Neufassung der §§ 72, 119 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GVG durch das Unterhaltsänderungsgesetz vom 20. Februar 1986 (BGBl I S. 301) im Sinne der sog. formellen Anknüpfung bestimmt sich die Zuständigkeit für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Berufung allein danach, welcher Spruchkörper tatsächlich tätig geworden ist. Nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GVG sind daher die Oberlandesgerichte für die Entscheidung über Rechtsmittel gegen die von den Familiengerichten entschiedenen Sachen zuständig. Hat ein Familiengericht entschieden, hat das Oberlandesgericht nach dem ebenfalls neugefaßten § 529 Abs. 3 ZPO nicht von Amts wegen zu prüfen, ob die Sache materiellrechtlich tatsächlich als Familiensache einzuordnen ist. Es hat auch dann in der Sache zu entscheiden, wenn keine Familiensache gegeben ist (Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber Eherecht 2. Aufl. § 119 GVG Rdn. 5). Anderes gilt nur, wenn eine entsprechende Rüge in zulässiger Weise erhoben wurde (vgl. Senatsbeschlüsse vom 13. Juli 1988 - IVb ARZ 35/88 - FamRZ 1988, 1035; vom 21. September 1988 - IVb ARZ 37/88 - FamRZ 1989, 165; vom 4. Oktober 1990 - XII ZB 89/90 - FamRZ 1991, 682; Zöller/Gummer ZPO 17. Aufl. § 119 GVG Rdn. 3 ff, 10).

Im vorliegenden Fall hat das Amtsgericht als Familiengericht entschieden. Das ergibt sich aus Rubrum und Tenor, wo es als Familiengericht und die Sache als Familiensache gekennzeichnet ist. Auch das Sitzungsprotokoll vom 12. Mai 1992 enthält einen entsprechenden Hinweis. Allein auf diese formelle Zuordnung kommt es an. Daß die Sache unter einem C-Aktenzeichen geführt wurde und der Amtsrichter nach der Geschäftsverteilung nicht nur für Familiensachen, sondern auch für den Unterhalt nichtehelicher Kinder zuständig ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Ziel der Neufassung des § 119 GVG ist es, für die Parteien den Zugang zum zuständigen Rechtsmittelgericht zu vereinfachen, ohne daß es einer Prüfung der materiellen Qualifikation als Familiensache oder Nichtfamiliensache bedarf. Die Partei soll sich danach ausrichten können, woher die Entscheidung ihrer äußeren Erscheinungsform nach stammt. Fehler des Gerichts dürfen nicht zu Lasten der Parteien gehen. Dieses Ziel würde unterlaufen, wenn eine Partei vor Rechtsmitteleinlegung zunächst prüfen müßte, ob das im Entscheidungsausspruch als Familiengericht ausgewiesene Gericht auch tatsächlich als Familiengericht oder vielmehr als allgemeine Zivilabteilung entscheiden wollte. Da das Aktenzeichen kein ausschlaggebendes Unterscheidungsmerkmal, sondern allenfalls ein verwaltungstechnisches Ordnungskriterium ist, liefe das darauf hinaus, daß wiederum auf die materiellrechtliche Qualifikation zurückgegriffen werden müßte, ein Ergebnis, welches die gesetzliche Neuregelung gerade vermeiden will. Danach war es dem Oberlandesgericht nach § 529 Abs. 3 ZPO verwehrt, von Amts wegen zu prüfen, ob eine Familiensache vorliegt. Vielmehr war seine Rechtsmittelzuständigkeit nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 GVG zu bejahen.

Die danach zulässige Berufung hat auch nicht infolge des Berichtigungsbeschlusses vom 22. Juli 1992 rückwirkend ihre Zulässigkeit verloren. Allerdings tritt mit Erlaß eines Berichtigungsbeschlusses gemäß § 319 ZPO - bezogen auf den Verkündungszeitpunkt - an die Stelle der bisherigen Urteilsfassung die berichtigte Fassung. Sie ist so zu behandeln, als hätte sie von Anfang an bestanden (RGZ 110, 427, 429; 90, 229, 231; BGHZ 17, 149, 151; 89, 184, 186). Das wirkt sich grundsätzlich auch auf die Frage der Zulässigkeit des Rechtsmittels aus. Ein zunächst zulässiges Rechtsmittel kann daher aufgrund der gemäß § 319 ZPO jederzeit, auch noch nach Rechtsmitteleinlegung möglichen Berichtigung unzulässig werden (MünchKomm/Musielak ZPO § 319 Rdn. 15; Stein/Jonas/Leipold ZPO 20. Aufl. § 319 Rdn. 13, 14; Zöller/Vollkommer aaO § 319 Rdn. 25). Das gilt indes nur für eine wirksame Berichtigung. Eine solche liegt hier nicht vor. Bei der Entscheidung des Amtsgerichts als Familiengericht handelt es sich um einen echten Verfahrensfehler, der durch eine Berichtigung nach § 319 ZPO nicht behoben werden kann. Von § 319 ZPO werden nur solche Unrichtigkeiten erfaßt, die sich aus dem Zusammenhang des Urteils selbst oder aus den Vorgängen bei seiner Verkündung ergeben und ohne weiteres erkennbar sind (vgl. BGHZ 20, 188, 192; Zöller/Vollkommer aaO § 319 Rdn. 19, 29). Der Begriff der offenbaren Unrichtigkeit ist dabei besonders restriktiv auszulegen, wenn es sich - wie hier - um Merkmale handelt, an die die formelle Anknüpfung gebunden ist. Denn es muß vermieden werden, daß gerade jener Anknüpfungspunkt, der es der Partei ermöglichen soll, ohne weitere Nachprüfung den hierfür zulässigen Rechtsmittelweg zum Oberlandesgericht zu beschreiten, durch eine nachträgliche Änderung der Kennzeichnung des Spruchkörpers beseitigt wird. Das liefe dem mit der Einführung der formellen Anknüpfung verfolgten Ziel zuwider. Die Voraussetzungen einer offenbaren Unrichtigkeit liegen daher hier nicht vor.

Zusatzinformationen