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XII ZB 4/92

Gründe I.

Die Parteien haben am 12. November 1980, 16.30 Uhr, die Ehe geschlossen. Sie hatten zuvor zu notarieller Urkunde Gütertrennung vereinbart. Der Scheidungsantrag des Ehemannes (Antragsteller) ist der Ehefrau (Antragsgegnerin) am 5. Januar 1988 zugestellt worden.

Während der Ehezeit (1. November 1980 bis 31. Dezember 1987, § 1587 Abs. 2 BGB) haben beide Parteien Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA - weitere Beteiligte zu 1) erworben: der Ehemann in Höhe von 1.377,10 DM monatlich, die Ehefrau in Höhe von 276 DM monatlich (jeweils festgestellt nach dem bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Recht). Die Ehefrau hat ferner eine unverfallbare Versicherungsrente von 37,94 DM monatlich (dynamisiert 6,99 DM monatlich) bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL - weitere Beteiligte zu 2) erworben. Die Bezirksärztekammer K. (BÄK - weitere Beteiligte zu 3) zahlt an den Ehemann seit 1. Oktober 1982 eine Invalidenrente, ab 1. April 1987 eine Altersrente. Sie gibt den ehezeitlichen Anteil der Rente mit 761,59 DM monatlich an. Die Rentenanwartschaften des Ehemannes bei der BfA beruhen zum Teil darauf, daß er freiwillig Beiträge nachentrichtet hat, die mit Ausnahme eines bereits vor dem 1. November 1980 gezahlten Betrages mit Überweisungsaufträgen vom 6. November und 12. November 1980 über 33.552 DM, 7.920 DM und 12.115 DM geleistet worden sind. Nach Darstellung des Ehemannes ist der Überweisungsauftrag vom 12. November 1980 über 7.920 DM vor 12.00 Uhr bei der Bank eingegangen.

Das Amtsgericht - Familiengericht - hat durch Verbundurteil die Ehe der Parteien geschieden, den Antrag der Ehefrau auf nachehelichen Unterhalt abgewiesen und den Versorgungsausgleich dahin geregelt, daß es vom Versicherungskonto des Ehemannes bei der BfA auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der BfA Rentenanwartschaften in Höhe von 242,60 DM monatlich, bezogen auf den 31. Dezember 1987, übertragen hat. Es ist dabei davon ausgegangen, daß der Wertunterschied der beiderseitigen Anwartschaften 1.855,70 DM betrage, wovon an sich der Ehefrau 927,85 DM zustünden. Wegen der Höchstbetragsregelung sei jedoch eine Übertragung nur in Höhe von 242,60 DM zulässig.

Der Ehemann hat „Rechtsmittel“ eingelegt und geltend gemacht, seine Rentenanwartschaften, die auf freiwillig nachentrichteten Beiträgen beruhten, hätten auch insoweit außer Betracht zu bleiben, als Zahlungen im November 1980 vor der tatsächlichen Eheschließung erfolgten. Vorsorglich hat er sich darauf berufen, daß die Beteiligung der Ehefrau an den so erworbenen Anwartschaften grob unbillig sei, § 1587c BGB. Auch sei die Berechnung des ehezeitlichen Anteils der dem Ehemann von der BÄK gezahlten Rente nicht richtig. Da für den Ehemann nach dem 1. Oktober 1982 keine weiteren Anwartschaften mehr angefallen seien, könne die Ehefrau zeitanteilig oder in sonstiger Weise nur an den von November 1980 bis September 1982 erworbenen Anwartschaften beteiligt werden. Die Ehefrau hat sich dem Rechtsmittel des Ehemannes mit dem Antrag angeschlossen, den Scheidungsantrag des Ehemannes abzuweisen.

Das Oberlandesgericht hat durch Urteil die Berufung des Ehemannes und durch Teilversäumnisurteil die Anschlußberufung der Ehefrau zurückgewiesen. Mit der - zugelassenen - weiteren Beschwerde wendet sich der Ehemann gegen die Zurückweisung seines Rechtsmittels.

Gründe II.

1. Ohne Erfolg beanstandet die weitere Beschwerde, das Berufungsgericht habe eine rechtsmittelfähige Feststellung darüber treffen müssen, auf welchen Zeitpunkt (Beginn der Rentenzahlung oder Ehezeitende) im Rahmen des später durchzuführenden schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs bei den berufsständischen Versorgungsanwartschaften abzustellen sei und mit welchem Betrag sie auszugleichen seien.

Zwar sind in Verfahren über den Versorgungsausgleich feststellende Entscheidungen in entsprechender Anwendung des § 256 ZPO zulässig (Senatsbeschlüsse vom 14. Oktober 1981 - IVb ZB 560/80 - FamRZ 1982, 42; vom 7. Dezember 1983 - IVb ZB 553/80 - FamRZ 1984, 251, 254). Solche Entscheidungen sind jedoch nicht von Amts wegen zu treffen, vielmehr bedarf es dazu eines Antrags. Einen ausdrücklichen Antrag hat der Ehemann in den Vorinstanzen nicht gestellt. Auch dem Gesamtinhalt seines Vorbringens kann ein dahingehendes Begehren nicht entnommen werden.

2. Das Oberlandesgericht hat die im November 1980 vor der tatsächlichen Eheschließung durch freiwillig nachentrichtete Beiträge erworbenen Anwartschaften in den Versorgungsausgleich einbezogen und dies damit begründet, daß die Zahlungen in der Ehezeit im Sinne des § 1587 Abs. 2 BGB erfolgt seien. Nach dieser Regelung habe die Ehe der Parteien versorgungsrechtlich am 1. November 1980 begonnen. Soweit der Bundesgerichtshof über das formale Ende der Ehezeit im Sinne des § 1587 Abs. 2 BGB hinaus bis zur Zustellung des Scheidungsantrags noch Beitragsentrichtungen berücksichtigt habe, führe dies nicht dazu, dem Beginn des Monats der Eheschließung nicht bereits die Qualität der ehezeitlichen Versorgungsgemeinschaft, sondern nur den Charakter eines Stichtages zur vereinfachten Berechnung der Ehezeit zuzusprechen. Dies gelte insbesondere hier, da der Ehemann im Zusammenwirken mit der Ehefrau von deren Konto und mit deren Mitteln die Nachzahlungen bewirkt habe. Daß der Ehemann an die Ehefrau entsprechende Rückzahlungen geleistet habe, sei ohne Bedeutung.

Diese Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Zuzustimmen ist dem Ansatzpunkt des Berufungsgerichts, daß auch solche Rentenanwartschaften in den Versorgungsausgleich einzubeziehen sind, die in der Ehezeit durch Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für voreheliche Zeiten begründet worden sind (Senatsbeschlüsse BGHZ 81, 196; vom 16. März 1983 - IVb ZB 807/80 - FamRZ 1983, 683, 684). Die uneingeschränkte Anwendung des § 1587 Abs. 2 BGB, der nicht von der wirklichen Ehezeit (Eheschließung bis Rechtskraft des Scheidungsurteils), sondern von einer fiktiven Ehezeit ausgeht, kann jedoch in diesem Zusammenhang in Einzelfällen zu nicht hinnehmbaren Ergebnissen führen. Der Senat hat deshalb entschieden, daß zur Harmonisierung von Versorgungs- und Zugewinnausgleichsregelung der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags als Ende der Ehezeit zugrunde zu legen ist, wenn zwischen dem Monatsende vor Eintritt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags und dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit durch Beiträge für die Ehezeit Anwartschaften begründet worden sind (Senat BGHZ 81, 196, 208). Aus dieser Rechtsprechung kann jedoch nicht aus Gründen des „Gleichlaufs“ der Schluß gezogen werden, daß abweichend vom Wortlaut des § 1587 Abs. 2 BGB solche Anrechte nicht dem Versorgungsausgleich unterfallen, die durch freiwillig nachentrichtete Beitragszahlungen zwischen dem Beginn der Ehezeit im Sinne des § 1587 Abs. 2 BGB und dem Tag der Eheschließung begründet worden sind (so aber Gümpel, Handbuch des Versorgungsausgleichs I Rdn. 39; Rahm / Künkel / Lardschneider, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens V Rdn. 64). Eine Spannung zwischen Versorgungsausgleichs- und Zugewinnausgleichsregelung besteht in diesem Falle schon allgemein nicht. Vor Eintritt des Güterstands der Zugewinngemeinschaft ist unerheblich, ob ein Ehegatte sein Vermögen gemindert hat (vgl. § 1374 Abs. 1 BGB). Hier haben die Parteien überdies Gütertrennung vereinbart. Die Entscheidung hängt vielmehr davon ab, ob es mit Sinn und Zweck des Versorgungsausgleichs vereinbar ist, die Bestimmung des § 1587 Abs. 2 BGB auch dann anzuwenden, wenn vor der tatsächlichen Eheschließung innerhalb des Eheschließungsmonats durch freiwillig geleistete Beitragsnachzahlungen Rentenanwartschaften erworben worden sind.

Der Versorgungsausgleich hat seine Grundlage in der Versorgungsgemeinschaft der Ehegatten (BGHZ 74, 38, 47). Eine solche Versorgungsgemeinschaft besteht erst ab Eheschließung. Ein anderer zeitlicher Beginn ergibt sich auch dann nicht, wenn davon ausgegangen wird, daß der Versorgungsausgleich sowohl auf dem güterrechtlichen Prinzip der Vermögensteilung in Weiterentwicklung des Zugewinnausgleichs als auch auf unterhaltsrechtlichen Überlegungen zur Realisierung und rechtlichen Umgestaltung des Vorsorgeunterhalts beruht (vgl. BVerfGE 53, 257, 294 f; 71, 364, 386). Sowohl für den Eintritt des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft als auch für das Entstehen eines ehelichen Unterhaltsanspruchs ist die Eheschließung frühester Zeitpunkt. Dementsprechend sah § 1587 Abs. 2 BGB i.d.F. des Regierungsentwurfs zum 1. EheRG als Ehezeit „die Zeit vom Tage der Eheschließung bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags“ vor (BT-Drucks. 7/650 S. 11). Die Gesetz gewordene Fassung des § 1587 Abs. 2 BGB geht auf einen Vorschlag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung des Deutschen Bundestages vom 12. März 1975 zurück, dem die Änderung „im Interesse weiterer Vereinfachung“ geboten erschien (Deutscher Bundestag 7. WP 6. Ausschuß Rechtsausschuß UA 34 - 58, 38. Sitzung, Anlage S. 30). Diesen Vorschlag hat der Rechtsausschuß des Bundestages übernommen (BT-Drucks. 7/4361 S. 36; vgl. auch S. 94). Danach kann nicht davon ausgegangen werden, der Gesetzgeber habe die erst mit der Eheschließung beginnende Lebensgemeinschaft der Ehegatten für die Durchführung des Versorgungsausgleichs aus in der Sache liegenden Gründen auf den Beginn des Eheschließungsmonats vorverlagert; die Regelung dient vielmehr ausschließlich der Vereinfachung der Berechnung (vgl. auch MünchKomm. / Maier, BGB 2. Aufl. § 1587 Rdn. 32; Schwab / Hahne, Handbuch des Scheidungsrechts 2. Aufl. VI Rdn. 35; Johannsen / Henrich / Hahne, Eherecht 3. Aufl. § 1587 Rdn. 28; Bastian / Roth-Stielow / Schmeiduch, 1. EheRG BGB § 1587 Rdn. 8). Der Gesetzgeber wollte damit erreichen, daß bei den im Eheschließungsmonat durch regelmäßige Beitragsleistung erworbenen Anwartschaften nicht in kleineren Zeiteinheiten als Monaten gerechnet werden mußte (Palandt / Diederichsen, BGB 51. Aufl. § 1587 Rdn. 28). Angesichts des engen zeitlichen Bezugs zur Eheschließung und der in der Regel verhältnismäßig geringen Höhe der in Frage stehenden Werte ist dies - auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten - unbedenklich.

Um die Zahlung regelmäßiger Beiträge geht es hier jedoch nicht. Bei den Überweisungen vom 6. und 12. November 1980 handelt es sich vielmehr um Sonderzahlungen. Die durch sie erworbenen Anwartschaften können nach der dargelegten Konzeption des Versorgungsausgleichs ihm nur dann unterfallen, wenn die Anwartschaften nach Beginn der Versorgungsgemeinschaft, mithin nach dem 12. November 1980, 16.30 Uhr, begründet worden sind, § 1587 Abs. 1 Satz 1 BGB. Eine andere Auffassung wäre auch schwerlich mit Art. 14 GG vereinbar. Anwartschaften auf Versichertenrente aus den gesetzlichen Rentenversicherungen sind durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt (BVerfGE 53, 257, 293). Die Übertragung eines Teils der von dem ausgleichspflichtigen Ehegatten erworbenen Anwartschaften auf den Ausgleichsberechtigten ist mithin ein Eingriff, der seine besondere verfassungsrechtliche Rechtfertigung in der Ehe der Parteien findet (BVerfG a.a.O. S. 296). Werden einem Ehegatten im Wege des Versorgungsausgleichs Teile von Rentenanwartschaften entzogen, die er vor der tatsächlichen Eheschließung erworben hat, so fehlt es dafür an der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Die lediglich zur Vereinfachung der Berechnung eingeführte Vorverlegung der „Ehezeit“ im Sinne des § 1587 Abs. 2 BGB läßt deshalb die tatsächliche Eheschließung als maßgebenden Anknüpfungszeitpunkt nicht entfallen. Es kommt daher darauf an, ob durch die Zahlungen des Ehemannes am 6. und 12. November 1980 vor oder nach der Eheschließung Rentenanwartschaften begründet worden sind. Die angefochtene Entscheidung kann deshalb keinen Bestand haben.

Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da Feststellungen des Berufungsgerichts dazu fehlen, ab welchen Zeiten durch die Zahlungen vom 6. und 12. November 1980 Rentenanwartschaften des Ehemannes bei der BfA begründet worden sind. Außerdem müssen die gesetzlichen Rentenanwartschaften beider Parteien nach dem seit 1. Januar 1992 geltenden Rentenrecht neu bewertet werden (Senatsbeschlüsse vom 11. März 1992 - XII ZB 172/90 - FamRZ 1992, 790, 791; vom 7. Oktober 1992 - XII ZB 58/91 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Ferner muß die Anwartschaft der Ehefrau auf Zusatzversorgung unter Anwendung der neuen Rechengrößen dynamisiert werden (Senatsbeschluß vom 7. Oktober 1992 a.a.O.). Die Sache muß deshalb zur neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

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