Navigation und Service

Logo der Deutschen Rentenversicherung (Link zur Startseite rvRecht)

rvRecht® - Rechtsportal der Deutschen Rentenversicherung

XII ZB 172/90

Gründe I.

Die Parteien haben am 3. August 1961 die Ehe geschlossen, aus der zwei inzwischen volljährige Töchter hervorgegangen sind. Der Scheidungsantrag des Ehemannes (Antragsteller) ist der Ehefrau (Antragsgegnerin) am 26. September 1980 zugestellt worden.

Während der Ehezeit (1. August 1961 bis 31. August 1980, § 1587 Abs. 2 BGB) haben beide Parteien Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA - weitere Beteiligte zu 1) erworben, der Ehemann ferner als Beamter des Landes Niedersachsen (weiterer Beteiligter zu 2) eine Anwartschaft auf Ruhegehalt. Er ist mit Ablauf des 31. Januar 1983 vorzeitig in den Ruhestand getreten und bezieht seit 1. Februar 1983 Ruhegehalt nach einem Ruhegehaltssatz von 59 v.H.. Ferner erhält er seit dem 1. Dezember 1982 eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Die Rentenanwartschaften der Ehefrau beruhen zum Teil darauf, daß sie vor und nach Zustellung des Scheidungsantrags freiwillige Beiträge nachentrichtet hat. Sie hatte vorzeitigen Zugewinnausgleich verlangt; nach einem in diesem Verfahren geschlossenen Vergleich vom 11. Januar 1974 schuldete der Ehemann ihr 60.000 DM, die er auch gezahlt hat. Die Ehefrau hat behauptet, sie habe die freiwilligen Beiträge mit diesem Geld entrichtet.

In einem gerichtlichen Vergleich vom 28. September 1983 haben die Parteien u.a. folgendes vereinbart:

"Wir sind uns darüber einig, daß die Einzahlungen der Antragsgegnerin in die Rentenversicherung bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte bei dem Versorgungsausgleich unberücksichtigt bleiben sollen. Es handelt sich um den Betrag von etwa 27.216 DM freiwilliger Beiträge, nachentrichtet für den Zeitraum ab 1. Januar 1963 bis zum Ende der Ehezeit. Diese Beiträge sollen bei der Ermittlung der auf die Ehezeit bezogenen Rentenanwartschaften der Antragsgegnerin unberücksichtigt bleiben.

Wir beantragen, die Vereinbarung gemäß § 1587 o BGB gerichtlich zu genehmigen."

Das Amtsgericht - Familiengericht - hat die Ehe der Parteien vorab geschieden. Das Urteil ist rechtskräftig. Mit Beschluß vom 6. März 1985 hat es sodann der Vereinbarung vom 28. September 1983 die Genehmigung versagt und den Versorgungsausgleich dahin geregelt, daß es zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Ehemannes "bei dem Niedersächsischen Landesverwaltungsamt" auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der BfA Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 676,15 DM, bezogen auf den 31. August 1980, begründet hat. Von den Rentenanwartschaften der Ehefrau hat es diejenigen unberücksichtigt gelassen, die durch nach Zustellung des Scheidungsantrags freiwillig nachentrichtete Beiträge begründet worden sind. Die Versorgung des Ehemannes hat es auf den Zeitpunkt des Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze berechnet, da er bei Ende der Ehezeit noch im Dienst gewesen sei.

Die Ehefrau hat Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, ihre Rentenanwartschaften hätten insgesamt außer Betracht zu bleiben, soweit sie auf freiwillig nachentrichteten Beiträgen beruhten, weil diese aus Mitteln des vorzeitigen Zugewinnausgleichs stammten. Der ehezeitliche Anteil der Anwartschaft des Ehemannes auf Ruhegehalt sei nach dem tatsächlichen Eintritt des Ruhestandes am 31. Januar 1983 zu berechnen.

Das Oberlandesgericht hat nach Einholung ergänzender Auskünfte der BfA und des Niedersächsischen Landesverwaltungsamts die Entscheidung des Amtsgerichts geändert. Es hat vom Versicherungskonto des Ehemannes auf das der Ehefrau Rentenanwartschaften in Höhe von 43,90 DM übertragen und zu Lasten seiner beamtenrechtlichen Versorgung auf dem Konto der Ehefrau Rentenanwartschaften in Höhe von 914,35 DM begründet, jeweils monatlich und bezogen auf den 31. August 1980. Es hat auch die Rentenanwartschaften der Ehefrau für die Zeit vom 1. Januar 1968 bis 31. Dezember 1973, die sie durch vor Zustellung des Scheidungsantrags freiwillig nachentrichtete Beiträge erworben hat, unberücksichtigt gelassen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die - zugelassene - weitere Beschwerde des Ehemannes, der die Einbeziehung der Rentenanwartschaften der Ehefrau, die durch vor Zustellung des Scheidungsantrags nachentrichtete Beiträge erworben worden sind, sowie eine Neuberechnung des ehezeitlichen Anteils seiner Anwartschaft auf Ruhegehalt erstrebt.

II.

1. Das Oberlandesgericht hat festgestellt, daß die in der Ehezeit freiwillig nachentrichteten Beiträge, mit denen die Ehefrau Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeit vom 1. Januar 1968 bis 31. Dezember 1973 erworben hat, aus Mitteln stammen, die ihr durch den vorzeitigen Zugewinnausgleich zugeflossen sind. Es hat diese Anwartschaften deshalb nicht in den Versorgungsausgleich einbezogen und das mit folgenden Überlegungen begründet: Zwar unterlägen nach § 1587 Abs. 1 Satz 1 BGB die in der Ehezeit durch nachträgliche Beiträge erworbenen Rentenanwartschaften grundsätzlich dem Versorgungsausgleich. Der Grundsatz von Treu und Glauben gebiete es hier jedoch, sie außer Betracht zu lassen, da ihre Einbeziehung zu einer unbilligen Benachteiligung der Ehefrau führe. Nach dem Grundprinzip der Zugewinngemeinschaft solle die Gleichberechtigung der Ehepartner auch im Vermögensrecht verwirklicht werden. Jeder Ehegatte solle nach Auflösung der ehelichen Gemeinschaft an einem durch gemeinsame Lebensleistung erwirtschafteten Vermögenszuwachs in gleicher Weise teilhaben. Mit dieser gesetzlichen Wertung stehe es in Widerspruch, wenn der Ehemann an den mit Zugewinnausgleichsmitteln erworbenen Rentenanwartschaften der Ehefrau partizipiere.

Diese Entscheidung hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.

Dem Versorgungsausgleich unterfallen auch Anwartschaften, die ein Ehegatte während der Ehezeit durch Nachentrichtung freiwilliger Beiträge begründet hat (Senatsbeschluß BGHZ 81, 196, 200). Nach § 1587 Abs. 1 Satz 2 BGB ist nur erforderlich, daß das Geld, mit dem er die Beiträge entrichtet hat, zu seinem Vermögen gehörte, während es auf die Herkunft des Geldes nicht ankommt. Wie der Senat entschieden hat, ist vielmehr generell jedes Vermögen geeignet, daß mit seiner Hilfe ausgleichspflichtige Versorgungsanrechte erworben werden (Senatsbeschluß vom 29. Februar 1984 - IVb ZB 887/81 - FamRZ 1984, 570, 571).

Der Senat hatte bisher nicht zu entscheiden, ob diese Grundsätze uneingeschränkt auch dann gelten, wenn der Ehegatte - wie hier die Ehefrau - die freiwillig nachentrichteten Beiträge aus Mitteln aufgebracht hat, die er zuvor durch (vorzeitigen) Zugewinnausgleich erlangt hatte. Durch die Ausgleichsforderung, die das Gesetz in den Fällen der §§ 1372, 1385 f. BGB gewährt, sollen beide Eheleute im Ergebnis so gestellt werden, als hätten sie in der maßgebenden Zeit einen gleichhohen Zugewinn erzielt. Dem liegt die rechtspolitische Erwägung zugrunde, daß Ehegatten grundsätzlich in gleicher Weise zu dem von ihnen in der Ehe erwirtschafteten Zugewinn beitragen, auch wenn dieser sich in Vermögenswerten niederschlägt, die rechtlich nur einem von ihnen zugeordnet sind. Hiernach ist davon auszugehen, daß mit der Zahlung der 60.000 DM, zu der der Ehemann sich im Vergleich vom 11. Januar 1974 verpflichtet hatte, die Parität des Zugewinns beider Parteien hergestellt worden ist.

Soweit die Ehefrau die 60.000 DM zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge in der gesetzlichen Rentenversicherung verwandt hat, hat sie den darin verkörperten Vermögenswert lediglich in bestimmter Weise angelegt. Sie hat Kapitalvermögen in - grundsätzlich gleichwertige - Versorgungsanwartschaften umgewandelt. Werden diese Anwartschaften im Versorgungsausgleich in die Versorgungsbilanz eingestellt, die ergibt, welcher Ehegatte in der Ehezeit die werthöheren Anwartschaften erworben hat und daher dem anderen in Höhe der halben Differenz ausgleichspflichtig ist (§ 1587a Abs. 1 Satz 2 BGB), so hat dies zur Folge, daß sich die Wertdifferenz der beiderseits erworbenen Anwartschaften und entsprechend der Ausgleichsanspruch der Ehefrau mindert. In denkbaren anderen Fällen kann der Ehegatte, der durch freiwillig nachentrichtete Beiträge Rentenanwartschaften erworben hat, dadurch dem anderen ausgleichspflichtig werden oder es kann sich seine ohnehin bestehende Ausgleichspflicht erhöhen. In jedem Fall bedeutet die Einbeziehung der fraglichen Anwartschaften für den anderen Ehegatten einen wirtschaftlichen Vorteil: Seine sonst bestehende Ausgleichspflicht mindert sich (wie hier beim Ehemann) oder sie wird beseitigt, sein Ausgleichsanspruch erhöht sich oder er wird überhaupt erst ausgleichsberechtigt. Der Vermögenswert, den der Ehegatte durch den Zugewinnausgleich zur Herstellung eines paritätischen Zugewinns erhalten hat, fließt mithin im Versorgungsausgleich zur Hälfte an den anderen zurück.

Diese Folge kann auch nach Ansicht des Senats nicht hingenommen werden. Anders als das Oberlandesgericht gemeint hat, bedarf es dazu aber nicht des Grundsatzes von Treu und Glauben, sondern einer systemgerechten Auslegung des Gesetzes.

Das oben dargestellte Ergebnis beruht darauf, daß bei Einbeziehung der fraglichen Anwartschaften in den Versorgungsausgleich ein im Endvermögen des Ehemannes enthaltener Vermögenswert, der damit in die für den Zugewinnausgleich maßgebliche Bilanz einzustellen war und durch Erfüllung der Ausgleichsforderung in das Vermögen der Ehefrau übergegangen ist, durch seine Anlage in Versorgungsanwartschaften in den Ausgleichsmechanismus auch des Versorgungsausgleichs gerät. Das widerspricht jedoch dem Verhältnis, in dem diese beiden Ausgleichssysteme nach dem Gesetz zueinander stehen.

Nach § 1587 Abs. 3 BGB gelten für Anwartschaften oder Aussichten, über die der Versorgungsausgleich stattfindet, ausschließlich die diesen regelnden Vorschriften, während die güterrechtlichen Vorschriften keine Anwendung finden. Dieser Bestimmung ist nicht nur ein Vorrang des Versorgungsausgleichs, sondern darüber hinaus der Grundsatz zu entnehmen, daß ein Anrecht entweder dem Versorgungsausgleich oder dem Zugewinnausgleich unterliegen kann, niemals aber beiden Ausgleichssystemen. Im vorliegenden Fall ist dieser Grundsatz als solcher nicht berührt; denn es steht nur die Einbeziehung der fraglichen Rentenanwartschaften in den Versorgungsausgleich in Frage, nicht aber ihre Berücksichtigung beim Zugewinnausgleich. Das Ziel, Versorgungs- und Zugewinnausgleich gegenständlich voneinander abzugrenzen, vermag der genannte Grundsatz indessen vollständig nur zu erreichen, wenn er über Anrechte hinaus auch auf sonstige Vermögenswerte erstreckt und - gewissermaßen spiegelbildlich - dahin ergänzt wird, daß ein Vermögenswert, über den der Zugewinnausgleich stattfindet, dem Versorgungsausgleich nicht mehr unterfällt, insbesondere auch dann nicht, wenn er in - an sich ausgleichsfähigen - Versorgungsanrechten angelegt worden ist. Der Kreis der beim Versorgungsausgleich außer Betracht bleibenden Anrechte (§ 1587 Abs. 1 Satz 2 BGB) ist daher um Anrechte zu erweitern, die zwar mit Hilfe des Vermögens begründet oder aufrechterhalten worden sind, aber eines Vermögens, über das der Zugewinnausgleich stattfindet.

Nach den getroffenen Feststellungen ist dies bei den Rentenanwartschaften für die Zeit vom 1. Januar 1968 bis 31. Dezember 1973, die die Ehefrau durch freiwillig nachentrichtete Beiträge erworben hat, der Fall, so daß das Oberlandesgericht diese Anwartschaften zu Recht nicht in die Ausgleichsbilanz eingestellt hat.

2. Bei der Bewertung des in der Ehezeit erworbenen Teils der Anwartschaft des Ehemannes auf Beamtenversorgung hat das Oberlandesgericht berücksichtigt, daß er nach Ende der Ehezeit in den Ruhestand versetzt worden ist. Entsprechend der Auskunft des Niedersächsischen Landesverwaltungsamts vom 29. August 1990 hat es seiner Berechnung die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge des Ehemannes zum Zeitpunkt seines Eintritts in den Ruhestand zugrunde gelegt und daraus unter Anwendung des für ihn geltenden Ruhegehaltssatzes das maßgebende Ruhegehalt ermittelt. Hieraus hat es in der Ehezeit erworbene Anwartschaften des Ehemannes von monatlich 1.828,69 DM errechnet.

Gegen diese Berechnung wendet sich die Beschwerde zu Recht.

Zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, daß der Bewertung des in der Ehezeit erdienten Teils der Beamtenversorgung des Ehemannes die tatsächlich gewährte Versorgung zugrunde zu legen ist. Es spielt keine Rolle, daß er erst nach Ehezeitende zur Ruhe gesetzt worden ist. Denn seit dem Inkrafttreten des § 10a VAHRG kann auch eine nach Ehezeitende erfolgte Zurruhesetzung bereits im Erstverfahren berücksichtigt werden (Senatsbeschluß vom 18. September 1991 - XII ZB 169/90 - FamRZ 1991, 1415, 1416 m.w.N.).

Hingegen hat das Oberlandesgericht nicht beachtet, daß für die Höhe einer auszugleichenden Versorgung stets ihr am Ehezeitende erreichter Wert maßgebend ist. Auch nach § 10a Abs. 1 Nr. 1 VAHRG können nur solche nachträglich eingetretenen Umstände rechtlicher und tatsächlicher Art berücksichtigt werden, die rückwirkend einen anderen Ehezeitanteil oder eine andere Ausgleichsform ergeben. Hingegen bleiben - unter Aufrechterhaltung des Stichtagsprinzips - die bei Ehezeitende bestehenden Bemessungsgrundlagen einer Versorgung (z.B. Besoldungs- oder Tarifgruppe, Besoldungsdienstalter, Einkommenshöhe) festgeschrieben. Das zum Ehezeitende tatsächlich vorhanden gewesene Einkommen bleibt daher bestimmend (Senatsbeschluß vom 13. Mai 1987 - IVb ZB 118/82 - FamRZ 1987, 918, 920 m.w.N.). Das Oberlandesgericht hätte deshalb die Dienstbezüge des Ehemannes bei Ehezeitende und nicht die unmittelbar vor Eintritt in den Ruhestand gezahlten zum Ausgangspunkt seiner Bewertung machen müssen.

Aus diesem Grund kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da die tatsächlichen Angaben der von der weiteren Beschwerde eingereichten neuen Auskunft des Niedersächsischen Landesverwaltungsamts vom 3. Dezember 1990 nicht tatrichterlich festgestellt sind. Außerdem müssen die gesetzlichen Rentenanwartschaften der Ehefrau und ggf. auch des Ehemannes nach dem seit 1. Januar 1992 geltenden Rentenrecht neu bewertet werden (vgl. Kemnade FamRZ 1992, 151). Die Sache muß daher zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen und neuen Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen werden.

Dieses wird zu beachten haben, daß zugunsten des Ehemannes das Verschlechterungsverbot eingreifen kann, wenn der Wertunterschied der beiderseits in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften größer ist, als bisher angenommen (vgl. Senatsbeschluß vom 24. Mai 1989 - IVb ZB 28/88 - FamRZ 1989, 957, 958).

Zusatzinformationen