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XII ZB 58/89

Gründe

I.

Der am 28. Juni 1934 geborene Ehemann (Antragsgegner) und die am 15. Juni 1940 geborene Ehefrau (Antragstellerin) haben am 2. Dezember 1966 die Ehe geschlossen, aus der vier in den Jahren 1967 bis 1969 geborene Kinder stammen. Nachdem sie sich im Frühjahr 1985 getrennt hatten, ist der Scheidungsantrag am 14. März 1986 dem Ehemann zugestellt worden.

Während der Ehezeit (1. Dezember 1966 bis 28. Februar 1986, § 1587 Abs. 2 BGB) haben beide Parteien Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, nämlich der Ehemann bei der Bundesbahn-Versicherungsanstalt (weitere Beteiligte zu 2) im Werte von 145,40 DM und die Ehefrau bei der Landesversicherungsanstalt Hessen (LVA, weitere Beteiligte zu 3) im Werte von 203,20 DM, jeweils monatlich und bezogen auf den 28. Februar 1986. Die von der Ehefrau erworbenen Anwartschaften beruhen zum einen darauf, daß ihr für die vier aus der Ehe hervorgegangenen Kinder und für ein weiteres, aus einer früheren Ehe stammendes Kind insgesamt 60 Monate als Kindererziehungszeiten zugerechnet werden, zum anderen auf einer im November 1982 aufgenommenen Erwerbstätigkeit als Floristin, aus der sie im Jahre 1988 ein monatliches Bruttoeinkommen von 1.680 DM erzielt hat. Der Ehemann war Beamter der D. B. (weitere Beteiligte zu 1). Er ist zum 31. Dezember 1982 aus einem Amt der Besoldungsgruppe A 4 (Dienstaltersstufe 10) wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden und erhält seitdem Ruhestandsbezüge nach den Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes. Der Teil seines Ruhegehaltes, der dem Verhältnis der in die Ehezeit fallenden ruhegehaltfähigen Dienstzeit zu der Gesamtzeit entspricht, beträgt nach einer Auskunft der Deutschen Bundesbahn monatlich 1.521,19 DM.

Das Amtsgericht - Familiengericht - hat durch Verbundurteil die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich dahin geregelt, daß es zu Lasten der vom Ehemann bei der D. B. erworbenen Versorgungsanwartschaften - bezogen auf den 28. Februar 1986 - Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 731,69 DM auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der LVA begründet hat. Mit der Beschwerde hat der Ehemann einen Ausschluß, jedenfalls eine Verminderung des Ausgleichsbetrages erstrebt. Er hat das damit begründet, daß seine vor Ehezeitende eingetretene Dienstunfähigkeit nicht dazu führen dürfe, daß der Ehefrau ein so hoher Ausgleichsbetrag zukomme; sonst werde sie wegen des aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit eintretenden Zuwachses an weiteren Versorgungsanwartschaften später über eine höhere Versorgung verfügen als er selbst.

Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der - zugelassenen - weiteren Beschwerde verfolgt der Ehemann das Ziel weiter, den Ausgleichsbetrag zu vermindern. Die Ehefrau bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.

Die weitere Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs entspricht den gesetzlichen Vorschriften (§§ 1587a, 1587b BGB) und steht im Einklang mit der dazu ergangenen Rechtsprechung des Senats.

Wenn ein Beamter vor Ehezeitende wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden ist, wird dem Versorgungsausgleich die tatsächlich gewährte Versorgung zugrunde gelegt (Senatsbeschluß BGHZ 82, 66). Der Senat hält nach erneuter Prüfung an dieser Rechtsauffassung fest. Sie entspricht der Grundkonzeption des § 1587 Abs. 1 BGB, nach der der Versorgungsausgleich eine wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bereits gewährte Versorgung mit ihrem wirklichen, innerhalb der tatsächlich zurückgelegten Dienstzeit erworbenen Wert erfaßt. Demgegenüber ist jede Berechnung des Ausgleichs auf der Grundlage von fiktiven Werten nach Möglichkeit zu vermeiden, weil sie notwendig mit Unsicherheiten einer künftigen Entwicklung behaftet ist oder - wenn nach Ehezeitende bereits ein anderer Verlauf eingetreten ist - mit unrichtigen Größen operieren muß und der Ausgleich infolgedessen zu verfassungsrechtlich bedenklichen Abweichungen vom Halbteilungsprinzip führen würde. Der Senat hat deshalb nach Inkrafttreten des § 10a VAHRG für den Fall, daß der Beamte (erst) nach Ehezeitende wegen Dienstunfähigkeit vor Erreichen der normalen Altersgrenze in den Ruhestand getreten ist, nicht nur die Abänderung einer rechtskräftigen Ausgleichsregelung zugelassen, sondern außerdem entschieden, daß eine solche Tatsache bereits im Erstverfahren zu berücksichtigen ist (Beschluß vom 9. November 1988 - IVb ZB 53/87 - BGHR VAHRG § 10a Abs. 1 - Wertunterschied 1 = FamRZ 1989, 492). Aufgrund dieser Rechtsprechung werden die Fälle vorzeitiger Dienstunfähigkeit unabhängig davon gleichbehandelt, ob die Dienstunfähigkeit vor oder nach Ehezeitende eingetreten ist. Entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde besteht aber weder Anlaß noch eine Rechtsgrundlage dafür, in allen Fällen vorzeitiger Dienstunfähigkeit für den Versorgungsausgleich generell von der fiktiven, gemäß § 1587a Abs. 2 Nr. 1 Sätze 1 und 2 BGB auf die Altersgrenze hochgerechneten Versorgung auszugehen. Denn es steht fest, daß der Beamte eine derartige Altersversorgung nicht mehr erreichen wird; er hat darauf auch nicht mehr ein Anrecht. Es entspricht nach alledem der Rechtslage, daß der Tatrichter hier von der tatsächlich bezogenen Versorgung des Ehemannes ausgegangen ist und sie im Verhältnis der in der Ehezeit zurückgelegten Dienstzeit zu der gesamten, bis zum 31. Dezember 1982 zurückgelegten Dienstzeit in den Versorgungsausgleich einbezogen hat.

2. Das Oberlandesgericht hat geprüft, ob eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs gemäß § 1587c Nr. 1 BGB in Betracht kommt, weil die Ehefrau infolge der vorzeitigen Dienstunfähigkeit des Ehemannes und der damit veranlaßten Einbeziehung seiner tatsächlichen Versorgung einen höheren Ausgleich erhält, als wenn er bis zur Altersgrenze im aktiven Dienst verblieben wäre. Zu Vergleichszwecken hat es aufgrund einer Auskunft der D. B. dazu ermittelt, daß der ehezeitlich erworbene Teil eines bei Erreichen der Altersgrenze dem Ehemann zu gewährenden Ruhegehaltes lediglich 924,73 DM betragen hätte; unter Berücksichtigung der Anwartschaften beider Parteien in der gesetzlichen Rentenversicherung hätte sich in diesem Fall zugunsten der Ehefrau nur ein Ausgleichsbetrag von monatlich 433,47 DM - bezogen auf den 28. Februar 1986 - ergeben. Eine Herabsetzung hat das Oberlandesgericht jedoch gleichwohl abgelehnt, weil die ungekürzte Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht zu einem grob unbilligen Ergebnis führe. Zwar verringere sich der Wert der Versorgung des Ehemannes durch den ungekürzten Ausgleich von 1.859,07 DM auf monatlich 1.127,38 DM; andererseits erlange die Ehefrau einschließlich ihrer bei Ehezeitende vorhandenen eigenen Rentenanwartschaften durch den vollen Ausgleich erst einen Versorgungswert von monatlich 960,29 DM. Selbst wenn berücksichtigt werde, daß sie aufgrund der seit Ehezeitende fortgesetzten Erwerbstätigkeit noch weitere Anwartschaften erwerbe, erziele sie keine unverhältnismäßig hohe eigene Versorgung, zumal aufgrund ihrer beeinträchtigten Gesundheit höchst ungewiß sei, wie lange sie noch erwerbstätig sein könne. Die Ehe der Parteien sei von langer Dauer gewesen und aus ihr seien vier Kinder hervorgegangen. Im Hinblick auf alle Umstände erscheine daher eine Kürzung nicht gerechtfertigt.

Auch diese Entscheidung hält rechtlicher Prüfung stand.

Bereits in seinem Beschluß BGHZ 82, 66 hat der Senat auf die Möglichkeit hingewiesen, grob unbillige Ergebnisse beim Ausgleich der Ruhegehälter von Frühpensionären durch Anwendung des § 1587c Nr. 1 BGB zu vermeiden (aaO S. 79 ff). Er hat aber die Auffassung vertreten, daß die ungekürzte Beteiligung des Ehegatten an der vorzeitig erlangten Versorgung nicht regelmäßig grob unbillig ist. Für eine generelle Korrektur der Ergebnisse des nach den gesetzlichen Vorschriften durchgeführten Versorgungsausgleichs steht die Härteklausel nicht zur Verfügung. Sie kann nur im Einzelfall eingreifen, wenn nach Abwägung aller Umstände eine Herabsetzung des Ausgleichs geboten erscheint. Eine solche Gesamtwürdigung ist in erster Linie Sache des Tatrichters (BGHZ 74, 38, 84). Dessen Beurteilung kann das Gericht der weiteren Beschwerde nur darauf prüfen, ob die wesentlichen Umstände berücksichtigt und das Ermessen in einer dem Gesetzeszweck entsprechenden Weise ausgeübt worden ist (vgl. Senatsbeschluß vom 12. November 1986 - IVb ZB 67/85 - BGHR ZPO § 621e Abs. 2 Satz 3 - Ermessensentscheidung 1). Rechtsfehler sind dem Oberlandesgericht indessen nicht vorzuwerfen.

Die weitere Beschwerde vermißt nähere Feststellungen zu der Frage, wie lange die Ehefrau angesichts ihrer gesundheitlichen Belastungen voraussichtlich noch erwerbstätig sein werde. Sie vertritt daher die Auffassung, zu Lasten des Ehemannes dürfe nicht von einer vorzeitigen Beendigung der Erwerbstätigkeit der Ehefrau, sondern es müsse von deren Fortsetzung bis zum 63. Lebensjahr ausgegangen werden. Dann werde die Ehefrau eine Altersversorgung von monatlich 1.474,40 DM erreicht haben, der diejenige des Ehemannes von unverändert monatlich nur 1.127,38 DM gegenüberstehe.

Dem kann nicht gefolgt werden. Es trifft schon nicht zu, daß wegen der Ungewißheit über den künftigen Verlauf von einer Fortsetzung der Erwerbstätigkeit der Ehefrau bis zum Erreichen der Altersgrenze ausgegangen werden muß. Bei der Härteklausel handelt es sich nicht um eine anspruchsbegründende Norm, sondern um eine anspruchsbegrenzende mit Ausnahmecharakter. Ihre tatsächlichen Voraussetzungen muß nach allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln der Ausgleichspflichtige geltend machen, der damit die erstrebte Herabsetzung des Ausgleichs begründen will (vgl. Senatsbeschluß vom 23. März 1988 - IVb ZB 51/87 - BGHR BGB § 1587c - Darlegungslast 1 = FamRZ 1988, 709, 710 f). Daraus folgt, daß er die Nachteile zu tragen hat, wenn sich insoweit erforderliche Feststellungen nicht treffen lassen. Aus der Ungewißheit der Dauer ihrer künftigen Erwerbstätigkeit kann daher zu Lasten der ausgleichsberechtigten Ehefrau kein Argument für die Billigkeitsabwägung hergeleitet werden.

Abgesehen davon würde das von der weiteren Beschwerde errechnete Verhältnis der beiderseits erreichbaren Versorgungen noch nicht als grob unbillig anzusehen sein. Denn ein solches Ergebnis würde widerspiegeln, daß der Ehemann schon im Alter von 48 Jahren aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist, während die Ehefrau dann bis zum 63. Lebensjahr gearbeitet hätte. Ihrer Erwerbstätigkeit seit 1982 steht dabei die Zeit gleich, in der sie zuvor während intakter Ehe nicht erwerbstätig war, sondern 16 Jahre lang ihre Arbeitskraft für die Ehe und die insgesamt sechsköpfige Familie eingesetzt hat. Es ist gerade ein Grundgedanke des Versorgungsausgleichs, durch eine gleichmäßige Teilhabe an den während solcher Zeiten erworbenen Versorgungsanrechten die sozialen Nachteile des nicht erwerbstätigen Ehegatten zu mildern. Daß der Ausgleichsberechtigte unter Entwicklungen, wie sie hier möglich sind, danach insgesamt eine höhere Versorgung erlangen kann als der Ausgleichspflichtige, ergibt sich dann aus der unterschiedlichen Dauer des beiderseitigen Arbeitslebens und veranlaßt keineswegs eine Berichtigung unter Anwendung der Härteklausel.

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