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IVb ZB 34/86

Tenor

Auf die weitere Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des 4. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 3. Februar 1986 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der weiteren Beschwerde, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 1.381,20 DM

Gründe

I. Die im Jahre 1942 geborene Ehefrau (Antragstellerin) und der im Jahre 1940 geborene Ehemann (Antragsgegner) haben am 13. April 1962 geheiratet. Aus der Ehe ist eine Tochter hervorgegangen. Am 16. Mai 1979 ist dem Ehemann der Scheidungsantrag der Ehefrau zugestellt worden. Die Ehe ist vor Entscheidung über den Versorgungsausgleich durch Urteil vom 30. August 1979, rechtskräftig seit dem 9. Oktober 1979, geschieden worden.

Der Ehemann ist gelernter Industriekaufmann. Seit dem 9. Juli 1974 kann er seinen Beruf wegen Krankheit nicht mehr ausüben. Seit dem 31. Mai 1975 bezieht er eine Erwerbsunfähigkeitsrente als Dauerrente. Die Ehefrau hat sich zu Beginn der Ehe der Parteien ihre bis dahin geleisteten Rentenversicherungsbeiträge erstatten lassen und war während der Ehe zunächst nicht erwerbstätig. Im September 1965 nahm sie eine Halbtagstätigkeit auf. Seit der Ehescheidung geht sie überwiegend einer Vollzeitbeschäftigung nach. Sie ist inzwischen wieder verheiratet.

In der Ehezeit (1. April 1962 bis 30. April 1979, § 1587 Abs. 2 BGB) haben beide Parteien Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, und zwar der Ehemann bei Mitberücksichtigung der Zeit ab 1. Juli 1974 als Zurechnungszeit in Höhe von 472,90 DM und die Ehefrau in Höhe von 280,20 DM, jeweils monatlich und bezogen auf das Ende der Ehezeit.

Das Amtsgericht - Familiengericht - hat den Versorgungsausgleich dahin geregelt, daß es - auf der Grundlage älterer Auskünfte der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (weitere Beteiligte) - monatliche Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 115,10 DM von dem Rentenkonto des Ehemannes auf das der Ehefrau übertragen hat. Auf die Beschwerde des Ehemannes hat das Oberlandesgericht unter Abänderung der Entscheidung des Familiengerichts ausgesprochen, daß ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde. Hiergegen wendet sich die Ehefrau im Wege der - zugelassenen - weiteren Beschwerde.

II. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

1. Das Oberlandesgericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß eine Inanspruchnahme des Ehemannes unter den Gegebenheiten des Falles im Sinne von § 1587c Nr. 1 BGB grob unbillig sei, und dies im wesentlichen damit begründet, daß der Ehemann auf seine Rentenanwartschaften dringend angewiesen sei, weil er wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit zusätzliche nicht mehr erwerben könne, wohingegen die Ehefrau arbeitsfähig sei und es deshalb in der Hand habe, durch Fortsetzung ihrer Berufstätigkeit ihre Alterssicherung weiter auszubauen. So habe sie seit der Ehescheidung bereits zusätzliche Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 241,80 DM (Stand 30. April 1985) erlangt, so daß sie insgesamt - zusammen mit den ehezeitlich erworbenen Rentenanwartschaften - über Rentenanwartschaften von monatlich 522 DM und damit bereits jetzt über höhere Anwartschaften verfüge als der Ehemann. Ergänzend - für den Fall, daß sie ihre Erwerbstätigkeit wegen häuslicher Pflichten aufgebe - seien die ihr aus der neuen Ehe zuteil werdenden Vorteile zu berücksichtigen.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfange stand. In seinem Ausgangspunkt befindet sich das Oberlandesgericht freilich im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats. Danach ist der Versorgungsausgleich nach § 1587c Nr. 1 BGB ausgeschlossen, wenn und soweit er dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widersprechen würde. Unter diesem Gesichtspunkt sind auch die Auswirkungen auf die Versorgungslage der Ehegatten zu bedenken. Zwar ist die Ausgleichspflicht grundsätzlich von der beiderseitigen wirtschaftlichen Lage unabhängig. Dementsprechend vermag es für sich allein die Anwendung der Härteklausel nicht zu rechtfertigen, daß der Ausgleichsberechtigte bei Durchführung des Versorgungsausgleichs besser abgesichert erscheint als der Ausgleichsverpflichtete oder daß der Eigenbedarf des letzteren durch den Versorgungsausgleich gefährdet wird. Indessen kommt die Herabsetzung des Versorgungsausgleichs nach § 1587c Nr. 1 BGB in Betracht, wenn er nicht zu einer ausgewogenen sozialen Sicherheit der Ehegatten beitragen, sondern im Gegenteil zu einem erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewicht zu Lasten des Ausgleichspflichtigen führen würde. Das aber ist anzunehmen, wenn der Ausgleichsverpflichtete auf die von ihm erworbenen Versorgungsanrechte dringend angewiesen ist, während der Ausgleichsberechtigte bereits anderweitig angemessen abgesichert oder jedenfalls in der Lage ist, durch weitere Erwerbstätigkeit eine angemessene Alterssicherung aufzubauen (s. zu alledem Senatsbeschlüsse vom 12. November 1980 - IVb ZB 503/80 - FamRZ 1981, 130, 132; vom 29. April 1981 - IVb ZB 813/80 - FamRZ 1981, 756, 757 f.; vom 16. Dezember 1981 - IVb ZB 555/80 - FamRZ 1982, 258 f.; vom 6. Mai 1982 - IVb ZB 550/80 - FamRZ 1982, 909, 910; vom 13. Oktober 1982 - IVb ZB 781/80 - FamRZ 1983, 35, 36).

Die Annahme des Oberlandesgerichts, daß der Fall so liege, wird aber von den bisherigen tatrichterlichen Feststellungen nicht getragen. Zwar ergeben sich gegen die tatrichterliche Würdigung des Oberlandesgerichts, daß der Ehemann auf Dauer arbeitsunfähig sei und daher seine Altersversorgung nicht mehr verbessern könne, keine durchgreifenden Bedenken. Gleiches gilt für die Annahme des Oberlandesgerichts, die Ehefrau sei gesundheitlich in der Lage, weiterhin einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, und könne somit weitere Rentenanwartschaften hinzuerwerben. Ob der Ehemann auf die in Frage stehenden Versorgungsanwartschaften dringend angewiesen ist, hängt jedoch davon ab, wie hoch die Erwerbsunfähigkeitsrente ist, die er bezieht. Erst auf dieser Grundlage läßt sich beurteilen, in welche Lage er geraten kann, wenn der Versorgungsausgleich durchgeführt wird. Feststellungen des Oberlandesgerichts zur Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente des Ehemannes fehlen. Soweit es in der angefochtenen Entscheidung heißt, daß die Ehefrau bereits mit ihren Rentenanwartschaften nach dem Stande vom 30. April 1985 - monatlich 522 DM - über höhere Anwartschaften verfüge als der Ehemann, stellt das Oberlandesgericht offenbar einen Vergleich - nur - mit denjenigen Anwartschaften an, die der Ehemann während der Ehezeit erworben hat (472,90 DM). Dies läßt jedoch Rückschlüsse auf die ihm insgesamt zur Verfügung stehenden Rentenbezüge nicht zu, wenn man in Betracht zieht, daß er auch schon vor der Ehezeit erwerbstätig gewesen sein wird und in der Ehezeit bereits seit 1974 krank war, so daß er nach diesem Zeitpunkt Rentenanwartschaften nicht mehr erwerben konnte. Ebensowenig läßt sich nach den bisherigen tatrichterlichen Feststellungen abschließend beurteilen, ob die Ehefrau - was nach den dargelegten Grundsätzen hinzukommen müßte - ihrerseits angemessen abgesichert ist oder jedenfalls in ausreichendem Maße Rentenanwartschaften hinzuerwerben kann. Das Oberlandesgericht hat sich keinen Überblick darüber verschafft, ob die Rente, die sie bei Fortsetzung ihrer Erwerbstätigkeit zu erwarten hat, zu einer angemessenen Altersversorgung führen kann. Seine ergänzende Erwägung, daß auch die der Ehefrau aus ihrer neuen Ehe zufließenden Vorteile zu berücksichtigen seien, kann die Entscheidung schon deshalb nicht tragen, weil geeignete Feststellungen über die Art und das wirtschaftliche Ausmaß solcher Vorteile nicht getroffen worden sind (vgl. dazu Senatsbeschluß vom 24. Februar 1982 - IVb ZB 746/80 - FamRZ 1982, 471, 473 unter II 4). Die angefochtene Entscheidung kann infolgedessen nicht bestehen bleiben. Andererseits erscheint es nicht ausgeschlossen, daß sich bei der von Amts wegen vorzunehmenden (§ 12 FGG) Aufklärung der beiderseitigen sozialen Situation Veranlassung ergibt, den Versorgungsausgleich ganz oder teilweise nach § 1587c Nr. 1 BGB herabzusetzen (vgl. dazu BVerfG FamRZ 1984, 653). Der Senat verweist die Sache daher an das Beschwerdegericht zurück.

3. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

a) Es fällt auf, daß die Ehefrau nach den Feststellungen des Oberlandesgericht während der Ehe der Parteien zunächst gar nicht und sodann nur halbtags erwerbstätig war, nach der Ehescheidung jedoch voll berufstätig geworden ist. Dies legt die Annahme nahme, daß sie während der Ehe nur des Haushalts wegen und im Interesse der Betreuung des Kindes der Parteien auf eine berufliche Entfaltung verzichtet hat. Dies wäre im Rahmen von § 1587c Nr. 1 BGB mit zu bedenken. Ob und wieweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten im Sinne von § 1587c Nr. 1 BGB grob unbillig wäre, ist, wie schon ausgeführt, an den gesetzgeberischen Zwecken des Versorgungsausgleichs zu messen (s. Senatsbeschlüsse aaO; s. weiter Senatsbeschlüsse vom 13. Oktober 1982 - IVb ZB 615/80 - FamRZ 1983, 32, 33 und vom 5. Oktober 1983 - IVb ZB 807/81 - FamRZ 1983, 1217, 1218). Dazu aber gehört auch, daß ein sozialer Ausgleich zugunsten desjenigen Ehegatten geschaffen werden soll, der in der Ehe wegen von ihm übernommener häuslicher Aufgaben eine Berufstätigkeit hintangestellt und so ehebedingte Nachteile in seiner versorgungsrechtlichen Lage erlitten hat (BGHZ 74, 38, 42 ff. und Senatsbeschluß vom 5. Oktober 1983 aaO). Nicht zuletzt aus diesem Grunde wird ihm mit dem Versorgungsausgleich für den Fall, daß sich bei Auflösung der Ehe die Versorgungsanwartschaften des anderen Ehegatten als werthöher erweisen, ein Beteiligungsanspruch zugestanden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 13. Oktober 1982 aaO). Daher ist bei der Anwendung des § 1587c Nr. 1 BGB jeweils gebührend zu berücksichtigen, wie weit der Ausgleichsberechtigte durch Haushalt und Familie von dem Erwerb eigener Versorgungsanwartschaften abgehalten worden ist.

b) Soweit es darauf ankommt, in welchem Umfange die Ehefrau durch Berufstätigkeit weitere Rentenanwartschaften hinzuerwerben kann, verdient Berücksichtigung, daß die Ehefrau nach einem Bescheid des Versorgungsamtes Heide vom 3. Dezember 1979 zu 50% in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Falls der Tatrichter entsprechendes feststellt, kann das die Einschätzung des künftigen Erwerbs weiterer Rentenanwartschaften beeinflussen.

c) Daß sich die Ehefrau zu Beginn der Ehe der Parteien ihre Rentenversicherungsbeiträge hat erstatten lassen, hat das Oberlandesgericht im Hinblick darauf vernachlässigt, daß sie andernfalls in der Ehe nur um 7,90 DM monatlich höhere Rentenanwartschaften erworben hätte. Damit wird die Beitragserstattung für die Abwägung nach § 1587c Nr. 1 BGB nicht erschöpfend gewürdigt. Insoweit interessiert nicht so sehr, wie sie sich auf die Höhe der in der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften auswirkt, als vielmehr, um welchen Betrag die Rentenanwartschaften der Ehefrau heute ohne die Beitragserstattung höher wären. Voraussetzung für die Berücksichtigung der Beitragserstattung unter diesem Gesichtspunkt ist freilich, daß der Erstattungsbetrag seinerzeit dem gemeinsamen Hausstand zugute gekommen ist. Auch hierzu fehlt es bisher an Feststellungen.

d) Sofern das Oberlandesgericht den Versorgungsausgleich ganz oder teilweise durchführt, ist die sog. Zurechnungszeit, die der Versicherungsverlauf des Ehemannes in der Zeit ab 1. Juli 1974 aufweist, voll einzubeziehen (vgl. Senatsbeschluß vom 22. Januar 1986 - IVb ZB 77/83 - FamRZ 1986, 337 f.). Daß die Zurechnungszeit hier auf der Erkrankung des Ehemannes beruht, gibt auch im Rahmen von § 1587c Nr. 1 BGB keine Veranlassung, sie auszusparen. Die Erwägungen, denen zufolge im Falle eines vor Ehezeitende dienstunfähig gewordenen ausgleichspflichtigen Beamten eine Kürzung des Versorgungsausgleichs nach § 1587c Nr. 1 BGB in Betracht kommt (vgl. Senatsbeschluß BGHZ 82, 66 f., 79 ff.), sind auf Zurechnungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung, auch soweit sie krankheitsbedingt sind, nicht übertragbar, da es hier nicht zu einem höheren Versorgungsausgleich kommen kann, als ihn der Berechtigte bei Fortdauer der Erwerbstätigkeit des Verpflichteten zu beanspruchen hätte; vielmehr wird der Versicherte durch die Zurechnungszeit nur so gestellt, als sei seine Erwerbsunfähigkeit erst zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten (vgl. Senatsbeschluß vom 22. Januar 1986 aaO S. 337).

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