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IVb ZB 59/84

Gründe

I. Der im Jahre 1901 geborene Ehemann (Antragsgegner) und die im Jahre 1914 geborene Ehefrau (Antragstellerin) heirateten am 18. Februar 1944. Für den Ehemann war es die zweite Ehe. Seit Mai 1964 lebten die Parteien getrennt. Nachdem eine Scheidungsklage des Ehemannes in den Jahren 1965/66 erfolglos geblieben war, hat er mit der am 19. Oktober 1976 zugestellten Klage erneut die Scheidung begehrt. Dem Begehren ist nach Inkrafttreten des 1. EheRG in der Berufungsinstanz entsprochen worden. Die Ehefrau hat Ende Juli 1977 beim Familiengericht die Durchführung des Versorgungsausgleichs und die Zubilligung nachehelichen Unterhalts von monatlich 900 DM beantragt. Vor einer Entscheidung über diese Anträge ist gemäß Art. 12 Nr. 7d des 1. EheRG die Scheidung der Ehe der Parteien für wirksam erklärt worden.

In der Ehezeit (1. Februar 1944 bis 30. September 1976, § 1587 Abs. 2 BGB) hat lediglich der Ehemann Versorgungsanrechte erworben. Als niedergelassener Arzt war er ab 1. Januar 1957 Berechtigter der "Erweiterten Honorarverteilung als Versorgung" der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein; ab 1. April 1964 war er Mitglied der an deren Stelle getretenen Versorgungseinrichtung der Ärztekammer Schleswig-Holstein (weitere Beteiligte zu 1). Von dieser bezieht er seit 1. April 1969 ein Ruhegeld, das in der Folgezeit mehrfach erhöht wurde und am Ehezeitende monatlich 1.362 DM betrug.

Das Amtsgericht hat den Antrag der Ehefrau auf Zahlung nachehelichen Unterhalts zurückgewiesen sowie festgestellt, daß ihr als schuldrechtlicher Versorgungsausgleich die Hälfte des an den Ehemann gezahlten Ruhegeldes zustehe. Weiterhin hat es den Ehemann verpflichtet, an die Ehefrau ab 1. April 1979 eine monatliche Ausgleichsrente von 793,50 DM, ab 1. April 1980 von 840,40 DM, ab 1. Januar 1981 von 878,20 DM und ab 1. Januar 1982 von 915,30 DM zu zahlen, abzüglich monatlich geleisteter 250 DM.

Gegen die Regelung des Versorgungsausgleichs hat der Ehemann Beschwerde eingelegt, mit der er erstrebt hat, einen Versorgungsausgleich zugunsten der Ehefrau auszuschließen. Die Ehefrau hat sich dem Rechtsmittel angeschlossen und beantragt, zu ihren Gunsten den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich im Wege des Quasi-Splittings durchzuführen.

Das Oberlandesgericht hat zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Ehemannes bei der weiteren Beteiligten zu 1) für die Ehefrau monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von 612,90 DM, bezogen auf den 30. Oktober 1976, auf einem bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (weitere Beteiligte zu 2) einzurichtenden Rentenkonto begründet. Daneben hat es den Ehemann verpflichtet, bis zum Ende des auf die Rechtskraft seiner Entscheidung folgenden Monats an die Ehefrau Ausgleichsrenten zu zahlen, und zwar - jeweils monatlich und abzüglich in der Zeit vom 1. April 1979 bis 30. November 1982 monatlich gezahlter 270 DM - 714,15 DM ab 1. April 1979, 756,36 DM ab 1. April 1980, 790,38 DM ab 1. Januar 1981, 823,77 DM ab 1. Januar 1982 und 850,59 DM ab 1. Januar 1983.

Mit der - zugelassenen - weiteren Beschwerde erstrebt der Ehemann den Wegfall der ihm auferlegten Ausgleichsrenten. Den Ausgleich durch Quasi-Splitting beanstandet er hinsichtlich der Höhe des Ausgleichsbetrages; insoweit beantragt er eine weitere Herabsetzung gemäß Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 Sätze 3 und 4 des 1. EheRG sowie gemäß § 1587c BGB.

II. Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.

1. Soweit im angefochtenen Beschluß dargelegt ist, daß die Versorgungsanrechte des Ehemannes gemäß § 1 Abs. 3 VAHRG öffentlich- rechtlich im Wege des Quasi-Splitting auszugleichen sind und daß hinsichtlich der Höhe der für die Ehefrau zu begründenden Rentenanwartschaften von der Hälfte des vom Ehemann am Ehezeitende von der weiteren Beteiligten zu 1) bezogenen Ruhegeldes (monatlich 681 DM) auszugehen ist, sind Rechtsfehler nicht ersichtlich und erhebt die weitere Beschwerde keine Angriffe.

2. Der rechtlichen Nachprüfung hält nicht stand, daß das Oberlandesgericht zusätzlich die Voraussetzungen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs bejaht und der Ehefrau Ausgleichsrenten (§ 1587g BGB) für die Zeit bis zur Rechtskraft seiner Entscheidung zugesprochen hat. Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich hat subsidiären Charakter und greift nur dann ein, wenn und soweit der öffentliche Versorgungsausgleich nicht stattfinden kann (vgl. BGH, Beschluß vom 17. Oktober 1979 - IV ZB 10/79 - FamRZ 1980, 129, 130). Mit diesem Grundsatz ist unvereinbar, hinsichtlich des gleichen Versorgungsanrechtes, wenn auch zeitlich gestaffelt, den schuldrechtlichen und den öffentlich-rechtlichen Ausgleich vorzusehen. Auch sind die Gründe, die einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich auslösen können, im Gesetz enumerativ und abschließend geregelt, ohne daß eine analoge Anwendung auf andere Fälle in Betracht kommt (vgl. Rolland 1. EheRG 2. Aufl. § 1587f Rdn. 3; Soergel/v. Hornhardt BGB 11. Aufl. § 1587f Rdn. 1; s.a. Bericht des Rechtsausschusses BT-Drucks. 7/4361 S. 45f). Im vorliegenden Fall geht das Oberlandesgericht selbst nicht davon aus, daß nach dem im Zeitpunkt seiner Entscheidung geltenden Recht ein Fall des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs gegeben ist. Soweit es angenommen hat, jedenfalls bis zum Inkrafttreten des VAHRG am 1. April 1983 habe ein Fall des § 1587f Nr. 1 BGB vorgelegen, kann ihm nicht gefolgt werden. Dies hätte vorausgesetzt, daß ein öffentlich-rechtlicher Versorgungsausgleich durch Beitragsentrichtung (§ 1587b Abs. 3 BGB) deswegen nicht möglich war, weil die Ehefrau bereits die Voraussetzungen für ein Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt hatte (§ 1587b Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz BGB). Das war aber nicht der Fall. Bei der Beurteilung dieser Frage ist nämlich nicht auf die bloße rechtliche Möglichkeit des Bezugs von Altersruhegeld abzustellen, sondern es kommt darauf an, ob bereits ein bindender Bescheid über die Zuerkennung von Altersruhegeld erteilt war (vgl. Senatsbeschluß BGHZ 81, 152, 188f m.w.N.). Ein solcher Bescheid zugunsten der Ehefrau ist hier nicht festgestellt und kann ausgeschlossen werden, da sie keine Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben hat. Allein der Umstand, daß sie sich bereits im Rentenalter befand, stand einem öffentlich-rechtlichen Ausgleich durch Beitragsentrichtung nicht entgegen (vgl. Soergel/v. Hornhardt aaO § 1587b Rdn. 43). Die sonstigen Gründe, die das Oberlandesgericht bewogen haben, der Ehefrau für die Zeit bis zur Rechtskraft seiner Entscheidung Ausgleichsrenten zuzusprechen, laufen auf eine analoge Ausdehnung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs hinaus, die, wie ausgeführt, nicht zulässig ist. Das gilt insbesondere für die Erwägung, es erscheine unbillig, die Ehefrau bis zur Erlangung einer Rente aus dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich auf etwaige Unterhaltsansprüche gegen den Ehemann zu verweisen. Der angefochtene Beschluß kann daher in diesem Punkt keinen Bestand haben und ist aufzuheben.

3. Den der Ehefrau an sich zustehenden Ausgleichsbetrag von monatlich 681 DM hat das Oberlandesgericht aufgrund der Übergangsregelung des Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 Sätze 3 und 4 des 1. EheRG auf monatlich 612,90 DM gekürzt. Daß eine Anwendung dieser Vorschrift wegen der langjährigen Trennung der Parteien gerechtfertigt ist, ist im angefochtenen Beschluß rechtsfehlerfrei dargelegt; die diesbezüglichen Ausführungen werden von der weiteren Beschwerde als ihr günstig auch nicht angegriffen.

Die Vorschrift gestattet eine Herabsetzung bis zur Hälfte des auf die Trennungszeit entfallenden gesetzlichen Anspruchs. Hierzu hat das Oberlandesgericht festgestellt, daß der Ehemann seinen Anspruch auf Altersruhegeld in der Zeit vom 1. Januar 1957 bis 31. März 1969 erworben hat, d.h. in 147 Monaten innerhalb der Ehezeit. Da die Parteien seit dem 1. Mai 1964 getrennt gelebt haben, entfallen davon insgesamt 59 Monate auf die Trennungszeit. Zur Ermittlung des höchstmöglichen Kürzungsbetrages hat das Oberlandesgericht die Trennungszeit zur Gesamtzeit des Rentenerwerbs ins Verhältnis gesetzt. Dies ist methodisch nicht zu beanstanden, weil bei einer Ermittlung des Ehezeitanteils der hier vorliegenden Versorgung § 1587a Abs. 2 Nr. 4b BGB anzuwenden wäre (vgl. Soergel/Zimmermann aaO § 1587a Rdn. 194 S. 697), der ebenfalls ein derartiges Zeit-Zeit Verhältnis vorsieht (zur gesetzlichen Rentenversicherung vgl. dagegen Senatsbeschluß vom 4. Dezember 1985 - IVb ZB 907/81 - FamRZ 1986, 252; zur Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes vgl. Senatsbeschluß vom 22. Oktober 1986 - IVb ZB 55/83 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Dem Oberlandesgericht ist ein Rechenfehler insoweit unterlaufen, als es die Trennungszeit nur mit 49 statt mit 59 Monaten angesetzt hat. Weiterhin begegnet seine Auffassung Bedenken, daß von der tatsächlichen Trennungszeit "die dreijährige Frist des § 48 EheG" unberücksichtigt bleiben müsse. Eine derartige einschränkende Auslegung des Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 Satz 4 des 1. EheRG entspricht weder dem Wortlaut der Vorschrift noch ist sie sachlich geboten, da nicht generell gesagt werden kann, erst nach einer dreijährigen Trennung der Eheleute könne dem Versorgungsausgleich die rechtfertigende Grundlage fehlen (ebenso im Ergebnis OLG Frankfurt FamRZ 1981, 908, 909; OLG Köln NJW 1979, 111, 112; Rolland aaO Anhang §§ 1587 bis 1587 p BGB Rdn. 13). Danach beträgt der auf die Trennungszeit entfallende Teil der Rente des Ehemannes 59/147 von 681 DM, das sind 277,33 DM. Eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs ist bis zur Hälfte des gesetzlichen Ausgleichsanspruchs möglich, also hier bis monatlich 68,33 DM. Der angefochtene Beschluß, in dem dieser Rahmen ausgeschöpft werden sollte, ist im Ergebnis geringfügig auf den Betrag von (681 - 68,33 =) 612,67 DM zu korrigieren.

4. Eine weitere Kürzung des Versorgungsausgleichs gemäß § 1587c BGB ist nach der Rechtsprechung des Senats zwar nicht ausgeschlossen, doch dürfen Umstände, die nach der Sonderregelung des Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 Sätze 3 und 4 des 1. EheRG von Bedeutung sind, nicht nochmals berücksichtigt werden. Insbesondere hat das langjährige Getrenntleben der Ehegatten als solches, wenn - wie hier - die Voraussetzungen der Sonderregelung gegeben sind, für die Abwägung nach § 1587c Nr. 1 BGB auszuscheiden (vgl. Senatsbeschluß vom 4. Dezember 1985 aaO m.w.N.).

Im vorliegenden Fall hat das Oberlandesgericht eine weitere Herabsetzung des Versorgungsausgleichs nach dieser Vorschrift mit folgender Begründung verneint: Von einem ungleichgewichtigen Vermögenserwerb der Parteien während der Ehe könne nicht gesprochen werden. Die Ehefrau sei Eigentümerin eines Reihenhauses in Bad S. und zusammen mit ihrer Schwester Miteigentümerin eines Hauses in M. Dieser Grundbesitz sei in den Jahren 1955 und 1960 angeschafft und zum Teil aus Mitteln des Ehemannes finanziert worden. Es handele sich um kleinere Häuser mit einer Wohnfläche von jeweils ca. 70 qm. Das eine Haus werde von der Ehefrau bewohnt, das andere von deren Schwester, die seit längerer Zeit sämtliche Grundstücksbelastungen trage und für die Nutzung monatlich 120 DM an die Ehefrau zahle. Der Ehemann habe ein Einfamilienhaus erworben, in dem sich auch die Praxisräume befunden hätten. Dieses Grundstück habe er im Jahre 1966 auf seine jetzige Ehefrau übertragen gegen Übernahme der darauf ruhenden Lasten sowie Hege und Pflege in alten und kranken Tagen. Ein weiteres Hausgrundstück in N., die frühere eheliche Wohnung der Parteien, habe er im Jahre 1970 veräußert und einen Reinerlös von ca. 50.000 DM erzielt. Im Jahre 1972 habe er ein weiteres Teilgrundstück für 20.000 DM verkauft. Weiterhin habe er sich in der Ehezeit Lebensversicherungen im Gesamtbetrage von 73.000 DM auszahlen lassen.

Auch die sonstigen Verhältnisse der Parteien ließen die ungekürzte Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht grob unbillig erscheinen. Die bereits im Rentenalter befindliche Ehefrau besitze keinerlei Altersversorgung und erhalte lediglich von ihrer Schwester die monatliche Nutzungsentschädigung von 120 DM. Der Ehemann, der freiwillig das von ihm bewohnte Haus an seine jetzige Ehefrau übereignet habe, habe verabsäumt, beträchtliche Vermögenszuflüsse auch für seine Altersversorgung zu verwenden und dadurch das von ihm bezogene Ruhegeld aufzustocken. Soweit er sich auf Unterhaltspflichten gegenüber einem im Jahre 1964 geborenen Sohn und gegenüber seiner ersten Ehefrau berufe, seien diese durch seine Leistungsfähigkeit nach Durchführung des Versorgungsausgleichs begrenzt.

Diese Ausführungen sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Abwägung im Rahmen des § 1587c Nr. 1 BGB ist in erster Linie dem Tatrichter vorbehalten (vgl. Senatsbeschluß vom 9. Dezember 1981 - IVb ZB 569/80 - FamRZ 1982, 475, 477). Das Oberlandesgericht hat weder wesentliche Umstände außer Betracht gelassen noch, wie die weitere Beschwerde meint, den Rechtsbegriff der groben Unbilligkeit verkannt. Soweit der Ehemann darauf beharrt, die Ehefrau sei im ganzen wirtschaftlich erheblich besser gestellt als er selbst, setzt er sich in Widerspruch zu einer Würdigung des Oberlandesgerichts, die sich im Rahmen seines tatrichterlichen Beurteilungsspielraums hält. Es reicht im übrigen für eine Anwendung des § 1587 c Nr. 1 BGB nicht aus, wenn als Folge der mit dem Versorgungsausgleich verbundenen Verringerung der Altersbezüge der notwendige Eigenbedarf des Ausgleichsverpflichteten in Frage gestellt wird (vgl. Senatsbeschlüsse vom 29. April 1981 - IVb ZB 813/80 - FamRZ 1981, 756, 757 und vom 16. Dezember 1981 - IVb ZB 555/80 - FamRZ 1982, 258, 259). Eine andere Beurteilung ist nur dort angezeigt, wo der Versorgungsausgleich nicht zu einer ausgewogenen sozialen Sicherheit der Ehegatten beitragen würde, sondern im Gegenteil ein erhebliches wirtschaftliches Ungleichgewicht zu Lasten des Ausgleichspflichtigen zur Folge hätte. So liegt der Fall hier jedoch nicht, da die Ehefrau ohne ausreichende eigene Alterssicherung dasteht.

5. Mit zutreffenden Gründen hat das Oberlandesgericht auch die Voraussetzungen des § 1587c Nr. 2 und 3 BGB verneint, ohne daß die weitere Beschwerde insoweit etwas erinnert. Deren Angriffe gegen die Höhe des Ausgleichsbetrages bleiben somit im wesentlichen erfolglos.

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