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VI ZR 194/81

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 15. Juli 1981 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Revision fallen der Klägerin zur Last.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der damals 16-jährige Hauptschüler M. erlitt am 19. April 1975 nach einem Fußballspiel durch Fußtritte des Beklagten erhebliche Verletzungen, darunter eine Schädelfraktur. M. wurde im Juli 1975 aus der Hauptschule entlassen. Er besuchte ab August 1975 zunächst eine Berufsfachschule und begann im Herbst 1976 die praktische Lehre eines Kraftfahrzeugmechanikers. Wegen der erlittenen Verletzungen konnte M. diese Lehre jedoch nicht abschließen. Er wurde deshalb 1979 zum Nachrichtengerätemechaniker umgeschult.

M. ist seit dem 16. August 1976 bei der Klägerin rentenversichert. Die Klägerin erhielt von dem Vorfall vom 19. April 1975 jedoch erst am 17. April 1979 Kenntnis. Den Namen des Beklagten erfuhr sie am 6. März 1980.

Die Klägerin begehrt mit ihrer am 28. Oktober 1980 eingereichten Klage die Feststellung, daß der Beklagte verpflichtet sei, ihr 80 % des dem M. aus dessen Körperverletzung vom 19. April 1975 entstandenen und noch entstehenden Schadens zu ersetzen, soweit sie M. aufgrund der Verletzung nach der Reichsversicherungsordnung geschuldete Leistungen erbringe. Sie hat vorgetragen, daß bei der Schwere der erlittenen Schädeldachfraktur mit Spätfolgen und daher mit ihrer Eintrittspflicht gerechnet werden müsse.

Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit ihrer (zugelassenen) Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht ist ebenso wie das Landgericht der Auffassung, daß die gemäß § 1542 RVO auf die Klägerin übergegangenen Schadensersatzansprüche des M. aus unerlaubter Handlung gemäß § 852 BGB verjährt sind. Da - so führt das Berufungsgericht aus - M. im Zeitpunkt des Unfalls noch nicht bei der Klägerin rentenversichert gewesen sei seien die Ansprüche des M. gegen den Beklagten in diesem Zeitpunkt noch nicht auf die Klägerin übergegangen, vielmehr seien sie zunächst noch bei M. verblieben. Die dreijährige Verjährungsfrist habe mithin schon am 19. April 1975 mit der eigenen Kenntnis des M. von Schaden und Schädiger zu laufen begonnen. Auf den Lauf der Verjährungsfrist habe sich - das folge aus §§ 404, 412 BGB - nicht ausgewirkt, daß die Schadensersatzansprüche des M. mit Beginn des Versicherungsverhältnisses am 16. August 1976 auf die Klägerin übergegangen seien. Die Verjährung sei auch nicht gehemmt worden. Daß die Klägerin zunächst von den nunmehr ihr zustehenden Ansprüchen gegen den Beklagten keine Kenntnis gehabt habe, sei kein Hemmungsgrund nach § 203 Abs. 2 BGB. Auch die Voraussetzungen für eine Hemmung nach § 202 Abs. 1 BGB lägen nicht vor; daß M. erst nach Erfüllung der Wartezeit (§ 1247 RVO) eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit habe fordern können, habe sich auf die Durchsetzbarkeit der der Klägerin gegen den Beklagten zustehenden Ansprüche nicht ausgewirkt.

II.

Gegen diese Erwägungen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

1. Zu Recht ist das Berufungsgericht der Auffassung, daß die dreijährige Verjährungsfrist (§ 852 BGB) mit der Kenntnis des M. von Schaden und Schädiger zu laufen begonnen und der spätere Übergang der Schadensersatzansprüche des M. auf die Klägerin am Lauf der Verjährungsfrist nichts geändert hat.

a) Im Zeitpunkt der Verletzungshandlung war M. noch nicht bei der Klägerin rentenversichert. Nur ihm standen daher zunächst die aus der Verletzungshandlung erwachsenen Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten zu. Dies bedeutet, daß sich der Beginn der Verjährung nach der Kenntnis des M. von Schaden und Schädiger richtet (vgl. BGHZ 48, 181, 192). Da M. diese Kenntnis am 19. April 1975 erlangte, begann der Lauf der Verjährungsfrist am 20. April 1975 (§ 187 Abs. 1 BGB).

Erst mit Beginn des Versicherungsverhältnisses am 16. August 1976 gingen die Schadensersatzansprüche des M. gemäß § 1542 RVO auf die Klägerin über. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts war bereits in diesem Zeitpunkt von der Möglichkeit auszugehen, daß M. wegen der ihm vom Beklagten zugefügten Verletzungen Ansprüche auf Versicherungsleistungen geltend machen werde. Diese Möglichkeit der zukünftigen Inanspruchnahme der Klägerin genügte den an einen Anspruchsübergang nach § 1542 RVO zu stellenden Anforderungen (vgl. BGHZ 48, 181, 184 ff).

b) Der wirksame Übergang der Ansprüche auf die Klägerin blieb indes für die am 20. April 1975 in Lauf gesetzte Verjährung ohne Folgen. Die Klägerin muß - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt - auch den bis zum Anspruchsübergang erfolgten Ablauf der Verjährungsfrist gegen sich gelten lassen. Dies folgt aus §§ 404, 412 BGB (vgl. Senatsurteil vom 2. März 1982 - VI ZR 245/79 - VersR 1982, 546, 548, insoweit in BGHZ 83, 162 nicht abgedruckt; ferner Senatsurteil vom 24. Februar 1983 - VI ZR 243/80 - VersR 1983, 536, 537).

Demgegenüber beruft sich die Revision ohne Erfolg darauf, daß der gebotene Schutz der Sozialversicherungsträger und deren anerkanntes Interesse an effektiven Rückgriffsmöglichkeiten in den Fällen eine andere rechtliche Beurteilung erforderten, in denen die Sozialversicherungsträger - wie hier - einen Anspruch erwerben, für den ohne ihre Kenntnis die Verjährungsfrist bereits in Lauf gesetzt worden ist. Allerdings hat der Gedanke, den Belangen der Sozialversicherungsträger Rechnung zu tragen, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der der Übergang des Anspruchs auf den Sozialversicherungsträger bereits im Augenblick des schadenstiftenden Ereignisses erfolgt, entscheidend beeinflußt (vgl. BGHZ 48, 181, 184 f.). Der Bundesgerichtshof sah sich zu dieser Gesetzesauslegung veranlaßt, weil sich einerseits aus der Reichsversicherungsordnung solche Schutzgedanken ableiten ließen und andererseits der Wortlaut des § 1542 RVO eine solche Auslegung ermöglichte, wenn nicht sogar nahelegte. Demgegenüber liegen die Dinge im vorliegenden Fall anders. Der Gesetzgeber hat - ausgehend von dem Grundgedanken, daß die Rechtsposition des Schuldners durch den gesetzlichen Forderungsübergang nicht verschlechtert werden darf - in §§ 404, 412 BGB bestimmt, daß dem Schuldner die bestehenden Gegenrechte auch gegenüber dem Zessionar erhalten bleiben. Von diesem Grundsatz hat der Gesetzgeber für den Forderungsübergang nach § 1542 RVO keine Ausnahme vorgesehen. Dem Richter wäre es mithin verwehrt, die Gesetzesanwendung nach dem Schutzbedürfnis der Sozialversicherungsträger auszurichten, selbst wenn er dieses Schutzbedürfnis höher bewerten wollte als den Schutz des Schuldners.

2. Auch der Ansicht des Berufungsgerichts, daß die Verjährung nicht nach § 202 Abs. 1 BGB gehemmt war, ist zuzustimmen.

Daraus, daß die Klägerin im Verhältnis zu M. bei Forderungsübergang noch nicht zur Gewährung einer Rente verpflichtet war, erwuchs dem Beklagten keine Rechtsposition, wie sie § 202 Abs. 1 BGB voraussetzt. Die Vorschrift greift ein, wenn der Geltendmachung des an sich fortbestehenden Anspruchs ein ernstliches Hindernis entgegensteht und insbesondere die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zum Zwecke der Unterbrechung der Verjährung als ausgeschlossen erscheint (vgl. Johannsen in BGB-RGRK, 12. Aufl. § 202 Rdn. 2 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die fehlende Erfüllung der Wartezeit führte zu Rechtsfolgen im Innenverhältnis der Klägerin zu M., ohne auf das zwischen der Klägerin und dem Beklagten bestehende Rechtsverhältnis einzuwirken. Insbesondere wirkte sich die fehlende Erfüllung der Wartezeit nicht auf die rechtliche Möglichkeit der Klägerin aus, ihre Ansprüche gegenüber dem Beklagten gerichtlich ebenso geltend zu machen, wie wenn die Wartezeit erfüllt gewesen wäre.

3. Auch die Auffassung des Berufungsgerichts, daß die zunächst fehlende Kenntnis der Klägerin von den ihr gegen den Beklagten zustehenden Ansprüchen nicht die Verjährung nach § 203 Abs. 2 BGB gehemmt hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Sie entspricht der auf die Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuches zurückgehenden Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH, Urt.v.10. April 1968 - V ZR 13/65 - NJW 1968, 1381, 1382 m.w.N.).

Demgegenüber kann die Revision nicht mit Erfolg geltend machen, daß diese Rechtsprechung nicht die Fälle erfasse, in denen - wie in § 852 BGB - der Gesetzgeber für den Verjährungsbeginn gerade die Kenntnis des Gläubigers von bestimmten Umständen voraussetzt. Zwar beginnt nach § 852 Abs. 1 BGB der Lauf der Verjährungsfrist erst mit der Erlangung der Kenntnis des Gläubigers von Schaden und Schädiger. Hat jedoch danach die Verjährungsfrist zu laufen begonnen, so besteht kein Grund mehr, dem genannten Grundsatz die Geltung abzusprechen, wenn - wie im Entscheidungsfall - der Anspruch später auf einen neuen Gläubiger übergeht, der von dem Anspruchsübergang keine Kenntnis hat.

4. Ohne Erfolg hat sich die Revision schließlich in der mündlichen Verhandlung darauf berufen, daß eine gegen den Beklagten gerichtete Klage der AOK, bei der M. krankenversichert war, auch zur Unterbrechung der Verjährung der im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Schadensersatzansprüche geführt habe. Die mit dieser Klage herbeigeführte Verjährungsunterbrechung konnte die hier geltend gemachten Ansprüche schon deshalb nicht erfassen, weil diese Ansprüche bereits am 16. August 1976 auf die Klägerin übergegangen waren (vgl. oben unter 1 a), während die AOK ihre Klage erst am 30. November 1976 bei Gericht eingereicht hat.

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