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IV ZR 61/60

Tatbestand

Die Parteien haben einander … geheiratet. Aus ihrer Ehe sind vier Kinder hervorgegangen, von denen drei bereits volljährig sind. Das jüngste Kind ist … geboren. Der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Parteien war in C. in der sowjetischen Zone Deutschlands. Im Mai oder Juni … hatte sich der Bekl. als politischer Flüchtling in die Bundesrepublik Deutschland begeben. Von hier aus klagte er gegen die an dem früheren gemeinsamen Wohnort verbliebene Kl. vor dem dortigen KreisGer. auf Scheidung seiner Ehe. Während dieses Verfahren noch anhängig war, siedelte auch die Kl. zu ihrer verheirateten Tochter in die Bundesrepublik über. Das KreisGer. hat die Klage abgewiesen. Das BezirksGer. hat durch rechtskräftiges Urt. v. 3.4.1958 das Urteil des KreisGer. aufgehoben, die Ehe der Parteien auf Grund des § 8 der sowjetzonalen EheVO geschieden, der Kl. das Sorgerecht für den minderjährigen Sohn übertragen und den Bekl. verurteilt, an die Kl. monatl. 90 DM als Unterhalt für diesen Sohn zu zahlen. Der Bekl. hat wieder geheiratet. Die Kl. ist der Ansicht, daß das Urt. des BezirksGer. in der Bundesrepublik nicht wirksam sei, daß mindestens aber diesem Urt. ein Schuldausspruch hinzugefügt werden müsse. Sie hat deswegen Klage erhoben mit dem Antrag, festzustellen, daß ihre Ehe mit dem Bekl. noch bestehe, hilfsweise festzustellen, daß den Bekl. ein Verschulden an der Scheidung treffe. Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat die Ber. der Kl. zurückgewiesen und die Rev. zugelassen. Die Bev. der Kl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen

A.

I. …

II. Das BerGer. hat die gegen das die Klage abweisende Urt. des LG eingelegte Ber. der Kl. zu Unrecht insoweit zurückgewiesen, als es sich um den Antrag handelt festzustellen, daß das Urt. des BezirksGer. in der Bundesrepublik nicht wirksam sei. Die bisher getroffenen Feststellungen ergeben aber nicht, daß die Ehe der Parteien durch das Urt. des BezirksGer. auch für das Gebiet der Bundesrepublik rechtskräftig aufgelöst ist.

1. ...

2.

Gegenüber dem Rechtssystem der Sowjetzone kommt es, wie in dem BGHZ 20, 323, 335 = NJW 56, 1436 veröffentlichten Urt. dargelegt ist, darauf an, hinzuwirken, daß in der Bundesrepublik Deutschland diejenigen Urt. sowjetzonaler Gerichte nicht anerkannt werden, die wegen ihres Inhalts mit den guten Sitten oder dem Zweck eines deutschen Gesetzes in keiner Weise vereinbar sind. Nach den bisher getroffenen Feststellungen hat das BerGer. auch zutreffend angenommen, daß das Urt. des BezirksGer. wegen seines Inhalts nicht gegen die guten Sitten oder den Zweck eines deutschen Gesetzes (§ 328 Abs. 1 Ziff. 4 ZPO) verstoße.

In dem die Scheidung aussprechenden Urt. des BezirksGer. sind die persönlichen Beziehungen und Verhältnisse der Eheleute sorgfältig geprüft worden. (Wird ausgeführt.)

Mit der Erwägung, daß die Gesellschaft nicht mehr an der Aufrechterhaltung der Ehe interessiert sei, hat das BezirksGer. nur ein Tatbestandsmerkmal des § 8 der sowjetzonalen EheVO festgestellt. Die Scheidung ist nicht allein hierauf gegründet, sondern wesentlich auch darauf, daß die Ehe der Parteien nach der Überzeugung des Gerichts für diese selbst und für das gemeinsame Kind keinen Sinn mehr habe. Ein in dieser Weise begründetes Urt. verstößt nicht gegen die guten Sitten oder den Zweck eines deutschen Gesetzes. Es kommt nicht darauf an, ob den Erwägungen des BezirksGer. in allen Punkten beizutreten ist. Gegen die guten Sitten würde das Urteil nur verstoßen, wenn es mit der richtigen Auffassung von der Ehe schlechterdings unvereinbar wäre (BGH, FamRZ 56, 394; 57, 371). Das läßt sich hier nicht sagen.

3. Das Urt. ist auch nicht deswegen auf dem Gebiete der Bundesrepublik unwirksam, weil das BezirksGer. die Ehe allein auf Grund der Bestimmungen des § 8 der sowjetzonalen EheVO geschieden hat. Es kommt nicht darauf an, ob aus Art. 17 EGBGB zu entnehmen wäre, daß das Recht der Bundesrepublik hätte angewandt werden müssen, oder ob auch danach allein die sowjetzonale EheVO anzuwenden gewesen wäre. Denn diese Bestimmung kann im interzonalen Privatrecht nicht entsprechend angewandt werden. Sie trifft allein eine Bestimmung darüber, welches Recht anzuwenden ist, wenn deutsches und ausländisches Recht miteinander konkurrieren. Der in ihr enthaltene Rechtsgedanke gilt nicht, wenn es sich um die Kollision zweier verschiedener deutscher Rechtsverordnungen handelt. Auch das Recht der sowjetischen Besatzungszone ist formal gesehen deutsches Recht. Für das Gebiet der Bundesrepublik ist jedoch, soweit es sich um die Scheidung von Ehen deutscher Staatsangehöriger handelt, allein das hier geltende Recht das deutsche Recht, nach dem hier allein in Ehesachen Recht gesprochen wird. Die Gerichte der Bundesrepublik können nicht verpflichtet sein, in Ehesachen nach der sowjetzonalen EheVO Recht zu sprechen.

4. Das angef. Urt. muß aber aufgehoben werden, weil der Schutzgedanke, der dem § 328 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO zugrunde liegt, beachtet werden muß, wenn es sich um die Frage handelt, ob das eine Ehe auflösende Urt. eines sowjetzonalen Gerichts auch auf dem Gebiete der Bundesrepublik wirksam ist. Das hat das BerGer. verkannt.

Ehescheidungsurt. ausländischer Gerichte sind nach § 24 der 4. DV-EheG 1938, § 38 der AVO-EheG des ZJA v. 12.7.1948 in der Bundesrepublik nur wirksam, wenn die dafür zuständige Behörde festgestellt hat, daß die Voraussetzungen für die Anerkennung eines solchen Urt. gegeben sind. Diese Voraussetzungen sind in §§ 328, 606a ZPO aufgeführt. Danach ist die Anerkennung zu versagen, wenn das Urt. gegen elementare Gebote der sittlichen Ordnung oder des Rechts der Bundesrepublik verstößt (§ 328 Abs. 1 Ziff. 4 ZPO) und ferner, wenn es die schutzwürdigen Belange einer deutschen, insbes. der bekl. Partei verletzt (§ 328 Abs. 1 Ziff. 1, 2, 3 ZPO). Wenn beides nicht der Fall ist, insbesondere wenn der Bekl. in den Fällen des § 328 Abs. 1 Ziff. 1, 2, 3 ZPO selbst das Urt. gelten lassen will, ist die Anerkennung auszusprechen. Während § 328 Abs. 1 Ziff. 4 ZPO in erster Linie dem allgemeinen Interesse an der Aufrechterhaltung der Rechts- und Sittenordnung dient, sollen die Ziff. 2 und 3 dieser Bestimmung hauptsächlich dazu dienen, die deutsche Partei zu schützen. Insbesondere soll Ziff. 3 dieser Bestimmung die deutsche Partei davor schützen, daß ein ausländisches Gericht zu ihrem Nachteil zu Recht oder zu Unrecht ein anderes Recht angewandt hat, als es von einem Gericht der Bundesrepublik hätte angewandt werden müssen.

Ein entsprechender Schutz muß auch der Partei, deren Ehe durch das Urt. eines sowjetzonalen Gerichts geschieden ist, dann eingeräumt werden, wenn sie zur Zeit des Erlasses des Urt. ihren Wohnsitz oder ihren dauernden gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik oder Westberlin hatte. In solchen Fällen bestand neben der Gerichtsbarkeit der Gerichte der Sowjetzone auch die der Gerichte der Bundesrepublik. Deren Gerichte hätten, wie oben ausgeführt, nur das hier geltende Recht anwenden können. Die bekl. Partei ist daher entsprechend dem der Bestimmung des § 328 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO zugrunde liegenden Rechtsgedanken auch vor den Nachteilen zu schützen, die sie dadurch erleidet, daß das sowjetzonale Gericht ihre Ehe allein nach dem dort geltenden Recht geschieden hat. Will die bekl. Partei das Urt. nicht hinnehmen und hätte die Ehe nach dem in der Bundesrepublik geltenden Recht nicht geschieden werden können, dann ist das sowjetzonale Scheidungsurteil in der Bundesrepublik nicht wirksam.

Dieser, dem § 328 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO entsprechende Schutz müßte der bekl. Partei gegenüber sowjetzonalen Urt. allerdings versagt werden und sie müßte es hinnehmen, daß ihre Ehe durch ein solches Urt. auf Grund des sowjetzonalen Rechts im Widerspruch zu dem in der Bundesrepublik geltenden Recht geschieden wäre, wenn sich andernfalls hinsichtlich ihres familienrechtlichen Status eine für sie und die Belange der Allgemeinheit unerträgliche Rechtsunsicherheit ergeben würde. Ein dem § 328 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO entsprechender Schutz wäre dann keine Wohltat und damit in Wahrheit kein Schutz für die Partei. Solche Folgen, die es unmöglich machen, der in der Bundesrepublik ansässigen Partei einen dem § 328 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO entsprechenden Schutz zu gewähren, ergeben sich jedoch nicht.

Es ist zwar durchaus möglich, daß in einer nicht geringen Zahl von Fällen die in der Bundesrepublik ansässige Partei dadurch benachteiligt wird, daß ihre Ehe durch das Urt. eines sowjetzonalen Gerichts geschieden wird. Die sowjetzonalen Gerichte wenden nur das dort geltende Eherecht an. In der Bundesrepublik gilt ein anderes Eherecht. Die Auffassungen von dem Wesen der Ehe sind in der Sowjetzone und in der Bundesrepublik entsprechend den verschiedenen Wertvorstellungen, die die Grundlage der beiden unterschiedlichen Rechtsordnungen bilden, grundverschieden und zum großen Teil miteinander unvereinbar. Dem sowjetzonalen Eherecht und seiner durch die dortigen kommunistischen Machthaber i.S. der „Parteilichkeit“ gelenkten Anwendung liegt eine Auffassung vom Menschen zugrunde, die seinen Eigenwert und seine unveräußerliche und unantastbare personenhafte Würde wie sie im GrundG der Bundesrepublik als letzter Maßstab für seine Behandlung und für die Regelung seiner Beziehungen anerkannt ist, verneint, ihn vielmehr unter dem letztlich ausschlaggebenden Gesichtspunkt seiner „Verwertbarkeit“ für den Aufbau der sozialistischen Gesellschaft, d.h. seiner Funktion im Dienste eines anonymen und imaginären Kollektivs sieht. Diese verschiedene Auffassung von dem Wesen der Ehe aber wird in der Bundesrepublik und in der Sowjetzone als maßgebliche Richtschnur für die Entscheidung der Frage betrachtet, ob ein Ehescheidungsbegehren berechtigt ist. Es ist daher leicht möglich, daß eine Ehe, die in dem einen Teil Deutschlands geschieden wird, in dem anderen nicht geschieden worden wäre, und umgekehrt, daß eine Scheidung, die in dem einen Teil Deutschlands versagt wird, in dem anderen ausgesprochen worden wäre.

Ob die in der Bundesrepublik ansässige Partei durch das auf Ehescheidung lautende Urt. eines sowjetzonalen Gerichts einen Nachteil erleidet, weil dieses Urt. nach dem Recht der Bundesrepublik nicht hätte ergehen können, geht in vielen Fällen nicht aus dem Urt. selbst hervor. Die sowjetzonalen Urt. ergeben in der Regel nicht, ob das Urt. auch nach dem Recht der Bundesrepublik gerechtfertigt ist. Denn die Gerichte der sowjetischen Zone haben gemäß dem für sie geltenden Recht andere Feststellungen zu treffen, als sie erfolgen müssen, um die Entscheidung nach dem Recht der Bundesrepublik zu treffen. Und selbst wenn das sowjetzonale Gericht die erforderlichen Feststellungen lückenlos getroffen hat, ist es in vielen Fällen für denjenigen, der zu beurteilen hat, ob der UrtSpruch mit dem Recht der Bundesrepublik vereinbar ist, unmöglich, hierüber eine sichere Aussage zu machen, da die Entsch. dieser Rechtsfrage schwierig sein kann und oft selbst Rechtskundige nicht mit Sicherheit vorhersagen können, wie das zuständige Gericht diese Frage entscheiden würde.

Falls jeder Beamte oder Privatmann im Zusammenhang mit den von ihm erledigten Aufgaben oder den ihn angehenden Rechtsgeschäften selbst entscheiden müßte, ob das Scheidungsurt. eines sowjetzonalen Gerichts in der Bundesrepublik wirksam ist, würde in sehr vielen Fällen die Folge eine derartige Rechtsunsicherheit sein, die nicht nur für die Allgemeinheit, sondern auch für die davon betroffene Partei unerträglich wäre. Der Standesbeamte, vor dem eine der geschiedenen Parteien eine neue Ehe eingehen will, würde vor eine für ihn unlösbare Aufgabe gestellt, wenn er entscheiden sollte, ob das sowjetzonale Urt. in der Bundesrepublik wirksam ist. Er wäre letztlich genötigt, die begehrte neue Eheschließung abzulehnen, und müßte abwarten, ob er nach § 45 PStG angewiesen wird, die Eheschließung vorzunehmen. Der Standesbeamte wäre gezwungen, sich im Gegensatz zu dem Grundsatz, daß die Ehescheidungsurt. der sowjetzonalen Gerichte grundsätzlich auch in der Bundesrepublik wirksam sind, so zu verhalten, als seien diese Urt., wenn eine Partei zur Zeit des Erlasses des Urteils in der Bundesrepublik ansässig war, hier grundsätzlich nicht wirksam. Selbst wenn der Standesbeamte angewiesen würde, die neue Ehe zu schließen, würde damit doch nicht mit Wirkung für und gegen alle feststehen, daß die alte Ehe für das Gebiet der Bundesrepublik geschieden und die neu geschlossene keine nichtige Doppelehe ist. Wenn die bekl. Ehefrau nach der Scheidung der Ehe ein Kind gebären würde, wäre es zweifelhaft, ob dieses Kind ohne weiteres unehelich ist oder ob der frühere Ehemann nach §§ 1593, 1594 BGB die Ehelichkeit des Kindes anfechten muß.

Derartige untragbare Folgen können sich jedoch nicht ergeben, weil nicht jeder, sondern allein das nach § 606 ZPO zuständige Gericht der Bundesrepublik zu entscheiden hat, ob die Ehe der Parteien auf dem Gebiete der Bundesrepublik trotz des Scheidungsurt. des sowjetzonalen Gerichts noch besteht, und weil, solange eine dahingehende Entsch. nicht ergangen ist, grundsätzlich davon auszugehen ist, daß das Urt. des sowjetzonalen Gerichts auch in der Bundesrepublik wirksam ist. Der Rechtsgedanke, der § 23 EheG zugrunde liegt, greift in einer zwar abgewandelten Form auch durch, wenn fraglich ist, ob das Scheidungsurt. eines sowjetzonalen Gerichts in der Bundesrepublik wirksam ist. Das EheG führt in den §§ 16 ff. Ehenichtigkeitsgründe an. Liegt ein solcher Grund vor, dann ist die Ehe nichtig. § 23 EheG bestimmt aber, daß niemand sich auf die Nichtigkeit einer Ehe berufen kann, solange sie nicht durch gerichtliches Urt. für nichtig erklärt worden ist. Es kommt nicht darauf an, daß die „nichtige Ehe“ nach dem jetzt geltenden Recht eine zunächst wirksame aber vernichtbare Ehe ist (vgl. BEITZKE, Familienrecht § 10 III) und nicht nur, wie früher angenommen wurde, eine Ehe, die trotz ihrer Nichtigkeit solange als gültig zu behandeln war, bis sie für nichtig erklärt worden war (RGZ 120, 35, 37). Entscheidend ist, daß die nichtige Ehe auch vor dem Standesbeamten geschlossen worden ist. § 23 EheG beruht mit auf dem Gedanken, daß im Interesse der Rechtssicherheit das Vertrauen auf die Rechtsgültigkeit einer in dieser Weise unter staatlicher Mitwirkung geschlossenen oder in einem öffentlichen Buch eingetragenen Ehe geschützt werden muß. Wenn sich jeder auf die Nichtigkeit der Ehe berufen könnte, bevor die Ehe durch ein gerichtliches Urt. für nichtig erklärt wäre, würde die für das Zusammenleben der Menschen unerläßliche klare und überschaubare Ordnung der Statusverhältnisse fehlen. Der familienrechtliche Status einer Person könnte durch die Vorlage einer Heiratsurkunde nicht mehr mit Sicherheit nachgewiesen werden.

Entsprechend muß auch das Vertrauen in die Wirksamkeit des Urt. eines deutschen Gerichts, durch das der familienrechtliche Status einer Person geändert wird, geschützt werden. Solange in Deutschland nur eine einheitliche Gerichtsbarkeit bestand, konnte die Wirksamkeit solcher Urt. nicht zweifelhaft sein. Durch eine mit dem Rechtskraftvermerk versehene Ausfertigung des Scheidungsurt. eines deutschen Gerichts konnte in aller Regel zweifelsfrei nachgewiesen werden, daß die Ehe geschieden war. Zweifel können in größerem Umfang erst auftauchen, seitdem infolge der Teilung des Deutschen Reichs Ehescheidungsurt. eines deutschen Gerichts ergehen können, die in der Bundesrepublik nicht wirksam sind oder hinsichtlich derer es zweifelhaft sein kann, ob sie auch in der Bundesrepublik wirksam sind.

Der Rechtsgedanke, auf dem § 23 EheG und in gewisser Weise auch § 1593 BGB beruht, ergibt für die hier zu entscheidende Frage, daß sich niemand auf die Unwirksamkeit des Urt. eines sowjetzonalen Gerichts in der Bundesrepublik berufen kann, solange nicht im Widerspruch zu diesem Urt. durch ein rechtskräftiges Urt. eines Gerichts der Bundesrepublik im Verfahren nach § 606 ff. ZPO das Bestehen der Ehe festgestellt ist. Denn es ist davon auszugehen, daß Ehescheidungsurt. sowjetzonaler Gerichte Urt. deutscher Gerichte sind und daß sie grundsätzlich ohne weiteres auch in der Bundesrepublik wirksam sind. Solange nicht durch Urt. eines Gerichts der Bundesrepublik festgestellt ist, daß die Ehe der Parteien noch besteht, weil das Scheidungsurt. des sowjetzonalen Gerichts hier unwirksam ist, muß jeder auf die uneingeschränkte Wirksamkeit dieses Urt. vertrauen können.

In erster Linie ist es Sache der in der Bundesrepublik ansässigen Partei, alsbald, nachdem ihr das ihre Ehe scheidende Urt. des sowjetzonalen Gerichts zugestellt worden ist, vor dem zuständigen Gericht eine Klage auf Feststellung des Bestehens ihrer Ehe zu erheben, wenn sie geltend machen will, daß das Urt. ihre durch das Recht der Bundesrepublik geschützten Belange verletzt und daß ihre Ehe noch besteht. Wenn sie eine solche Klage nicht in angemessener Zeit erhebt, steht unwiderlegbar fest, daß sie durch das Urt. nicht benachteiligt ist und daß das Urteil, sofern es nicht gegen die guten Sitten oder den Zweck eines deutschen Gesetzes verstößt, auch in der Bundesrepublik wirksam ist.

Wird die Klage in einer angemessenen Frist erhoben, dann hat das angerufene Gericht darüber zu entscheiden, ob die Ehe durch das Urt. des sowjetzonalen Gerichts auch für das Staatsgebiet der Bundesrepublik aufgelöst ist oder ob dieses Urt. hier unwirksam ist, weil die Gerichtsbarkeit der sowjetzonalen Gerichte nicht gegeben war, weil in dem dem Urt. zugrunde liegenden Verfahren rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze nicht angewandt worden sind, weil die in der Bundesrepublik ansässige Partei dadurch benachteiligt ist, daß das Gericht nicht das hier geltende Recht angewandt hat, oder weil das Urt. gegen die guten Sitten oder den Zweck eines deutschen Gesetzes verstößt. Bei der Entscheidung der Frage, ob die Klage in angemessener Frist erhoben ist, sind alle Umstände insbesondere auch die etwa seit dem Erlaß des Urt. eingetretenen neuen Verhältnisse zu berücksichtigen. Grundsätzlich muß der Ehegatte die Klage alsbald erheben, nachdem ihm das seine Ehe scheidende Urt. bekanntgeworden ist. Er muß darauf drängen, daß sein familienrechtlicher Status, der durch das sowjetzonale Scheidungsurteil zweifelhaft geworden ist, so schnell wie möglich geklärt wird. Versäumt er dieses, dann begibt er sich des Schutzes, den die Gesetze der Bundesrepublik ihm insoweit gewähren. Er muß es dann hinnehmen, daß seine Ehe auch auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik durch das Urt. des sowjetzonalen Gerichts aufgelöst ist.

Daß die Klage auf Feststellung des Bestehens der Ehe nicht fristgerecht erhoben wird, kann zwar nicht zur Folge haben, daß das Urt. eines sowjetzonalen Gerichts, das gegen die guten Sitten oder den Zweck eines deutschen Gesetzes verstößt, in der Bundesrepublik wirksam ist. Über die durch § 328 Abs. 1 Ziff. 4 ZPO geschützten Rechtsgüter können die Parteien nicht verfügen. Die Frage, ob ein Ehescheidungsurt. eines Gerichts der sowjetischen Zone in der Bundesrepublik wirksam ist, kann, wie der insoweit entsprechend anzuwendende § 24 EheG ergibt, auch durch eine von dem Staatsanwalt erhobene Klage auf Feststellung des Bestehens der Ehe geklärt werden. Falls der Ehegatte es unterlassen hat, fristgerecht die Klage zu erheben, ist hier der Rechtsgedanke des § 1595a BGB entsprechend anzuwenden. Sofern die Möglichkeit besteht, daß das Urt. gegen die guten Sitten oder den Zweck eines deutschen Gesetzes verstößt, kann dann noch der Staatsanwalt auf Feststellung des Bestehens der Ehe klagen.

Solange nicht im Widerspruch zu dem Urt. des sowjetzonalen Gerichts rechtskräftig festgestellt ist, daß die Ehe noch besteht, ist davon auszugehen, daß das sowjetzonale Urt. auch auf dem Gebiete der Bundesrepublik wirksam und die Ehe durch dieses Urt. auch hier aufgelöst ist. Das bedeutet nicht, daß die Ehe zunächst tatsächlich auch hier aufgelöst ist und erst durch ein solches später ergehendes, das Bestehen der Ehe feststellendes Urt. wiederhergestellt wird. Es bedeutet allein, daß sich niemand darauf berufen kann, daß das Ehescheidungsurt. in der Bundesrepublik nicht wirksam sei, daß die Ehegatten auch im Rechtsverkehr des privaten und öffentlichen Rechts der Bundesrepublik wenigstens zunächst so zu behandeln sind, als sei ihre Ehe durch dieses Urt. aufgelöst.

Daraus folgt aber nicht, daß auch der Standesbeamte ohne nähere Prüfung mitwirken muß, wenn ein durch ein solches Urt. geschiedener Ehegatte vor ihm eine neue Ehe schließen will. Er muß seine Mitwirkung versagen, solange es für ihn zweifelhaft sein kann, ob die neue Ehe als Doppelehe nichtig sein würde, weil es möglich ist, daß zu späterer Zeit das Bestehen der alten Ehe festgestellt wird. Wenn der Standesbeamte in dieser Richtung Zweifel haben muß, muß er ihnen nachgehen. Er wird, wenn nicht schon ein längerer, mindestens 1 Jahr betragender Zeitraum verstrichen ist, in der Regel den anderen Ehegatten befragen müssen, ob er etwa Einwendungen gegen die beabsichtigte Eheschließung erheben will, weil er der Meinung ist, die alte Ehe bestehe in der Bundesrepublik noch. Er wird unabhängig hiervon prüfen müssen, ob das Scheidungsurt. des sowjetzonalen Gerichts gegen die guten Sitten oder den Zweck eines deutschen Gesetzes verstößt. Wenn ihm das möglich erscheint, wird er durch Rückfrage bei dem zuständigen Staatsanwalt klären müssen, ob beabsichtigt sei, deswegen eine Klage auf Feststellung des Bestehens der Ehe zu erheben.

Diese rechtlichen Folgerungen, die sich aus der entsprechenden Anwendung der in den §§ 23, 24 EheG, §§ 1593, 1595a BGB enthaltenen Rechtsgedanken ergeben, zeigen, daß keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken dagegen bestehen, den in der Bundesrepublik ansässigen Ehegatten gem. dem Sinn und Zweck des § 328 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO auch davor zu schützen, daß er nicht dadurch benachteiligt wird, daß ein Gericht der sowjetischen Zone seine Ehe scheidet, ohne das Recht der Bundesrepublik anzuwenden. Denn es ist, wenn nach den hier dargelegten Rechtssätzen verfahren wird, gewährleistet, daß im Rechts- und Wirtschaftsleben keine unerträgliche Unsicherheit über den familienrechtlichen Status der betroffenen Personen auftritt. ...

B.

Kommt das BerGer. auf Grund der neuen Verhandlung wiederum zu dem Ergebnis, daß der Hauptantrag der Kl. abzuweisen ist, dann muß das hilfsweise gestellte Begehren, ein Verschulden des Bekl. an der Scheidung festzustellen, wiederum als unzulässig abgewiesen werden.

Allerdings irrt das BerGer., wenn es annimmt, dieser Antrag sei unzulässig, weil die Kl. kein rechtliches Interesse an einer solchen Feststellung habe. Jedenfalls in den Fällen, in denen ein Ehegatte zur Zeit des Erlasses des auf Scheidung seiner Ehe lautenden Urt. seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik hat, steht ihm ein Unterhaltsanspruch gegen seinen geschiedenen Ehegatten nach dem in der Bundesrepublik geltenden Recht insoweit zu, als dieser den für ihn nach dem Recht der Sowjetzone bestehenden Unterhaltsanspruch übersteigt.

Der für die Zeit nach der Scheidung bestehende Unterhaltsanspruch ist im sowjetzonalen Recht anders als in dem Recht der Bundesrepublik geregelt. Die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten können nicht dadurch behoben werden, daß insoweit auch im interzonalen Privatrecht Art. 17 Abs. 1 EGBGB entsprechend angewandt wird. Dadurch würde eine Ehefrau, die zur Zeit der Erhebung der Klage ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik hat, hinsichtlich ihres Unterhaltsanspruchs in der Regel schlechter stehen, wenn der Ehemann in diesem Zeitpunkt seinen Wohnsitz in der Sowjetzone hat, als sie stehen würde, wenn auch ihr Ehemann in der Bundesrepublik ansässig wäre. Eine solche unterschiedliche Stellung der Ehefrau ist nicht zu rechtfertigen.

Aufgabe des Richters ist es, die auf dem Gebiete des interzonalen Privatrechts bestehenden Lücken zu schließen. Wenn dies nicht dadurch geschehen kann, daß Bestimmungen des internationalen Privatrechts entsprechend angewandt werden, muß der Richter das Recht aus den Grundgedanken unserer Rechtsordnung finden. Dabei muß er sich von dem Grundsatz leiten lassen, daß die auf dem Gebiete der Bundesrepublik ansässige Partei alle Rechte genießen soll, die ihr aus dem in Frage stehenden familienrechtlichen Verhältnisse nach der hier geltenden Rechtsordnung zustehen würden, soweit dem nicht höhere Belange der Allgemeinheit entgegenstehen. Andererseits kann sich kein Deutscher rechtlich beschwert fühlen, wenn er von seinem früheren, schon zur Zeit des Erlasses des Scheidungsurt. in der Bundesrepublik ansässigen Ehegatten auf den Unterhalt in Anspruch genommen wird, zu dessen Leistung er nach dem Recht der Bundesrepublik verpflichtet ist. Das gilt um so mehr, wenn auch der unterhaltspflichtige Ehegatte seinen Wohnsitz ebenfalls schon vor Erlaß des Scheidungsurt. oder gar, bevor er die Scheidungsklage erhoben hatte, in die Bundesrepublik verlegt hat.

Demgemäß richten sich die gegenseitigen Unterhaltsansprüche der Parteien nach den §§ 58 ff. EheG. Denn beide Parteien hatten ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik, als ihre Ehe geschieden wurde. Der Unterhaltsanspruch der Parteien wird nach diesen Vorschriften wesentlich dadurch bestimmt, ob und in welchem Umfang eine Partei eine Schuld an der Scheidung trifft. Darüber kann das sowjetzonale Gericht nach dem von ihm anzuwendenden Recht keine Feststellung treffen. Wegen der Bedeutung, die der Schuldspruch für den Unterhaltsanspruch hat, muß es den Ehegatten in einem solchen Fall grundsätzlich möglich sein, diesen Spruch nachträglich zu erwirken. Falls ein Ehegatte die Zerrüttung der Ehe verschuldet hat, steht dem anderen nicht deswegen nur der Unterhaltsanspruch nach § 61 Abs. 2 EheG zu, weil das sowjetzonale Gericht entsprechend dem dort geltenden Recht die Ehe ohne Schuldanspruch geschieden hat. Eine Klage, die darauf gerichtet ist, eine Feststellung über die Schuld an der Scheidung zu treffen, ist dann grundsätzlich zulässig. Da diese Klage in Zusammenhang mit der Scheidung der Ehe steht, sind auf sie die §§ 606 ff. ZPO entsprechend anzuwenden.

Voraussetzung für die Zulässigkeit dieser Klage ist, daß ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung der Schuld besteht. Dieses Interesse muß in allen Fällen bejaht werden, in denen bei einem festgestellten Verschulden des bekl. Ehegatten ein Unterhaltsanspruch der kl. Partei gegen ihn bestehen würde, sofern sich das Verschulden des Bekl. nicht eindeutig und von ihm unbestritten aus dem Scheidungsurteil ergibt. Umgekehrt kann das Feststellungs-interesse in den Fällen zu verneinen sein, in denen nach den gegebenen Umständen kein von dem Verschulden abhängiger Unterhaltsanspruch begründet sein kann und die Feststellung der Schuld nicht etwa für andere Rechtsverhältnisse der klagenden Partei bedeutsam ist.

Obwohl sich aus den bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen des BerGer. nicht ergibt, daß die Klägerin kein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Schuld des Bekl. hat, ist das darauf zielende Begehren der Kl. doch als unzulässig abzuweisen. Die hierauf gerichtete Klage ist ihrer Rechtsnatur nach Teil einer Ehescheidungsklage. Für sie gelten alle Bestimmungen der ZPO, die auch für die Klage auf Scheidung der Ehe gelten. Das Hauptbegehren ist eine Klage auf Feststellung des Bestehens einer Ehe. Nach §§ 638, 633 ZPO kann mit einer solchen Klage nur eine Ehenichtigkeitsklage, nicht aber eine Klage auf Scheidung der Ehe verbunden werden. Wird eine Scheidungsklage mit einer Klage auf Feststellung des Bestehens der Ehe verbunden, dann muß das Gericht diese Klagen trennen. Eine solche Trennung ist rechtlich nicht möglich, wenn in erster Linie auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der Ehe und nur hilfsweise auf Scheidung der Ehe geklagt wird. In solchen Fällen muß die mit dem Hauptantrag unzulässig verbundene Hilfsklage abgewiesen werden (RG, JW 38,1538). Die Klage auf Feststellung der Schuld des Bekl. muß daher, wenn ihr Hauptbegehren keinen Erfolg hat, als unzulässig abgewiesen werden.

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