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§ 111 SGG: Persönliches Erscheinen

Änderungsdienst
veröffentlicht am

03.08.2020

Änderung

Neu aufgenommen

Dokumentdaten
Stand27.07.2020
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2011 in Kraft getreten am 01.01.2012
Rechtsgrundlage

§ 111 SGG

Version002.00

Inhalt der Regelung

Die Vorschrift regelt

  • die Anordnung des persönlichen Erscheinens (siehe Abschnitt 2),
  • die Ladung von Zeugen und Sachverständigen (siehe Abschnitt 3) sowie
  • die Verpflichtung zur Entsendung von Behördenvertretern (siehe Abschnitt 4).

Sie findet in allen Rechtszügen Anwendung (§ 153 Abs. 1 SGG, § 165 SGG). Im Folgenden wird nur von Gericht gesprochen. Gemeint sind die Sozialgerichte, Landessozialgerichte und das Bundessozialgericht.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

NormRegelungsgegenstand
§ 69 SGGBeteiligte
§ 73 SGGProzessbeteiligte, Bevollmächtigte, Beistand
§ 106 SGGAufklärungspflicht des Vorsitzenden

Anordnen des persönlichen Erscheinens der Beteiligten, Ladung von Sachverständigen, Zeugen - § 111 Abs. 1 SGG

Der Vorsitzende des Gerichts kann zwecks Sachaufklärung und Verfahrensbeschleunigung das persönliche Erscheinen der Beteiligten (§ 69 SGG) anordnen. Er kann außerdem Sachverständige und Zeugen zur mündlichen Verhandlung oder zum Erörterungstermin laden.

Vorrangiger Zweck der Regelung ist die Aufklärung des Sachverhalts, besonders bei Beteiligten, die schriftlich nichts vorgetragen haben oder, wenn sie vertreten sind, zur Aufklärung selbst angehört werden sollen. Zweck kann aber auch die Herbeiführung einer vergleichsweisen Erledigung bzw. einer „konsensualen Konfliktlösung“ sein (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt - B. Schmidt, 13. Aufl. 2020, SGG § 111 Rn. 2). Maßgeblich ist der Grundsatz der Prozessökonomie.

Die Anordnung des persönlichen Erscheinens eines Beteiligten steht alleine im Ermessen des Vorsitzenden. Eine entsprechende prozessleitende Verfügung muss nicht begründet werden und ist unanfechtbar (§ 172 Abs. 2 SGG). Eine vorherige Anhörung ist nicht nötig (Stäbler in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 111 SGG (Stand: 15.07.2017), Rn. 9). Bei Anordnung des persönlichen Erscheinens müssen juristische Personen (zur „Entsendungsaufforderung“ für Behörden siehe Abschnitt 4 und Abschnitt 5) den oder die gesetzlichen Vertreter schicken. Der Beteiligte hat die Pflicht, am Termin persönlich teilzunehmen. Er kann jedoch nicht zu einer Aussage gezwungen werden.

Ärzte können als Sachverständige geladen werden und während des Termins eine medizinische Untersuchung vornehmen. Die Ärzte geben dann ein sogenanntes „Terminsgutachten“ ab.

Konkret benannte Mitarbeitende der Deutschen Rentenversicherung können nach § 111 Abs. 1 SGG als Zeuge geladen werden, nicht aber als Terminvertretung (siehe Abschnitt 4).

Information über Ladung von Zeugen und Sachverständigen - § 111 Abs. 2 SGG

Sind Zeugen oder Sachverständige zum Termin geladen, ist dies den Beteiligten mit der Mitteilung des Termins bekannt zu geben. Die Bekanntgabe umfasst auch die Mitteilung des knapp umrissenen Beweisthemas. Durch diese Informationen können die Beteiligten entscheiden, ob sie am Termin teilnehmen möchten und sich auf den Termin vorbereiten. Nur so wird ausreichend rechtliches Gehör gewährleistet. Ein Verstoß gegen § 111 Abs. 2 SGG ist ein wesentlicher Verfahrensmangel (Roos/Wahrendorf/Müller, 1. Aufl. 2014, SGG § 111 Rn. 22, 23).

„Entsendeaufforderung“ an Versicherungsträger, Behörde - § 111 Abs. 3 SGG

Der Vorsitzende kann anordnen, dass Versicherungsträger und Behörden „einen ausreichend informierten und bevollmächtigten Vertreter“ entsenden.

Das Erscheinen von bestimmten namentlich bekannten Mitarbeitenden (zum Beispiel der zuständigen Sachbearbeiterin bzw. des zuständigen Sachbearbeiters) kann nicht verlangt werden. Diese können nur als Zeugen im Rahmen des § 111 Abs. 1 SGG geladen werden. Eine Ladung als Terminvertretung scheidet aus (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt - B. Schmidt, 13. Aufl. 2020, SGG § 111 Rn. 8).

Die Anordnung nach § 111 Abs. 3 SGG ist nicht anfechtbar. Das Nichtbefolgen der Anordnung ist ein unfreundlicher Akt gegenüber dem Gericht. Eine Sanktion (zum Beispiel die Verhängung von Ordnungsgeld) sieht das SGG hierfür nicht vor.

Konkurrenz der Ladung nach Absatz 1 mit der Entsendeaufforderung nach Absatz 3

Die Entsendeaufforderung nach § 111 Abs. 3 SGG ist keine „Spezialnorm“ für juristische Personen des öffentlichen Rechts. Das bedeutet, Abs. 1 und Abs. 3 haben nebeneinander Bestand (Martin Kühl in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 111, Rn. 2).

Der Vorsitzende wird das persönliche Erscheinen einer Behörde (z. B. eines Rentenversicherungsträgers) nach § 111 Abs. 1 SGG jedoch nur im Ausnahmefall anordnen. Denn für eine juristische Person handeln deren Organe, so dass die Anordnung des persönlichen Erscheinens einer juristischen Person die Erscheinenspflicht des Organs der juristischen Person begründet (zum Beispiel des Geschäftsführers der DRV Mitteldeutschland, § 2 Nr. 2 der Satzung der DRV Mitteldeutschland). Die Gerichte fordern daher in der Regel einen „über die Sach- und Rechtslage ausreichend unterrichteten Bevollmächtigten“ an (§ 111 Abs. 3 SGG).

Konkret namentlich benannte Mitarbeitende der Deutschen Rentenversicherung können nach § 111 Abs. 1 SGG als Zeuge geladen werden, nicht aber als Terminvertretung (siehe Abschnitt 4).

Folgen des Nichterscheinens

Das Gericht kann abschließend entscheiden, wenn

  • ordnungsgemäß geladen wurde,
  • auf die Möglichkeit der Entscheidung (§ 110 Abs. 1 S. 2 SGG) hingewiesen wurde, und
  • die Sache entscheidungsreif ist.

Konnte der Termin von einem Beteiligten nicht wahrgenommen werden, und wurde dies ausreichend entschuldigt, darf das Gericht ohne vorherigen Hinweis nicht abschließend entscheiden. Falls die Sache nicht entscheidungsreif ist, muss vertagt werden, da der Anspruch auf rechtliches Gehör sonst verletzt wird.

Das Gericht kann Verschuldenskosten gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 1 SGG verhängen, wenn wegen des Nichterscheinens des Beteiligten (erst) in einem weiteren Termin in der Sache entschieden werden kann.

Bleibt der Beteiligte unentschuldigt dem Termin fern, so kann gemäß § 202 SGG, § 141 Abs. 3 ZPO gegen ihn ein Ordnungsgeld von 5,00 EUR bis 1.000,00 EUR (Art. 6 EGStGB) wie gegen einen im Verhandlungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden (Martin Kühl in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 111, Rn. 3). Dies gilt jedoch nicht bei einer Ladung gemäß § 111 Abs. 3 SGG (siehe Abschnitt 4).

Verschuldenskosten und Ordnungsgeld können parallel verhängt werden.

Viertes Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2011 (BGBl. I S. 3057)

Inkrafttreten: 01.01.2012

Quellen zum Entwurf: BT-Drucksache 17/6764, BR-Drucksache 315/11

§ 111 Absatz 3 wird wie folgt gefasst: „Das Gericht kann einem Beteiligten, der keine natürliche Person ist, aufgeben, zur mündlichen Verhandlung oder zu einem Termin nach § 106 Absatz 3 Nummer 7 einen Beamten oder Angestellten zu entsenden, der mit einem schriftlichen Nachweis über die Vertretungsbefugnis versehen und über die Sach- und Rechtslage ausreichend unterrichtet ist.“

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 111 SGG