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§ 99 SGG: Klageänderung

Änderungsdienst
veröffentlicht am

18.12.2021

Änderung

Neu aufgenommen

Dokumentdaten
Stand23.11.2021
Erstellungsgrundlage in der Fassung des SGG vom 23.09.1975 in Kraft getreten am 01.01.1975
Rechtsgrundlage

§ 99 SGG

Version002.00
Schlüsselwörter
  • 0161

  • 0165

  • 0166

  • 0168

  • 0223

  • 0224

  • 0610

  • 0615

  • 0616

  • 0620

  • 0624

  • 0701

  • 0702

  • 0703

  • 0708

  • 0750

Inhalt der Regelung

§ 99 SGG regelt

  • in Absatz 1 und Absatz 2 die Zulässigkeit einer Klageänderung,
  • in Absatz 3 welche Sachverhalte nicht als Änderung der Klage anzusehen sind,
  • in Absatz 4, dass eine Entscheidung, nach der eine Änderung der Klage nicht vorliege oder zuzulassen sei, unanfechtbar ist.

Klageänderung bei Änderung des Streitgegenstandes

Der Streitgegenstand wird durch den geltend gemachten prozessualen Anspruch, d.h. durch den Klageantrag und den Klagegrund im Sinne eines bestimmten Sachverhalts bestimmt. Dem Klageantrag liegt stets die Rechtsbehauptung zu Grunde, das Gericht habe im Sinne des Antrags zu entscheiden (NJW 2008, 3238, beck-online).

Eine Klageänderung liegt bei einer Änderung des Streitgegenstandes durch Erklärung gegenüber dem Gericht vor. Die Änderung kann

  • den Klageantrag (siehe Abschnitt 2.1) oder
  • den Klagegrund (siehe Abschnitt 2.2) oder beides sowie
  • die Identität der Beteiligten (siehe Abschnitt 2.3)

betreffen.

Ausnahmetatbestände ergeben sich aus § 99 Abs. 3 SGG und § 96 SGG (siehe Abschnitt 6).

Änderung des Klageantrags

Im Klageantrag wird die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge einer gesetzlichen Regelung (zum Beispiel die Bewilligung einer Rehabilitationsmaßnahme) konkretisiert:

den Bescheid vom … in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom … aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die begehrte Rehabilitationsmaßname zu gewähren.

Begehrt der Kläger eine andere als die „ursprüngliche“ Rechtsfolge und dementsprechend einen anderen Urteilsausspruch, so ist grundsätzlich eine Klageänderung erforderlich:

den Bescheid vom … in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom … aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die begehrte Rehabilitationsmaßname zu gewähren und ihm außerdem eine Haushaltshilfe für die Dauer der Rehabilitationsmaßnahme zur Verfügung zu stellen.

Änderung des Klagegrundes

Eine Änderung des Klagegrundes ist gegeben, wenn ein im Kern unterschiedlicher Lebenssachverhalt zur Begründung vorgebracht wird. Dies ist der Fall, wenn ein anderer Sachverhalt geltend gemacht wird, aus dem der erhobene Anspruch resultieren soll (BeckOGK/Bieresborn, 1.8.2021, SGG § 99 Rn. 27).

Eine Änderung des Klagegrundes liegt beispielsweise vor, wenn der begehrte Anspruch auf Beitragserstattung auf eine andere versicherungspflichtige Beschäftigung gestützt wird oder Erziehungsrente bezüglich verschiedener Kinder begehrt wird (MKLS/B. Schmidt, 13. Aufl. 2020, SGG § 99 Rn. 2b).

Beteiligtenwechsel

Ein Wechsel in der Person des Klägers oder des Beklagten ist ebenfalls eine Klageänderung, dies gilt zum Beispiel, wenn ein neuer Kläger in den Rechtsstreit eintritt wie etwa die Ehefrau an Stelle ihres Ehemanns.

Eine Klageänderung wird auch für den Fall des Rollenwechsels von Beklagtem und Beigeladenem angenommen. Keine Klageänderung liegt hingegen bei Auswechslung von Beigeladenen vor.

Keine Klageänderung ist außerdem die bloße Rubrumsberichtigung, wenn also die Bezeichnung eines der Beteiligten geändert oder korrigiert wird, solange es sich um eine identische Person handelt (BeckOGK/Bieresborn, 1.8.2021, SGG § 99 Rn. 30-32).

Einwilligung der Beteiligten und Sachdienlichkeit

Absatz 1 der Vorschrift setzt die Einwilligung aller Beteiligten (auch der einfach Beigeladenen) zur Klageänderung voraus. Die in Absatz 2 geregelte konkludente Einwilligung erfordert eine tatsächliche Einlassung der übrigen Beteiligten. Diese können sich zwar auf die Stellung eines Abweisungsantrags etc. beschränken, es muss jedoch sicher sein, dass sie von der Klageänderung Kenntnis hatten.

Die gesetzlichen Regelungen über die Klageänderung schützen die sonstigen Verfahrensbeteiligten vor willkürlichen oder unsachgemäßen Änderungen des Sachverhalts oder gestellter Anträge (BeckOGK/Bieresborn, 1.1.2021, SGG § 99).

Ob die Klageänderung sachdienlich ist, ist eine Ermessensfrage und unter prozessökonomischen Gesichtspunkten zu beurteilen. Hierbei ist maßgeblich, dass weitere Verfahren zwischen den Beteiligten des Verfahrens (nicht aber zwischen einem der Beteiligten und einem Dritten) vermieden werden sollen, so dass die Folgen der Klageänderung nicht außer Acht gelassen werden dürfen (Haupt/Wehrhahn in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 99 SGG {Zulässigkeit einer Klageänderung}, Rn. 17).

An der Sachdienlichkeit fehlt es dagegen, wenn völlig neuer Streitstoff in den Prozess eingeführt wird. Beispiel: Statt der ursprünglich geforderten Leistung wird wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt (Guttenberger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 99 SGG, Stand: 15.07.2017).

Prüfung der Zulässigkeit der Klageänderung

Es ist zu trennen zwischen der Statthaftigkeit der Klageänderung (siehe Abschnitt 3) einerseits und der Zulässigkeit der geänderten Klage andererseits. Eine wirksame Klageänderung ersetzt nicht die für die Zulässigkeit der geänderten Klage fehlenden Prozessvoraussetzungen. Deshalb entbindet eine statthafte Klageänderung (gleich, ob wegen Sachdienlichkeit oder kraft Einwilligung) das Gericht nicht davon, die Zulässigkeit der geänderten Klage zu prüfen.

Die wichtigsten Sachurteilsvoraussetzungen sind:

  • Der Rechtsweg ist nach § 51 SGG eröffnet.
  • Die Klagefrist nach § 87 SGG wurde eingehalten.
  • Es liegt ein erfolgloses Vorverfahren nach § 78 SGG vor.

(BeckOGK/Bieresborn, 1.1.2021, SGG § 99)

Auch im Wege einer Klageänderung scheidet deshalb eine Überprüfung eines Bescheides aus, wenn er nicht im Vorverfahren (§ 78 SGG) überprüft worden ist und diese Überprüfung auch nicht nachgeholt werden kann. Ansonsten muss das Gericht Gelegenheit zur Nachholung des Vorverfahrens geben.

Erst recht unzulässig ist die geänderte Klage, wenn es schon an einer ablehnenden Entscheidung des Beklagten fehlt. Ebenso wenig hilft die Klageänderung (abgesehen von den Fällen des § 153 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 96 SGG) über die fehlende instanzielle Zuständigkeit des Gerichts hinweg.

Eine wirksame Klageänderung bewirkt, dass sich das Gericht mit dem geänderten Streitgegenstand befassen muss (Haupt/Wehrhahn in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 99 SGG {Zulässigkeit einer Klageänderung}, Rn. 20, 22).

Berufungsverfahren/Revisionsverfahren

Eine Klageänderung ist gemäß § 153 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 99 SGG grundsätzlich auch noch im Berufungsverfahren möglich. Diese Klageänderung setzt jedoch die Zulässigkeit der Berufung voraus. Eine unzulässige Berufung kann nicht durch eine Klageänderung zulässig gemacht werden. Zulässig ist auch die Klageerweiterung nach Absatz 3 Nummer 2 im Berufungsverfahren.

Eine Klageänderung im Revisionsverfahren ist dagegen nach § 168 S. 1 SGG unzulässig (Guttenberger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 99 SGG, Stand: 15.07.2017).

Ausnahmetatbestände

Keine Klageänderung liegt vor bei

  • einer Ergänzung oder Berichtigung der tatsächlichen Angaben im Detail (zum Beispiel ein Schreib- oder Rechenfehler bei der Bezifferung einer Forderung). Diese fällt unter § 99 Abs. 3 Nr. 1 SGG.
  • der Einbeziehung eines neuen Verwaltungsaktes in das gerichtliche Verfahren gemäß § 96 SGG (siehe GRA zu § 96 SGG). Hierbei handelt es sich um eine besondere Form der Klageänderung, die nicht an die Vorgaben des § 99 SGG gebunden ist und kraft Gesetzes eintritt (BeckOGK/Bieresborn, 1.1.2021, SGG § 99),
  • einer Neufassung des Klageantrags lediglich zur Verdeutlichung. Es handelt sich meist um eine bloße berichtigende Klarstellung des Antrags, nicht aber um eine Klageänderung.

Die Bestimmung des § 99 SGG über die Änderung der Klage ist seit Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes zum 01.01.1954 (BGB I 1953, 1239) unverändert geblieben.

Der Gesetzentwurf (BT-Drucksache 1/4357 S. 28 zu § 47 des Entwurfs) verweist lediglich auf die entsprechenden Regelungen in §§ 264, 268 und 270 ZPO sowie auf das gleichgestaltete Verfahren vor den Verwaltungsgerichten.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 99 SGG