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§ 99 SGB X: Auskunftspflicht von Angehörigen, Unterhaltspflichtigen oder sonstigen Personen

Änderungsdienst
veröffentlicht am

20.08.2019

Änderung

Dokumentdaten
Stand01.12.2015
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Art. 2 SGB X vom 04.11.1982 in Kraft getreten am 01.07.1983
Rechtsgrundlage

§ 99 SGB X

Version001.00

Inhalt der Regelung

§ 99 SGB X verpflichtet Angehörige und andere dritte Personen zu sachbezogenen Auskünften gegenüber einem Sozialleistungsträger, wenn ihr Einkommen beziehungsweise Vermögen oder ihre Unterhaltspflicht materiellen Einfluss auf den Sozialleistungsanspruch eines Betroffenen hat. Die gleichen Informationspflichten gelten für jene Personen, die in diesem Zusammenhang als Unterhaltspflichtiger, Angehöriger, früherer Ehegatte oder Erbe zum Aufwendungsersatz herangezogen werden.

Die Auskunftspflicht wird begrenzt gemäß den Grundsätzen der Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit. Ein Verweigerungsrecht wird eingeräumt, soweit die Beantwortung einzelner Fragen die Gefahr eines Strafverfahrens oder Ordnungswidrigkeitenverfahrens für den Auskunftspflichtigen oder eine ihm nahestehende Person nach sich ziehen könnte.

Im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung kann die Auskunftspflicht nach § 99 SGB X unter anderem bei der Abzweigung laufender Geldleistungen nach § 48 Abs. 1 SGB I oder bei Witwen- oder Witwerrenten nach dem vorletzten Ehegatten gemäß § 90 Abs. 1 SGB VI eine Rolle spielen.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

§ 60 SGB I bestimmt den Umfang der Auskunftspflicht im Rahmen der Mitwirkungspflicht von auskunftspflichtigen Personen im Sinne des § 99 SGB X näher.

§ 65 SGB I beschreibt die Grenzen der Mitwirkung.

§ 196 SGB VI regelt Auskunfts- und Mitteilungspflichten von Versicherten oder Personen, für die eine Versicherung durchgeführt werden soll, Mitteilungspflichten der Meldebehörden und der Handwerkskammern.

§ 21 SGB X beschreibt die Pflicht zur Aussage von Zeugen, wenn sie durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist.

§ 21 Abs. 4 SGB X regelt eine Auskunftspflicht der Finanzbehörden zu den ihnen bekannten Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Antragstellers, Leistungsempfängers, Erstattungspflichtigen, Unterhaltspflichtigen, Unterhaltsberechtigten oder der zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder.

§ 22 SGB X beschreibt die Möglichkeit der Vernehmung des Auskunftspflichtigen vor einem Sozialgericht.

§ 66 SGB X betrifft die Maßnahmen der Vollstreckung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen.

§ 98 SGB X regelt allgemein das Auskunftsrecht der Träger der Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung gegenüber dem Arbeitgeber als Drittem.

§ 100 SGB X betrifft die Verpflichtung von Ärzten und Angehörigen anderer Heilberufe zur Auskunftserteilung gegenüber einem Sozialleistungsträger.

§ 383 ZPO bestimmt das Zeugnisverweigerungsrecht nahestehender Personen.

Auskunftspflicht und Kostenerstattung

Die Auskunftspflicht besteht (lediglich) im konkreten Einzelfall und nur auf Verlangen des Leistungsträgers. Die Auskunft ist grundsätzlich in der verlangten Form zu erteilen. Aus Gründen der Beweissicherheit sollte regelmäßig eine schriftliche Auskunft bevorzugt werden.

Speziellere Regelungen zu einer Auskunftspflicht (zum Beispiel § 60 SGB II, § 117 SGB XII) gehen der allgemeinen Regelung des § 99 SGB X vor.

Dem Auskunftspflichtigen können durch Auskunftserteilung finanzielle Nachteile erwachsen, wie zum Beispiel Portokosten, Telefongebühren, Rechtsanwaltskosten oder Verdienstausfall. Da kein allgemeiner Rechtssatz existiert, wonach der Auskunftspflichtige vom Leistungsträger Ersatz der entstandenen Aufwendungen verlangen kann, besteht in den Fällen der Auskunftserteilung nach § 99 SGB X grundsätzlich kein Kostenerstattungsanspruch.

Auskunftsberechtigte Stellen

Das Recht, eine Auskunft zu verlangen, steht ausschließlich den Leistungsträgern der in § 99 SGB X genannten Sozialleistungsbereiche (unter anderem Rentenversicherungsträger nach § 12 in Verbindung mit § 23 Abs. 2 SGB I) zu. Ob eine Auskunft verlangt wird, steht im Ermessen des Leistungsträgers.

Auskunftsverpflichtete Personen

Zur Auskunft verpflichtet sind nach § 99 S. 1 Nr. 1 SGB X die Angehörigen des Leistungsempfängers und sonstige Personen.

Wer bei der Anwendung von § 99 S. 1 Nr. 1 SGB X als Angehöriger anzusehen ist, ergibt sich jeweils aus den Vorschriften des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts, in dessen Rahmen auf die Auskunftspflicht zurückgegriffen wird. Es bleibt letztlich jedoch ohne Bedeutung, ob eine Person zu den Angehörigen zu zählen ist, da auch sonstige dritte Personen zur Auskunft verpflichtet sind, soweit im Übrigen die Voraussetzungen der Vorschrift vorliegen.

Soweit die Höhe einer Sozialleistung oder deren Erstattung vom Anspruch auf Unterhalt des Leistungsberechtigten abhängt, werden die zum Unterhalt verpflichteten Personen von der Auskunftspflicht nach § 99 S. 1 Nr. 2 SGB X erfasst.

Unterhaltspflichtig sind vorrangig die Ehegatten (§ 1360 ff. in Verbindung mit § 1608 BGB), unabhängig von deren Güterstand. Nach der Scheidung beruht die Unterhaltsverpflichtung zwischen den früheren Ehegatten auf den §§ 1569 ff. BGB. Der danach verpflichtete frühere Ehegatte schuldet den Unterhalt vor den Verwandten des anderen Ehegatten. Ansonsten zum Unterhalt verpflichtet sind gemäß § 1601 ff. BGB die Verwandten in gerader Linie, wobei Abkömmlinge vor Verwandten der aufsteigenden Linie einzutreten haben. Für nichteheliche Kinder gelten nach § 1615a ff. BGB grundsätzlich die allgemeinen Bestimmungen.

Eine Auskunftspflicht besteht schließlich nach § 99 S. 2 SGB X auch für Erben, soweit der Leistungsträger den Ersatz von Aufwendungen verfolgt und Sachverhalte des § 99 S. 1 Nr. 1 oder 2 SGB X vorliegen. Insoweit sind sowohl gesetzliche als auch testamentarische Erben auskunftspflichtig. Diese Pflicht endet, wenn die Erbschaft ausgeschlagen wurde.

Umfang der Auskunftspflicht

§ 99 S. 1 SGB X enthält die Verpflichtung, Einkommen, Vermögen und die Höhe von Unterhaltsansprüchen, die für die Höhe einer Sozialleistung beziehungsweise deren Erstattung von Bedeutung sind, auf Anfrage dem Leistungsträger mitzuteilen. Die Vorschrift selbst ist nur abstrakt ausformuliert, sodass sich die Auslegung der genannten Begriffe an den im Einzelfall maßgeblichen leistungsrechtlichen Regelungen orientieren muss.

Die anzugebenden Unterhaltsansprüche ergeben sich regelmäßig aus den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts. Da § 99 S. 1 Nr. 2 SGB X aber nur allgemein von Unterhaltsansprüchen spricht, sind neben den gesetzlichen auch solche Unterhaltsverpflichtungen umfasst, die lediglich auf vertraglicher Basis beruhen. Von Bedeutung sind dabei aber nur Ansprüche, die der Leistungsempfänger gegen einen Dritten hat. Ansprüche, die Dritte gegen den Leistungsempfänger besitzen, sind im Rahmen des § 99 SGB X nicht maßgeblich. Die Auskunftspflicht umfasst auch die Frage, ob überhaupt ein Unterhaltsanspruch besteht. Insoweit ist bereits die Vermutung des Leistungsträgers, dass ein entsprechender Anspruch bestehen könnte, ausreichend, um eine Auskunft nach dieser Vorschrift zu verlangen. Der Verzicht auf Unterhaltsleistungen berührt die Auskunftspflicht nicht.

Die Auskunftspflicht besteht darüber hinaus gemäß § 99 S. 2 SGB X in den vorgenannten Fällen auch dann, wenn der Leistungsträger beabsichtigt, den Ersatz seiner Aufwendungen gegenüber Unterhaltspflichtigen, Angehörigen, früheren Ehegatten oder Erben geltend zu machen. Dies betrifft unter anderem Rückforderungsansprüche nach § 50 SGB X und § 118 Abs. 4 SGB VI gegen den oben genannten Personenkreis. Aufwendungen im Sinne des § 99 S. 2 SGB X sind neben der eigentlichen Sozialleistung aber auch alle in diesem Zusammenhang entstandenen Auslagen, Verfahrenskosten und Ähnliches.

Die Auskunftspflicht umfasst die Angabe aller für die Leistung erheblichen Tatsachen, die Zustimmung zu erforderlichen Auskünften durch Dritte, die Bezeichnung von Beweismitteln und die Vorlage von Beweisurkunden oder die Zustimmung zu ihrer Vorlage (§ 99 S. 1 und 2 SGB X in Verbindung mit § 60 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGB I). Eine Auskunftspflicht entsprechend § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I (Mitteilung von Änderungen in den Verhältnissen) ist nicht bestimmt, da diese für den Nichtleistungsempfänger zu weitgehend wäre.

Grenzen der Auskunftspflicht und Auskunftsverweigerungsrecht

Liegen die Voraussetzungen der Sätze 1 oder 2 vor, findet § 60 Abs. 1 Nr. 1 und 3 sowie § 65 Abs. 1 SGB I Anwendung. Dies bedeutet, dass im Rahmen der verlangten Auskunft alle erheblichen Tatsachen anzugeben, Beweismittel zu bezeichnen und Beweisurkunden vorzulegen sind. Etwaigen Auskünften Dritter und der Vorlage von Beweisurkunden muss zugestimmt werden. Die entsprechende Verpflichtung wird begrenzt durch die Grundsätze der Erforderlichkeit, der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit.

§ 99 S. 3 SGB X enthält den allgemeinen Grundsatz, dass derjenige, der sich einer strafrechtlichen Verfolgung oder der Ahndung einer Ordnungswidrigkeit aussetzt, die Auskunft verweigern kann. Geschützt werden insoweit der Auskunftspflichtige und ihm nahestehende Personen.

Die Inanspruchnahme des Verweigerungsrechts bedarf der substantiierten Behauptung, dass ein Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OwiG) beziehungsweise der Strafprozessordnung eingeleitet werden könnte. Die bloße Behauptung der Belastung einer geschützten Person ist insoweit nicht ausreichend.

Verletzung der Auskunftspflicht

Die Auskunftspflichten nach § 99 SGB X sind keine Obliegenheiten - wie beim Antragsteller beziehungsweise Leistungsberechtigten - sondern Rechtspflichten.

Wird die Auskunft verweigert, kann der Leistungsträger über § 22 SGB X das Sozialgericht um die Vernehmung des Auskunftspflichtigen ersuchen. Auch die Auferlegung eines Zwangsgeldes (§ 66 SGB X in Verbindung mit § 11 VwVG) ist möglich. Darüber hinaus kommt eine Inanspruchnahme der Versicherungsämter nach § 93 SGB IV in Betracht.

Im Gegensatz zur Regelung in § 98 SGB X ist die Verweigerung der Auskunft nach § 99 SGB X keine Ordnungswidrigkeit im Sinne des OWiG.

Ist die Auskunftspflicht nicht durchsetzbar oder wird sie nicht oder schlecht erfüllt, ist anhand der gegebenen Sachlage zu entscheiden. Entstehen hierdurch dem Leistungsträger oder dem Berechtigten Nachteile, so können nach allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen Schadenersatzansprüche entstehen.

Verfahren

Eine bestimmte Form für das Auskunftsersuchen und die Auskunft ist nicht vorgeschrieben. Sie können je nach Erfordernis sowohl schriftlich, mündlich als auch fernmündlich erfolgen. Aus Gründen der Beweissicherung wird regelmäßig eine schriftliche Auskunft zu bevorzugen sein.

Der Rentenversicherungsträger kann sein Auskunftsverlangen nach § 99 SGB X als Verwaltungsakt ausgestalten. Er muss das Auskunftsverlangen dann so formulieren, dass für den Adressaten zu erkennen ist, dass er zur Erteilung der Auskunft bindend verpflichtet sein soll. In diesem Fall kann der Rentenversicherungsträger das Auskunftsverlangen gemäß § 66 SGB X durch Maßnahmen der Zwangsvollstreckung durchsetzen. Auf das als Verwaltungsakt ergangene Auskunftsverlangen finden die allgemeinen Vorschriften über Bestandskraft und Korrektur von Verwaltungsakten Anwendung.

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) vom 04.11.1982 (BGBl. I S. 1450)

Inkrafttreten: 01.07.1983

Quellen zum Entwurf: BT-Drucksache 9/95, S. 23 zu § 105 des Entwurfs, BT-Drucksache 9/1753, S. 12, 43

Die Vorschrift wurde zum 01.07.1983 mit dem Dritten Kapitel des SGB X "Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten" neu eingeführt.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 99 SGB X