§ 84 SGB X: Recht auf Berichtigung, Löschung, Einschränkung der Verarbeitung und Widerspruch
veröffentlicht am |
21.10.2023 |
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Änderung | Die GRA wurde überarbeitet und mit dem Regionalträger abgestimmt. |
Stand | 28.09.2023 |
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Erstellungsgrundlage | in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17.07.2017 (BGBI. 1 S. 2541) |
Rechtsgrundlage | |
Version | 002.00 |
- Inhalt der Regelung
- Unmöglichkeit der Löschung von Sozialdaten bei nicht automatisierter Datenverarbeitung (§ 84 Abs. 1 SGB X)
- Unmöglichkeit der Feststellung der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Daten (§ 84 Abs. 2 SGB X)
- Keine Löschung der Daten bei Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der betroffenen Person (§ 84 Abs. 3 SGB X)
- Keine Löschung bei satzungsmäßigen oder vertraglichen Aufbewahrungsfristen (§ 84 Abs. 4 SGB X)
- Einschränkung des Rechts auf Widerspruch (§ 84 Abs 5 SGB X)
- Sonderregelung für Archivdaten (§ 84 Abs. 6 SGB X)
- Rechtsfolgen der Berichtigung, Löschung und Einschränkung der Verarbeitung von Sozialdaten
- Rechtsfolgen einer Verletzung der Norm
- Inhalt der Regelung
- Unmöglichkeit der Löschung von Sozialdaten bei nicht automatisierter Datenverarbeitung (§ 84 Abs. 1 SGB X)
- Unmöglichkeit der Feststellung der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Daten (§ 84 Abs. 2 SGB X)
- Keine Löschung der Daten bei Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der betroffenen Person (§ 84 Abs. 3 SGB X)
- Keine Löschung bei satzungsmäßigen oder vertraglichen Aufbewahrungsfristen (§ 84 Abs. 4 SGB X)
- Einschränkung des Rechts auf Widerspruch (§ 84 Abs 5 SGB X)
- Sonderregelung für Archivdaten (§ 84 Abs. 6 SGB X)
- Rechtsfolgen der Berichtigung, Löschung und Einschränkung der Verarbeitung von Sozialdaten
- Rechtsfolgen einer Verletzung der Norm
Inhalt der Regelung
§ 84 SGB X trifft ergänzende Regelungen zu den Rechten betroffener Personen nach Art. 16 DSGVO bis Art.18 DSGVO und Art. 21 DSGVO bei der Verarbeitung von Sozialdaten. § 84 SGB X wendet sich hierbei an die verantwortlichen Stellen, beispielsweise die Rentenversicherungsträger.
Ergänzende/korrespondierende Regelungen
§ 84 SGB X schränkt das Recht auf Löschung nach Art. 17 DSGVO, das Recht auf Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 18 DSGVO und das Widerspruchsrecht nach Art. 21 DSGVO ein.
Dagegen wird das Recht auf Berichtigung nach Art. 16 DSGVO nicht beschränkt.
§ 84 Abs. 6 SGB X verweist auf § 71 Abs. 1 S. 3 SGB X.
Unmöglichkeit der Löschung von Sozialdaten bei nicht automatisierter Datenverarbeitung (§ 84 Abs. 1 SGB X)
§ 84 Abs. 1 SGB X schränkt das Recht der betroffenen Person auf Löschung und die damit zusammenhängende Pflicht des Verantwortlichen für den Fall ein, dass eine Löschung wegen der besonderen Art der Speicherung nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich ist und das Interesse der betroffenen Person als gering anzusehen ist (GRA zu Art. 17 DSGVO). Der Anwendungsbereich der Regelung wird allerdings ausdrücklich auf die Fälle nicht automatisierter Datenverarbeitung beschränkt; die Einschränkung dient der Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals der „besonderen Art der Speicherung“. Erfasst werden von der Vorschrift vor allem Archivierungen in Papierform oder die Nutzung früher gebräuchlicher analoger Speichermedien (beispielsweise Mikrofiche), bei denen es nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich ist, einzelne Informationen selektiv zu entfernen.
An die Stelle der Löschung tritt die Einschränkung der Verarbeitung (GRA zu Art. 18 DSGVO). Die in Art. 17 Abs. 3 DSGVO genannten Ausnahmen von dem Recht auf Löschung, bleiben von der Vorschrift unberührt.
Voraussetzungen für eine Ausnahme nach § 84 Abs. 1 SGB X sind somit
- die Sozialdaten sind, die in nicht-automatisierten Dateisystemen (beispielsweise Papierakten, PDF oder Mikrofiche) gespeichert sind,
- eine Löschung der Daten ist nicht oder nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand möglich und
- das Interesse der betroffenen Person ist als gering anzusehen.
Somit handelt es sich stets um eine Einzelfallprüfung.
Gemäß § 84 Abs. 1 S. 3 SGB X finden Satz 1 und 2 keine Anwendung, wenn die Sozialdaten unrechtmäßig verarbeitet wurden (vergleiche Art. 17 Abs. 1 Buchst. d DSGVO), das heißt, dass hier eine Löschpflicht des Verantwortlichen besteht.
Unmöglichkeit der Feststellung der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Daten (§ 84 Abs. 2 SGB X)
§ 84 Abs. 2 SGB X sieht eine Beschränkung der Einschränkung der Verarbeitung für den Fall vor, dass die betroffene Person die Richtigkeit der zu ihr gespeicherten Sozialdaten bestreitet, sich aber weder deren Unrichtigkeit noch deren Richtigkeit feststellen lässt.
In der Praxis kommt dies häufig bei medizinischen Bewertungen in ärztlichen Gutachten oder Reha-Entlassungsberichten vor. Hier stimmen Selbstwahrnehmung der Betroffenen und Einschätzung der Ärzte oft nicht überein.
Der Berichtigungsanspruch nach § 84 Abs. 2 SGBX ist nicht nur auf offenbare, sondern auf alle Unrichtigkeiten bezogen, auch unrichtige Werturteile. Die Beweislast für die Richtigkeit liegt beim Verantwortlichen. Ungeklärte Sachlagen sind in geeigneter Weise festzuhalten. Sozialdaten, deren Richtigkeit vom Betroffenen bestritten werden und sich weder die Richtigkeit noch die Unrichtigkeit der Daten feststellen lässt (§ 84 Abs. 2 S. 1 SGB X), sind entgegen Art. 18 Abs. 1 DSGVO in Ergänzung der Ausnahmen in Art. 18 Abs. 2 DSGVO weiterhin zu verarbeiten, wenn diese Sozialdaten der Erfüllung sozialer Aufgaben dienen. Die in ihrer Richtigkeit bestrittenen Daten dürfen nur mit einem Hinweis darauf verarbeitet werden (§ 84 Abs. 2 S. 2 SGB X). Eine Sperrung von Daten kann zur Folge haben, dass Sozialleistungen nicht oder nur in geringerem Umfang erbracht werden. Die Sperrung ist daher im Sozialleistungsbereich nicht die geeignete Maßnahme, wenn die Richtigkeit der Daten von der betroffenen Person bestritten wird und sich weder ihre Richtigkeit noch ihre Unrichtigkeit feststellen lässt. Ein Festhalten der Sachlage in geeigneter Weise kann bei nicht-automatisierten Dateien ein schriftlicher, bei automatisierten Dateien ein entsprechender Zusatz auf dem Datenträger sein.
Keine Löschung der Daten bei Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der betroffenen Person (§ 84 Abs. 3 SGB X)
§ 84 Abs. 3 SGB X führt zu einer wesentlichen Besserstellung der betroffenen Person gegenüber der DSGVO, weil die Vorschrift den Verantwortlichen verpflichtet, von sich aus und ohne eine Aufforderung durch die betroffene Person auf eine Löschung zu verzichten, wenn der Verantwortliche Grund zur Annahme hat, dass die Löschung deren schutzwürdige Belange beeinträchtigen würde.
Schutzwürdige Belange der betroffenen Person können beispielsweise deshalb beeinträchtigt sein, weil diese die gelöschten Daten später wieder beschaffen müsste oder weil die nach der Löschung verbleibenden Daten unvollständig oder irreführend wären. Im Zweifel sollte keine Löschung der Sozialdaten ohne vorherige Klärung der Sachlage mit der betroffenen Person erfolgen.
Die Einschränkung der Verarbeitung anstelle der Löschung soll die betroffene Person in die Lage versetzen, ihr Verlangen auf Einschränkung der Verarbeitung gegenüber dem Verantwortlichen zu äußern oder sich für eine Löschung zu entscheiden. Dies wird durch die Unterrichtungspflicht nach § 84 Abs. 3 S. 2 SGB X gewährleistet, zugleich stellt dies eine Maßnahme zum Schutz der Rechte und Pflichten sowie der berechtigten Interessen der betroffenen Person nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. h DSGVO dar. In der Regel wird es sich daher nur um eine vorübergehende Beschränkung der Löschungspflicht des Verantwortlichen handeln.
Keine Löschung bei satzungsmäßigen oder vertraglichen Aufbewahrungsfristen (§ 84 Abs. 4 SGB X)
Eine Pflicht zur Einschränkung der Verarbeitung besteht anstelle der Löschung der Sozialdaten, wenn gesetzliche, satzungsmäßige oder vertragliche Aufbewahrungsfristen von der Behörde einzuhalten sind. Während satzungsmäßigen oder vertraglich vereinbarten Fristen für Leistungsträger keine entscheidende Bedeutung zukommt, sind insbesondere gesetzliche Aufbewahrungsfristen zu berücksichtigen. Neben formellen Gesetzen kommen als Rechtsvorschriften, die eine Aufbewahrungsfrist vorsehen, auch Rechtsverordnungen als materielles Recht in Betracht. Beispielhaft erwähnt seien hier das Bundesarchivgesetz, die Strahlenschutzverordnung (§ 85 Abs. 3 StrlSchV) oder die Berufsordnung für Ärzte (§ 10 Muster-Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärzte). Verwaltungsvorschriften, Richtlinien und Erlasse können ebenso wenig wie haushaltsrechtliche Regelungen allein eine Aufbewahrungspflicht herbeiführen (siehe auch GRA zu Art. 17 DSGVO, Abschnitt 5.2).
Die Voraussetzungen der Pflicht zur Löschung der Sozialdaten müssen sorgfältig auf den Einzelfall bezogen abgewogen werden, da verschiedene soziale Rechte an diese Sozialdaten anknüpfen. So ist in der Rentenversicherung die umfangreiche Erwerbsbiografie bedeutend, auch kann der Datensatz wegen einer abgeschlossenen Rentenfestsetzung nicht gelöscht werden, da gesetzliche Verbesserungen rückwirkend eingeführt werden können (beispielsweise Aufwertung von Kindererziehungszeiten) oder Hinterbliebenenansprüche eine erneute Verarbeitung der Sozialdaten erfordern. In diesem Fall sind die Sozialdaten zu archivieren, die zwar zur aktuellen Aufgabenerfüllung nicht mehr benötigt werden, jedoch beispielsweise zur Beweissicherung oder Rechnungsprüfung aufbewahrt werden.
Die Einschränkung der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist ist über die sich unmittelbar aus Art. 17 Abs. 3 Buchst. b DSGVO (Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung nach dem Recht der Union oder der Mitgliedstaaten) ergebenden Ausnahme erfasst. Die Ausnahme beruht auf Art. 23 Abs. 1 Buchst. e DSGVO und schützt den Verantwortlichen vor einer übermäßigen Inanspruchnahme im Interesse des Schutzes der sozialen Sicherheit.
Die Regelung korrespondiert mit der Einschränkung der Auskunftspflicht des Verantwortlichen gemäß § 83 Abs. 1 Nr. 2 SGB X.
Einschränkung des Rechts auf Widerspruch (§ 84 Abs 5 SGB X)
§ 84 Abs. 5 SGB X schränkt das Recht auf Widerspruch nach Art. 21 Abs. 1 DSGVO gegenüber einer öffentlichen Stelle ein, soweit an der Verarbeitung ein zwingendes öffentliches Interesse besteht, das die Interessen der betroffenen Person überwiegt oder eine Rechtsvorschrift zur Verarbeitung von Sozialdaten verpflichtet.
Das Recht auf Widerspruch nach Art. 21 Abs. 1 DSGVO besteht nur in Fällen, in denen die Daten entweder zur Wahrnehmung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe, in Ausübung öffentlicher Gewalt oder zur Wahrung des berechtigten Interesses des Verantwortlichen oder eines Dritten verarbeitet werden. Im Bereich des Sozialrechts verarbeiten die verantwortlichen Stellen die Daten aber aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung, so dass schon deshalb regelmäßig kein Widerspruchsrecht besteht.
Diesen Gesichtspunkt wiederholt § 84 Abs. 5 SGB X lediglich.
Sonderregelung für Archivdaten (§ 84 Abs. 6 SGB X)
§ 84 Abs. 6 SGB X verweist auf § 71 Abs. 1 S. 3 SGB X. Das bedeutet, dass immer dann, wenn die Voraussetzungen des Art. 17 DSGVO in Verbindung mit § 84 SGB X erfüllt sind und die Sozialdaten gelöscht werden müssten, diese zunächst den Archiven anzubieten sind, sofern den Sozialdaten ein bleibender Wert zukommt. Für die Sozialdaten bei den Rentenversicherungsträgern trifft dies regelmäßig nicht zu.
Die Rechte der betroffenen Personen aus Art. 17 DSGVO werden nicht aufgehoben, sondern nur so lange ausgesetzt, bis das Bundes- oder Landesarchiv entschieden hat.
Rechtsfolgen der Berichtigung, Löschung und Einschränkung der Verarbeitung von Sozialdaten
Bestrittene Daten, deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit sich nicht erweisen lässt, dürfen nur mit dem Hinweis auf die Tatsache des Bestreitens durch die betroffene Person verarbeitet werden (§ 84 Abs. 2 SGB X, siehe Abschnitt 3).
In der Verarbeitung eingeschränkte Sozialdaten dürfen nur nach den Vorgaben in Art. 18 Abs. 2 DSGVO i. V. m. Absatz 2 und 3 verarbeitet werden.
Eine ablehnende Entscheidung über den Anspruch auf Berichtigung, Löschung, Einschränkung der Verarbeitung oder Widerspruch gegen die Verarbeitung von Sozialdaten erfüllt die Kriterien eines Verwaltungsaktes, sodass der Betroffene mit Widerspruch und Klage Rechtsschutz erlangt.
Rechtsfolgen einer Verletzung der Norm
Werden nicht berichtigte, in der Verarbeitung eingeschränkte oder zu löschende Sozialdaten vorsätzlich verarbeitet, übermittelt oder auf andere Art und Weise Dritten zugänglich gemacht, kommt eine Sanktion nach § 85 Abs. 1 SGB X in Betracht.
Führt eine unterlassene Berichtigung, Löschung oder Übermittlung in der Verarbeitung eingeschränkter Sozialdaten bei der betroffenen Person zu einem Schaden, kommt ein Schadenersatzanspruch in Betracht.
Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17.07.2017 (BGBl. I S. 2541) |
Inkrafttreten: 25.05.2018 Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 18/12611 |
Durch Artikel 24 des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften wurde die Vorschrift komplett neu gefasst.
Gesetz zur Änderung des BDSG und anderer Gesetze vom 18.05.2001 (BGBl. I S. 904) |
Inkrafttreten: 23.05.2001 Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 14/5822 |
Die Vorschrift wurde um Absatz 1a ergänzt. Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 wurden neu gefasst und es erfolgten sprachliche Anpassungen an das BDSG.
SGB X vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469, 2218) |
Inkrafttreten: 01.01.1981 Quelle zum Entwurf: BT-Drucksachen 8/4216, 8/4022 und 8/4330 |
§ 84 SGB X wurde durch das Sozialgesetzbuch (SGB) - Verwaltungsverfahren vom 18.08.1980 in das Zweite Kapitel des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch eingefügt.