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§ 72 SGB X: Übermittlung für den Schutz der inneren und äußeren Sicherheit

Änderungsdienst
veröffentlicht am

04.07.2022

Änderung

Die GRA wurde redaktionell überarbeitet und mit dem Regionalträger abgestimmt.

Dokumentdaten
Stand24.02.2022
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17.07.2017 in Kraft getreten am 25.05.2018
Rechtsgrundlage

§ 72 SGB X

Version002.00

Inhalt der Regelung

§ 72 SGB X regelt die Übermittlung von Sozialdaten an die Sicherheitsbehörden.

In § 72 Abs. 1 S. 1 SGB X werden abschließend die Stellen aufgezählt, denen die in § 72 Abs. 1 S. 2 SGB X genannten Sozialdaten zulässig übermittelt werden dürfen.

§ 72 Abs. 2 SGB X legt den Verfahrensablauf und die besonderen Anforderungen an die Übermittlungsersuchen fest.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Für Anfragen der Sicherheitsbehörden kommt unter bestimmten Voraussetzungen eine Datenübermittlung auch nach § 68 SGB X in Betracht (Abschnitt 5).

§ 73 SGB X verweist hinsichtlich des Umfanges der zulässig zu übermittelnden Daten auf § 72 Abs. 1 SGB X.

Sofern Sozialdaten nach § 72 SGB X übermittelt wurden, wird das unabdingbare Auskunftsrecht der betroffenen Person nach Art. 15 DSGVO in Verbindung mit § 83 SGB X über die gespeicherten Sozialdaten und erfolgten Datenübermittlungen dahingehend begrenzt, dass die Bekanntgabe einer Übermittlung nach § 72 SGB X an die betroffene Person von der Zustimmung der Sicherheitsbehörden abhängig ist (§ 83 Abs. 5 SGB X, siehe Abschnitt 6).

Allgemeines

§ 72 SGB X dient dem Schutz öffentlicher Interessen in Fällen, in denen Verdachtsmomente einer Sicherheitsgefährdung bestehen, aber auch dem vorbeugenden Schutz zur Abwehr derartiger Gefährdungen.

Der mit den umfassenden Datenübermittlungen verbundene Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Person wird kompensiert durch besondere Anforderungen, die sowohl die ersuchende als auch die übermittelnde Stelle zu erfüllen haben (Abschnitt 4).

Zulässigkeit der Übermittlung (§ 72 Abs. 1 SGB X)

Die Übermittlung von bestimmten Sozialdaten nach § 72 SGB X ist im Einzelfall zulässig, wenn diese Sozialdaten zur gesetzlichen Aufgabenerfüllung der in der Vorschrift abschließend aufgezählten Sicherheitsbehörden erforderlich sind.

Aufgabenerfüllung im Einzelfall

Eine Datenübermittlung ist nur im Einzelfall, das heißt, auf eine konkret betroffene Person bezogen, zulässig. Eine so genannte Rasterfahndung oder ein Datenabgleich, der einen größeren Personenkreis umfasst, ist unzulässig. Rasterfahndungen sind nur im Rahmen von § 68 Abs. 3 SGB X zulässig (GRA zu § 68 SGB X).

Hinweis:

Auskunftsersuchen, in denen über mehrere Personen Informationen erbeten werden, sind dennoch nicht ausgeschlossen. Sofern alle gesuchten Personen hinreichend bestimmt sind, handelt es sich in derartigen Fällen um mehrere Einzelfälle, die aus verwaltungsmäßigen Gründen in einem Ersuchen zusammengefasst wurden.

Darüber hinaus muss die Übermittlung von Sozialdaten zur gesetzlichen Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden erforderlich sein. Welche gesetzlichen Aufgaben die einzelnen Sicherheitsbehörden wahrnehmen, kann den Abschnitten 3.2.1 bis 3.2.4 entnommen werden. Ob die Sozialdaten konkret in diesem Einzelfall erforderlich sind, entscheidet die ersuchende Sicherheitsbehörde (Abschnitt 4.1).

Welche Daten zulässig übermittelt werden dürfen, ist in Abschnitt 3.3 dargestellt.

Zuständige Sicherheitsbehörden

Zu den Sicherheitsbehörden im Sinne des § 72 SGB X gehören ausschließlich das Bundesamt und die Landesbehörden für Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst (BND), der Militärische Abschirmdienst (MAD) und das Bundeskriminalamt (BKA).

Übermittlungen an andere Sicherheitsbehörden wie beispielsweise einzelne Polizeibehörden, das Zollkriminalamt oder die Bundespolizei sind nach § 72 SGB X nicht zulässig; hier bieten gegebenenfalls §§ 68 und 73 SGB X Rechtsgrundlagen.

In den nachstehenden Abschnitten werden die einzelnen Sicherheitsbehörden und ihre gesetzlichen Aufgaben sowie die zuständigen Aufsichtsbehörden dargestellt.

Behörden für Verfassungsschutz

Auskunftsberechtigte Behörden für Verfassungsschutz sind auf Bundesebene das Bundesamt für Verfassungsschutz und auf Landesebene die einzelnen Landesämter für Verfassungsschutz.

Die Aufgaben der einzelnen Ämter für Verfassungsschutz ergeben sich auf Bundesebene aus § 3 BVerfSchG und auf Länderebene aus den jeweiligen Verfassungsschutzgesetzen der Länder. Sie bestehen unter anderem in der Sammlung und Auswertung von Nachrichten und Unterlagen über

  • verfassungsfeindliche Aktivitäten (Links- und Rechtsextremismus einschließlich Terrorismus),
  • sicherheitsgefährdende Aktivitäten von Ausländern,
  • geheimdienstliche Aktivitäten Dritter (Spionageabwehr).

Das Bundesministerium des Inneren ist die Aufsichtsbehörde für das Bundesamt für den Verfassungsschutz. Die Landesinnenminister oder Landesinnenministerinnen beziehungsweise Innensenatoren oder Innensenatorinnen sind Aufsichtsbehörden für die Verfassungsschutzbehörden der Länder.

Bundesnachrichtendienst (BND)

Der BND ist der Auslandsnachrichtendienst der Bundesrepublik Deutschland.

Die Aufgabe des BND besteht gemäß § 1 BNDG in der Sammlung und Auswertung von Informationen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung sind.

Die Aufsichtsbehörde des BND ist das Bundeskanzleramt.

Militärischer Abschirmdienst (MAD)

Bei dem MAD handelt es sich um einen Inlandsnachrichtendienst.

Der MAD sammelt gemäß § 1 MADG Informationen über extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen sowie geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht, die von Bundeswehrangehörigen ausgehen und gegen die Bundeswehr gerichtet sind.

Der MAD unterliegt der Aufsicht des Bundesministeriums der Verteidigung.

Bundeskriminalamt (BKA)

Das BKA trägt zusammen mit den Polizeibehörden des Bundes und der Länder sowie in Kooperation mit den ausländischen Strafverfolgungsbehörden aktiv zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit und damit des inneren Friedens in Europa bei. Die einzelnen Aufgaben und Befugnisse sind dabei im BKA-Gesetz geregelt. Hierbei handelt es sich unter anderem um

  • Strafverfolgung und Zeugenschutz in bestimmten Fällen,
  • Schutz von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes,
  • das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen (Zentralstelle).

Das Bundesministerium des Inneren und für Heimat ist die Aufsichtsbehörde für das BKA.

Umfang der Übermittlung

Welche Sozialdaten zulässig übermittelt werden dürfen, ist abschließend in Absatz 1 Satz 2 geregelt.

Danach dürfen Angaben über

  • Name und Vorname sowie früher geführte Namen,
  • Geburtsdatum,
  • Geburtsort,
  • derzeitige und frühere Anschriften der betroffenen Person sowie
  • Namen und Anschriften ihrer derzeitigen und früheren Arbeitgeber

übermittelt werden.

Eine Übermittlung von Zeiträumen, in denen die betroffene Person an einem bestimmten Ort gewohnt hat beziehungsweise bei einem bestimmten Arbeitgeber beschäftigt war, ist nicht zulässig.

Besondere Anforderungen (§ 72 Abs. 2 SGB X)

Anfragen von Sicherheitsbehörden erfolgen überwiegend ohne Kenntnis der betroffenen Person. Darüber hinaus haben die betroffenen Personen auch im Nachhinein nur beschränkte Auskunftsrechte über entsprechende Datenübermittlungen (§ 83 Abs. 5 SGB X). Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber besonders hohe Anforderungen gestellt an

  • die Prüfung der Erforderlichkeit der Datenerhebung durch die Sicherheitsbehörden (Abschnitt 4.1) und
  • die Entscheidung über die Übermittlung bei der übermittelnden Stelle (Abschnitt 4.2).

Anforderungen an die Sicherheitsbehörden (§ 72 Abs. 2 S. 1 und S. 2 SGB X)

Bei den Sicherheitsbehörden muss nach § 72 Abs. 2 S. 1 SGB X eine von dem Leiter oder von der Leiterin der Behörde bestimmte beauftragte Person, die die Befähigung zum Richteramt hat, darüber entscheiden, ob ein Auskunftsersuchen nach § 72 SGB X erforderlich ist.

Dies muss sich aus dem Ersuchen ergeben. Das heißt, dass derartige Anfragen grundsätzlich von dieser beauftragten Person mit dem Hinweis auf ihre entsprechende Beauftragung zu unterschreiben sind.

Zusätzlich sind nach § 72 Abs. 2 S. 2 SGB X die jeweiligen Aufsichtsbehörden (sofern diese oberste Bundes- oder Landesbehörden sind) von den einzelnen Sicherheitsbehörden über diese Auskunftsersuchen in angemessenen Zeitabständen zu unterrichten.

Anforderungen an die Deutsche Rentenversicherung als übermittelnde Stelle (§ 72 Abs. 2 S. 3 SGB X)

Nach der allgemeinen Regelung des § 67d Abs. 1 S. 1 SGB X trägt der ersuchte Rentenversicherungsträger die Verantwortung für die Zulässigkeit der Datenübermittlung. § 72 Abs. 2 S. 3 SGB X engt dies bei Datenübermittlungen an Sicherheitsbehörden nochmals dahingehend ein, dass nur der jeweilige Behördenleiter oder die Behördenleiterin oder dessen oder deren Stellvertreter oder Stellvertreterin darüber entscheidet, ob dem Auskunftsersuchen der Sicherheitsbehörde entsprochen werden darf. Eine Delegation auf einen anderen Bediensteten wie in § 68 Abs. 2 SGB X darf nicht erfolgen.

Abgrenzung zu § 68 SGB X

Grundsätzlich ist eine Datenübermittlung an die Sicherheitsbehörden auch nach § 68 SGB X zulässig, sofern diese in ihren Ersuchen bestätigen, dass sie im Rahmen der Gefahrenabwehr tätig sind. In diesen Fällen entfallen die besonderen Anforderungen des § 72 Abs. 2 SGB X (Abschnitt 4).

Im Gegensatz zu § 72 SGB X dürfen nach § 68 SGB X den Sicherheitsbehörden jedoch keine Angaben zur früheren Anschrift und zu früheren Arbeitgebern übermittelt werden. Des Weiteren ist nach § 68 SGB X eine Abwägung der schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person vorzunehmen. Auf die GRA zu § 68 SGB X wird verwiesen.

Auskunftsrecht der betroffenen Person nach Art. 15 DSGVO in Verbindung mit § 83 SGB X

Nach Art. 15 DSGVO hat die betroffene Person das Recht, auf Antrag Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Sozialdaten zu erhalten. Dies betrifft auch Angaben über Herkunft und Empfänger der Daten. Die Regelung nach § 83 SGB X enthält die Einschränkung des Auskunftsrechts der betroffenen Person.

Eine Ausnahme gilt nach § 83 Abs. 5 SGB X dann, wenn es sich bei der ersuchenden Stelle unter anderem um eine der in § 72 SGB X genannten Sicherheitsbehörden handelt. In derartigen Fällen ist eine Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO nur zulässig, wenn vorab die entsprechende Stelle hierzu ihre Zustimmung gegeben hat. Auf die GRA zu § 83 SGB X und Art. 15 DSGVO wird ergänzend hingewiesen.

 

Gesetz zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften (NotBRMoG) vom 25.06.2021 (BGBl. I S. 2154)

Inkrafttreten: 01.08.2021

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksachen 19/26828 und 19/30503

In Absatz 2 Satz 1 wurden durch Art. 24 Abs. 10 Nr. 4 NotBRMoG die Wörter „oder die Voraussetzungen des § 110 des Deutschen Richtergesetzes erfüllen“ gestrichen.

Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17.07.2017 (BGBl. I S. 2541)

Inkrafttreten: 25.05.2018

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 18/12611

Die bisherigen Regelungen werden beibehalten und redaktionell an die Begriffsbestimmungen aus Artikel 4 der Verordnung (EU) 2016/679 (DSGVO) angepasst.

2. SGB ÄndG vom 13.06.1994 (BGBl. I S. 1229)

Inkrafttreten: 01.07.1994

Quellen zum Entwurf: BT-Drucksache 12/5187 vom 18.06.1993 (Bl. 15), BT-Drucksache 12/6306 vom 01.12.1993 (Bl. 32)

Durch Artikel 6 des 2. SGB ÄndG wurde § 72 SGB X neu gefasst. Neben der Anpassung an die neuen Begrifflichkeiten des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG; BGBl. I 1990 S. 2954) wurden in Absatz 1 die Worte „früher geführte Namen“ eingefügt.

SGB X vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469, 2218)

Inkrafttreten: 01.01.1981

Quellen zum Entwurf: BT-Drucksache 8/4041 vom 21.05.1980 (Bl. 1 als § 69), BT-Drucksache 8/4216 vom 16.06.1980 (Anrufung des Vermittlungsausschusses) (Bl. 5 als § 71)

Zum 01.01.1981 wurde das Zweite Kapitel des SGB X (§§ 67 bis 85a) mit den Vorschriften zum Schutz der Sozialdaten eingeführt.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 72 SGB X