Navigation und Service

Logo der Deutschen Rentenversicherung (Link zur Startseite rvRecht)

rvRecht® - Rechtsportal der Deutschen Rentenversicherung

§ 38 SGB X: Offenbare Unrichtigkeiten im Verwaltungsakt

Änderungsdienst
veröffentlicht am

12.11.2019

Änderung

Abstimmungsprozess Gemeinsamer Rechtlicher Anweisungen

Dokumentdaten
Stand27.02.2015
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 21.08.2002 in Kraft getreten am 01.02.2003
Rechtsgrundlage

§ 38 SGB X

Version001.01

Inhalt der Regelung

§ 38 SGB X enthält folgende Regelungen:

  • Satz 1 regelt, dass die Behörde Schreibfehler und Rechenfehler sowie ähnliche offenbare Unrichtigkeiten in einem Verwaltungsakt jederzeit berichtigen kann.
  • Satz 2 bestimmt, dass sie solche Fehler berichtigen muss, wenn der Beteiligte ein berechtigtes Interesse daran hat.
  • Satz 3 berechtigt die korrigierende Behörde, vom Beteiligten die Vorlage des Dokuments zu verlangen, das berichtigt werden soll.

Allgemeines

§ 38 SGB X gilt für schriftliche und elektronische Verwaltungsakte.

Ein Verwaltungsakt, der eine offenbare Unrichtigkeit enthält, ist nicht fehlerhaft im materiellen Sinne. Er ist insoweit nicht rechtswidrig. Vielmehr gilt er mit dem richtigen Inhalt. So ändert auch die Berichtigung des Verwaltungsakts nicht den Inhalt, sondern nur seine Verlautbarung, das heißt, sie stellt das wirklich Gewollte klar (Urteil des Bundessozialgerichts vom 19.10.2000, AZ: B 8 KN 8/99 R). Die Berichtigung ist jederzeit möglich und unterliegt nicht den strengen Voraussetzungen, die für die Aufhebung beziehungsweise Rücknahme von Verwaltungsakten gelten. Sie erfolgt grundsätzlich formlos.

Bedeutung der offenbaren Unrichtigkeit

Offenbare Unrichtigkeiten in einem Verwaltungsakt können im Verfügungssatz, seiner Begründung, der Rechtsbehelfsbelehrung und im Anschriftenfeld bestehen. Offenbare Unrichtigkeiten sind objektiv für jedermann erkennbare Versehen oder Unvollständigkeiten in einem Verwaltungsakt, die keine materiell-rechtlichen Auswirkungen in dem Sinn haben, dass sie dem Willen und Zweck des Verwaltungsakts zuwiderlaufen. Die Entscheidung an sich ist dadurch also nicht fehlerhaft. Offenbare Unrichtigkeiten stellen einen Gegensatz zwischen dem von der Behörde Gewollten und dem Ausgesprochenen dar.

Voraussetzungen für eine Berichtigung

Für die Wertung der Fehlerhaftigkeit eines Verwaltungsakt als offenbare Unrichtigkeit sind strenge Maßstäbe anzulegen.

Offenbare Unrichtigkeit

Eine Unrichtigkeit im Sinne dieser Vorschrift liegt nur dann vor, wenn sie offenbar ist. Das bedeutet, dass sie klar erkennbar sein, das heißt "ohne weiteres zu Tage treten" oder "ins Auge springen“ muss. Der Fehler muss unschwer aus dem Gesamtzusammenhang des Verwaltungsakts, aus seinen Anlagen oder aus sonstigen Umständen erkennbar sein. Es reicht nicht aus, wenn sich der Fehler nur aus dem Verwaltungsvorgang ergibt und daher für den Betroffenen nicht ohne weiteres erkennbar ist. Bei der Auslegung des Begriffs "offenbar" sind objektive Maßstäbe anzulegen. Ob ein Fehler offenbar ist, ist also aus der Sicht des objektiven verständigen Betrachters zu beurteilen (Urteil des Bundessozialgerichts vom 31.05.1990, AZ: 8 RKn 22/88).

Eine offenbare Unrichtigkeit liegt vor, wenn ein Widerspruch zwischen dem erkennbar durch die Behörde Gewollten und dem, was ausgesprochen wurde, besteht. Die Unrichtigkeit (zum Beispiel Schreib- oder Rechenfehler) muss auf einem rein mechanischen Versehen im Bereich der Behörde beruhen.

Beruht die Unrichtigkeit auf einem Versehen des Betroffenen, kann sie nach § 38 SGB X nur korrigiert werden, wenn dieser Fehler von der Behörde - obwohl sie anders, das heißt richtig, entscheiden wollte - so übernommen worden ist, dass die Übernahme des Fehlers als Versehen der Behörde angesehen werden kann.

Sind unrichtige Angaben ohne Prüfung übernommen worden, handelt es sich nicht um offenbare Unrichtigkeiten, sondern um Fehler bei der Sachverhaltsermittlung, die zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts führen. Zu den Unrichtigkeiten zählen keine Fehler, die bei der Willensbildung der Behörde aufgetreten sind, wie Irrtümer über den Sachverhalt, über die Beweisführung oder die Rechtsanwendung. Auch Fehler auf Grund eines Rechtsirrtums oder Fehler, die auf der Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhen, schließen die Berichtigung nach dieser Vorschrift aus. Eine offenbare Unrichtigkeit liegt auch nicht vor, wenn der Verwaltungsakt an sich schon nicht hätte erlassen werden dürfen. Eine Korrektur solcher Fehler ist nur nach den Regelungen über die Aufhebung eines Verwaltungsakts möglich.

Offenbare Schreibfehler

Von dieser Vorschrift werden orthografische oder grammatikalische Fehler erfasst, wenn sie den Inhalt des Verwaltungsakts nicht in Frage stellen. Schreibfehler sind zum Beispiel Unrichtigkeiten bei der Angabe des Namens, der Anschrift, des Geburtsdatums oder der Bezeichnung von Gegenständen oder fehlerhafte Übertragungen aus einer Tabelle.

Offenbare Rechenfehler

Rechenfehler können nur dann nach § 38 SGB X berichtigt werden, wenn ein bestimmter Rechenvorgang mit dem vorhandenen Zahlenmaterial notwendigerweise zu einem anderen Ergebnis hätte führen müssen. Das kann nur Additions-, Subtraktions-, Multiplikations- oder Divisionsfehler betreffen. Dies gilt auch für Programmfehler, die zu einem offenbar falschen Rechenergebnis führen. Ist jedoch die Berechnung als solche korrekt, die verwendeten Zahlen sind aber falsch, handelt es sich nicht um einen offenbaren Rechenfehler.

Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten

Unter ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten sind solche Fehler zu verstehen, die Schreib- und Rechenfehlern qualitativ gleichstehen, von diesen jedoch nicht abgedeckt werden. Dazu gehören zum Beispiel sinnentstellende Verwechslungen, äußerlich erkennbare widersprüchliche Nebenbestimmungen zur Grundentscheidung oder unrichtig gebrauchte Ausdrücke.

Berichtigung

Die Berichtigung kann von Amts wegen oder auf Wunsch eines Betroffenen erfolgen.

Erfolgt die Berichtigung von Amts wegen und sind mehrere Personen von dem fehlerhaften Verwaltungsakt betroffen, ist die Berichtigung des Verwaltungsakts gegenüber allen Betroffenen vorzunehmen. Wird die Berichtigung hingegen ausdrücklich gewünscht, ist sie nur gegenüber demjenigen Betroffenen vorzunehmen, der sie begehrt.

Ermessen

Es steht grundsätzlich im Ermessen der Behörde, ob sie die Berichtigung durchführen will. Die Behörde ist nicht verpflichtet, jeden geringfügigen Fehler zu berichtigen. Sie soll aber berichtigen, soweit für sie oder die Betroffenen ein Bedürfnis zur Klarstellung besteht. Bei ihrer Entscheidung, ob sie berichtigen will, muss die Behörde die öffentlichen und privaten Interessen gegeneinander abwägen und vor allem die Folgen der Berichtigung für den Einzelnen berücksichtigen (Urteil des Bundessozialgerichts vom 31.05.1990, AZ: 8 RKn 22/88).

Sofern eine offenbare Unrichtigkeit dazu geführt hat, dass Leistungen zu Unrecht erbracht worden sind, ist zu beachten, dass in diesen Fällen dem öffentlichen Interesse an einer Berichtigung des Fehlers ein weit größeres Gewicht beizumessen ist als dem Interesse des Einzelnen am Bestehenbleiben des Fehlers. Bei Berichtigungen von offenbaren Unrichtigkeiten, die zu einer Überzahlung geführt haben, sind die zu Unrecht erbrachten Leistungen zu erstatten. Denn nach § 50 Abs. 5 SGB X gelten die Bestimmungen der §§ 24 und 50 Abs. 1 bis 4 SGB X.

Verpflichtung

Die Behörde ist zur Berichtigung verpflichtet, wenn der Betroffene hieran ein berechtigtes Interesse hat. An das berechtigte Interesse sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Ein berechtigtes Interesse liegt insbesondere dann vor, wenn der Verwaltungsakt gegenüber anderen Behörden oder Stellen verwendet werden soll und zum Beispiel eine falsche Personenbezeichnung oder Ortsangabe aufweist.

Die Berichtigung setzt keinen Antrag des Betroffenen voraus, insoweit genügt die formlose Geltendmachung.

Wirkung der Berichtigung

Die Berichtigung kann zugunsten oder zulasten des Betroffenen sowie vor oder nach Eintritt der Bestandskraft des Verwaltungsakts erfolgen. Erfolgt die Berichtigung zugunsten des Betroffenen, stellt diese regelmäßig keinen Verwaltungsakt dar, weil in der Vornahme der Berichtigung keine (erneute) Regelung liegt. Denn der Verwaltungsakt gilt auch ohne Berichtigung, wie er gewollt war. So ist auch vor der Berichtigung nicht anzuhören, die berichtigte Fassung ist nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen.

Führt die Berichtigung des Verwaltungsakts dazu, dass sich erstmals eine Belastung für den Betroffenen ergibt, handelt es sich bei der berichtigten Fassung um einen Verwaltungsakt, der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen ist. Zuvor hat eine Anhörung zu erfolgen.

Auch die Ablehnung eines Berichtigungsbegehrens stellt einen Verwaltungsakt dar.

Zeitraum

Eine Berichtigung wirkt auf den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts zurück. Eine Ausschlussfrist für Berichtigungen gibt es nicht. Da ein Vertrauen in den Verwaltungsakt, soweit es um die offenbare Unrichtigkeit geht, nicht geschützt ist, kann er jederzeit berichtigt werden.

Verfahren

Zur Zuständigkeit für eine Berichtigung stellt die Vorschrift des § 38 SGB X nicht auf die Behörde ab, die den unrichtigen Verwaltungsakt erlassen hat, sodass die Möglichkeit offen bleibt, dass auch eine Nachfolgebehörde die Berichtigung vornehmen kann.

Wie die Berichtigung im einzelnen vorzunehmen ist, ist nicht ausdrücklich geregelt.

Schriftliche Berichtigung durch Vermerk

Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ist es empfehlenswert, den Berichtigungsvermerk auf dem originären Bescheid und gegebenenfalls seinen Ausfertigungen anzubringen. Nach § 38 Satz 3 SGB X ist die Möglichkeit vorgesehen, die Vorlage des zu berichtigenden Dokumentes zu verlangen. Dieser Anspruch der Behörde, der sich gegen jeden Adressaten des unberichtigten Verwaltungsakts richtet, ist unabhängig davon, ob die Behörde auf Grund von Amts wegen (Satz 1) oder wegen einer auf Antrag (Satz 2) die Berichtigung durchführt. Die Wirksamkeit der Berichtigung hängt jedoch nicht davon ab, ob auf dem originären Bescheid beziehungsweise seinen Ausfertigungen berichtigt wird. Die Behörde muss also auf ihrem Vorlagerecht nicht bestehen und kann trotzdem berichtigen.

Die Aufforderung zur Vorlage ist ein Verwaltungsakt.

Schriftliche Berichtigung durch einfaches Schreiben

Wird die Berichtigung nicht durch einen Vermerk auf dem den Verwaltungsakt verlautbarenden Bescheid und gegebenenfalls seinen Ausfertigungen vorgenommen, kann sie durch ein einfaches Schreiben erfolgen. Dies ist zum Beispiel dann möglich, wenn allein das Datum eines früheren Verwaltungsakts zu berichtigen ist.

Elektronische Berichtigung

Ist ein elektronischer Verwaltungsakt erlassen worden, kann eine gegebenenfalls erforderliche Berichtigung auch elektronisch erfolgen.

3. VwVfÄndG vom 21.08.2002 (BGBl. I S. 3322)

Inkrafttreten: 01.02.2003

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 14/9000, S. 35

Durch das 3. VwVfÄndG vom 21.08.2002 wurde § 38 SGB X mit Wirkung vom 01.02.2003 in Satz 3 geändert.

Einigungsvertragsgesetz vom 23.09.1990 (BGBl. II S. 885)
Inkrafttreten: 03.10.1990 beziehungsweise 01.01.1991

Im Beitrittsgebiet gilt § 38 SGB X ab dem 03.10.1990 (Art. 1 des Einigungsvertragsgesetzes vom 23.09.1990, BGBl. II S 885), ist aber im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung erst ab dem 01.01.1991 gültig (Art. 8 und Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet D III Nr. 2 Einigungsvertrag vom 31.08.1990, BGBl. II S 885, 1032).

SGB X vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469)

Inkrafttreten: 01.01.1981

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 8/2034

§ 38 SGB X wurde mit dem SGB X vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469) eingeführt und ist ab dem 01.01.1981 in Kraft (Art. II § 40 Abs. 1 SGB X).

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 38 SGB X