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§ 28 SGB X: Wiederholte Antragstellung

Änderungsdienst
veröffentlicht am

31.01.2022

Änderung

Die Abschnitte 2 und 3 sowie die Historie wurden überarbeitet.

Dokumentdaten
Stand06.01.2022
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Siebten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 12.06.2020 in Kraft getreten am 01.07.2020
Rechtsgrundlage

§ 28 SGB X

Version002.00

Inhalt der Regelung

§ 28 Abs. 1 SGB X gibt dem Leistungsberechtigten die Möglichkeit, einen Antrag auf Sozialleistungen nachzuholen, den er in der vergeblichen Erwartung einer anderen Sozialleistung nicht gestellt hat. Dies gilt auch, wenn der Antrag auf die zunächst geltend gemachte Sozialleistung zurückgenommen wurde.

§ 28 Abs. 2 SGB X regelt die Antragsrückwirkung für den Fall, dass der Leistungsberechtigte den zweiten Antrag nicht gestellt hat, weil er von der Möglichkeit der Antragstellung nicht wusste. Es muss sich gegenüber der zuerst beantragten Leistung um eine nachrangige Leistung handeln.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

§ 99 SGB VI bestimmt eine Antragsfrist für Renten der gesetzlichen Rentenversicherung. Eine verspätete Antragstellung führt danach zu einem Leistungsausschluss für die Vergangenheit.

Allgemeines

Die weit überwiegende Zahl der Leistungen in unserem vielfältig gegliederten Sozialsystem werden nur auf Antrag gewährt. Häufig hängt der Leistungsbeginn vom Zeitpunkt der Antragstellung ab. § 28 SGB X wurde in das Gesetz aufgenommen, um hieraus sich ergebende Rechtsnachteile zu vermeiden, wenn Leistungsberechtigte die Antragstellung zunächst in Erwartung der Bewilligung einer anderen Leistung unterlassen haben.

Die Vorschrift kann auch in den Fällen zur Anwendung kommen, wenn der Leistungsberechtigte auf Grund einer unrichtigen Auskunft der angegangenen Behörde auf die Beantragung der eigentlich zutreffenden Leistung verzichtet hat. Er ist dann nicht auf die Durchsetzung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs oder eines Amtshaftungsanspruchs mit den damit verbundenen Beweisschwierigkeiten angewiesen.

Ein Anwendungsbereich für § 28 SGB X ist dann nicht gegeben, wenn bereits die Umdeutung des ersten Antrags in einen anderen Antrag (zum Beispiel § 116 Abs. 2 SGB VI) einen Nachteil ausschließt oder der bei einer unzuständigen Stelle gestellte Antrag an die zuständige Stelle weiterzuleiten ist und dort als im Zeitpunkt des Eingangs bei der ersten Stelle gestellt gilt (§ 16 Abs. 2 SGB I).

Durch das Hinzufügen des zweiten Satzes in Absatz 1 wird zur Klarstellung die Rücknahme eines Antrages vor Erlass einer negativen Entscheidung als eine weitere Tatbestandsalternative ausdrücklich in die Vorschrift aufgenommen. Bislang wurden die Fälle der Rücknahme des zuerst gestellten Antrages vor Erlass einer negativen Verwaltungsentscheidung nicht ausdrücklich vom Wortlaut der Vorschrift umfasst. Vom Sinn und Zweck der Vorschrift her darf es jedoch im Ergebnis keinen Unterschied machen, weshalb die antragstellende Person die zunächst beantragte Sozialleistung nicht erhält. Das bedeutet, dass es keine Auswirkungen haben darf, ob vor Beantragung der einschlägigen Sozialleistung eine negative Verwaltungsentscheidung ergeht, oder die antragstellende Person den Antrag vor Erlass einer negativen Entscheidung zurücknimmt. Deshalb sind die Fälle der Rücknahme eines Antrages auf eine nicht einschlägige Sozialleistung den Fällen einer negativen Verwaltungsentscheidung gleichzustellen. Zumal im Falle eines voraussichtlich nicht erfolgreichen Antrages die Rücknahme durch den Antragsteller der Verwaltung den Aufwand einer negativen Entscheidung ersparen wird und dadurch Zeitverzögerungen vermieden werden.

Nachholung eines bewusst unterlassenen Antrags (Absatz 1)

Hat ein Leistungsberechtigter auf die Stellung eines Antrags verzichtet, weil er stattdessen eine andere Leistung beantragt hat, deren Bewilligung er erwartet hat, kann er den unterlassenen Antrag mit einer gewissen Rückwirkung nachholen, wenn die erste Leistung versagt wurde oder zu erstatten ist. Dies gilt auch dann, wenn der Antrag auf die zunächst geltend gemachte Sozialleistung zurückgenommen wird. Hierbei sind Fristen zu beachten.

Zwischen der Nichtbeantragung der einen Leistung und der Geltendmachung der anderen Leistung muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Die beantragten Leistungen müssen also „artverwandt“ sein. Nur in diesen Fällen kann der von § 28 Abs. 1 SGB X geforderte ursächliche Zusammenhang vorliegen.

Der Leistungsberechtigte muss außerdem Kenntnis von der nicht beantragten Leistung gehabt haben und die Antragstellung in Erwartung der positiven Bescheidung der beantragten Leistung bewusst von der Beantragung der zweiten Leistung abgesehen haben. An den Nachweis sind keine zu strengen Anforderungen zu stellen. Es dürften entsprechende Angaben des Beteiligten oder sein konkludentes Verhalten ausreichen.

Der erste Leistungsantrag muss abgelehnt, vor der negativen Verwaltungsentscheidung zurückgenommen oder die Leistung zunächst bewilligt und dann zurückgefordert worden sein. Eine Versagung wegen mangelnder Mitwirkung (§ 66 SGB I) führt vor dem Regelungszweck der Vorschrift nicht zur Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzung einer versagten Leistung im Sinne von § 28 SGB X. Eine Erstattung der bezogenen Leistung im Sinne von § 28 SGB X bezieht sich auf § 50 SGB X.

Die Nachholung des zunächst unterlassenen Antrags auf die andere Sozialleistung muss innerhalb von sechs Monaten nach Ende des Monats erfolgen, in dem die Ablehnung der vorher beantragten Leistung beziehungsweise ihre Erstattung bindend geworden ist. Für die Bestimmung der Frist gilt § 26 SGB X. Wird die 6-Kalendermonats-Frist ohne Verschulden versäumt, kommt unter den Voraussetzungen des § 27 SGB X Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht.

Der nachgeholte Antrag wirkt dann bis zu einem Jahr zurück. Er gilt durch die fristgerechte Nachholung also als im Zeitpunkt der Beantragung der abgelehnten oder erstatteten Leistung gestellt, wenn dieser nicht mehr als ein Jahr zurückliegt. Liegt der vorangegangene Antrag mehr als ein Jahr zurück, beschränkt sich die Rückwirkung auf ein Jahr. Ein längeres Verwaltungsverfahren und gegebenenfalls anschließendes Gerichtsverfahren zum ersten Antrag geht dann zu Lasten des Antragstellers.

Von der Rückwirkung erfasst wird ausschließlich der Antragszeitpunkt, nicht auch der Leistungsbeginn. Sonstige Anspruchsvoraussetzungen werden durch sie nicht erfüllt. Die übrigen Leistungsvoraussetzungen müssen also in der Vergangenheit schon vorgelegen haben.

Siehe Beispiel 1

Nachholung eines in Unkenntnis unterlassenen Antrags (Absatz 2)

§ 28 Abs. 2 SGB X hat keine praktische Bedeutung für die gesetzliche Rentenversicherung. Seine Anwendbarkeit setzt voraus, dass die später beantragte Leistung im Verhältnis zur zunächst begehrten und abgelehnten Leistung nachrangig ist. Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung sind gegenüber anderen Sozialleistungen nicht nachrangig.

Beispiel 1: Nachholung eines bewusst unterlassenen Antrags

(Beispiel zu Abschnitt 3)

Erwerbsminderung besteht seit dem 15.02.2020.

Arbeitslosigkeit liegt seit dem 01.05.2020 vor.

Ein Antrag auf Arbeitslosengeld wurde am 04.05.2020 gestellt.

Die Ablehnung des Antrags auf Arbeitslosengeld erfolgte am 28.09.2020.

Der Antrag auf Erwerbsminderungsrente wurde am 08.03.2021 gestellt.

Lösung:

Der Antrag auf Arbeitslosengeld wird am 28.09.2020 (Tag der Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides) abgelehnt.

Eintritt der Bindungswirkung des Ablehnungsbescheides erfolgt am 28.10.2020.

Am 01.11.2020 beginnt die 6-Kalendermonats-Frist zur Antragswiederholung.

Die 6-Kalendermonats-Frist zur Antragswiederholung läuft am 30.04.2021 ab.

Der Antrag auf Erwerbsminderungsrente am 08.03.2021 wurde fristgerecht innerhalb der 6-Monats-Frist des § 28 SGB X gestellt.

Da der Versicherte lediglich im Hinblick auf das erwartete Arbeitslosengeld auf die Beantragung einer Erwerbsminderungsrente verzichtet hatte, wirkt der nachgeholte Rentenantrag zurück.

Seit Stellung des Antrags auf Arbeitslosengeld ist nicht mehr als ein Jahr vergangen.

Der nachgeholte Antrag vom 08.03.2021 wirkt daher zurück auf den 04.05.2020.

Am 04.05.2020 ist die 3-kalendermonatige Antragsfrist des § 99 Abs. 1 S. 1 SGB VI noch offen. Leistungsbeginn einer (unbefristeten) Rente wegen Erwerbsminderung ist daher unter Berücksichtigung der Ausgleichsregelung des § 28 Abs. 1 SGB X der 01.03.2020.

Ohne § 28 SGB X hätte die Erwerbsminderungsrente wegen Ablauf der 3-kalendermonatigen Antragsfrist des § 99 Abs. 1 S. 1 SGB VI erst am 01.03.2021 beginnen können.

Siebtes Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 12.06.2020 (BGBl. I, S. 1269)

Inkrafttreten: 01.07.2020

Quellen zum Entwurf: BT-Drucksache 19/17586, Seite 35,112

Durch Artikel 8 des siebten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 12.06.2020 wurde mit Wirkung zum 01.07.2020 durch Hinzufügen eines zweiten Satzes die Angabe „Satz 1“ durch „Absatz 1“ ersetzt. Der bisherige Satz 2 wird Absatz 2.

Sozialgesetzbuch (SGB) - Verwaltungsverfahren vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469, 2218)

Inkrafttreten: 01.01.1981

Quellen zum Entwurf: BT-Drucksache 8/2034, Seite 48, 8/4022, Seite 20, 81 f.

Mit der Schaffung des SGB X zum 01.01.1981 wird auch § 28 SGB X eingeführt.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 28 SGB X