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§ 17 SGB X: Besorgnis der Befangenheit

Änderungsdienst
veröffentlicht am

20.08.2019

Änderung

Dokumentdaten
Stand28.09.2015
Erstellungsgrundlage in der Fassung des SGB X vom 18.08.1980 in Kraft getreten am 01.01.1981
Rechtsgrundlage

§ 17 SGB X

Version002.00

Inhalt der Regelung

§ 17 SGB X ist eine Ergänzung zu § 16 SGB X. Während es bei § 16 SGB X nur darauf ankommt, dass einer der dort genannten Tatbestände erfüllt sein muss, um eine unwiderlegbare gesetzliche Vermutung der Befangenheit zu begründen, setzt § 17 SGB X einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen.

Besorgnis der Befangenheit verlangt einen gegenständlichen, vernünftigen Grund, der die Beteiligten von ihrem Standpunkt aus befürchten lassen kann, dass der Amtsträger nicht unparteiisch sachlich, insbesondere nicht mit der gebotenen Distanz, Unbefangenheit und Objektivität entscheidet, sondern sich von persönlichen Vorurteilen oder sonstigen sachfremden Erwägungen leiten lassen könnte.

Der Ausschluss aus dem Verwaltungsverfahren erfolgt dann auf Anordnung des Behördenleiters. Zwar räumt § 17 SGB X auch dem Beteiligten das Recht ein, Befangenheitsgründe geltend zu machen, ein förmliches (Selbst-)Ablehnungsrecht steht ihm jedoch nicht zu, er hat die Entscheidung des Behördenleiters abzuwarten.

Ergänzende Regelungen

§ 16 SGB X ergänzt § 17 SGB X und beschreibt die gesetzlichen Ausschlussgründe einer unparteiischen Amtsausübung im Verwaltungsverfahren.

Besorgnis der Befangenheit

Derjenige, der in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde tätig werden soll, hat die Pflicht, den Behördenleiter beziehungsweise die von diesem beauftragte Person zu unterrichten, wenn

  • ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsführung zu rechtfertigen oder
  • von einem Beteiligten das Vorliegen eines solchen Grundes behauptet wird.

Die Gründe können sowohl in der Person desjenigen liegen, der tätig werden soll (1. Alternative) als auch in der Art der Sachbearbeitung, die von dem Behördenbediensteten erwartet wird (2. Alternative). Der Grund muss objektiv tatsächlich vorliegen und darf nicht nur in der Vorstellungswelt des Beteiligten existieren. Bloße Ahnungen oder Gefühle oder gar querulatorisches Vorbringen des Beteiligten genügen nicht.

  • Betroffene Personen
    Abgelehnt werden können Personen, die in einem konkreten Verwaltungsverfahren tätig sind oder werden sollen. Damit kann (fast) jeder Bedienstete der Behörde (Sachbearbeiter, Prüfer, Referent, beratender Arzt), der mit dem Verwaltungsverfahren des betroffenen Beteiligten befasst ist, wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Nicht abgelehnt werden können Personen, die nur mit rein mechanischen oder Hilfstätigkeiten betraut sind (Schreibkräfte, Boten, Registratoren).
    Neben den eigentlichen Behördenbediensteten kommen aber auch die nicht bei der Behörde angestellten Ärzte und Psychologen in Betracht, die im Auftrag der Behörde Gutachten erstellen.
  • Gründe für die Besorgnis der Befangenheit
    Es kommt nicht darauf an, ob der Amtsträger wirklich befangen ist, sondern es reicht aus, dass eine Tatsache vorliegt, die einen Beteiligten von seinem Standpunkt aus befürchten lassen kann, dass der Bedienstete oder die sonstige betreffende Person nicht unparteiisch entscheiden werde. Die Voraussetzung ist immer gegeben, wenn aufgrund objektiv feststellbarer Tatsachen die subjektiv vernünftigerweise mögliche Besorgnis nicht auszuschließen ist, dass ein bestimmter Amtsträger die Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheidet.
    Zu den Gründen können unter anderem gehören:
    • Entfernte Verwandtschaft, die nicht unter § 16 Abs. 5 SGB X fällt (zum Beispiel Vettern, Cousinen),
    • Freundschaft oder Feindschaft zu einem Beteiligten,
    • früheres Verlöbnis oder Liebschaft,
    • Lebenspartnerschaften nach dem LpartG
    • unsachliche und/oder verletzende Äußerungen im Verfahren,
    • wirtschaftliche Abhängigkeit (zum Beispiel Mieter/Vermieter),
    • unangemessenes Drängen auf Rücknahme eines Antrages.

    Keine Ablehnungsgründe sind unter anderem:
    • Sachliche Äußerungen zu den Erfolgsaussichten,
    • Mitgliedschaft in einer anderen politischen Partei oder Gewerkschaft,
    • Zugehörigkeit zum anderen Geschlecht oder einer anderen Konfession,
    • andere Staatsangehörigkeit,
    • wenn ein Sachverständiger in einer bestimmten wissenschaftlichen Frage in gleichen oder parallelen Fragen eine bestimmte Auffassung vertritt und wiederholt.

Folgen der Besorgnis der Befangenheit

Absatz 1 Satz 1 der Vorschrift schreibt vor, welches Verfahren einzuhalten ist.

  • Unterrichtungspflicht
    Liegt ein Grund für die Besorgnis der Befangenheit vor oder wird einer behauptet, so hat der beteiligte Bedienstete den Leiter der Behörde oder den von ihm Beauftragten zu unterrichten und sich auf dessen Anordnung hin der Mitwirkung zu enthalten. Der Unterrichtung des zuständigen Beauftragten des Behördenleiters ist eine kurze persönliche Stellungnahme beizufügen.
    Nach dem Gesetzeswortlaut „tätig werden soll“ hat die Unterrichtung vor dem Tätigwerden zu erfolgen. Sie kann aber auch später erfolgen, wenn die Befangenheit erst dann erkennbar oder behauptet wird.
    Bis zur Anordnung des Behördenleiters hat sich der Bedienstete jeder Mitwirkung im Verwaltungsverfahren zu enthalten. Dies gilt nicht, wenn eine Gefahr im Verzug ist, das heißt, wenn die Amtshandlung unaufschiebbar ist. Insoweit wird auf die Ausführungen in der GRA zu § 16 SGB X, Abschnitt 4 verwiesen.
  • Entscheidung des Behördenleiters
    Der Behördenleiter beziehungsweise der von ihm Beauftragte hat den Sachverhalt zu prüfen und dann eine entsprechende Entscheidung zu treffen. Hält der Behördenleiter die Besorgnis der Befangenheit für begründet, ist er verpflichtet, ein Mitwirkungsverbot zu erlassen. Ein Ermessensspielraum etwa in dem Sinne, dass er die Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Funktionsfähigkeit der Verwaltung und der Zügigkeit des Verfahrens abwägt, besteht nicht.
  • Bekanntgabe der Entscheidung
    Hat der Bedienstete von sich aus das Vorliegen von Befangenheitsgründen geltend gemacht (§ 17 Abs. 1, 1. Alternative SGB X), ist die Entscheidung des Behördenleiters als verwaltungsinternes Handeln anzusehen, das heißt, die Anordnung ist den Beteiligten nicht in Form eines Verwaltungsaktes bekannt zu geben.
    Wird dagegen von einem Beteiligten das Vorliegen von Befangenheitsgründen behauptet (§ 17 Abs. 1, 2. Alternative SGB X), ist die Entscheidung und anschließende Anordnung des Behördenleiters den Beteiligten in Form eines Verwaltungsaktes bekannt zu geben. Die Entscheidung kann von dem Beteiligten nur zusammen mit der Entscheidung in der Hauptsache angefochten werden.
    Der von der weiteren Bearbeitung ausgeschlossene Bedienstete kann nur im Rahmen der Bestimmungen des entsprechenden Dienstrechts (zum Beispiel Beamtengesetz) gegen die Entscheidung des Behördenleiters vorgehen. Allerdings ist zu beachten, dass der Ausschluss von der Bearbeitung wegen der Besorgnis der Befangenheit keine „Negativbeurteilung“ des betroffenen Bediensteten darstellt.

Befangenheit des Behördenleiters

Betrifft die Besorgnis der Befangenheit den Behördenleiter selbst, trifft der Vorstand die entsprechende Entscheidung (§ 17 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB X), es sei denn, der Behördenleiter enthält sich der Mitwirkung. Diese Sonderbestimmung gilt nur für den Behördenleiter, nicht aber für den von ihm Beauftragten im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Im letzteren Fall ist der Behördenleiter selbst wieder zuständig.

Befangenheit von Ausschuss- oder Beiratsmitgliedern

Bei Vorliegen eines Befangenheitsantrages gegenüber einem Ausschuss- oder Beiratsmitglied ist die Bestimmung des § 16 Abs. 4 SGB X entsprechend anzuwenden (§ 17 Abs. 2 SGB X). Auf die Ausführungen in der GRA zu § 16 SGB X, Abschnitt 5 wird verwiesen.

Folgen fehlerhafter Mitwirkung

Ist ein Befangener für die Behörde im Verwaltungsverfahren tätig geworden, sei es, dass ein Mitwirkungsverbot zu Unrecht nicht ergangen ist oder die Unterrichtung des Behördenleiters unterblieben oder der Bedienstete der Anordnung des Behördenleiters nicht nachgekommen ist, ist der Verwaltungsakt, an dem er mitgewirkt hat, verfahrensfehlerhaft und damit rechtswidrig.

Eine Nichtigkeit kann jedoch nicht angenommen werden. Dies ergibt sich aus der analogen Anwendung der Bestimmung des § 40 Abs. 3 Nr. 2 SGB X. Ein Anspruch auf Aufhebung besteht nur nach Maßgabe des § 42 SGB X, das heißt, es kommt darauf an, ob der Verwaltungsakt im übrigen - ohne den Verfahrensfehler - rechtmäßig war.

Sozialgesetzbuch (SGB) -  Verwaltungsverfahren - (Zehntes Buch)vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469)

Inkrafttreten: 01.01.1981

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 8/2034

Die Vorschrift entspricht bis auf die Erweiterung des Absatz 1 um den Satz 3 dem § 21 VwVfG.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 17 SGB X