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§ 60 SGB IX: Andere Leistungsanbieter

Änderungsdienst
veröffentlicht am

14.04.2020

Änderung

Historie - Ergänzung - Ausnahme von Vorschriften für WfbM

Dokumentdaten
Stand24.03.2020
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Gesetzes zur Entlastung unterhaltsverpflichteter Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe (Angehörigen-Entlastungsgesetz) vom 10. Dezember 2019 in Kraft getreten am 01.01.2020
Rechtsgrundlage

§ 60 SGB IX

Version003.00

Inhalt der Regelung

Mit der Vorschrift wird für Menschen mit Behinderungen, die Anspruch auf Aufnahme in eine Werkstatt für behinderte Menschen haben, eine Alternative zur beruflichen Bildung und zur Beschäftigung in dieser Werkstatt geschaffen. Anspruch auf Aufnahme in eine Werkstatt haben Menschen mit Behinderungen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, die aber spätestens nach Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Bildung in der Lage sind, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen. Die Alternative besteht darin, dass die Menschen mit Behinderungen die ihnen zustehenden Leistungen nicht nur in der Werkstatt sondern auch außerhalb bei anderen Leistungsanbietern in Anspruch nehmen können.

Nach Absatz 2 gelten für einen anderen Leistungsanbieter grundsätzlich dieselben Vorschriften, die auch an die Werkstätten für behinderte Menschen gerichtet sind. Dazu zählt insbesondere die Zielsetzung des § 56. Absatz 2 enthält in einer abschließenden Aufzählung Anforderungen an Werkstätten für behinderte Menschen, die ein anderer Leistungserbringer nicht erfüllen muss. Damit sollen auch kleinere Leistungsanbieter sowie solche, die Maßnahmen der beruflichen Bildung oder eine Beschäftigung nicht in eigenen Räumlichkeiten anbieten, sondern solche Maßnahmen auf Plätzen in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes in der Form von „ausgelagerten Bildungs- und Arbeitsplätzen“ durchführen, als andere Leistungsanbieter nicht ausgeschlossen sein.

Ein anderer Leistungsanbieter hat schließlich anders als eine Werkstatt für behinderte Menschen keine Aufnahmeverpflichtung gegenüber dem Menschen mit Behinderungen. Er muss auch nicht alle Leistungen, also Leistungen zur beruflichen Bildung und Leistungen zur Beschäftigung, anbieten.

Absatz 3 bestimmt, dass der für die Leistungen zuständige Rehabilitationsträger nicht verpflichtet ist, dem leistungsberechtigten Menschen mit Behinderungen einen anderen Leistungsanbieter nachzuweisen.

Der Verweis auf § 221 SGB IX in Absatz 4 bedeutet, dass für das Rechtsverhältnis zwischen dem anderen Leistungsanbieter und dem Menschen mit Behinderungen dieselben Regeln gelten wie für das Rechtsverhältnis zwischen einer Werkstatt für behinderte Menschen und einen Werkstattbeschäftigten.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Für die Inanspruchnahme einer Leistung bei einem anderen Leistungsanbieter müssen die Anspruchsvoraussetzungen nach den §§ 57, 58 SGB IX erfüllt sein.

Das Wahlrecht nach § 62 SGB IX ermöglicht es den Menschen mit Behinderungen, Teile des Eingangsverfahrens und des Berufsbildungsbereiches zusammen von einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) und einem oder mehreren anderen Leistungsanbietern oder außerhalb der anerkannten WfbM von einem oder mehreren Leistungsanbietern erbringen zu lassen.

Die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers für Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich ergibt sich aus § 63 SGB IX.

Für das Rechtsverhältnis zwischen dem anderen Leistungsanbieter und dem Menschen mit Behinderungen gilt § 221 SGB IX entsprechend.

Voraussetzungen beim Menschen mit Behinderungen

Bevor ein Mensch mit Behinderungen eine Leistung bei einem anderen Leistungsanbieter in Anspruch nehmen kann, muss der zuständige Leistungsträger – wie vor Aufnahme in eine Werkstatt nach den §§ 57 und 58 SGB IX auch – Folgendes feststellen:

  • Ist der Mensch mit Behinderungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf diese Form der Teilhabe angewiesen?
    oder
  • Sind Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt möglich?

Wird die Leistungsberechtigung festgestellt, können Menschen mit Behinderungen Leistungen eines anderen Leistungsanbieters - ausschließlich oder für Teile der Leistung (vergleiche § 62 SGB IX) - als Alternative zur Werkstatt in Anspruch nehmen.

Leistungsberechtigt sind ausschließlich Personen, die Anspruch auf Leistungen der Werkstatt für behinderte Menschen nach § 219 Abs. 1 SGB IX haben. Neben der Zielgruppe der Menschen mit psychischer Beeinträchtigung sind auch Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf denkbar (zum Beispiel mit einer bestimmten Sinnesbeeinträchtigung, mit Autismus-Spektrum-Störung, mit einer spezifischen Teilhabebeeinträchtigung und/oder im Zusammenhang mit einem Migrations- und/oder Fluchthintergrund) und Menschen mit hohen Unterstützungsbedarfen, die die Werkstatt im Rahmen der bestehenden Ausstattung nicht besuchen und/oder nach dem Schulabschluss ein individuelles und passgenaues Angebot zur Teilhabe am Arbeitsleben in Anspruch nehmen wollen.

Rahmenbedingungen

Den Menschen mit Behinderungen soll die Möglichkeit eröffnet werden, auch außerhalb von Werkstätten tätig werden zu können. Damit dieses auch bei kleineren Anbietern möglich ist, werden bestimmte Anforderungen an eine anerkannte Werkstätte für behinderte Menschen ausgeschlossen. Dieses gilt aber nicht für die Zielsetzung (vergleiche § 56 SGB IX) und die Rechtsverhältnisse.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen, die für Werkstätten für behinderte Menschen gelten, bilden grundsätzlich auch die Bedingungen ab, die von anderen Leistungsanbietern zu erfüllen sind. Hierzu zählen insbesondere die Regelungen der §§ 56 ff. SGB IX, der Werkstättenverordnung sowie der künftigen Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen. Der Gesetzgeber hat keine bestimmte Unternehmensform vorbestimmt. Allerdings sieht § 60 SGB IX einige wesentliche Ausnahmen vor:

1.

Die anderen Leistungsanbieter bedürfen keiner förmlichen Anerkennung durch die Bundesagentur für Arbeit (BA).

Gleichwohl hat die BA ein Fachkonzept mit den Anforderungen erstellt, die von anderen Leistungsanbietern zu erfüllen sind, um entsprechende Leistungen für die BA durchführen zu können.

Die Rentenversicherungsträger haben der Übernahme des Fachkonzepts unter Beachtung RV-spezifischer Regelungen zugestimmt (AGDR 1/2018, TOP 11).

2.

Andere Leistungsanbieter müssen nicht über eine Mindestplatzzahl (120 Plätze - § 7 Abs. 1 WVO) und die für die Erbringung der Leistungen in Werkstätten erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung (§ 8 WVO) verfügen.

Damit besteht die Möglichkeit, auch kleine Bildungs- und/oder Beschäftigungsangebote in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarkts oder in Anbindung an solche Betriebe oder in der öffentlichen Verwaltung zu konzipieren. Das Angebot kann sich auf kleine und überschaubare Zielgruppen konzentrieren.

3.Andere Leistungsanbieter können ihr Angebot auf Leistungen nach § 57 SGB IX oder § 58 SGB IX oder Teile solcher Leistungen beschränken.
4.

Andere Leistungsanbieter sind nicht verpflichtet, für Menschen mit Behinderungen Leistungen nach § 57 SGB IX oder § 58 SGB IX durchzuführen, wenn und solange die Leistungsvoraussetzungen vorliegen.

Diese Ausnahme bedeutet im Umkehrschluss, dass der Rechtsanspruch auf Teilhabe am Arbeitsleben ganzheitlich nur bei einer Werkstatt für behinderte Menschen besteht.

5.Eine dem Werkstattrat vergleichbare Vertretung wird ab fünf Wahlberechtigten gewählt. Sie besteht bei bis zu 20 Wahlberechtigten aus einem Mitglied.
6.Eine Frauenbeauftragte wird ab fünf wahlberechtigten Frauen gewählt, eine Stellvertreterin wird ab 20 wahlberechtigten Frauen gewählt.
7.Die Regelungen zur Anrechnung von Aufträgen auf die Ausgleichsabgabe und zur bevorzugten Vergabe von Aufträgen durch die öffentliche Hand sind nicht anzuwenden.
8.

Wenn andere Leistungsanbieter Leistungen nach §§ 57, 58 SGB IX ausschließlich in betrieblicher Form erbringen, soll ein besserer als der in § 9 Abs. 3 WVO (Werkstättenverordnung) für den Berufsbildungsbereich oder für den Arbeitsbereich in einer Werkstatt für behinderte Menschen festgelegte Personalschlüssel angewendet werden.

Um ambulante Leistungen der beruflichen Bildung und der Beschäftigung außerhalb von Werkstätten für behinderte Menschen auch künftig zu ermöglichen und solche Leistungsanbieter gegenüber den Leistungsanbietern, die solche Maßnahmen in eigenen Räumlichkeiten und damit stationär in Gruppen durchführen, nicht zu benachteiligen, soll zwischen den Leistungserbringern und den Leistungsträgern ein besserer Personalschlüssel (z. B. 1 zu 4 anstatt 1 zu 6) vereinbart werden. Dies ist nicht zuletzt deshalb angemessen, weil der Leistungsträger bei den Leistungen in ausschließlich betrieblicher Form Kostenanteile in den Vergütungen einspart, die im Rahmen einer stationären Leistungserbringung anfallen würden.

Keine Angebotsverpflichtung durch den Rehabilitationsträger

Nach Absatz 3 sind die Rehabilitationsträger nicht verpflichtet, einem leistungsberechtigten Menschen mit Behinderungen einen „anderen Leistungsanbieter“ anzubieten. Hierdurch werden die Rehabilitationsträger von der Pflicht entbunden, sicherzustellen, dass in ihrem Zuständigkeitsbereich „andere Leistungsanbieter“ vorhanden sind.

Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich jedoch, dass der Rehabilitationsträger lediglich nicht verpflichtet ist, dem leistungsberechtigten Menschen mit Behinderungen einen anderen Leistungsanbieter nachzuweisen. Beantragt der leistungsberechtigte Mensch mit Behinderungen also konkret eine Leistung nach §§ 57, 58 SGB IX unter Nennung eines anderen Leistungsanbieters, der die Voraussetzungen für die Durchführung der Leistung erfüllt, kann die Leistung nicht unter Hinweis auf § 60 Abs. 3 SGB IX verweigert werden.

Rechtstellung des Menschen mit Behinderungen

Absatz 4 verweist auf die Regelung des § 221 SGB IX. Hierdurch wird sichergestellt, dass die Rechtsverhältnisse der dort tätigen Menschen mit Behinderungen bei einem „anderen Leistungsanbieter“ denselben Regelungen unterliegen wie in einer Werkstatt für behinderte Menschen.

Menschen mit Behinderungen, die an Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich bei einem anderen Leistungsanbieter teilnehmen, stehen somit nicht in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis, sondern sind Rehabilitanden, wie sie es auch in einer Werkstatt für behinderte Menschen wären (§ 221 Abs. 4 SGB IX in Verbindung mit § 52 SGB IX).

Gesetz zur Entlastung unterhaltsverpflichteter Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe (Angehörigen-Entlastungsgesetz) vom 10.12.2019 (BGBl. I. S. 2135)

Inkrafttreten: 01.01.2020

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 19/13399

In die Regelung wurde für andere Leistungsanbieter eine weitere Ausnahme von den Vorschriften für Werkstätten für behinderte Menschen (§ 60 Abs. 2 Nr. 8 SGB IX) aufgenommen.

Gesetz zur Änderung des Neunten und des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch und anderer Rechtsvorschriften vom 30.11.2019 (BGBl. I S. 1948)

Inkrafttreten: 01.01.2020

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 19/11006

In die Regelung wurde für andere Leistungsanbieter eine Ausnahme von den Vorschriften für Werkstätten für behinderte Menschen (§ 60 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX) aufgenommen.

Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234)

Inkrafttreten: 01.01.2018

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 18/9522

Die Regelung wurde durch das Bundesteilhabegesetz erstmals in das SGB IX aufgenommen.

Zusatzinformationen

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§ 60 SGB IX