Navigation und Service

Logo der Deutschen Rentenversicherung (Link zur Startseite rvRecht)

rvRecht® - Rechtsportal der Deutschen Rentenversicherung

§ 54 SGB IX: Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit

Änderungsdienst
veröffentlicht am

24.08.2020

Änderung

Die Anlage 1 wurde entfernt und im Abschnitt 3 wurde die Verlinkung auf die neue Gemeinsame Empfehlung aufgenommen

Dokumentdaten
Stand19.08.2020
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen vom 23.12.2016 in Kraft getreten am 01.01.2018
Rechtsgrundlage

§ 54 SGB IX

Version002.00

Inhalt der Regelung

Satz 1 der Vorschrift schafft für die Rehabilitationsträger die materiell-rechtliche Grundlage, die Bundesagentur für Arbeit (BA) bedarfsabhängig für eine Aussage zu Notwendigkeit, Art und Umfang einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben unter Berücksichtigung einer am Arbeitsmarkt gemessenen Zweckmäßigkeit in Anspruch zu nehmen. Satz 2 ermöglicht dies bereits in der Phase der akut- oder rehabilitativ-medizinischen Versorgung.

Wandel der gesetzlichen Grundlage in den Jahren und seine Auswirkungen

Nach der Gesetzesbegründung zu § 38 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017 entwickelt Satz 1 der Vorschrift die Regelung des bis 30.06.2001 geltenden § 5 Abs. 4 RehaAnglG fort.

Der Gesetzgeber hat hierbei ganz bewusst die Formulierung Fortentwicklung“ des Rechts gebraucht, weil sich im Vergleich beider Normen durch § 38 S. 1 SGB IX im Verhältnis zu § 5 Abs. 4 S. 1 und 2 RehaAnglG eine leichte Veränderung ergeben hat. Demzufolge kann nicht von einer Fortsetzung“ des Rechts gesprochen werden. Zum besseren Verständnis dessen sei rückblickend gesagt, dass § 5 Abs. 4 RehaAnglG in der bis zum 31.12.1997 gültigen Fassung die obligatorische Beteiligung der Arbeitsverwaltung bei „berufsfördernden Maßnahmen“ und die Erstellung eines sogenannten Eingliederungsvorschlages durch sie zwingend vorsah. Hieran waren die Rehabilitationsträger gebunden, der Eingliederungsvorschlag konnte bei unterschiedlichen Sichtweisen der Träger nur im Einigungsverfahren unter Beteiligung des Landesarbeitsamtes (jetzt: Regionaldirektion) (§ 5 Abs. 5 RehaAnglG bis 31.12.1997) gemeinsam abgeändert werden.

Insbesondere auf Betreiben der Rentenversicherung konnte mit Änderung des § 5 Abs. 4 RehaAnglG zum 01.01.1998 im Zuge der Wirksamkeit des SGB III eine stärkere Unabhängigkeit von dem Votum der Arbeitsverwaltung im Zusammenhang mit „berufsfördernden Maßnahmen“ erlangt werden. Aus der obligatorischen Erstellung eines Eingliederungsvorschlages wurde ein Dispositionsrecht für die Rehabilitationsträger geschaffen. Fortan waren sie nicht mehr verpflichtet, sondern konnten bedarfsabhängig die Arbeitsverwaltung in das (berufsfördernde) Geschehen einbinden. Auf Anforderung der Rehabilitationsträger nahm sie zu Notwendigkeit, Art und Umfang von Leistungen unter Berücksichtigung arbeitsmarktlicher Zweckmäßigkeit gutachterlich Stellung (§ 5 Abs. 4 S. 2 RehaAnglG in der Fassung bis 30.06.2001). Gleichwohl hatte der Rehabilitationsträger nach § 5 Abs. 4 S. 1 RehaAnglG in der Fassung bis 30.06.2001 die Arbeitsverwaltung bei „berufsfördernden Maßnahmen“ stets zu beteiligen. Das bedeutete, dass die BA dann auch zu beteiligen war, wenn eine gutachterliche Stellungnahme von ihr nicht angefordert wurde. Die Form der Beteiligung war nicht vorgeschrieben, sie konnte auch mittels durchschriftlicher Unterrichtung der Leistungserbringung erfolgen.

In diesem Punkt besteht die „Fortentwicklung“ des Rechts mit dieser Vorschrift. Sie enthält zwar in ihrer Überschrift noch den Begriff „Beteiligung“, indessen ist in der textlichen Ausgestaltung der Beteiligungsgrundsatz hier nicht mehr enthalten. Der Gesetzgeber überlässt es nunmehr den Rehabilitationsträgern nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 SGB IX selbst, eine gemeinsame Empfehlung gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX darüber zu erreichen, in welcher Weise die Bundesagentur für Arbeit von den übrigen Rehabilitationsträgern nach § 54 SGB IX zu beteiligen ist.

Allgemeines

Satz 1 dieser Vorschrift ermöglicht den Rehabilitationsträgern im Rahmen ihrer selbständigen und eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung (§ 6 Abs. 2 SGB IX) bei Bedarf die Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit in die Planung von geeigneten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit einzubinden. Die im Zusammenhang mit der dauerhaften beruflichen Eingliederung nicht unbedeutende, arbeitsmarktliche Kompetenz mit den dort vorhandenen Fachdiensten kann die Entscheidungsfindung und Prozessgestaltung der Rehabilitationsträger unterstützen.

Satz 2 macht deutlich, dass ein Votum der Bundesagentur für Arbeit nach Satz 1 bereits während des Aufenthaltes in einem Krankenhaus, einer Einrichtung des medizinischen oder der medizinisch-beruflichen Rehabilitation zur frühzeitigen Klärung und zeitnahen Ausführung von notwendigen Leistungen angefordert werden kann, wenn sich dort hierfür bereits Anhaltspunkte ergeben.

Anforderung einer „gutachterlichen“ BA-Stellungnahme (Satz 1)

Nach Satz 1 der Vorschrift nimmt die Bundesagentur für Arbeit auf Anforderung zu Notwendigkeit, Art und Umfang von Leistungen unter Berücksichtigung arbeitsmarktlicher Zweckmäßigkeit gutachterlich Stellung. Gleichwohl haben die Rehabilitationsträger ihre Aufgaben selbständig und eigenverantwortlich wahrzunehmen (§ 6 Abs. 2 SGB IX).

Um diese beiden Vorschriften sachgerecht in Einklang zu bringen, sollte das Instrument des Satzes 1 dieser Vorschrift keinesfalls automatisiert und die Abforderung der Dienstleistung der Bundesagentur für Arbeit nicht standardisiert werden. Dieses für die Anfordernden kostenneutrale Dienstleistungsangebot der BA ist ein Paket mit verschiedenen Inhalten; es beschränkt sich nicht alleine auf eine „arbeitsmarktliche Stellungnahme“, wie gelegentlich unzutreffenderweise der Eindruck entsteht. Entsprechend der Aufgabenstellung des Satzes 1 hat die Bundesagentur für Arbeit auf Anforderung zu Notwendigkeit, Art und Umfang von Leistungen eine Stellungnahme abzugeben; dabei berücksichtigt sie auch die Gegebenheiten des Arbeitsmarktes, um so zu einer zweckmäßigen Aussage zu gelangen. Dabei kann in bestimmten Fällen auch die Einbindung der Fachdienste der Arbeitsagentur (zum Beispiel Berufspsychologischer Service, Technische Beratung) oder eine Teamberatung geboten sein. Keinesfalls ist stets für die Aufgabenerfüllung der Arbeitsverwaltung im Sinne dieser Vorschrift ein Komplettangebot ihrer Dienstleistungen notwendig. Die Erforderlichkeit des Notwendigen wird letztlich durch die bekannten individuellen Gegebenheiten des Einzelfalles bestimmt. Im Sinne eines effektiven Verwaltungshandelns sollte deshalb der Rehabilitationsträger seine Anforderung nach dieser Vorschrift unter Darlegung der Verhältnisse konkretisieren, damit die Arbeitsverwaltung ihre Ressourcen zielgenau und zeitgerecht einsetzen kann.

Hinweis:

Zur Umsetzung dieses bedarfsbezogenen 'Kooperationsverhältnisses' haben die Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 SGB IX gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX eine Gemeinsame Empfehlung Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 SGB IX vereinbart, die zum 01.07.2020 in Kraft getreten ist. Ihr Ziel ist es, die arbeitsmarktlichen Fachkompetenzen der Arbeitsverwaltung für die anderen Rehabilitationsträger nutzbar zu machen und dabei die Verfahrensabläufe in den jeweiligen Verwaltungen effizient zu gestalten.

BA-Beteiligung bei Aufenthalt in Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation (Satz 2)

Satz 2 der Vorschrift belebt zweckmäßigerweise einen schon mal zu früherer Zeit normierten Gesichtspunkt neu. Bereits § 5 Abs. 4 S. 2 RehaAnglG in der Fassung bis 31.12.1997 sah eine Einbeziehung der Bundesagentur für Arbeit für die Einleitung von berufsfördernden Maßnahmen zu einem Zeitpunkt vor, da sich die betroffenen Menschen noch in einem Krankenhaus oder einer Einrichtung der medizinischen Rehabilitation aufhielten. Satz 2 dieser Vorschrift erhält zusätzlich seine Bedeutung durch die Regelung zum Zusammenwirken der Leistungen (§ 10 SGB IX); beide Regelungen stehen in direktem Zusammenhang.

Die Akutversorgung oder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation alleine reichen oft nicht aus, um Menschen in das Arbeitsleben zurückzuführen. Ergeben sich hier bereits Anzeichen für arbeitsbezogene Problemkonstellationen, die erkennen lassen, dass noch zusätzliche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich sein werden, damit der Betroffene seine Erwerbsfähigkeit dauerhaft wirtschaftlich einsetzen kann, macht es Sinn, die notwendigen Prozesse näher aneinander zu bringen.

Anforderungen im Sinne dieser Vorschrift sind ausschließlich durch Rehabilitationsträger zulässig. Keinesfalls ist die leistungsanbietende Einrichtung selbst (zum Beispiel durch den eigenen Sozialberatungsdienst) berechtigt, die Bundesagentur für Arbeit nach § 54 SGB IX in Anspruch zu nehmen. Die angestrebte enge „Verzahnung“ von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben macht die Vernetzung mit der nachklinischen Phase insbesondere durch frühe Information über weitergehenden Leistungsbedarf sowie Abstimmung mit Rehabilitationsfachberatern und Arbeitsagenturen erforderlich.

Verzahnung von Leistungen der medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben

Satz 2 dieser Vorschrift hat im Interesse der behinderten Menschen die Straffung und Beschleunigung des Eingliederungsprozesses zum Ziel. Hierfür sind die frühzeitige Erkennung eines Bedarfs weitergehender Leistungen und deren zeitnahe Erbringung im Anschluss an die Versorgung im akut- beziehungsweise rehabilitativ-medizinischen oder medizinisch-beruflichen Bereich von zentraler Bedeutung.

In geeigneten Fällen lassen sich durch gezielte diagnostische Instrumente in den medizinischen Rehabilitationseinrichtungen oder in Kooperation mit Einrichtungen der beruflichen Bildung/Rehabilitation entsprechende Erkenntnisse gewinnen und eine bessere „Verzahnung“ beider Leistungsphasen erreichen. Leistungsanbieter in Verbindung mit den Rehabilitationsträgern haben den sogenannten Verzahnungsprozess in der Vergangenheit auf diese Weise vorangebracht. Letztlich wird der Gedanke der Verzahnung und der hiermit in Einklang stehende Satz 2 dieser Vorschrift nur dann wirksam, wenn entsprechende Erkenntnisse dem Rehabilitationsträger unmittelbar bekannt gegeben werden und dann auch ein gewisses einzelfallbezogenes Rehabilitations- oder Eingliederungsmanagement einsetzt.

Diese Aufgabe wird von Rehabilitationsfachberatern/Rehabilitationsberatern wahrgenommen. Der Reha-Berater kann durch seine berufskundliche und arbeitsmarktliche Kompetenz das Maß des Notwendigen abschätzen und gegebenenfalls die geeigneten, notwendigen Schritte einleiten; bei Bedarf wird der Versicherte über den gesamten Verlauf des Rehabilitations- und Teilhabeverfahrens beratend und unterstützend begleitet. Mit seiner Verwaltungserfahrung und kommunikativen Fähigkeit ist er das koordinierende Bindeglied zwischen den verschiedenen Stellen und Institutionen (zum Beispiel Ärzte, Reha-Kliniken, Krankenhäuser, Arbeitgeber, Arbeitsagentur, Bildungseinrichtungen) und dem Versicherten. Durch Kontakte zu Krankenhäusern und regelmäßige Beratungstermine in den medizinischen Rehabilitationseinrichtungen soll das in Einzelfällen dort erkannte Erfordernis an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erörtert und die vorbereitenden Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Eine möglichst umfassende Abstimmung und frühzeitige Einleitung fördert die rechtzeitige Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen und erhöht die Eingliederungsaussichten.

Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234)

Inkrafttreten: 01.01.2018

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 18/9522

Die Vorschrift (bisher § 38 SGB IX) wurde durch das Bundesteilhabegesetz redaktionell überarbeitet.

Artikel 8 des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2891)

Inkrafttreten: 01.01.2004

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 15/1515

Die Vorschrift wurde durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 redaktionell geändert.

SGB IX vom 19.06.2001 (BGBl. I S. 1046)

Inkrafttreten: 01.07.2001

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 14/5789

Mit Artikel 1 des Neunten Sozialgesetzbuches (SGB IX) vom 19.06.2001 (BGBl. 2001, Teil I, Seite 1046) erfolgte die Neuordnung des Rechts zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. Die bisher im RehaAnglG (§ 5 Abs. 4) normierte Beteiligung der BA bei „berufsfördernden Maßnahmen“ findet durch die Aufhebung des RehaAnglG zum 30.06.2001 (Art. 63 SGB IX) nunmehr Berücksichtigung im § 54 SGB IX.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 54 SGB IX